Vor dem EU-Gipfel: Hamburg unterstützt den Kurs der Bundeskanzlerin für einen europäischen und solidarischen Weg in der Flüchtlingspolitik
Im Fall Tayler versagt der Staat erneut – Politisch Verantwortliche müssen persönliche Konsequenzen ziehen
Die Fraktionen sind übereingekommen, das fünfte und sechste Thema gemeinsam debattieren zu wollen, wenn es denn noch drankommt.
Zunächst rufe ich das erste Thema auf, angemeldet von der Fraktion DIE LINKE. – Das Wort bekommt Frau Schneider und nur Frau Schneider, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Es gab, so hörten wir im Vorfeld, bei anderen Fraktionen ein Problem, das Anliegen unserer Anmeldung zu verstehen. Unser Anliegen besteht darin, dass Hamburg eine Stadt des Ankommens ist. Hamburg soll Schutzsuchenden Zuflucht und eine Perspektive bieten und Bedingungen ihrer Teilhabe schaffen.
Grundvoraussetzung für alles Weitere ist eine menschenwürdige Unterkunft. Dazu ist Hamburg rechtlich verpflichtet, nicht zuletzt auch durch die Verpflichtung auf die Menschenrechte. In der vergangenen Woche hat sich nun eine Volksinitiative aufgemacht und in fünf Tagen 26 000 Unterschriften gesammelt – eine Initiative, die sich "Hamburg für gute Integration" nennt. Das hört sich gut an. Die Krux ist, nimmt man ihre Forderungen unter die Lupe,
tut sich ein unlösbarer Widerspruch auf zwischen der Verpflichtung, Schutzsuchende aufzunehmen, und den Bedingungen, die die Initiative als Voraussetzung einer nachhaltigen Integration ansieht. Allein die Forderung, zwischen allen Standorten mit mehr als 100 Flüchtlingen einen Mindestabstand von 1 000 Metern Luftlinie einzuhalten, würde bedeuten, dass beispielsweise von den derzeit 9 000 Plätzen in Wandsbek fast zwei Drittel verschwinden müssten. In Altona blieben von derzeit 6 870 Plätzen rund 1 600 übrig. Allein in diesen beiden Bezirken müssten für über 11 000 Geflüchtete neue Unterkünfte geschaffen werden. Legt man die Zahlen des Senats zugrunde, dann läuft die Forderung, dass ab sofort an keinem Standort mehr als 300 Geflüchtete untergebracht werden dürfen, darauf hinaus, dass 2016 mindestens 134 zusätzliche Standorte gefunden werden müssten. Diese beiden Forderungen sind jenseits von Gut und Böse.
Müssten sie umgesetzt werden, müsste Hamburg bald seine Tore für Schutzsuchende schließen. Sie laufen auf eine Obergrenze hinaus, also darauf, rechtliche Aufnahmeverpflichtungen ebenso auszuhebeln wie das Menschenrecht auf ein Dach über dem Kopf.
Geflüchtete würden mangels Folgeunterkünften noch länger in Erstaufnahmeeinrichtungen festgesetzt. Zelte und Hallen würden zu Dauereinrichtungen. Zahlreiche Schutzsuchende würden der Obdachlosigkeit ausgeliefert. Die Volksinitiative stellt mit ihren Forderungen Grund- und Menschenrechte der Geflüchteten zur Abstimmung. Das geht überhaupt nicht.
Wir unterstellen nicht, dass die Initiatorinnen und Initiatoren das alles bezwecken, aber sie mobilisieren Stimmungen. Sie pokern. Sie pokern mit Grundrechen der Geflüchteten, die gerade als Geflüchtete auf die Achtung ihrer Grundrechte und Menschenrechte dringend angewiesen sind. Sie
Wir wollen, dass die Stadt alles tut, um bestmögliche Bedingungen für ein solidarisches Zusammenleben zu schaffen. Das heißt auch für uns möglichst dezentrale Unterbringung. Gestern wurde ein Projekt der HCU vorgestellt, das die Stadtgesellschaft zur Beteiligung auffordert, möglichst viele Flächen – insbesondere auch kleine – für neue Standorte zu finden. Natürlich fragen wir, wie ernst das gemeint ist, wie verbindlich der Prozess ist. Wenn es mehr sein soll als eine Hinhaltetaktik, dann müssen zumindest das bisherige und das weitere Verfahren der Flächenfindung transparent und nachvollziehbar sein und müssen Entscheidungen auch korrigierbar werden. Wir fragen, warum erst so spät? Warum tut sich der Senat so unendlich schwer, die vielen Initiativen, die es seit Langem aus der Zivilgesellschaft gibt, ernsthaft zu prüfen oder gar aufzugreifen, zum Beispiel Leerstand konsequent zu nutzen? Wir brauchen eine Task Force, die ihn aufspürt. Das löst natürlich bei Weitem nicht alle Probleme, ist aber ein Baustein.
Der Punkt, Büroleerstand in Wohnraum zu verwandeln: Warum werden erst sieben Bürogebäude genutzt und sind 26 Standorte noch in der Phase Sondierung, Planung oder Umbau? Warum wird das stadteigene Springer-Gebäude nicht genutzt, wie immer wieder gefordert? Ich will nicht alle bekannten Forderungen und Vorschläge aufzählen, aber eines will ich sagen: Intransparentes Handeln und eine fortgesetzte Missachtung des Beteiligungswillens sorgen nicht nur für reichlich Unterschriften bei der Volksinitiative, sie erleichtern auch rechtesten Kräften, die grundsätzlich etwas gegen Geflüchtete und ihre Aufnahme haben, ihr Geschäft. Zivilgesellschaftliches Engagement und der Wille, sich an guten Lösungen zu beteiligen, dürfen nicht immer wieder ins Leere laufen. Beides ist unverzichtbar, um die wachsenden Stadtteile so zu gestalten und auszustatten, dass alle etwas davon haben. Hier ist ein verbindlicher Beteiligungsprozess unverzichtbar. Betrachten wir alle in diesem Sinne die derzeitige Volksinitiative als Chance zu einer dringend notwendigen Korrektur. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will die Anmeldung der LINKEN durchaus noch etwas weiter fassen, weil
es in der Tat nicht nur um das Thema Unterbringung geht, sondern auch um Integration; beides gehört zusammen. Wir müssen einen vernünftigen Weg finden, und da halte ich Ihre Ansage, Grundrechte seien unteilbar und alle seien gefragt, für einen sehr wichtigen Punkt. Gestern hat auch der Erste Bürgermeister noch einmal betont, dass wir diese Herausforderung nur als Stadtgesellschaft gemeinsam bewältigen können. Das immer wieder hervorzuheben ist, glaube ich, das Gebot der Stunde.
Integration bedeutet, an sehr vielen Stellen zu fördern und zu fordern. An der Stelle möchte ich auch noch einmal betonen, dass wir gemeinsam in der Bürgerschaft beschlossen haben, über eine halbe Milliarde Euro in neue Unterkünfte, in eine Aufstockung bei Kita und Schule und an sehr vielen Stellen zu investieren. Es ist ein riesiger Kraftakt, der zeigt, dass sich Hamburg der Herausforderung stellt und handelt.
Wie Sie mitbekommen haben, hat gerade heute Senatorin Leonhard mitgeteilt, dass die Integration in Arbeit und Ausbildung natürlich der entscheidende Faktor ist und dass dieses W.I.R-Projekt jetzt angefangen hat, mit dem wir als Hamburger Stadtstaat in die Vorlage gehen und als erstes Bundesland diese Sache auf den Weg bringen. Dass es jetzt erste Erfolge gibt, zeigt, dass der entscheidende Schlüssel der Integration in Arbeit in Hamburg ganz besonders ernst genommen wird; das ist ein wichtiges Zeichen für die weitere Integration.
Natürlich muss es darum gehen, auch die Flüchtlinge selbst mitzunehmen. Deshalb war die Konferenz am Wochenende wichtig. Insofern gehen wir über solche Ideen, die auch in dieser Doppelsitzung beraten werden, nicht hinweg und überlegen, wie die Flüchtlinge selbst in den Bau von Flüchtlingsunterkünften einbezogen werden können. Wir können nicht überall Beteiligung organisieren, das dann aber ohne die Flüchtlinge machen. Auch da gilt, dass es unsere gemeinsame Aufgabe ist, diesen Prozess auch mit den Flüchtlingen zu schaffen.