Protokoll der Sitzung vom 31.03.2016

Das Wort bekommt noch einmal Herr Meyer von der FDP-Fraktion.

In meinem ersten Beitrag hatte ich versucht, Ihnen die gesellschaftlichen, kulturhistorischen und architektonischen Zusammenhänge der City-Hochhäuser in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kontorhausviertel nahezubringen, soweit das in fünf Minuten geht. Eines möchte ich noch ergänzen: Der Titel der heutigen Veranstaltung, nämlich Denkmalschutz nach Gutsherrenart, kommt nicht etwa von uns, sondern von der Generalsekretärin von ICOMOS – ich hatte eben schon erläutert, dass ICOMOS die internationale Fachorganisation ist, die das Welterbekomitee maßgeblich berät –, also von keiner unbedeutenden Person, was den Denkmalschutz und das Weltkulturerbe angeht.

Herr Kienscherf, Sie riskieren mit Ihrem Abstimmungsverhalten die Aberkennung des Weltkulturerbes für Hamburg.

(Dirk Kienscherf SPD: Stimmt doch gar nicht!)

(Heike Sudmann)

Professor Marg hat Ihnen, wie eben schon angedeutet, eindrucksvoll nachgewiesen,

(Dirk Kienscherf SPD: Hat er nicht! Hat er nicht!)

dass eine denkmalgerechte Sanierung wirtschaftlich, ästhetisch anspruchsvoll, architekturgeschichtlich und denkmalpflegerisch angemessen, ökologisch sinnvoll und unter Veränderung der erdgeschossigen Sockelzonen und ergänzenden Kopfbauten am Deichtorplatz städtebaulich vernünftig ist.

(Milan Pein SPD: Übernimmt Herr Professor Marg dafür auch die Verantwortung?)

Das alles wollen Sie, Herr Tschentscher, Frau Stapelfeldt, auch der von mir sehr geschätzte Oberbaudirektor nicht hören. Sie fahren Juristen zur Senatsbefragung auf, anstatt die Denkmalbehörde zu Wort kommen zu lassen. Bemerkenswert peinlich finde ich das.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Der Ausschluss aus formalen Gründen ist und bleibt höchst fragwürdig. Zudem ist der Senat auch heute noch nicht verpflichtet, das Grundstück zu veräußern. Sie könnten jetzt stoppen, das Verfahren neu auflegen und sogar noch einen höheren Grundstückspreis erzielen, aber Sie wollen es einfach nicht, Sie wollen es partout nicht. Nach dem Motto, was schert mich besseres Wissen, wenn ich schon meine Meinung und dazu noch eine Mehrheit habe, ignoriert Bürgermeister Teflon-Scholz sämtliche Bedenken und versucht, ein weiteres Mal in altbekannter Basta-Manier wie ein unbelehrbares Kind seinen sturen Willen durchzusetzen. Und weil Widerspruch nicht gern gehört wird, wurde der in Denkmalfragen fachlich zuständigen Kulturbehörde in dieser Sache ein Maulkorb verpasst.

Ein bemerkenswerter Vorgang ist, dass bei der Senatsbefragung zu Denkmalfragen – Frau Sudmann hat das eben schon angedeutet – der Finanzsenator spricht, anstatt fachkundigen Personen vom Denkmalschutzamt das Wort zu geben,

(Dirk Kienscherf SPD: Der ist auch fachkun- dig!)

die es dort durchaus gibt.

Herr Scholz, Sie senden ein verheerendes Signal an die UNESCO, an das Welterbekomitee, das vertreten durch Organisationen wie ICOMOS und andere Organisationen in zahlreichen offenen Briefen größte Bedenken geäußert hat, ein verheerendes Signal an alle privaten Immobilieneigentümer dieser Stadt, die sich gesetzlich verpflichtet präzise an denkmalrechtliche Auflagen zu halten haben, ein verheerendes Signal auch an die City-HofInitiative, die zusammen mit der Kunstszene den City-Höfen trotz Ihres Reparaturstaus viel kulturel

les Leben gegeben hat, und auch ein verheerendes Signal an die Architektenschaft, die vertreten durch die Hamburgische Architektenkammer ebenfalls größte Bedenken geäußert hat, und letztlich auch ein verheerendes Signal an alle Bürgerinnen und Bürger, die erkennen müssen, dass man den Hamburger Senatspolitikern, angeführt von Olaf Scholz, mit Argumenten und fachlicher Expertise gar nicht zu kommen braucht, weil jegliche Kritik, und sei sie noch so berechtigt, schlicht an ihnen abperlt. Das führt Menschen zur Abkehr von Politik,

(Zurufe von der SPD: Oh!)

oder noch schlimmer, zum Protest an den politischen Rändern unserer Gesellschaft, den wir doch gerade vermeiden wollen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Jetzt profitiert die AfD vom Abriss der City-Hochhäuser!)

Deshalb, meine Damen und Herren, Herr Kienscherf, bedenken Sie gut, wie Sie heute abstimmen. Ich weiß, dass es auch in Ihrer Regierungskoalition viele Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich ganz offen oder zumindest hinter vorgehaltener Hand für die vernünftige Sanierungsvariante der City-Hochhäuser ausgesprochen haben.

Herr Duge, Sie haben doch immer für den Denkmalschutz gekämpft, Sie waren doch immer ein Vorreiter. Sie haben, glaube ich, hier einmal Zettel für den Erhalt von Denkmälern verteilt.

(André Trepoll CDU: Er ist selber ein Denk- mal!)

Genau, Sie selbst sind jetzt offensichtlich bald ein Denkmal und sollten sich jetzt endlich einmal gerade machen bei der namentlichen Abstimmung.

Im Verlauf unserer Sitzung wird sich zeigen, wie Sie es, verehrte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, mit Ihrem eigenen Denkmalschutzgesetz halten. Ich bin gespannt darauf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort bekommt nun Frau Senatorin Dr. Stapelfeldt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige Befassung in der Bürgerschaft mit dem Thema City-Höfe bildet den vorläufigen Abschluss einer sehr breiten Diskussion bei uns in der Stadt, und stellvertretend für den Senat werde ich Folgendes gern noch einmal zusammenfassen.

Erstens: Aus Sicht der Stadtentwicklung bietet die nunmehr vorgesehene Neubebauung an diesem

(Jens Meyer)

Standort die Chance einer deutlichen städtebaulichen Aufwertung des Stadteingangs.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Sie bietet die Chance, die historische Kante der Innenstadt räumlich eindeutig herzustellen und somit an dieser wichtigen Stelle dem Stadtgrundriss der Innenstadt mehr Prägnanz und historische Identität zu verleihen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Die historische Form des Chilehauses, die Schiffsbugform, ist so komponiert, dass sie erst aus der Nähe betrachtet richtig zur Geltung kommt. So war das gewollt, und deswegen kann auf die Freihaltung ausgreifender Sichtachsen nach Osten verzichtet werden.

(Thilo Kleibauer CDU: Wer sagt das denn?)

Der Neubau bietet die Möglichkeit, eine attraktive und belebende Nutzungsmischung aus Wohnen, Hotel, Kultur, Einzelhandel und Büros zu schaffen. Dies ist innerhalb der Zwänge des vorhandenen Bestands nur bedingt möglich. Auch bliebe die Wohnnutzung in der Bestandslösung lärmexponiert.

Im Übrigen, das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich unterstreichen, ist in der Sachverständigenanhörung und darüber hinaus in Beiträgen von anerkannten Experten öffentlich infrage gestellt worden, ob diese Gebäude denkmalschutzwürdig sind. Die heutige Tristesse der Bauten wird von niemandem bezweifelt. Welch guter Grund für eine Veränderung und für einen Aufbruch.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Zweitens: Bei der Abwägung des Erhalts eines Einzeldenkmals dieser Dimension gegenüber möglichen städtebaulichen und architektonischen Potenzialen eines Neubaus muss auch der Blick über das eigentliche Objekt hinaus gerichtet werden. Die historische Situation vor Ort hat sich durch den Bau der HafenCity, des Deichtor-Centers, des Spiegel-Gebäudes gewandelt und wird sich auch in Zukunft weiter verändern. Es wird in Zukunft mehr Fußgänger geben, die sich zwischen der Mönckebergstraße und der HafenCity bewegen werden. Das bedeutet insbesondere für den Johanniswall und für den Klosterwall, dass gerade Erdgeschosszonen deutlich attraktiver werden müssen. Auch hierzu bietet der Neubau gute Möglichkeiten.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)

Eine Aufwertung dieser Zone im Bestand ist zwar denkbar, hätte aber die Aufgabe der innenliegen

den Passage und damit des Sockelbauwerks zur Folge. Damit ginge ein heute wesentliches Charakteristikum des Gebäudes definitiv verloren.

Drittens: Mit einem Neubau kann ein Beitrag dazu geleistet werden, den Platz östlich des Chilehauses gegen den Verkehrslärm des Deichtorplatzes abzuschirmen und über den möglichen Bau einer großen Tiefgarage sowohl diesen als auch den Burchardplatz von Stellplätzen – wie lange gefordert – in der Innenstadt zu befreien. Auch damit würden die Qualität der öffentlichen Räume deutlich gesteigert und das Weltkulturerbe wesentlich aufgewertet werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der Senat hat sich bei der Ausschreibung zum Verkauf des Areals der City-Hof-Häuser für ein Verfahren entschieden, das ausdrücklich sowohl den Neubau als auch den Bestandserhalt erlaubte. Wir haben dies bereits sehr ausführlich in der der Sachverständigenanhörung folgenden Senatsberatung im Stadtentwicklungsausschuss dargestellt. Für dieses offene Verfahren sprachen einerseits die Chancen auf eine städtebauliche Umgestaltung dieses prominenten Stadteingangs und die Zweifel an der Erhaltungsfähigkeit des Ensembles, andererseits aber selbstverständlich auch die 2013 erfolgte Eintragung der City-Hof-Häuser als Denkmal sowie die Aufnahme des Kontorhausviertels und der Speicherstadt in die Liste des Weltkulturerbes.

Um die Entscheidung über Neubau oder Erhalt auf einer breiten Basis treffen zu können, wurden in den Beurteilungsprozess neben der federführenden Finanzbehörde die Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, der Bezirk Hamburg-Mitte, die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und insbesondere auch die Kulturbehörde einbezogen, die alle das Verfahren in der Folge mitgetragen haben. Um das öffentliche Interesse mit den Belangen des Denkmalschutzes abwägen zu können, haben die Kulturbehörde und die Finanzbehörde eine Vereinbarung getroffen. Die Vereinbarung sah die Durchführung der Konzeptausschreibung vor, bei der Gesichtspunkte der Stadtentwicklung, des Denkmalschutzes und der Wirtschaftlichkeit in einer einvernehmlich abgestimmten Bewertungsmatrix abgewogen wurden. Ich will noch einmal ausdrücklich sagen, dass es immer um das Abwägen geht, das in diesem Verfahren stattgefunden hat. Darüber hinaus hat die Kulturbehörde Folgendes zugesichert: Sollte das aus Sicht der Bewertungskommission beste Gebot einen Neubau vorsehen, wird die Beseitigung der City-Hof-Gebäude denkmalschutzrechtlich genehmigt werden. Gemäß Paragraf 9 Absatz 2 Satz 1 des Denkmalschutzgesetzes ist eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung für den Abbruch eines Denkmals zu erteilen, sofern überwiegende öffentliche Interessen dies verlangen.

(Senatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

(Jörg Hamann CDU: Dann lesen Sie mal weiter vor!)

Die Sanierung ist von Anfang an so, wie ich es geschildert habe, als Alternative mitgedacht worden.

(Jörg Hamann CDU: Unglaublich!)