Es ist ein Unding, und zwar wirklich ein Unding, dass der Senat die freiwilligen Helferinnen und Helfer am Hauptbahnhof zusätzlich auch noch für die Umverteilung von Flüchtlingen aus Hamburger Zentralen Erstaufnahmen in Anspruch nimmt. Die umzuverteilenden Flüchtlinge erhalten in den Einrichtungen ein Nahverkehrsticket in die Hand und werden dann auf den Weg geschickt. Sie werden in einem fremden Kultur- und Sprachraum und ohne Ortskenntnisse auf ihrem Weg in die neuen Unterkünfte allein gelassen. Sie finden sich nicht zurecht und brauchen Hilfe, aber niemand ist da außer den selbstorganisierten Helferinnen und Helfern, die bisher diese Hilfe geleistet haben. Sie haben vor einigen Tagen gesagt, das würden sie nicht mehr mitmachen, das sei die Aufgabe des Senats. Und wir finden, das geht auch wirklich überhaupt gar nicht.
Es ist allein die Verantwortung staatlicher Stellen, dass die Umverteilung funktioniert. Kommen Sie ihr nach, anstatt sich auch noch in Ihrer ureigensten Verantwortung auf der Arbeit Freiwilliger auszuruhen. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Es pressiert, und deswegen ist es richtig, die Anträge alle so schnell wie möglich an den Sozialausschuss zu überweisen.
Ich möchte aber in der Tat – und ich glaube schon, dass das ganze Haus zustimmt, vielleicht bis auf einige wenige – den großartigen Einsatz aller freiwilligen und ehrenamtlichen Helfer erwähnen.
Salopp gesprochen hat sich ein bunter Haufen zusammengetan, viele Freiwillige, die die unterschiedlichsten politischen Ziele verfolgt haben. Inzwischen ist ein Zusammenschluss verschiedenster Versorgungseinheiten entstanden, die mit dem PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband, der Caritas, verschiedensten Moscheen – die Al-Nour Moschee leistet großartige Arbeit –, aber auch Leitungen des Schauspielhauses und anderer Kultureinrichtungen Hand in Hand arbeiten, und zwar mit der gemeinsamen Zielsetzung, ein humanitäres Hilfsangebot bereitzustellen. Die Zusammenarbeit mit
dem runden Tisch am Hauptbahnhof funktioniert inzwischen. Das mag holprig gewesen sein, aber inzwischen ist sie vorhanden und garantiert die Einbeziehung aller relevanten Akteure – diese Forderung ist eigentlich längst erfüllt – zum Zweck gemeinsamer Absprachen. Hierzu zählt die große "Helfergruppe Hamburger Hauptbahnhof" mit ihren verschiedenen Untergruppen. Da ist die Lebensmittelversorgung, das medizinische Angebot, die Notkleiderkammer, die wir übrigens selbst begleiten aus Harvestehude, das Transferinformationssowie das Schlafplatzteam, die sich übrigens weitestgehend über Facebook organisieren. Wer hätte das gedacht? Ebenfalls einbezogen sind selbstverständlich die Deutsche Bahn – sehr wichtig als Hausherr –, die Bahnsicherheit, die Innenbehörde, die Bahnhofsmission und die Bundespolizei. Auch sie ist mit an Bord. Man kann nicht behaupten, dass hier nicht konstruktiv geholfen wird.
Die Thematik ist jedoch wirklich komplex. Es macht keinen Sinn, alle Anträge an den Ausschuss zu überweisen und jetzt hier zu diskutieren. Dafür brauchen wir die Überweisung. Und vielleicht ist es an der Zeit, diesen Konfrontationskurs zu verlassen. Das halte ich bei diesem Problemkreis für dringend notwendig. Wir haben ein Kernanliegen und sollten nicht das Gegenteil von dem produzieren, was wir wollen. Es ist eine beruhigte Situation notwendig am Hauptbahnhof, damit wir in kleinen Schritten zurück in eine Normalität kommen, trotz der durchreisenden Menschen, und nicht eine Überzeichnung und Dramatisierung. Wir tun immer so, als ob dort Chaos herrsche. Das stimmt nicht.
In dieser Überzeichnung liegt genau das Problem. Ich glaube, es ist wirklich sträflich, dadurch den politischen Kräften in die Hände zu spielen, die kein Interesse an einer Problemlösung haben. Sie leben nämlich von der Dramatisierung. Deswegen ist das Handeln des Senats unaufgeregt – und er handelt.
Wir alle kennen den Ausdruck "unter dem Radar fliegen". Diese Formulierung ist nicht nur jedem Juristen bekannt, sondern sie kann eigentlich auch als eine Art Gelenkschmiere von Systemen bezeichnet werden, deren Recht nicht mehr so richtig passt.
der Not zu uns fliehen, nicht mehr gerecht zu werden und das humanitäre Hilfsangebot der Freiwilligen vor Ort mit Füßen zu treten. Kaum ein Gesetz kann eine solch dynamische Entwicklung, wie wir sie momentan in der Flüchtlingspolitik erleben, von vornherein antizipieren. Gesetze werden für lineare Entwicklungen formuliert, ein exponentielles Wachstum ist rechtlich schwer vorherzusehen. Die Verantwortlichen wollten bei der Verabschiedung von Dublin III nicht die Brisanz erfassen, die sich entwickelt, wenn viele Tausend Menschen täglich an den Grenzen zu den Balkanstaaten, an der Grenze zu Österreich und dann an der Grenze zu Deutschland ankommen oder sich andere Routen suchen, weil gerade irgendwo eine Grenze dichtgemacht wird. Dublin III ist nicht für Zeiten gemacht, in denen 12 Millionen Syrer vor Bomben, Tod und Vergewaltigung fliehen, in denen eine mörderische IS-Verbrecherbande in Irak wütet und die Taliban in Afghanistan Kundus erobern, Männer umbringen, wenn sie sich nicht in deren Dienst stellen, und Frauen zu Tode gesteinigt werden. Dublin III passt nicht zur Genfer Flüchtlingskonvention in Zeiten der Not.
Die Verantwortlichen für Dublin III hatten die Vorstellung, die Lage als Insel inmitten der Grenzstaaten würde uns in Deutschland helfen, von Flüchtlingsbewegungen unberührt zu bleiben. Nun aber ist es so, dass eben diese Grenzstaaten diese Regeln außer Kraft setzen und Menschen auf der Durchreise als das behandeln, was sie sind, nämlich Menschen auf der Durchreise.
Die damit verbundene Rechtslage ist höchst kompliziert. Zuständig auf dem Bahnhofsgelände ist nicht Hamburg, sondern die Bundespolizei. Das Hausrecht liegt bei der Deutschen Bahn. Die Bundespolizei müsste die Innenbehörde um Amtshilfe bitten, wenn es um die Registrierung auf dem Bahnhofsgelände ginge. Das tut sie nicht; kein Bundesland tut das im Moment. Alle Bundesländer gestatten die Durchreise, so wie es alle Grenzländer tun. Und das heißt genau "unter dem Radar fliegen". Man sieht die Menschen und weiß, dass ihnen geholfen werden muss. Es sind Menschen mit Babys und Kindern, schwangere Mütter, ganze Familien, aber natürlich auch Alleinreisende. Sie wollen dorthin, wo sie Familien und Freunde haben, und ein Leben ohne Zerstörung, Gewalt und Krieg. Um dieses Ziel zu erreichen, opfern sich in der Tat seit Wochen ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, und weitestgehend erleben sie Rückendeckung von staatlichen Funktionsträgern. Auch diese fliegen unter dem Radar, indem unbürokratische Hilfen gewährt werden, die es den Hel
fern möglich macht, zu helfen. Es sind Hilfen für diese großartigen Helfer. Das ist im Übrigen auch das, was in den Städten passiert. Es sind eben keine Bundesländer, die dort die Hilfen organisieren, sie finanzieren die Gemeinden damit. Das ist der wesentliche Unterschied.
(Jörg Hamann CDU: Und deshalb machen wir das nicht! – Gegenruf von Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Es ist schon besser, dass Sie da nichts machen!)
Noch einmal: Es geht darum, nicht zu dramatisieren. Und wir bieten am Hauptbahnhof auch an – wenn Sie mich ausreden lassen, bekommen Sie es mit –, dass alle Menschen, die registriert werden wollen und in Hamburg bleiben wollen, von dort mit dem Bus in die Poststraße kommen. Und es wird dort nicht nur angeboten,
(Jörg Hamann CDU: Gehen Sie hin und schauen Sie, wie toll das funktioniert! – Ge- genruf von der SPD: Herr Hamann, melden Sie sich mal!)
sondern es wird auch darüber informiert, dass die Menschen, wenn sie sich registrieren lassen, alle staatlichen Leistungen erhalten.
Aber das Angebot für die Registrierung darf eben genau diese Hilfe für die Helfenden nicht ausschließen. Sie findet sich in der finanziellen Unterstützung der Verbände; das findet statt. Die Moscheen werden in ihrer Vereinsarbeit gestärkt, und dabei geht es auch darum, auszuloten, ob dies eventuell auch durch finanzielle Unterstützung geschieht, ich nenne allein die Stromkosten.
Diese Hilfe gestaltet sich in der organisatorischen Bereitstellung, zum Beispiel aktuell bei den Parkplätzen für die Zelte. Zukünftig ist dann auch der Umzug avisiert, federführend vom PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband. Der runde Tisch um den Hauptbahnhof bezieht alle ausdrücklich mit ein, die vor Ort aktiv sind.
Ich stehe in Kontakt mit Sidonie Fernau vom PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband und mit Frau Hniopek von der Caritas. Sonja Clasing betreibt bei uns die Kleiderkammer. Alle sagen, es sei anstrengend, es sei erschöpfend, aber sie spürten inzwischen überall die staatliche Unterstützung durch die indirekte Hilfestellung. Das ist eigentlich das Entscheidende.
Der Ruf nach dem Staat an dieser Stelle ist deswegen irrelevant, weil die Aktiven wissen, wenn es staatlich organisiert wäre, müsste es ein anderes Gesicht bekommen.
Dann müsste es eine andere Funktion bekommen. Alle, die an dieser Stelle das Gleiche wollen, verstehen das. Es ist nur schade, dass Sie es noch nicht wahrnehmen, dass diese Differenzierung zwischen Bundesland und Stadtstaat und Gemeinde uns hier einen Riegel vorschiebt.
Die unter dem Radar fliegende Hilfe infrage zu stellen, ist deswegen sträflich. Das spielt tatsächlich dem Antrag der CDU in die Hände, die mit anderen Mitteln, angeblich einfachen Lösungen und Repressalien einen völlig anderen Weg einschlagen möchte. Da ist sie sich zwar uneins mit ihrer und unserer Kanzlerin, aber das in der Partei im Moment nichts Ungewöhnliches.