Zwar sind wir das von Ihnen schon gewohnt, doch treiben Sie es dieses Mal auf die Spitze. Sie haben sich dazu nicht geäußert, aber in Ihrem Antrag steht es: So geht es Ihnen nicht nur um den Verzicht auf Barzahlung, Sie wollen vielmehr die Möglichkeit zu bezahlen auf den Kauf bestimmter Konsumgüter einschränken. Nicht nur, dass dies einer vollständigen Entmündigung gleichkäme und zudem stigmatisierend wäre, sondern es ist vor allem auch eines: integrationsfeindlich. Wir wollen doch, dass sich die hier ankommenden Menschen schnellstmöglich einbringen und ähnliche Verhaltensweisen annehmen. Die Möglichkeit, in seinem Konsumverhalten eine Auswahl zu haben, ist und bleibt eine Frage der gesellschaftlichen Teilhabe und ist damit auch Ausdruck eines menschenwürdigen Angebots zur Integration.
Politische Entscheidungen und ihre Auswirkungen sollte man sich hin und wieder ganz praktisch vorstellen. Ein Beispiel: Ein kleiner Junge, ein kleines Mädchen hat aufgrund seiner aufgeschlossenen Nachbarn in unserer Hansestadt Freunde gefunden. Gemeinsam gehen sie ein Eis essen. Was dann? Soll das Flüchtlingskind dann eine Flüchtlingsbezahlkarte über den Tresen reichen in der Hoffnung, dass der Eismann diese Karte annimmt?
Es gibt sehr wenig, was ich mir vorstellen kann, was noch integrationsfeindlicher wäre als dieses Szenario. Deshalb wird es für uns keine Umstellung auf ein Geldkartensystem geben, solange nicht sichergestellt ist, dass es keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der Konsumgüter und Teilhabemöglichkeiten geben wird. Das ist mit uns nicht zu machen.
Ganz nebenbei bemerkt widerspräche es auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das zwar grundsätzlich Sachleistungen statt Bargeld zulässt, aber gleichzeitig mehrfach betont, dass ein Mindestmaß an Teilhabe am politischen, gesellschaftlichen sowie kulturellen Leben gewährleistet sein muss.
Nein, der einzig vertretbare Weg, sich diesem Thema zu nähern, ist und bleibt anhand von praktischen Gesichtspunkten. Die Umsetzung des Kompromisses aus dem Asylpaket I, die eine mögliche Umstellung auf Sachleistungen intendiert, setzt einen verwaltungstechnisch vertretbaren Aufwand voraus. Besteht also die Möglichkeit, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren, indem beispielsweise die Auszahlung auf Karten erfolgt, ohne dass die Konsummöglichkeiten eingeschränkt werden und ohne dass eine Diskriminierung im Alltag erfolgt? Unsere Antwort lautet Nein, denn hierbei bleiben viele Fragen neben der diskriminierungsfreien Umsetzung zu berücksichtigen und abzuwägen wie zum Beispiel, ob der Verwaltungsaufwand tatsächlich reduziert oder gar aufgebläht werden würde.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Nockemann?
Kurzum, Ihr Vorschlag ist integrationsfeindlich, unpraktikabel und widerspricht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts; er ist lediglich nur eines: populistisch. Wir werden diesen Antrag ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Präsident! Die Wahrheit liegt in dieser Debatte wie so oft in der Mitte. Herr Ilkhanipour, offensichtlich haben Sie zu dieser Frage eine ganz andere Auffassung als Ihre vormalige Integrationsministerin in Baden-Württemberg. RotGrün in Baden-Württemberg ist führend bei den Bemühungen um Einführung einer Sachleistungskarte.
Es war richtig, beim persönlichen notwendigen Bedarf wieder zu der Möglichkeit zurückzukehren, Sachleistungen statt Barleistungen einzusetzen. Ich halte es auch für sinnvoll, dass man das in dieser flexiblen Form gemacht hat. Rot-Grün in Hamburg hat zumindest im Hinblick auf die HVV-Karte einen ersten richtigen Schritt gemacht. Das begrüßen wir. Wir erwarten, dass Sie im Zusammenhang mit Meiendorf, der Neuorganisation der Erstaufnahme, weitere Schritte unternehmen.
Über eine Geldkarte, Herr Nockemann, kann man nicht nachdenken, gerade wenn Sie Pull-Faktoren begrenzen wollen, aber über eine Sachleistungskarte für einen begrenzten Teil des Taschengeldbetrages kann man nachdenken. Dort ist das Problem – und da haben Sie uns leider heute auch nichts Neues geboten –, dass es technisch machbar und zu einem vertretbaren finanziellen Aufwand für die Verwaltung einzuführen sein müsste. Beides wissen wir bis heute nicht. Es gibt Pilotprojekte zu dieser Frage in Bayern, es gibt einen entsprechenden Auftrag in Baden-Württemberg. Ob das Ganze überhaupt eine denkbare Alternative ist, ist bis heute völlig offen.
Deshalb halten wir Ihren Antrag in dieser Form weder für zu Ende gedacht noch für praktikabel. Allerdings sind wir sehr wohl der Meinung, dass man über dieses Thema nachdenken sollte, allerdings auf Grundlage der Ergebnisse, die in Baden-Württemberg und Bayern in der Erfahrung mit den Pilotprojekten gemacht werden. Es ergibt nämlich, wie Sie selbst gesagt haben, überhaupt keinen Sinn, das Rad ständig neu zu erfinden. Auch der Bankenverband, der sich mit dem Thema intensiv beschäftigt hat, sagt uns: Macht es bitte nicht in jedem Bundesland anders, sondern macht es einheitlich. Wenn ihr eine Geld- oder Sachleistungskarte einführt, dann macht es bitte einheitlich. Insofern würden wir dringend dazu raten, dieses The
ma zwar nicht als völlig abwegig zu behandeln, aber es bundeseinheitlich zu bewegen, nachdem entsprechende Erfahrungen vorliegen. Deshalb werden wir der Überweisung dieses Vorschlags an den Ausschuss zustimmen. Allerdings ist der Antrag leider – Herr Nockemann, ich will mich nicht so überheblich zeigen wie Sie – so nicht ausgereift und nicht entscheidungsreif. Deshalb kann man ihm auch nicht zustimmen. – Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir werden einer Überweisung dieses Antrags an den Sozialausschuss nicht zustimmen. Herr Ilkhanipour hat inhaltlich alles dazu gesagt.
Dieser Antrag dient vor allem dazu, die geringen Verfügungsmittel, die die Geflüchteten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und anderen rechtlichen Regelungen im Laufe ihres Verfahrens zur Verfügung gestellt bekommen, noch weiter einzuschränken. Das ist etwas, das wir nicht unterstützen.
Darüber hinaus: Dem Versuch in Baden-Württemberg oder auch in Bayern, das Taschengeld in einer bargeldlosen Variante auszuzahlen, kann man zugucken.
Zugucken im Sinne von ihn begleiten. Es ist schon etwas spät, aber da soll kein Missverständnis entstehen; diesen Versuch kann man begleiten.
Um den einen Punkt zu klären, zu dem sich GRÜNE in Hamburg geäußert haben: Herr Nockemann, die Zitate, die Sie eben gebracht haben, sind mir nicht bekannt, aber vielleicht kenne ich zu wenig GRÜNE. Die Zweite Bürgermeisterin hat dazu gesagt, dass das Entscheidende bei der Einführung der Geldkarte der zumutbare oder eben nicht zumutbare Verwaltungsaufwand sein werde. Aus der jetzigen Einschätzung in Hamburg ist der Verwaltungsaufwand nicht zumutbar, und deswegen kommt die Karte für Hamburg hier und heute nach all dem, was man darüber weiß und was es bedeuten würde, sie einzuführen, nicht infrage.
Um darüber hinaus noch einmal deutlich zu machen, wie wenig stringent Ihre Diskussion ist: Wenn Sie Ihren AfD-Antrag damit herleiten, dass mit den Taschengeldern Schleuser und andere bezahlt und herangelockt würden, gleichzeitig aber limitieren wollen, dass Tabak und Alkohol von den Geflüchteten gekauft werden können, dann verstehe ich schlicht den Zusammenhang nicht mehr.
Vieles ist schon gesagt. In Ihrer Rede, Herr Nockemann, ist deutlich geworden, worum es hauptsächlich geht, nämlich um Einschränkung dessen, was sich Geflüchtete kaufen können und was nicht.
Ich will einmal aufzeigen, worüber wir eigentlich sprechen. Alleinstehende Geflüchtete erhalten in Erstaufnahmeeinrichtungen seit dem 17. März 2016 zur Deckung aller notwendigen persönlichen Bedarfe einen Geldbetrag in Höhe von 135 Euro, in Hamburg abzüglich 29 Euro für die Fahrkarte; es bleiben also 106 Euro. Ich will die anderen Sätze jetzt nicht noch aufführen, man kann aber sagen, pro Kopf erhalten die Geflüchteten durchschnittlich 115 Euro, und wenn man die Fahrkarte abzieht, sind es unter 100 Euro pro Monat. Und dann faselt die AfD davon, dass von niemandem verlässlich bestätigt werden könne, dass das Geld tatsächlich für die Abdeckung dieser notwendigen persönlichen Bedarfe sei. Wörtlich:
Dass man mit durchschnittlich nicht einmal 3,50 Euro täglich, die für Telefon, Post, Unterhaltung, Kultur, Bildung, Freizeit, Körperpflege und weitere notwendige Waren und Dienstleistungen draufgehen, nicht noch wer weiß was für Wirtschaftsgeschäfte tätigt, kann jeder wissen, der auch nur kurz nachdenkt.
Die AfD kalkuliert damit, dass ihre Wähler nicht nachdenken, sondern auf das Zerrbild vom Flüchtling anspringen, der mit unserem Geld seine Geschäfte macht. Sie bedienen Neid, Sie bedienen das Vorurteil, Sie bedienen das Ressentiment, das die Armen in dieser Gesellschaft gegeneinander ausspielt.
Da es wahrscheinlich nicht alle wissen, will ich kurz darauf hinweisen, dass die AfD seit dem 19. Februar 2016 unter dem Motto "Bargeld lacht!" eine bundesweite Kampagne zur Erhaltung des Bargelds gestartet hat, weil sie in der Abschaffung des Bargelds ein Mittel totaler Kontrolle und einen Abbau von Freiheitsrechten vermutet. Das ist das Motiv, aus dem die AfD für die Abschaffung des Bargelds für Geflüchtete ist, nämlich wegen der
Frau Schneider, falls Sie eine weitere Wortmeldung in Erwägung ziehen, achten Sie bitte auf den parlamentarischen Sprachgebrauch. – Frau Dutschke von der FDPFraktion hat jetzt das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Im Asylpaket I wurde vereinbart, dass in Erstaufnahmen auf Sachleistungen anstelle von Bargeldauszahlung umgestellt werden soll, soweit möglich. Insofern sollte der Senat vielleicht erst einmal prüfen, ob und welche Leistungen, die bisher noch über das Taschengeld gedeckt werden, in Form von Sachleistungen ausgegeben werden könnten. In einem zweiten Schritt kann die Geldkarte ein Weg sein, um dem Sachleistungsprinzip umfänglich zu entsprechen. Aber der hier vorliegende Antrag formuliert in typischem AfD-Duktus, was uns diese Fraktion mit all ihren Initiativen unterjubeln will, nämlich asylfeindliche Politik, den Wolf im Schafspelz.
Die Ausgabe von Sachleistungen ist nur ein Teilaspekt der Maßnahmen im Asylpaket I und II, der zum Abbau von Anreizen für Wirtschaftsmigration beitragen soll, und das ist ja der Punkt, an dem Sie sich aufhängen. Die Gesamtheit der Maßnahmen hat bereits dazu geführt, dass die Zahl der Menschen, die beispielsweise vom Westbalkan kommen oder kamen und um Asyl ersuchen, zurückgegangen ist. Insofern sollte in der Diskussion um die Einführung einer Geldkarte im Fokus stehen, inwieweit die Verwaltung dadurch entlastet werden kann und wie Prozesse effizienter vereinfacht werden können.