Protocol of the Session on October 1, 2015

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Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist eröffnet.

Mir ist mitgeteilt worden, dass vor Eintritt in die Tagesordnung aus den Reihen der Koalitionsfraktionen gemäß Paragraf 44 unserer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird. Herr Kienscherf, Sie haben es für maximal zwei Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will es kurz machen. Wie gestern in der Bürgerschaftssitzung schon angekündigt, beantragen wir heute gemäß Paragraf 26 Absatz 4 der Geschäftsordnung der Bürgerschaft, die Tagesordnung um die zweite Lesung der Drucksache 21/1753 zu ergänzen. Wir wollen dadurch gewährleisten, dass dieses für die Stadt sehr, sehr wichtige Gesetz umgehend in Kraft treten und Wirkung entfalten kann.

(Dirk Nockemann AfD: Trickser!)

Wie wichtig das ist, haben uns die dramatischen Situationen in den letzten beiden Nächten gezeigt. Wir als Hamburg, wir als Bürgerschaft dürfen es nicht zulassen, dass Flüchtlinge in dieser Stadt im Freien übernachten müssen. Das müssen wir ändern.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Es kann nicht sein, dass Menschen im Freien übernachten und auf der anderen Seite viele Gewerbeflächen und Gewerbehallen ungenutzt leer stehen. Das können wir doch nicht zulassen. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Hallen neuen Nutzungen zugeführt werden, dass wir den Flüchtlingen in dieser Stadt helfen,

(André Trepoll CDU: Ist das eine Geschäfts- ordnungsdebatte oder eine inhaltliche?)

und dazu dient dieses Gesetz, das wir heute verabschieden werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNE und der LINKEN)

Bevor ich Herrn Hamann von der CDU-Fraktion das Wort gebe, möchte ich Herrn Nockemann gern an den parlamentarischen Sprachgebrauch erinnern. – Herr Hamann, Sie haben das Wort, ebenfalls für maximal zwei Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als CDUFraktion sehen wir hier keine Eile. Wir haben das gestern ausführlich diskutiert. Die Absichten mögen gut sein, aber auch hier gilt: Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

Zur gestrigen Debatte möchte ich mir noch eine persönliche Anmerkung gegenüber dem Ersten Bürgermeister erlauben. Herr Bürgermeister, Ihr Verhalten gestern fand ich nicht in allen Situationen in Ordnung. Wenn der Oppositionsführer spricht, wenn Frau Suding spricht, wenn andere Kollegen sprechen, dann ist es nicht Usus im Haus, dass am Platz telefoniert wird, dass hin und her gelaufen wird, dass zu den Journalisten gegangen wird. Normalerweise versucht man dann, fair und vernünftig der Debatte zu folgen.

(Beifall bei der CDU)

Ich will das einmal ganz deutlich sagen, Herr Kollege: Ich bin einige Tage länger als Sie hier im Haus, aber an eine solche Art und Weise kann ich mich in all den zurückliegenden Legislaturperioden nicht erinnern,

(Jenspeter Rosenfeldt SPD: Ich schon!)

von keinem Bürgermeister. So habe ich Ihren Ersten Bürgermeister bisher nicht kennengelernt. Ich glaube auch, Herr Bürgermeister Scholz, das passt nicht zu Ihnen. Das sollten wir hier so nicht machen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Wort bekommt Herr Müller von der GRÜNEN Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Meine GRÜNE Fraktion unterstützt den Antrag der SPDFraktion.

(Ralf Niedmers CDU: Welch Wunder!)

Ich glaube, nach der Debatte gestern und dem, was wir in den Zeitungen gelesen und im Fernsehen gesehen haben, ist doch eines klar: Dieses Gesetz, das wir abändern wollen, ist genau für diese Situation geschaffen. Es ermöglicht, dass eine Regierung auf eine Notsituation reagieren kann. Wenn Sie nicht wollen, dass eine Regierung reagieren kann, dann sind Sie auch keine Alternative für die Regierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Frau Sudmann von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben das Wort.

Ich finde, es ist sehr beeindruckend, dass die CDU sich hinstellt und es wagt zu sagen, wir hätten keine Eile. Ganz im Ernst, das ist eine Situation, die wir noch nie erlebt haben, und ich möchte es auch niemandem von uns wünschen, irgendwo auf der Straße übernachten zu müssen, weil die CDU sagt, wir hätten keine Eile und könnten uns Zeit lassen.

Ich kann zwar in Richtung Regierungskoalition bemerken, dass wir schon vor vier Wochen genau solch ein Gesetz beantragt haben. Das haben Sie damals abgelehnt. Sie hätten vier Wochen gewinnen können. Aber jetzt haben wir keine Zeit zu warten. Denn wenn wir das Gesetz heute nicht in zweiter Lesung beschließen, dauert es weitere 14 Tage. In diesen 14 Tagen werden sehr viele Dramen passieren, so wie in Bergedorf, so wie in Harburg, so wie in anderen Stadtteilen. Das kann diese Stadt, das können vor allen Dingen die Flüchtlinge sich nicht erlauben. Deswegen bitte ich um Zustimmung zur zweiten Lesung – und das als Opposition.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort hat Herr Kruse von der FDP-Fraktion.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Flüchtlingsunterbringung ist eine große Herausforderung für alle von uns.

(Wolfgang Rose SPD: Ja!)

Dass wir als FDP-Fraktion dazu auch konstruktive Vorschläge machen, das konnte man gerade gestern wieder sehen. Aber schon die Einbringung des Gesetzentwurfs als Zusatzantrag und damit die Umgehung der Einbringungsfrist hebelt die Einbindung der Opposition durch ein Verfahren mit angemessener Vorbereitungszeit aus. Das wissen Sie auch. Den Antrag in einem Feierabendparlament einen Tag vorher an die Opposition zu verschicken, das ist dreist. Und bei der so verkürzten Planungsfrist stellen wir dann auch noch fest, dass Sie das Gesetz ganz offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt haben,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das hatten wir doch schon gestern!)

obwohl Ihnen seit Monaten klar sein müsste, was passiert und dass die Flüchtlingszahlen immer und immer wieder nach oben korrigiert werden. Mit dieser Überrumpelung wollen Sie dem Senat jetzt eine Rechtsgrundlage schaffen, die enteignungsgleiche Eingriffe ermöglicht. Sie untergraben die Akzeptanz der Maßnahmen zur Flüchtlingsunterbringung in dieser Stadt.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD)

Was Sie und wir, glaube ich, alle gleich gut wissen, ist: Die Menschen in dieser Stadt sind verunsichert. Und in dieser Situation erlauben Sie jetzt die Beschlagnahmung von privatem Wohneigentum.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Hast du nicht zu- gehört gestern? – Dr. Monika Schaal SPD: Wohnen Sie in einer Lagerhalle?)

Solange viele Menschen in dieser Stadt freie Räumlichkeiten melden und Sie und Ihre Behörde nicht einmal darauf antworten, sind nicht alle Mittel erschöpft, und deswegen sollten Sie Ihre Behörde auf Vordermann bringen, anstatt die Menschen mit Ihrer Politik weiter zu verunsichern.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD)

Ihr Vorgehen ist Ausdruck von Hilflosigkeit, nicht von Hilfsbereitschaft. Dass dieses Gesetz ganz offensichtlich auch nicht notwendig ist, um die von Ihnen genannten Ziele zu erreichen, zeigt gerade die gestrige Beschlagnahme einer Tennishalle, die vor dem Inkrafttreten des heute von Ihnen auf die Tagesordnung zu hievenden Gesetzes vorgenommen wurde.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Dr. Andreas Dressel SPD: Auch wieder nicht zugehört! Keine Ahnung! Peinlich!)

Wir lehnen die nachträgliche Aufnahme Ihres Antrags auf die Tagesordnung daher ab und werben dafür, dass Sie unserem Votum folgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD)

Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. – Auch wir stimmen diesem Dringlichkeitsantrag nicht zu, aus den weitgehend schon von den Vertretern der CDU und der FDP genannten Gründen. Nur ganz kurz die Fakten: Zwei Stunden vor der kurzfristig anberaumten Ausschusssitzung wird der Gesetzentwurf zirkuliert,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Der lag doch schon vorher vor! Der Senat hat ihn letzten Dienstag beschlossen!)

nicht einmal 24 Stunden vor der Bürgerschaftssitzung. Und jetzt wird, nachdem die Bürgerschaft mit der erforderlichen Minderheit von 20 Prozent einer sofortigen zweiten Lesung widersprochen hat, zu Geschäftsordnungstricks gegriffen,

(Dr. Monika Schaal SPD: Das sind keine Tricks!)

um das Ganze heute durchzuziehen. Damit wird der Rechtsstaat verbogen und missbraucht. Der Rechtsstaat leidet, und es prägt sich bei den Bürgern der Eindruck ein, gehst du zur Bürgerschaft, vergiss Dressels Peitsche nicht. Dem widersprechen wir. – Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Wenn es keine weiteren Wortmeldungen gibt,