Protokoll der Sitzung vom 10.12.2015

Mit Rahmenbedingungen meine ich: Sie müssen dafür Sorge tragen, dass es wieder ein gewisses Maß an Planungssicherheit gibt. Das ist nämlich die Grundvoraussetzung für Investitionen. Sie müssen Raum schaffen für wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle. Sie müssen technologieoffen sein. Sie müssen Mut dazu haben, auch neue Ideen zu entwickeln, denn es gibt keinen Masterplan für die Energiewende. Es wird Lösungen geben, die funktionieren, und andere werden nicht funktionieren; das werden Sie aber jetzt nicht in allen Fragen abschließend beurteilen können. Sie müssen eine deutlich stärkere Förderung von Forschungsprojekten anstoßen und die Zusammenarbeit mit Hochschulen und Wirtschaft initiieren.

(Dr. Monika Schaal SPD: Alles nichts Neu- es, Herr Gamm! Gar nichts Neues!)

Gerade der letzte Punkt ist von zentraler Bedeutung und erfordert auch die Überwindung ideologischer Schranken, speziell in den grünen Köpfen. Denn nur in enger Zusammenarbeit mit der Energiewirtschaft und den großen Unternehmen in der Branche kann etwas bewegt werden. Ein kleines Stadtwerk oder auch ein Verteilnetzbetreiber, von denen es in Deutschland mittlerweile über 900 gibt, sind gar nicht in der Lage, große Investitionsprojekte zu stemmen. Die Budgets belaufen sich teilweise auf 60 000 bis 80 000 Euro pro Jahr – da gehen 60 000 Euro für ein Windows-Update drauf –, da gibt es überhaupt keine potenziellen Möglichkeiten mehr.

(Dr. Monika Schaal SPD: Wir haben auch kein kleines Stadtwerk in Hamburg!)

Deshalb fordere ich den Senator auf: Erweitern Sie den Fokus Ihres Klimaplans, werden Sie kreativer, investieren Sie Kraft in innovative Ideen, verzichten Sie auf reine PR-Maßnahmen, die keinen Effekt haben, und machen Sie aus dem Klimaplan für Hamburg eine echte Strategie mit nachhaltigen und messbaren Zielen.

(Beifall bei der CDU und bei Jennyfer Dutschke FDP)

Und zum Schluss: Nehmen Sie Ihre Verantwortung als Senator wahr und treffen Sie Entscheidungen in so wichtigen Fragen, denn das ist Ihre Aufgabe. Man kann nicht jedes Thema auf endlosen Stakeholder-Veranstaltungen so lange diskutieren, bis wirklich auch der Letzte einem maximalen Kompromiss nach Jahren zustimmt. Das geht nicht. Entscheiden Sie politisch und bringen Sie Hamburg nach vorn. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Gamm. – Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Punkt 68 der Tagesordnung auf, Drucksache 21/2379, Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD: Geflüchtete Frauen und Mädchen vor Gewalt schützen.

[Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD: Geflüchtete Frauen und Mädchen vor Gewalt schützen – Drs 21/2379 –]

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ausreichende Mittel bereitstellen – Schutz- und Präventionskonzepte für geflüchtete Frauen und Mädchen erarbeiten – Drs 21/2504 –]

[Antrag der CDU-Fraktion: Gewalt gegen Frauen und Mädchen in den Flüchtlingsunterkünften verhindern – Drs 21/2525 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 21/2504 und 21/2525 Anträge der Fraktionen DIE LINKE und der CDU vor.

Diese beiden Drucksachen möchten die Fraktionen der SPD und GRÜNEN an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.

Vonseiten der Fraktion DIE LINKE liegt ein Antrag auf Überweisung aller drei Drucksachen ebenfalls an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration vor.

Das Wort begehrt als Erste Mareike Engels von der GRÜNEN Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frauenrechte sind Menschenrechte. In diesem Jahr feiern wir das 20-jährige Jubiläum dieses Meilensteins. Frau

enrechte sind Menschenrechte. Das gilt spätestens seit der UN-Weltfrauenkonferenz in Beijing vor 20 Jahren. Ich erinnere daran, weil heute der Tag der Menschenrechte ist. Menschenrechte mussten hart erkämpft werden. Es bedurfte Grausamkeiten zweier Weltkriege. Frauenrechte sind Menschenrechte und Menschenrechte sind Frauenrechte und dazu gehört auch der adäquate Schutz vor Gewalt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Jörg Hamann CDU)

Viele geflüchtete Frauen sind oder waren von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen. Viele unter ihnen mussten schon in den Herkunftsländern Gewalt erleiden und sind mitunter deshalb geflohen. Auch auf der Flucht sind Frauen der ständigen Gefahr von Übergriffen und sexuellen Gewalttaten ausgesetzt. Viele von ihnen sind traumatisiert. In Hamburg suchen sie nun Schutz und Sicherheit. Sie möchten ankommen und sich neue Perspektiven aufbauen, und dabei gilt es, sie optimal zu unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aber die Situation vor allem in den großen Unterkünften in Hamburg ist für sie nicht einfach. Zelte, Baumarkthallen und Co. sind keine Orte, bei denen wir von guter Unterbringung sprechen können. Darin sind wir uns hoffentlich alle einig, und das haben wir im Plenum und im Sozialausschuss auch schon häufig diskutiert. Denn wenn so viele Menschen auf engstem Raum zusammenleben müssen und wenn es viele soziale Probleme und Ängste gibt, zum Beispiel um Familienangehörige, die sich noch im Krieg oder auf der Flucht befinden, oder wenn Menschen von Abschiebung bedroht sind, dann ist die Gewaltgefahr besonders hoch. Mit unserem Antrag bringen wir jetzt wichtige Schritte auf den Weg, um die Situation zu verbessern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir werden dafür sorgen, dass in allen Erstaufnahmen abgetrennte Bereiche für Frauen und Kinder eingerichtet werden. Wir schaffen Folgeunterbringungen, die alleinstehenden Frauen und ihren Kindern vorbehalten sind. Hier sollen vor allen Dingen Frauen untergebracht werden, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen waren und/ oder traumatisiert sind. Wir bauen ein umfassendes mobiles Beratungsangebot auf und sensibilisieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen. Wir sorgen dafür, dass das Opferschutzprogramm der Stadt so fortgeschrieben wird, dass es auch ausreichend Schutz für gewaltbetroffene Flüchtlinge in den Fokus nimmt. Im Zuge dessen erarbeiten wir Gewaltschutzkonzepte für die Unterkünfte. All dies sind wichtige Schritte zum besseren Schutz von Frauen und Mädchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

(Stephan Gamm)

Der Schutz vor Gewalt muss dabei auf verschiedenen Ebenen ansetzen. Es geht um die Beendigung von akuten Gefährdungslagen für die Frauen, um Zugang zu Beratung, Hilfe und Rechtsschutz und um langfristige Präventionsarbeit. Klar ist, dass Frauen, die schwere, teils sexualisierte Gewalt erlebt und überlebt haben, geschützte Räume brauchen. Eine Stabilisierung der Frauen ist anders nicht möglich. Deshalb werden wir jetzt Unterkünfte speziell für Frauen schaffen und deshalb diskutieren wir, ob das von der LINKEN in ihrem Zusatzantrag vorgeschlagene Moritz-Liepmann-Haus in Altona genau dafür genutzt werden kann. Wir müssen die Situation in den Erstaufnahmen angehen, wo die Lage besonders schwierig ist. Flüchtlinge leben hier notgedrungen auf engem Raum und es gibt nur wenige Rückzugsmöglichkeiten. Das wollen wir ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Mit den einrichtungsspezifischen Gewaltschutzkonzepten wollen wir Bereiche mit getrennten Sanitäranlagen für Frauen und Mädchen in den Zentralen Erstaufnahmen schaffen und selbstverständlich auch für eine ausreichende Beleuchtung der Zugangswege sorgen, sofern diese noch nicht vorhanden sind. Wir wollen das Personal sensibilisieren und auch prüfen, inwieweit die Einrichtung von Melde- und Beschwerdestellen Sinn macht. Genau das schreibt uns im Übrigen die EU-Aufnahmerichtlinie vor: Der Schutz und die Berücksichtigung der besonderen Bedarfe von Frauen und Kindern müssen sichergestellt werden. Und hier geht es – das müssen wir uns immer wieder klarmachen – nicht um ein Luxusproblem, nicht um eine zweitrangige Angelegenheit und nicht um Privilegien einzelner Flüchtlingsgruppen. Es geht um das Menschenrecht auf den Schutz vor Gewalt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die Erfahrung zeigt, dass betroffene Frauen und Mädchen ausreichend Beratung und akute Hilfe in Notsituationen brauchen. Hier hat Hamburg den großen Vorteil, dass das Hilfs- und Beratungsnetzwerk im Bereich des Opferschutzes in Hamburg gut aufgestellt ist. Vom Frauennotruf über die Frauenhäuser bis hin zu den interkulturellen Beratungsstellen steht Hamburg im Vergleich zu anderen Städten gut da. Jetzt kommt es darauf an, dieses Hilfsangebot auch den geflüchteten Frauen und Mädchen zugänglich zu machen und sich bei Bedarf die Kapazitäten anzugucken. Hierzu wollen wir insbesondere mobile Beratungsangebote schaffen und die Frauen direkt in den Unterkünften aufsuchen und ihnen ein niedrigschwelliges Angebot machen.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch noch einmal betonen, dass Gewalt gegen Frauen kein flüchtlingsspezifisches Problem ist. Frauen sind weltweit von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen, in Deutschland jede vierte Frau. Auf der Flucht und

im Krieg ist Gewalt allerdings noch viel gegenwärtiger. Gerade im Krieg wird sexualisierte Gewalt auch als Mittel eingesetzt. Genau deswegen müssen wir mit allem Nachdruck dafür sorgen, dass die Frauen und Mädchen, wenn sie hier ankommen, nicht erneut mit Gewalt konfrontiert werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Weiterhin gilt es, auf eine zeitnahe therapeutische Verarbeitung der Gewaltfolgen hinzuwirken. Wir müssen den Flüchtlingen, insbesondere den geflüchteten Frauen, Schutz bieten und ihnen ein selbstbestimmtes Leben frei von Gewalt ermöglichen. Das ist unsere Pflicht als Stadt und als Gesellschaft.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das gilt natürlich auch für die lesbischen, schwulen, trans- und intersexuellen Flüchtlinge.

Wir haben diesen Antrag am 25. November 2015, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, eingereicht und wollen mit ihm ein deutliches Signal setzen. Gewalt an Frauen und Mädchen geht uns alle etwas an. Wir dürfen nicht wegschauen, wir müssen hingucken. Egal ob es sich dabei um hier lebende deutsche Frauen handelt oder um neu angekommene geflüchtete Frauen, wir müssen das Schweigen brechen. Deswegen bin ich froh, dass wir dieses wichtige Thema in Hamburg jetzt mit aller Kraft angehen, und hier zähle ich über alle Fraktionen hinweg auf Ihre Unterstützung. Die LINKE und die CDU haben meiner Meinung nach mit ihren Zusatzanträgen bereits Unterstützung signalisiert, denn sie gehen in eine sehr ähnliche Richtung. Gern diskutieren wir dies noch einmal im Sozialausschuss. Viele der in den Anträgen aufgelisteten Forderungen sind bereits Teil unseres Antrags und in der Fortschreibung des Gewaltschutzkonzepts angedacht. Auf die fachliche Diskussion freue ich mich.

Wichtig ist aber jetzt und heute, dass wir als Bürgerschaft ein klares Signal setzen. Wir lassen Frauen und Mädchen, die in unserer Stadt leben, beim Thema Gewalt nicht allein. In diesem Sinne bitte ich Sie, diesem Antrag heute zuzustimmen. Schutz vor sexueller Gewalt ist ein Menschenrecht und dieses Menschenrecht gilt es immer wieder einzufordern und zu verteidigen. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Als Nächste erhält nun das Wort Gabi Dobusch von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frauen und Mädchen sind unter den Flüchtlingen, die hierher kommen, im Moment deutlich in der Minderheit. Das hat natürlich viele Gründe. Die Frauen, die es schaffen, kommen mit

(Mareike Engels)

ihren Familien, mit Ehemännern, Brüdern, Onkeln; sie kommen mit Kindern, mit Jungen und Mädchen. Einige wenige kommen aber auch allein. Sie kommen aus den gleichen Krisengebieten wie die männlichen Flüchtlinge. Manche aber, die Kollegin hat es bereits erwähnt, haben sich aufgrund geschlechtsspezifischer Verfolgung und Gewalt in ihren Heimatländern auf den Weg gemacht – Gewalt durch ihre Partner, durch die Familie, strukturelle Gewalt. Was genau das heißen kann, konnten wir alle eindrücklich erfahren von der Kollegin Kasha Nabasegera, der diesjährigen Gewinnerin des Right Livelihood Award aus Uganda, einer LGBTIAktivistin, die uns letzte Woche in Hamburg besucht und über Formen von Gewalt gegen Frauen berichtet hat, die wir uns kaum vorstellen können, sogenannte korrigierende Vergewaltigungen, etwas, das wir im Zusammenhang mit AIDS kennen. Solche korrigierenden Vergewaltigungen sind aber auch ein verbreitetes Mittel, um Frauen und Mädchen auf den Pfad der Tugend zu bringen, in diesem Fall durchgeführt durch engere Familienangehörige. Viele dieser Frauen, die sich auf den Weg gemacht haben, erfahren wiederum Gewalt auf dem Weg hierher. Und was ist, wenn sie hier ankommen? Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass wir alles daran setzen müssen, um nach Hamburg geflüchtete Frauen und Mädchen davor zu bewahren, dass ihre Leidensgeschichte hier fortgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Karin Prien CDU)

Wir müssen wirklich alles daran setzen, dies so schnell wie möglich sicherzustellen. Nun ist Gewalt gegen Frauen kein neu importiertes, uns total fremdes Phänomen, auch in Hamburg nicht. Seit Langem kämpfen wir gegen geschlechtsspezifische Gewaltformen und für den Schutz der betroffenen Frauen und Mädchen. Jedes Jahr erinnert uns der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November genau daran. In diesem Jahr haben gleich zwei Senatorinnen am Hamburger Rathaus die Fahne von TERRE DES FEMMES gehisst, um uns daran zu erinnern, dass dieser Kampf noch lange nicht gewonnen ist. Mit dem Konzept zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, gegen Menschenhandel und Gewalt in der Pflege hat dieser Senat schon längst ein Zeichen gesetzt und sich auf den Weg gemacht, um die Situation für die Betroffenen zu verbessern.

Allerdings brauchen die Frauen und Mädchen, die jetzt zu uns kommen, einen ganz besonderen Schutz. Insofern muss das bewährte Konzept im Hinblick auf deren Belange weiterentwickelt und aktualisiert werden. Erste Schritte in diese Richtung hat der Senat natürlich schon längst unternommen. Dazu zählt unter anderem die Einrichtung, die es jetzt in Lokstedt als Erstunterbringung für alleinreisende Frauen gibt. Dazu zählt die Un

terbringung von alleinreisenden Frauen, Schwangeren und Müttern von kleinen Kindern auf dem Gesundheitscampus in Volksdorf und dazu zählt logischerweise das, was wir heute beantragen, nämlich eine Folgeunterbringung, die ausschließlich Frauen vorbehalten ist, insbesondere von Gewalt betroffenen und traumatisierten Frauen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Karin Prien CDU)

Wir alle wissen, dass unsere Stadt sich angesichts der Flüchtlinge in den vergangenen Wochen gewaltigen Herausforderungen gestellt hat und sich auch künftig stellen wird. Umso erfreulicher ist es, wenn es gelingt, solche Einrichtungen so zu positionieren, dass Synergien genutzt werden können, dass Einrichtungen genau da entstehen, wo es schon entsprechende Hilfestrukturen gibt. Das war zum Beispiel der Fall bei der Einrichtung für Schwangere und Mütter mit jungen Kindern in der Nähe des Amalie Sieveking-Krankenhauses mit Geburtshilfestation. Wenn es jetzt gelingen sollte, die Folgeunterbringung für von Gewalt betroffenen Frauen in Altona einzurichten, dann bin ich mir sicher, dass das auch eine Umgebung ist, die charakterisiert ist durch eine breite Palette von Hilfeund Unterstützungseinrichtungen für Frauen, für Frauen mit Gewalterfahrung, mit und ohne Migrationshintergrund. In unmittelbarer Nachbarschaft zu bewährten Einrichtungen wie FLAKS kann eine Einrichtung gar nicht besser positioniert sein, um den Frauen die besten Chancen auf Genesung, Integration und Entfaltung hin zu einem eigenständigen Leben zu bieten.