Hendrikje Blandow-Schlegel

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Eigentlich hat Frau Engels wirklich schon alles gesagt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Selbst Menschen in einem vermeintlich intakten Lebensumfeld mit einer Wohnung, mit Kindern, mit Arbeit fällt es oftmals schwer zu akzeptieren, dass eine psychische Erkrankung ihr Leben belastet und eigentlich fachärztlich begleitet werden müsste. Selbst da braucht der Schritt von der Akzeptanz hin zu einer professionellen Hilfe manchmal Jahre.
Die Suche nach einer individuellen Behandlung ist also schon für normale Patienten – in Tüttelchen – nicht immer einfach. Um wie viel schwieriger ist es dann in der belasteten Situation der Obdachlosigkeit, den Weg zu einer psychiatrischen und auch psychotherapeutischen Behandlung zu finden?
Um den beobachteten und sich meist gegenseitig bedingenden Kreislauf von häufig multiplen Erkrankungen und deren Verstärkung durch die Obdachlosigkeit und umgekehrt zu durchbrechen, bedarf es neben der regelhaften Behandlungsmöglichkeit einer Hilfe, die die Menschen in der Obdachlosigkeit wirklich erreicht. Es müssen deshalb nieder
schwellige und aufsuchende Angebote gemacht werden, die in den Sprechstunden in den Notunterkünften und tatsächlich in den Tagesaufenthaltsstätten stattfinden. Auch, unter anderem schon erwähnt, der mobile Einsatz des CITYmobils der Caritas erfüllt genau diese Bedingung.
Wir verbinden mit dem Antrag in der Tat aber auch die Hoffnung, dass Fragen der Kooperation mit den ambulanten Praxen und Kliniken geklärt werden können und so der weitere Schritt in eine Behandlung des ärztlichen Regelsystems unternommen werden kann.
Wenn ein stationärer Aufenthalt erfolgversprechend sein soll, dann muss verhindert werden, dass in dieser Zeit der Betroffene seine Wohnung verliert. Leider ist das eine Erfahrung, von der wir aus dem Lebenslagenbericht der Obdachlosen in Hamburg berichtet bekommen haben. Deshalb wird die Zusammenarbeit des Sozialmanagements der jeweiligen Kliniken mit den Fachstellen für Wohnungsnotfälle initiiert, ein sehr wichtiger Baustein.
Mittelfristig sollte das helfen, um tatsächlich den Obdachlosen zu helfen.
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Frau Blandow-Schlegel, Ihre Redezeit ist beendet.
Danke. Alles klar, das war schon der letzte Satz.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, es ist jetzt im dritten Jahr die dritte Rede, die ich zum jährlichen Winternotprogramm halte, und man könnte meinen, es wäre eine Wiederholung des Bekannten, aber das stimmt nicht so ganz. Das Winternotprogramm wird nicht weniger wichtig, und immer wieder muss das Angebot neu angepasst werden. Und es ist gut, dass viele Menschen von verschiedener Seite prüfen und schauen, was sich noch besser machen lässt. Insofern danke ich allen Beteiligten, voran dem Senat, den Regierungsfraktionen, aber ja, auch den LINKEN, dann tatsächlich dafür, dass jedes Jahr viel Fürsorge und Aufwand aufgebracht wird, aber auch Problembewusstsein entwickelt wird dafür, wie man auf der einen Seite den Anforderungen an einen Erfrierungsschutz gerecht wird, auf der anderen Seite aber auch eine neue Entwicklung berücksichtigt werden muss.
Natürlich überweisen wir den Antrag der LINKEN. Es gilt erneut zu diskutieren, dass wir an den Öffnungszeiten aus den mehrfach öffentlich dargestellten Gründen festhalten, dass wir durch die ver
längerte Zeit morgens bis 9.30 Uhr den Übergang in die Tagesaufenthaltsstätten sicherstellen, dass wir wie bisher auch immer bei entsprechenden Minusgraden tagsüber die Unterkünfte offen halten und selbst im April, sollte er eisigkalt sein, die Unterkünfte noch zu nutzen sind. Aber vor allem müssen wir diskutieren, und das halte ich wirklich für wichtig, ob denn die Niederschwelligkeit infrage gestellt wird, wenn in veranlassten Einzelfällen Menschen bei wiederholter Übernachtung zum Beispiel gefragt werden, ob sie vielleicht doch Arbeit haben, und zwar weil sie, so eben auch passiert, in Arbeitskleidung ihren Schlafplatz in Anspruch nehmen und dann in die Wärmestube geschickt werden. Wie würden Sie denn damit umgehen, wenn Sie die Unterkunftsleitung wären und mitbekommen, dass da jemand das Winternotprogramm als billige Herberge nutzt?
Es gibt ein paar Beispiele von Inanspruchnahmen, die die Diskussion tatsächlich wert sind: Was bedeutet Niederschwelligkeit an der Stelle und was bedeutet Kontrolle? Es bleibt aber immer ein Erfrierungsschutz, auch durch die Wärmestube. Wenn Sie andere Ideen haben …
Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Frau Blandow-Schlegel, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
… freue ich mich auf die Ausschusssitzung.
Wir brauchen überhaupt keinen anderen Feiertag. Wir brauchen nur den Tag der Verkündung der Verfassung, denn alle Aspekte sind in der Verfassung enthalten.
Auch wenn die Mehrheit anscheinend schon feststeht, lassen Sie sich nicht davon beirren. Sie sind frei in Ihrem Mandat und Sie sind frei in Ihrer Stimmenvergabe.
Auch die, die glauben, einem Fraktionszwang unterliegen zu müssen, dürfen mit stimmen.
Dies ist eine Verneigung vor einer Frau, die nach zwei erlebten Weltkriegen, in denen die Frauen ihre Frau standen, nicht hinnehmen wollte, zurück an den Herd geschickt zu werden, sondern für das imperative Mandat an den Gesetzgeber, Männer und Frauen gleichzustellen, gekämpft hat. Dem Mut, dem Durchhaltevermögen, dem Networking, würde man heute sagen, von Elisabeth Selbert, geboren 1896, zwei Kinder, 1934 als letzte Frau als Rechtsanwältin und als eine von nur vier Frauen im Parlamentarischen Rat zugelassen, ist es zu verdanken, dass wir in Artikel 3 Absatz 2 im Grundgesetz verankert haben:
"Männer und Frauen sind gleichberechtigt."
Wir brauchen keinen Weltfrauentag. Wie wir ihn heute kennen, wurde er 1994 ergänzt:
"Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
In Absatz 1
"Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich."
geht es um ein Menschenrecht, das mit Absatz 2 und 3 konkretisiert wird.
Und wegen insbesondere mancher Hetze hier auf der rechten Seite des Raumes will ich auch den Absatz 3 zitieren:
"Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung beteiligt werden."
Was wir Elisabeth Selbert, Mitglied der SPD, zu verdanken haben: Die Frau muss nicht nur in staatsbürgerlichen Dingen, sondern auf allen Rechtsgebieten dem Mann gleichgestellt werden. Mehrere Anläufe waren nötig, um sich gegen die auch in der SPD vorhandene Verweigerungshaltung durchzusetzen. Gegen fast übermächtige männliche Interessen und unterstützt von Kurt Schumacher, Frauenverbänden, Juristinnen und Gewerkschaften organisierte Elisabeth Selbert die notwendige außerparlamentarische Meinungsbildung. Wäschekörbeweise wurden Aufforderungen an den Parlamentarischen Rat verschickt, um dem Ansinnen auf Gleichberechtigung von Hunderttausenden von Frauen gerecht zu werden. Trümmerfrauen, die den Aufbau der zerstörten Städte noch
in den Knochen hatten und nun keine Rolle mehr spielen sollten, meldeten sich zu Wort. Das konnte nicht übersehen werden. Am Ende wurde der Artikel 3 sogar einstimmig beschlossen. Seitdem ist viel passiert, unter anderem die Reform des Eheund Familienrechtes.
Ich verneige mich vor so viel Weitsicht, vor dem Durchsetzungsvermögen und vor dem Mut,
ich komme gleich zum Ende, letzter Satz –
alles in die Waagschale zu werfen, um der Ungleichheit und der Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern ein Ende zu setzen. – Geben Sie uns Ihre Stimme.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Da der Antrag richtigerweise in den Ausschuss geht, nur wenige Punkte: Hamburg, wie im Übrigen auch viele andere Bundesländer, ist haushaltstechnisch gehalten, die Gebühren in der öffentlich-rechtli
chen Unterbringung anzupassen und den tatsächlichen Kosten entsprechend geltend zu machen, um überhaupt anteilige Kostenerstattung über den Bund zurückzuerhalten. Das ist unstrittig.
Ja, ich gebe Ihnen recht, der Zeitpunkt der Bekanntgabe zwei Tage vor Weihnachten, da könnte man sagen: Da hat bei fördern und wohnen jemand nicht mitgedacht. Wir hatten in der Tat Panikanrufe und auch Panikattacken, denn zum Teil sind auch wirklich falsche Bescheide herausgegangen. Aber es ist ein laufendes Verfahren und es ist im laufenden Verfahren nachgesteuert worden und inzwischen, glaube ich, hat sich vieles eingespielt. Wirklich betroffen – und deswegen stimmt Ihre Zahl nicht, Frau Ensslen – von der Gebühr sind bei über 30 000 Unterbringungen ungefähr 1 588 Leute und gerade einmal 100 Härtefälle.
Bisher ist es in der Tat so, dass wir die Gebühren nicht gestaffelt erheben können. Dann steuert, das hat der Senat angekündigt, man aber auch nach. Es wird eine gestaffelte Erhebung kommen; zumindest ist das in Vorbereitung. Auch die Fachstellen für Wohnungsnotfälle wurden schon darüber angewiesen, dass eine prioritäre Behandlung angesichts dieser diagnostizierten Selbstzahler notwendig ist. Im März findet zwischen den beteiligten Behörden eine Evaluierung statt. Wir schlagen vor, dass diese Ergebnisse in die Ausschusssitzung mitgenommen werden, um sie dort zu diskutieren.
Ein paar Punkte werden strittig bleiben. Gebühren sind nicht Mieten. In der öffentlich-rechtlichen Unterkunft kann es kein Äquivalenzprinzip geben. Differenzierungen je nach Unterkunftsstandards sind kaum durchzuhalten. Ich denke, das ist auch die Diskussion, die wir im Ausschuss führen werden. Am Ende sind wir, glaube ich, uns alle einig: Wir brauchen sozialen Wohnungsbau, wir brauchen sozialen Wohnungsbau und wir brauchen sozialen Wohnungsbau. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nein, das Hamburger Landesparlament wird sich nicht dafür hergeben, die Gesetzesvorlagen der AfD in Berlin positiv zu begleiten. Für die Mehrheiten müssen Sie schon selbst sorgen.
Und nein, der Antrag ist nicht zustimmungsfähig. Sie missbrauchen schreckliche Straftaten zur Einführung medizinischer Reihenuntersuchungen mit dem Ziel, den Generalverdacht gegen geflüchtete Menschen, Kinder und Jugendliche zu schüren. Das ist infam. Und das ist entschieden zurückzuweisen.
Es gibt keinen Anlass für eine gesetzliche Änderung des Paragrafen 42f SGB und es gibt einen grundlegenden Irrtum bei der AfD. Im Einklang mit EU-Richtlinien und der UN-Kinderrechtskonvention geht es um den Schutz von Kindern und Jugendli
chen und darum, deren Minderjährigkeit festzustellen, und nicht um die Abwehr von Gefahren.
In 2017 haben gerade einmal 8 Prozent der in Obhut genommenen Jugendlichen fragwürdige Altersangaben gemacht, in Hamburg genau 51 Personen und nicht die von der AfD behauptete Zahl von 50.
Das Verfahren mit den verschiedenen vorgesehenen Bausteinen aus Papieren, Befragungen, Inaugenscheinnahme und nur im Zweifel der medizinischen anlassbezogenen Untersuchung ist unter Abwägung der Rechtsgüter, und zwar von Schutz und Wahrung körperlicher Unversehrtheit, Rücksichtnahme auf altersbedingte, aber auch kulturelle Schamgrenzen, also einer menschenwürdigen Behandlung,
zur von Ihnen geforderten Gefahrenabwehr der einzig verhältnismäßige Weg. Die Unterstellung, man könne allein mit einer medizinischen Untersuchung objektiv feststellen, ob der Mensch volljährig ist oder nicht, trifft gar nicht zu. Die Ethikkommission der Bundesärztekammer kommt zu dem Ergebnis, dass ein adultes, reifes Handskelett bereits im Alter von 15 Jahren und relevante Altersmerkmale im Zahnskelett ab einem Alter von 16 Jahren vorliegen können, sich unter Berücksichtigung einer doppelten Standardabweichung also eine
mögliche Abweichung
von mehr als zwei Jahren ergeben kann. Von objektiv feststellbar
kann keine Rede sein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat hat es ein bisschen gedauert, aber es dauert eben nicht nur, darüber zu reden, sondern auch, miteinander zu reden. Und es ist einfach eine Qualität des jetzigen Konzepts, dass tatsächlich die Arbeitsgemeinschaft des Bündnisses der Hamburger Flüchtlingsinitiativen intensiv daran mitgearbeitet hat. Dieser konstruktive Austausch dauert; das sind Ehrenamtliche, das sind keine Menschen, die sich acht Stunden am Tag hinsetzen und in den Computer reinhacken, sondern die Zeit ist tatsächlich notwendig gewesen, und ich durfte – dafür bin ich sehr dankbar – diese Arbeit dauerhaft begleiten.
Für den konstruktiven Austausch möchte ich mich ausdrücklich bei der Senatorin, aber eben auch bei Senator Andy Grote bedanken, und ich möchte mich bei dem Flüchtlingszentrum bedanken, das diese Arbeit begleitet hat. Dieser konstruktive Austausch sichert die Qualität dieses Konzepts.
Die Geschäftsstelle ist niederschwellig, sie ist weisungsungebunden, sie ist unabhängig und entgegen der Vermutung ist sie für alle da. Selbstverständlich ist sie für die Ehrenamtler, für die Geflüchteten selbst, aber auch für die Hauptamtler und natürlich auch anonym. Sie haben selbstverständlich die Möglichkeit, anonym eine Beschwerde abzugeben. Das vorhandene Beschwerdemanagement, das ist ebenfalls wichtig, soll entlastet werden durch strukturelle prophylaktische Erarbeitung von Konfliktlösungen. Ich glaube, das wird mittelfristig tatsächlich zur Entlastung aller Beteiligten führen.
Ich kann mich nur bei allen Beteiligten bedanken und wünsche ebenso wie alle anderen – und das ist etwas Wunderbares, dass Sie sich hier alle einig sind – Annegrethe Stoltenberg eine wirklich glückliche Hand bei der Arbeit. Wir werden sie weiterhin konstruktiv begleiten. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Senator, wir haben eventuell Erfahrungen aus dem OSZE-Gipfel, das haben Sie vorhin selbst erwähnt. Können Sie daraus berichten? Gab es Einschränkungen für Obdachlose und kann man daraus etwas für den G20-Gipfel ableiten?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Es pressiert, und deswegen ist es richtig, die Anträge alle so schnell wie möglich an den Sozialausschuss zu überweisen.
Ich möchte aber in der Tat – und ich glaube schon, dass das ganze Haus zustimmt, vielleicht bis auf einige wenige – den großartigen Einsatz aller freiwilligen und ehrenamtlichen Helfer erwähnen.
Salopp gesprochen hat sich ein bunter Haufen zusammengetan, viele Freiwillige, die die unterschiedlichsten politischen Ziele verfolgt haben. Inzwischen ist ein Zusammenschluss verschiedenster Versorgungseinheiten entstanden, die mit dem PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband, der Caritas, verschiedensten Moscheen – die Al-Nour Moschee leistet großartige Arbeit –, aber auch Leitungen des Schauspielhauses und anderer Kultureinrichtungen Hand in Hand arbeiten, und zwar mit der gemeinsamen Zielsetzung, ein humanitäres Hilfsangebot bereitzustellen. Die Zusammenarbeit mit
dem runden Tisch am Hauptbahnhof funktioniert inzwischen. Das mag holprig gewesen sein, aber inzwischen ist sie vorhanden und garantiert die Einbeziehung aller relevanten Akteure – diese Forderung ist eigentlich längst erfüllt – zum Zweck gemeinsamer Absprachen. Hierzu zählt die große "Helfergruppe Hamburger Hauptbahnhof" mit ihren verschiedenen Untergruppen. Da ist die Lebensmittelversorgung, das medizinische Angebot, die Notkleiderkammer, die wir übrigens selbst begleiten aus Harvestehude, das Transferinformationssowie das Schlafplatzteam, die sich übrigens weitestgehend über Facebook organisieren. Wer hätte das gedacht? Ebenfalls einbezogen sind selbstverständlich die Deutsche Bahn – sehr wichtig als Hausherr –, die Bahnsicherheit, die Innenbehörde, die Bahnhofsmission und die Bundespolizei. Auch sie ist mit an Bord. Man kann nicht behaupten, dass hier nicht konstruktiv geholfen wird.
Die Thematik ist jedoch wirklich komplex. Es macht keinen Sinn, alle Anträge an den Ausschuss zu überweisen und jetzt hier zu diskutieren. Dafür brauchen wir die Überweisung. Und vielleicht ist es an der Zeit, diesen Konfrontationskurs zu verlassen. Das halte ich bei diesem Problemkreis für dringend notwendig. Wir haben ein Kernanliegen und sollten nicht das Gegenteil von dem produzieren, was wir wollen. Es ist eine beruhigte Situation notwendig am Hauptbahnhof, damit wir in kleinen Schritten zurück in eine Normalität kommen, trotz der durchreisenden Menschen, und nicht eine Überzeichnung und Dramatisierung. Wir tun immer so, als ob dort Chaos herrsche. Das stimmt nicht.
Doch, in dem einen oder anderen Antrag schon.
In dieser Überzeichnung liegt genau das Problem. Ich glaube, es ist wirklich sträflich, dadurch den politischen Kräften in die Hände zu spielen, die kein Interesse an einer Problemlösung haben. Sie leben nämlich von der Dramatisierung. Deswegen ist das Handeln des Senats unaufgeregt – und er handelt.
Wir alle kennen den Ausdruck "unter dem Radar fliegen". Diese Formulierung ist nicht nur jedem Juristen bekannt, sondern sie kann eigentlich auch als eine Art Gelenkschmiere von Systemen bezeichnet werden, deren Recht nicht mehr so richtig passt.
Das erläutere ich gleich.
Das Recht als alleinigen Maßstab zur Orientierung zu nehmen, heißt dann, den Menschen, die aus
der Not zu uns fliehen, nicht mehr gerecht zu werden und das humanitäre Hilfsangebot der Freiwilligen vor Ort mit Füßen zu treten. Kaum ein Gesetz kann eine solch dynamische Entwicklung, wie wir sie momentan in der Flüchtlingspolitik erleben, von vornherein antizipieren. Gesetze werden für lineare Entwicklungen formuliert, ein exponentielles Wachstum ist rechtlich schwer vorherzusehen. Die Verantwortlichen wollten bei der Verabschiedung von Dublin III nicht die Brisanz erfassen, die sich entwickelt, wenn viele Tausend Menschen täglich an den Grenzen zu den Balkanstaaten, an der Grenze zu Österreich und dann an der Grenze zu Deutschland ankommen oder sich andere Routen suchen, weil gerade irgendwo eine Grenze dichtgemacht wird. Dublin III ist nicht für Zeiten gemacht, in denen 12 Millionen Syrer vor Bomben, Tod und Vergewaltigung fliehen, in denen eine mörderische IS-Verbrecherbande in Irak wütet und die Taliban in Afghanistan Kundus erobern, Männer umbringen, wenn sie sich nicht in deren Dienst stellen, und Frauen zu Tode gesteinigt werden. Dublin III passt nicht zur Genfer Flüchtlingskonvention in Zeiten der Not.
Dublin III ist deshalb auch aktuell ganz praktisch nicht durchsetzbar.
Die Verantwortlichen für Dublin III hatten die Vorstellung, die Lage als Insel inmitten der Grenzstaaten würde uns in Deutschland helfen, von Flüchtlingsbewegungen unberührt zu bleiben. Nun aber ist es so, dass eben diese Grenzstaaten diese Regeln außer Kraft setzen und Menschen auf der Durchreise als das behandeln, was sie sind, nämlich Menschen auf der Durchreise.
Die damit verbundene Rechtslage ist höchst kompliziert. Zuständig auf dem Bahnhofsgelände ist nicht Hamburg, sondern die Bundespolizei. Das Hausrecht liegt bei der Deutschen Bahn. Die Bundespolizei müsste die Innenbehörde um Amtshilfe bitten, wenn es um die Registrierung auf dem Bahnhofsgelände ginge. Das tut sie nicht; kein Bundesland tut das im Moment. Alle Bundesländer gestatten die Durchreise, so wie es alle Grenzländer tun. Und das heißt genau "unter dem Radar fliegen". Man sieht die Menschen und weiß, dass ihnen geholfen werden muss. Es sind Menschen mit Babys und Kindern, schwangere Mütter, ganze Familien, aber natürlich auch Alleinreisende. Sie wollen dorthin, wo sie Familien und Freunde haben, und ein Leben ohne Zerstörung, Gewalt und Krieg. Um dieses Ziel zu erreichen, opfern sich in der Tat seit Wochen ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, und weitestgehend erleben sie Rückendeckung von staatlichen Funktionsträgern. Auch diese fliegen unter dem Radar, indem unbürokratische Hilfen gewährt werden, die es den Hel
fern möglich macht, zu helfen. Es sind Hilfen für diese großartigen Helfer. Das ist im Übrigen auch das, was in den Städten passiert. Es sind eben keine Bundesländer, die dort die Hilfen organisieren, sie finanzieren die Gemeinden damit. Das ist der wesentliche Unterschied.
Und wir sind Bundesland und Stadtstaat in einem.
Wir machen eine ganze Menge.
Noch einmal: Es geht darum, nicht zu dramatisieren. Und wir bieten am Hauptbahnhof auch an – wenn Sie mich ausreden lassen, bekommen Sie es mit –, dass alle Menschen, die registriert werden wollen und in Hamburg bleiben wollen, von dort mit dem Bus in die Poststraße kommen. Und es wird dort nicht nur angeboten,
sondern es wird auch darüber informiert, dass die Menschen, wenn sie sich registrieren lassen, alle staatlichen Leistungen erhalten.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Das Wort hat Frau Blandow-Schlegel, bitte.
Aber das Angebot für die Registrierung darf eben genau diese Hilfe für die Helfenden nicht ausschließen. Sie findet sich in der finanziellen Unterstützung der Verbände; das findet statt. Die Moscheen werden in ihrer Vereinsarbeit gestärkt, und dabei geht es auch darum, auszuloten, ob dies eventuell auch durch finanzielle Unterstützung geschieht, ich nenne allein die Stromkosten.
Das muss man sehen.
Diese Hilfe gestaltet sich in der organisatorischen Bereitstellung, zum Beispiel aktuell bei den Parkplätzen für die Zelte. Zukünftig ist dann auch der Umzug avisiert, federführend vom PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband. Der runde Tisch um den Hauptbahnhof bezieht alle ausdrücklich mit ein, die vor Ort aktiv sind.
Ich stehe in Kontakt mit Sidonie Fernau vom PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband und mit Frau Hniopek von der Caritas. Sonja Clasing betreibt bei uns die Kleiderkammer. Alle sagen, es sei anstrengend, es sei erschöpfend, aber sie spürten inzwischen überall die staatliche Unterstützung durch die indirekte Hilfestellung. Das ist eigentlich das Entscheidende.
Der Ruf nach dem Staat an dieser Stelle ist deswegen irrelevant, weil die Aktiven wissen, wenn es staatlich organisiert wäre, müsste es ein anderes Gesicht bekommen.
Dann müsste es eine andere Funktion bekommen. Alle, die an dieser Stelle das Gleiche wollen, verstehen das. Es ist nur schade, dass Sie es noch nicht wahrnehmen, dass diese Differenzierung zwischen Bundesland und Stadtstaat und Gemeinde uns hier einen Riegel vorschiebt.
Die unter dem Radar fliegende Hilfe infrage zu stellen, ist deswegen sträflich. Das spielt tatsächlich dem Antrag der CDU in die Hände, die mit anderen Mitteln, angeblich einfachen Lösungen und Repressalien einen völlig anderen Weg einschlagen möchte. Da ist sie sich zwar uneins mit ihrer und unserer Kanzlerin, aber das in der Partei im Moment nichts Ungewöhnliches.
Wir wollen die Menschen ernst nehmen in ihrer Absicht, tatsächlich ihr Zielland zu erreichen, und das vielleicht auch aus der schlichten Erkenntnis heraus, liebe CDU, dass ungefähr 1 000 Menschen pro Tag ankommen. Wollen Sie täglich 1 000 Menschen registrieren, und wollen Sie täglich 1 000 Menschen in eine öffentliche Unterbringung bringen?
Denken Sie das einmal bitte zu Ende. Lassen Sie uns also die Details im Ausschuss besprechen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Wir brauchen uns nur die Tagesordnungspunkte der vergangenen Bürgerschaftssitzungen anzuschauen, dann wissen wir genau: Die große Anzahl der Zuflucht suchenden Menschen in unserem Land bestimmt die Themen und die Aufgaben. Senat und Verwaltung haben damit alle Hände voll zu tun. Da könnte es leicht passieren, dass andere Themen und Aufgaben ins Hintertreffen geraten. Genau das soll und darf nicht passieren.
Es ist notwendig, den Blick für die Menschen, die schon hier sind, zu behalten und Hamburgerinnen und Hamburger mit oder ohne Migrationshintergrund gleichermaßen zu unterstützen, wenn sie der Hilfe bedürfen. Dabei dürfen wir aber in unserem Handeln diese Gruppen nicht gegeneinander ausspielen, das wäre fahrlässig und sträflich. Wir haben an dieser Stelle eine politische Gesamtverantwortung. Deshalb ist die beschlossene Fortsetzung des Winternotprogramms mit jetzt 850 Plätzen ein gutes und richtiges Signal.
Keiner wird abgewiesen werden, wenn er vor Kälte Schutz sucht. Das ist im Übrigen weder im Jahr 2014 passiert, noch wird es im Winter 2015/2016 passieren. Und auch für den Tag müssen Aufenthaltsräume geöffnet werden. Das muss dauerhaft gesichert sein, dafür ist weiterhin Sorge zu tragen. In diesem Zusammenhang ist der Antrag der Kolleginnen und Kollegen von der CDU richtigerweise an den Sozialausschuss zu überweisen, damit wir dort prüfen können, ob die Unterkünfte des Winternotprogramms auch tagsüber geöffnet bleiben können. Das besprechen wir dort. Im Übrigen hat es das auch schon gegeben und wir werden schauen, welche Gründe es jetzt dafür gibt – die Gründe sind klar, aber ob es geht, müssen wir noch einmal diskutieren.
Wichtig ist: Beim Winternotprogramm geht es nicht nur um Schlafplätze, es geht auch um rechtliche Beratung, und es geht um medizinische Versorgung. Das unterscheidet Hamburg sehr von anderen Bundesländern. Es reicht nicht, U-Bahnhöfe zu öffnen. Wir müssen die nachhaltige Verbesserung
einer von Mangel geprägten Lebenssituation weiterhin im Auge behalten.
Um das Argument der einen oder anderen Seite – ich weiß, von wem es kommt – gleich vorwegzunehmen, man müsste immer noch mehr tun: Die Anstrengung, den Problemen und der Lebenssituation der obdach- und wohnungslosen Menschen gerecht zu werden, bleibt eine weitere Aufgabe des Staats. Da gibt es keinen Stillstand, da muss immer weiter nachgebessert werden. Deshalb ist der Baustein von weiteren 100 dauerhaften Übernachtungsplätzen richtig, und es wird gesichert, dass diese ergänzend zum Pik As für diesen Winter geöffnet werden.
Dabei ist es gut, dass der besondere Bedarf von Menschen in Begleitung eines Hundes genauso Berücksichtigung finden soll wie eine andere Art von Schutzbedürftigkeit bei Frauen.
Der Hund ist uns bekannt als Partner und Stütze für viele Menschen in allen Altersklassen und verschiedenen psychosozialen Situationen, er ist umso mehr ein wichtiger stabilisierender und begleitender Faktor für Menschen, die auf der Straße leben.
Dem in einer solchen Notsituation gerecht zu werden und es bei der Neugestaltung von Schlafplätzen zu berücksichtigen, ist absolut sinnvoll und auf gar keinen Fall eine Sentimentalität.
Gleiches gilt für obdachlose Frauen. Ihr Bedürfnis nach besonderem Schutz in der Nacht, nicht nur vor Wind und Wetter, sondern eben auch vor möglichen Übergriffen, ist sofort nachvollziehbar. Das ist auf jeden Fall zu verbessern, das bisherige Angebot reicht dafür nicht aus. Das sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden, deswegen haben wir ins Petitum auch eine relativ kurzfristige Berichterstattungsfrist aufgenommen.
Wir bitten an dieser Stelle die neue Sozialsenatorin: Frau Leonhard, übernehmen Sie. Unsere Unterstützung haben Sie. – Ich danke Ihnen.