Flüchtlingspolitik macht man nicht mit hypermoralischen Grundsätzen, sondern mit Vernunft und Augenmaß. – Danke.
Meine Damen und Herren! Frau Prien, ich habe die Volksinitiative nicht diffamiert. Ich habe mich mit ihr politisch auseinandergesetzt, und wenn ich für das Instrument der Volksgesetzgebung bin, heißt das nicht, dass ich alles, was auf diese Weise auf den Weg gebracht wird, politisch teile.
Ich habe die Volksinitiative nicht diffamiert, sondern nehme sie ernst. Ich nehme sie beim Wort. Und wenn man sie beim Wort nimmt, dann bedeuten diese beiden Forderungen das Aus für die Aufnahme von sehr vielen Flüchtlingen. Das muss man Ihnen sagen, dem müssen Sie sich stellen, daran kann man nicht vorbeireden.
Die Forderungen dieser Volksinitiative laufen auf Obergrenzen hinaus, und zu diesem Vorwurf muss sich die Volksinitiative verhalten. Auch Sie müssen
Sie sprachen von guter Integration. Wir haben auch die Größe der Siedlungen kritisiert, und wir kritisieren die Größe einiger Siedlungen immer noch. Man muss aber auch festhalten, dass einiges zurückgenommen wurde. Wir sprechen nicht mehr von sieben Siedlungen in sieben Bezirken mit je bis zu 800 Wohnungen für jeweils fünf Menschen. Es ist gestrichen worden. Wenn es Bestand hat, was Frau Senatorin Stapelfeldt gesagt hat, ist in Haßlohredder, einem unseres Erachtens wirklich sehr schwierigen Standort, einiges zurückgenommen worden. Es gibt immer noch welche, die auch wir unbestritten für zu groß halten. Was mir aber nicht einleuchtet, ist, dass die Volksinitiative kategorisch sagt, 300 Menschen seien eine Obergrenze. Das sei eigentlich schon viel zu viel, hat Herr Schomacker gesagt, das sei eine Obergrenze, und bei Siedlungen über 300 Menschen könne keine Integration mehr stattfinden. Das ist meiner Meinung nach durch nichts bewiesen, sondern reine Behauptung.
Es ist völlig klar, Wohnen ist wichtig, und je dezentraler, desto besser. Es sind doch auch immer noch Unterkünfte. Wir sind für das Recht auf Wohnen, wissen aber auch, dass das nicht so schnell umsetzbar ist. Sehr wichtig sind aber auch ganz andere Felder. Sehr wichtig ist die Schule samt ihrer Infrastruktur und Ausstattung, sehr wichtig ist die Kita, sehr wichtig ist die Arbeit. Deswegen, finde ich, ist der Antrag ein guter Einstieg. Es muss aber noch sehr viel passieren, denn wenn ich die nicht unrealistischen Befürchtungen lese, dass ein großer Teil der Geflüchteten in den nächsten Jahren keine Arbeit bekommt, sondern gelangweilt zu Hause in seiner Unterkunft sitzen muss, dann wird Integration überaus schwierig. Wir Älteren wissen alle noch aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, dass eine wesentliche Grundlage für die Integration der Gastarbeitergeneration der Betrieb, die Arbeit, das gemeinsame Arbeiten war. Deshalb ist die Arbeit ein sehr wichtiges Feld der Integration, und in diesem Punkt stehen wir noch am Anfang.
Wie Herr Dr. Dressel schon angesprochen hat, ist Integration ein gegenseitiger Prozess. Einige Tage, nachdem in Berlin ein neues Paket von Notstandsmaßnahmen verabschiedet worden ist, das Asylpaket II, haben sich in Hamburg 2 000 Menschen, ganz überwiegend Geflüchtete, zu einer Konferenz bei Kampnagel getroffen. Dies sollten wir einmal, das meine ich ganz ernst, zum Anlass eines Perspektivenwechsels nehmen. Da treffen sich Menschen, die alles verloren haben, auch ihre Rechte, denn in dieser Welt sind Rechte an die Staatsbürgerschaft geknüpft, und sie sind keine deutschen Staatsbürger. Ihre Herkunftsstaaten ga
rantieren ihnen keine Staatsbürgerrechte, sind zum Teil im Bürgerkrieg oder als Staaten zerfallen. Ich weiß nicht, ob der eine oder andere von Ihnen einmal Hannah Arendt gelesen hat. Sie hat die Situation zwischen den beiden Weltkriegen beschrieben, als es Millionen staatenlose Menschen gab. Sie war sehr pessimistisch, ob Menschenrechte als Konzept überhaupt Bestand haben, denn zur Durchsetzung von Menschenrechten braucht es die Gewährleistung durch einen Staat. Hannah Arendt hat gesagt, wichtig sei, dass man das Recht darauf, Rechte zu haben, verteidigt. Die Konferenz bei Kampnagel hat gezeigt, dass die dort anwesenden Geflüchteten ihr Recht verteidigt haben, ihr Recht darauf, Rechte zu haben. Sie haben ihr Recht auf Freizügigkeit wahrgenommen, auch ihr Recht darauf, die europäische Asylpolitik generell oder konkret ihre Situation in der Erstunterbringung zu kritisieren. Sie haben auch die Waffenexporte als einen der Gründe, warum sie überhaupt fliehen mussten, kritisiert, und sie haben ihr Recht behauptet, ihre Interessen geltend zu machen und sich damit in diese Gesellschaft einzubringen. Mir hat das sehr viel Mut gemacht. Ich konnte nicht da sein, aber es hat mir sehr viel Mut gemacht, das zu lesen, das zu hören, weil es eine ausgezeichnete Basis für einen Integrationsprozess ist, der auf Augenhöhe stattfindet, eine Basis für die Arbeit, die allen Beteiligten, den Nachbarn, den Geflüchteten abverlangt werden muss, die nötig ist, damit das solidarische Zusammenleben und die Bewältigung unvermeidlicher Konflikte gelingt.
Deswegen ist es sehr wichtig, immer darauf zu achten, wie wir die Geflüchteten selbst einbeziehen können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wer den Monitoring-Bericht gelesen und verstanden hat, hat auch gesehen, mit wie vielen Menschen wir in diesem Jahr zu rechnen haben, die Hamburg zu versorgen und unterzubringen hat. Es ist zu begrüßen, dass viele in dieser Stadt sich auf den Weg gemacht haben, um diese Menschen aufzunehmen, ihnen ein Dach über dem Kopf zu geben und zu versuchen, diese Menschen zu integrieren. Nur so kann es funktionieren, denn die Stadtgesellschaft lebt nicht nur von den Behörden, sondern von den Ehrenamtlichen, von den Initiativen, von der Regierung, aber auch von der Opposition. Deshalb ist dieses Thema für eine politische Ausschlachtung nicht geeignet. Wir sind alle in der Pflicht.
Wir sind alle in der Pflicht, nicht nur zu kritisieren, sondern auch konkrete, umsetzbare, objektivierbare Vorschläge zu machen. Keine Vorschläge zu machen, sondern nur zu kritisieren, das ist zu wenig.
Es ist richtig, dass die Flüchtlinge möglichst dezentral in kleineren Einheiten untergebracht werden. Wir müssen aber auch alle unterbringen. Wir können uns nicht erlauben, dass die Menschen, die nach Hamburg kommen, obdachlos oder auf der Straße bleiben. Ja, Integration ist ein gemeinsames Ziel. Die Menschen dezentral und in kleineren Einheiten unterzubringen ist richtig und wichtig, aber wir alle sind moralisch und rechtlich dazu verpflichtet, die Menschen unterzubringen. Dazu gehören nicht nur die kleineren Einheiten bis zu 250 Plätzen, Frau Prien, sondern auch Einheiten mit über 250 oder 300 Plätzen. Aber es ist unangemessen, Einheiten von 400 bis zu 700 Plätzen mit Mümmelmannsberg oder Steilshoop zu vergleichen oder sogar noch von Parallelgesellschaften zu sprechen. Das ist unangemessen.
Wie der Chef der Diakonie richtigerweise gesagt hat, ist für eine erfolgreiche Integration nicht die absolute Größe der Unterbringung entscheidend, sondern ob im selben Maße die notwendige soziale Infrastruktur wie Schulen, Kitas, Begegnungsstätten und Nahversorgung, geplant ist.
Wir alle sind in der Pflicht, mit der Demokratie, auch mit der direkten Demokratie, behutsam umzugehen. Dieses Thema ist in dieser Zeit für eine Volksabstimmung nicht geeignet. Erinnern wir uns an die Situation in Hessen 1999. Dieses Thema führt die Gesellschaft nicht zusammen, sondern polarisiert sie. Wer versucht, das in Kauf zu nehmen, macht keine verantwortungsvolle Politik, Frau Prien und die CDU. So etwas wie 1999 in Hessen, als Menschen gegen Ausländer unterschrieben haben, darf in Hamburg nicht stattfinden.
Deshalb finde ich es richtig, dass mit der Initiative gesprochen wird, dass geschaut wird, welche Vorschläge kommen und ob sie umsetzbar und realisierbar sind. Wie Frau Suding richtigerweise gesagt hat, sind sie vielleicht auch nicht realisierbar, aber wichtig ist, dass man darüber spricht und weiterkommt. – Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Karin Prien CDU: Sie müssen zu Ergebnissen kommen!)
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Abaci, ich weiß nicht, was es bringt, wenn Sie jetzt mehrere Dinge miteinander vermischen. Wir müssen doch sehen, in welcher Situation wir uns heute in Hamburg befinden. Ich möchte etwas Grundsätzliches sagen. Sie wissen, dass wir uns als CDU lange mit dem Instrument der Volksgesetzgebung schwergetan haben, aber durchaus auch das Nebeneinander von parlamentarischer Demokratie und Volksgesetzgebung als Wert anerkannt haben. Wir haben immer gesagt, dass es besonders schwierig ist, bei komplexen Problemen mit Ja- und Nein-Fragen zu arbeiten. Das birgt immer Risiken; das muss man so deutlich sagen. Das gilt für dieses Problem genauso wie für andere Probleme. Es geht aber nicht, dass man sich die Möglichkeit von Volksgesetzgebung politisch aussucht, Frau Schneider. Das können wir nicht machen. Auch wenn uns vielleicht das Thema nicht gefällt, müssen wir es aushalten, diese Diskussion in der Stadt zu führen, und ich finde, die Initiative macht das sehr anständig.
Die Initiative macht das sehr anständig, sie hat sich von Anfang an klar gegen rechte Tendenzen abgegrenzt. Daran lässt sie überhaupt keinen Zweifel. Deshalb glaube ich, ist das erst einmal eine grundsätzlich gute Voraussetzung, um hier in einen vernünftigen Diskurs zu kommen. Herr Tjarks, natürlich kann man fürs gute Gewissen auf uns schimpfen, mit dem Finger auf uns zeigen und sagen, wir als Opposition seien schuld – das machen Sie doch schon die gesamte Legislaturperiode. Das wird Ihnen aber nicht weiterhelfen.
(Milan Pein SPD: Fragen Sie doch einmal Ihren Kollegen Fischer in Harburg, der ist gegen die Bürgerinitiative!)
Sie sehen die Karten jetzt täglich in der Stadt und wissen, wie viele einzelne Flüchtlingseinrichtungen es in der Stadt gibt, denen viele Kollegen in den Bezirken einvernehmlich zugestimmt haben. Das müssen wir auch einmal festhalten.
Und jetzt kommen wir auf den Kern der Sache zu sprechen, nämlich die Frage, ob es Sinn macht, diese Großunterkünfte, diese Massenunterkünfte
in der Stadt einzurichten. Ich glaube, es gibt keinen, selbst in Ihren Reihen, der sagt, sie seien für die Integration der beste Weg. Sie begründen das anders, Sie sagen, man habe keine andere Chance. Ich habe aber keinen Soziologen, keinen Wissenschaftler, keinen Politiker, keinen Abgeordneten getroffen, der sagt, für die Integration sei das der beste Weg. Und wenn das so ist, müssen wir uns als Politiker schon die Frage nach Alternativen stellen und dazu bereit sein, darüber nachzudenken und mit den Menschen zu sprechen. Dass der Vorschlag der Initiative, mit einer Schablone darüber zu gehen und die Dinge, die Sie auch benannt haben, 300 Menschen, 1 Kilometer von der Nachbarschaft entfernt und so weiter, auch nicht der beste Weg sind, ist jedem klar.
Entscheidend ist doch die Frage, warum das gemacht wird. Das kann ich Ihnen erklären. Es wird gemacht, weil Sie in der Vergangenheit sehr trickreich vorgegangen sind. Sie nehmen irgendeine Kreuzung, da ist die eine Einrichtung, die hat den Straßennamen, da ist die andere, die ist direkt nebenan, die hat einen anderen Straßennamen. Und das sorgt bei den Menschen natürlich für Misstrauen