Wir können niedrigschwelliger mit der Verfolgung von Übergriffen wie denen der Silvesternacht ansetzen, einen wirkungsvolleren Schutz gewährleisten, und das ist wichtig.
Und ich will bei dieser Gelegenheit einmal ganz grundsätzlich in aller Deutlichkeit sagen: Die hemmungslosen Attacken auf Frauen und Mädchen in der Silvesternacht sind völlig unerträglich, abstoßend und für unser Gemeinwesen in keiner Weise hinnehmbar.
Ich hoffe sehr, dass die betroffenen Frauen für sich mit diesen schlimmen Erlebnissen einen irgendwie erträglichen Umgang gefunden haben. Die Übergriffe sind dabei nicht nur ein in dieser Form doch neues Kriminalitätsphänomen, sondern sie berühren auch die Grundlagen unseres Zusammenlebens in einer freien, offenen, toleranten und kulturell gemischten Gesellschaft. Unser gemeinsames Grundverständnis an dieser Stelle kann nur sein, dass sich jeder, insbesondere auch jede Frau, überall in unserer Stadt, besonders auch auf St. Pauli, jederzeit frei bewegen kann, ohne Angst vor Übergriffen dieser Art zu haben.
(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, verein- zelt bei der CDU, der FDP und bei Heike Sudmann DIE LINKE und Dr. Jörn Kruse AfD)
Dabei geht es nicht nur um den Schutz der Frauen gegen diese konkreten Taten, sondern es geht um den Schutz unserer Freiheit ganz grundsätzlich. Deswegen ist klares und konsequentes Handeln erforderlich, auch polizeiliches Handeln. Die Polizei hat entsprechend mit massiver Präsenz an den beiden vergangenen Wochenenden auf St. Pauli für Sicherheit gesorgt, wie es ihre Aufgabe ist, und im Übrigen nicht die Aufgabe von Türstehern oder anderen Privatangestellten.
Die Ermittlungsmethoden und Ansätze wurden ausgeschöpft, einschließlich der Öffentlichkeitsfahndung, mit einem ersten wichtigen Erfolg: Zwei der mutmaßlichen Täter wurden identifiziert. Die Tatverdächtigen, zwei afghanische Staatsangehörige, wurden in zwei unterschiedlichen Erstaufnahmeeinrichtungen vorläufig festgenommen und dem Haftrichter zugeführt. Die Haftprüfung läuft noch oder ist gerade abgeschlossen, ich kenne noch kein Ergebnis. Polizei und Staatsanwaltschaft haben gut und eng zusammengearbeitet, und ich gehe davon aus, dass das auch weiter so sein wird.
und wir werden selbstverständlich bei diesen und bei weiteren Fällen die Spielräume des Ausländerrechts vollständig ausschöpfen.
Ob das am Ende immer das Ergebnis erbringt, das man sich im ersten Impuls wünscht, wissen wir nicht. Der Rechtsstaat funktioniert nicht auf Zuruf. Aber die generelle Haltung, das will ich dann schon sagen, ist: Wer solche Taten begeht, ist als Gast
Ganz grundsätzlich muss die Botschaft natürlich sein: Wir und insbesondere die Polizei werden alles in unseren Kräften Stehende tun, damit die Hamburger und insbesondere die Frauen sich in unserer Stadt sicher fühlen können. – Vielen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der SPD, den GRÜ- NEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos und Dr. Jörn Kruse AfD)
Jede Fraktion hat jetzt noch einmal, wie eben schon angekündigt, die Möglichkeit, das Wort für fünf Minuten zu begehren. Ich sehe eine Wortmeldung von Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE.
Die große Euphorie, die es im September gegeben hat, als die vielen Flüchtlinge nach ihrer Wanderung über den Balkan in Österreich und in Deutschland angekommen sind, ist nach den Vorfällen an Silvester verflogen, und man kann sagen, wir wissen heute, dass es nicht leicht werden wird. Es wird nicht so weitergehen. Die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge wird nicht einfach euphorisch gelöst werden können. Das haben die Übergriffe gezeigt, das haben aber auch die vielen falschen Reaktionen und Überreaktionen, die vielen Instrumentalisierungen und die schrecklichen Hasstriaden, die es in den Netzen gegeben hat, gezeigt.
Ich möchte daran erinnern, dass die Vorfälle noch nicht ansatzweise aufgeklärt sind. Es gibt bisher nicht viele konkrete Tatverdächtige, und man kann auch noch nicht sagen, dass das alles ausnahmslos Flüchtlinge oder ausnahmslos Migranten gewesen seien. Aber der Verdacht oder die Mutmaßung, dass sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund zumindest beteiligt waren, ist nach dem, was man bisher weiß, gar nicht zu bestreiten. Wobei es wahrscheinlich schon etwas komplexer und schwieriger ist, als dass man sagen könnte, das sind die Flüchtlinge. Wir alle wissen um das Problem der Bandenbildung, und ich glaube, es war eines der Probleme im Vorfeld, dass diese Bandenbildung unterschätzt worden ist. Häufig bestehen diese Banden aus irregulär Eingereisten, gar nicht aus Asylsuchenden. Ich glaube, das müssen wir aufklären.
Wir können aber eines sagen: Es ist völlig klar, dass wir durch den Zuzug so vieler Menschen auch viele neue Konflikte haben werden. Der Prozess der Integration wird nicht leicht sein, er wird
konfliktträchtig sein. Wir müssen uns natürlich darüber verständigen, was Integration bedeutet und was sie nicht bedeutet. In unseren Augen bedeutet sie nicht, dass alle so werden sollen wie wir, sondern wir werden uns auch ändern. Aber Integration heißt eben auch: Wir können hinter bestimmte Standards an Rechten, an Grundrechten, an das Recht auf Unversehrtheit und so weiter, nicht zurückfallen.
Viele dieser Konflikte, aber natürlich längst nicht alle und wahrscheinlich nicht einmal die meisten, werden auch durch Straftaten hervorgerufen, und dann gilt für uns in der Regel: aufklären, aufklären, aufklären. Konkret heißt das, wir müssen natürlich auch aufklären, wie die Täter eigentlich agieren, wie sie mobilisieren, wie sie sich vernetzen, wie sie vorgehen und so weiter. Wir werden aufklären und mit dem Instrumentarium des Strafrechts ahnden. Wir halten überhaupt nichts davon – ich habe es gestern schon gesagt –, das Asylrecht und das Strafrecht durcheinanderzuwerfen. Das Recht gilt für alle, und vor dem Gesetz sind alle gleich. Und es gilt auch: Es geht um Individuen, es geht nicht um Sippenhaft.
Es wird von rechts behauptet, es gäbe einen Zusammenhang zwischen Islam und Übergriffen. Ich möchte einmal ein anderes Beispiel nennen, einige von Ihnen werden es kennen: Es gibt in den USA die Erscheinung, dass es an vielen Universitäten Massenvergewaltigungen gibt. Da werden eigens Partys veranstaltet von männlichen Verbindungen, zu keinem anderen Zweck, als Frauen zu vergewaltigen. Deswegen gibt es in Kalifornien jetzt ein Gesetz gegen dieses Phänomen der Massenvergewaltigung, dessen Tenor "Nein heißt Nein!" ist. Aber noch einmal die Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Islam und Übergriffen? Es ist Unsinn zu sagen, dass der Islam das Problem sei, aber es gibt eine Subgruppe – und das, finde ich, sollten wir nicht bestreiten –, die ihre Religion zur Rechtfertigung von Übergriffen gegen Frauen und freiheitsfeindlichen Übergriffen gebraucht. Aber die übergroße Mehrheit der Muslime und auch und vor allem die offiziellen Vertreter der islamischen Gemeinden unterstützen solche Übergriffe in keiner Weise. Ich möchte ausnahmsweise einmal dem Bürgermeister Scholz beipflichten, der gesagt hat – ich bekomme es nur sinngemäß hin –, keine Religion rechtfertigte solche Übergriffe. Das müssen wir festhalten.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN, vereinzelt bei der FDP und bei Neba- hat Güçlü fraktionslos)
Trotzdem kann man sagen, dass es eine Subgruppe im Islam gibt, die den Islam dafür ge- oder missbraucht. Und ich will ausdrücklich dazu sagen, dass man auch nicht immer wieder darlegen muss, welche anderen Religionen für solche schweren Übergriffe, zum Beispiel auf die Gleichwertigkeit von Menschen, auch gebraucht – oder, wie die übergroße Mehrheit sagen würde: missbraucht – werden kann. So sollten wir das diskutieren. Dann sind wir auch ein bisschen besser gerüstet, um die Konflikte, mit denen wir zu tun haben, sachgemäß, ordentlich und friedfertig zu lösen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Dr. Jörn Kruse AfD – Dr. An- dreas Dressel SPD: Schönes Schlusswort!)
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich weiß nicht – ich sehe immer, Sie haben hier Handys und Smartphones –, ob Sie die neueste Meldung gesehen haben. Es gibt eine repräsentative Umfrage von Emnid mit 1 000 Befragten, nach der neun von zehn CDUWählern die Asylpolitik von Frau Merkel ablehnen. Das ist eine dramatische Entwicklung, egal, in welcher Partei wir selbst sind. Die CDU ist eine der staatstragenden Parteien in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, die Partei von Konrad Adenauer.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Dr. Baumann, die Abgeordneten rufen sich nicht gegenseitig zu ihren Redebeiträgen auf, sondern das geschieht durch das Präsidium. Und im Übrigen bitte ich Sie, zum Thema der Aktuellen Stunde zu sprechen.
Das aktuelle Thema sind die Übergriffe. Dazu ist das zweite Argument zu nennen, welches ich hier anzubringen habe. Bitte hören Sie sich auch das an.
68 Prozent der Bevölkerung gehen fest davon aus, dass es kulturelle Unterschiede sind, die sich hinter den Vergehen verbergen. Das sind fast 70 Prozent der Leute. Die verstehen genauso viel von den Migranten wie Sie, die leben vielleicht sogar noch näher dran. Sie sind nicht klüger hier im Erfassen kultureller Unterschiede als sie es sind. Respektieren Sie diese Ansichten, diese Erfahrung, diese Meinung der Bevölkerung. Das wird ein riesiges Problem. Ich prognostiziere einmal, wir werden uns noch 10- oder 20-mal darüber unterhalten, ob es diese kulturellen Unterschiede gibt und wie wir damit umzugehen haben.
Es gehen auf jeden Fall alle Debattenbeiträge an diesem Problem vorbei, in denen heute gesagt wurde, es gehe um sexuelle Übergriffe überhaupt. Nein, darum geht es nicht. Es geht um spezielle Zielgruppen, die wir erkennen müssen, wenn wir sie integrieren wollen und das nicht irgendwie weglügen oder wegdrücken wollen. Daran vorbei geht, wer hier aufruft, Gewalt gegen Frauen sei nichts Neues, nur die Muster hätten sich geändert. Es hat sich viel mehr geändert als die Muster, und wir müssen das erkennen, was dahintersteht, um dem entgegenzutreten. Völlig an der Debatte vorbei, um die es geht, ist die Aussage, die Farbe der Hände, die nach den Frauen grabschen, sei gleich, wir müssten prinzipiell bestrafen. Das ist rechtsstaatlich richtig, aber wir müssen auch die Fragen ins Auge fassen: Wer kommt zu uns? Wer hat sich anders sozialisiert über eine lange Zeit, und wem müssen wir ganz anders helfen, wen müssen wir ganz anders begleiten, integrieren? Wenn wir das nicht in den Blick nehmen, haben wir von vornherein versagt, und das können wir uns angesichts des Problems überhaupt nicht erlauben.