Protokoll der Sitzung vom 14.04.2016

(André Trepoll CDU: Das ist immer mein Ziel, Herr Tjarks!)

Sie zeigt nämlich, dass wir mittlerweile nicht mehr in dieser völligen Konfrontationsstellung sind, sondern in einem Diskussionsprozess angekommen sind, in dem verstärkt nach Lösungen gesucht wird. Frau Prien kommentiert das quasi täglich, und ich lese dann immer, wie ich die Verhandlungen führe. Scheinverhandlungen beispielsweise ist dabei so ein beliebtes Wort. Sehen wir uns einmal an, was passiert: Bergedorf ist von 4 000 Plätzen auf 2 400 reduziert, Harburg mit Ihrer Zustimmung von 3 000 auf 1 400 Plätze reduziert, Hörgensweg von 3 000 auf 1 400 reduziert, Altona, drei Standorte, so um die 130 Plätze, nicht ganz genau jeder, und Wandsbek ist ohnehin aufgeteilt. Ehrlich gesagt bewegen sich SPD und GRÜNE die ganze Zeit auf die Initiativen zu. Genau deswegen führen wir sinnvolle Gespräche und nicht nur irgendwelche Scheingespräche, wie Sie sagen, sondern Gespräche mit realem Inhalt, um vernünftige Lösungen für unsere Stadt zu finden. Ich würde mich freuen, wenn Sie das stärker in Ihre Argumentation einbezögen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Was mich jetzt ein bisschen überrascht hat, dass Sie dazwischengerufen haben – Zwischenrufe sollen kurz und verletzend sein; der war jetzt gar nicht so verletzend –, aber Sie haben gesagt, Harburg und Aschenland seien gar nicht Perspektive Wohnen. Wenn wir ehrlich zu uns allen sind und sagen, was in dieser Stadt außer Flüchtlingsunterkünften gerade gebraucht werde, dann sind das doch Sozi

(Dr. Andreas Dressel)

alwohnungen. Genau das ermöglicht doch dieses Programm Flüchtlingsunterkünfte mit der Perspektive Wohnen. Es geht darum, dass wir 4 800 Sozialwohnungen in Hamburg bauen. Das ist genau das, was wir brauchen, und deswegen verstehe ich nicht, warum Sie diesen Zwischenruf gemacht und so abwertend über dieses Programm geredet haben. Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass Sozialwohnungen in dieser Stadt gebraucht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir sind in diesem Diskussionsprozess, und die Situation ist doch sehr kompliziert. Um einen Faktor zu nennen: die Tatsache, dass in den letzten fünf Jahren die Flüchtlingszahlen immer im Juni wieder deutlich gestiegen sind. Wenn wir ein Moratorium verhängen und sagen, wir machten das nicht mehr, und im Juni gehen die Flüchtlingszahlen wieder hoch, dann sind Sie doch die Ersten, die fragen, warum wir nicht vorgesorgt hätten, wo eigentlich unsere Unterkünfte seien? Warum seien die alle in prekären Unterkünften? So gehe das nicht weiter. Deswegen, das wissen Sie doch genau, funktioniert das nicht, was Sie fordern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der zweite Punkt, über den wir reden müssen und der die Sache komplex macht: Wir haben eine Volksinitiative, die sich auf Landesebene bewegt, und wir haben sehr viele regionale Beteiligungsverfahren und sehr viele Gespräche mit den Initiativen vor Ort. Wir müssen doch in diesen Prozessen klären, wie sich eine regionale Lösung vor Ort zu einer möglicherweise angestrebten Lösung auf Landesebene verhielte. Das ist ein sehr komplizierter Verfahrensflutscher, wenn Sie das einigermaßen wirtschaftlich vertretbar machen wollen. Das ist doch alles nicht einfach, und auch deswegen funktioniert es nicht so, dass man sich einfach hinstellt und sagt, das sei die Lösung, das sei das Angebot. So funktioniert in dieser Frage die Realität nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es ist aus meiner Sicht durch einen nicht vernünftigen Vorschlag über die Bürgerbegehren versucht worden, mit sehr wenigen Unterschriften ein Moratorium zu schaffen, das den Flüchtlingsausbau …

(André Trepoll CDU: Aber die Regeln sind Ihnen doch bekannt!)

Die Regeln sind mir bekannt, und bei den Regeln muss man sagen: Die Leute haben sich zu einem Dachverband zusammengeschlossen, weil sie gesagt haben, dass es einer hamburgweiten Lösung bedürfe. Wenn es einer hamburgweiten Lösung bedarf und man sich als Volksinitiative auf den Weg macht, akzeptiert man damit auch, dass es in diesem Verfahren kein Moratorium gibt. Auch bei den Bürgerbegehren akzeptiert man, dass gegen Senatsbeschlüsse – und Flüchtlingsunterkünfte mit

Perspektive Wohnen sind seit über sechs Monaten ein Senatsbeschluss – Bürgerbegehren nicht zulässig sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn man für gute Integration ist, muss man dafür sorgen, dass die Menschen aus den prekären Unterbringungsverhältnissen herauskommen, dass wir keine Überresidenten in der ZEA haben und dass Wohnberechtigte aus öffentlich-rechtlichen Unterbringungen herauskommen. Das gehört zur Wahrheit dazu, und das muss man berücksichtigen, wenn man fragt, wie es am Ende funktionieren solle. Wir werden diesen Weg gehen, aber es wird ein weiter Weg und ein Prozess sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Von der Fraktion DIE LINKE erhält jetzt Frau Sudmann das Wort.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, vor allem von der CDU! Ich kann Ihr Kalkül gut verstehen. Es ist gerade ein sehr guter Zeitpunkt, solch ein Thema anzumelden, weil die Initiative für erfolgreiche Integration die Volksinitiative gestartet hat und es auf Bezirksebene Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gibt. Sie haben gehofft, mit einer plakativen Forderung diesen Schwung zu nutzen. Sie sind diesem schwierigen Thema nicht ansatzweise gerecht geworden,

(Beifall bei der LINKEN)

denn Sie haben sich gefreut, es sei doch toll, dass wir einen Rückgang der Geflüchteten hätten. Schön wäre es, wenn wir einen Rückgang hätten. Wir haben eine unerfreuliche Entwicklung: Die Geflüchteten können nicht mehr nach Europa. Sie sehen die Lage in Idomeni, Sie sehen, was passiert, und das ist für mich kein Grund zu Freude, eher ein Grund zu Nachdenklichkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei Hendrikje %ODQdow-Schlegel und Gert.ekstadt,Eeide SPD)

Herr Trepoll, Sie haben nicht darüber gesprochen, wie die Unterbringung in Hamburg ist. In Hamburg haben wir immer noch wirklich prekäre Unterbringung. Wir haben immer noch Menschen, die zu sechzehnt in Zelten leben müssen. Wir haben immer noch Container, wir haben eine Unterbringung, die nicht akzeptabel ist. Ich hoffe, dass auch Sie sagen: Ja, das ist nicht akzeptabel, wir brauchen sehr schnell Abhilfe. Sie haben in Ihrem Titel gesagt: sozialen Frieden wahren. Sie haben nicht einmal diesen Begriff überhaupt in den Mund genommen. Sie haben nicht davon gesprochen und nicht dargestellt, wie Sie den sozialen Frieden wahren wollen, wobei ich mich fragen muss, was "wahren" überhaupt heißt. Den sozialen Frieden

(Dr. Anjes Tjarks)

haben wir in Hamburg schon lang nicht mehr. Sehen Sie sich an, wie viele Menschen hier mittlerweile nicht nur von Armut bedroht, sondern betroffen sind. Sehen Sie sich an, wie viel schlechtere Chancen sie haben, wenn sie aus bestimmten Stadtteilen kommen oder wenn sie in bestimmten Stadtteilen leben: Ihre Gesundheitsbedingungen, ihre sozialen Bedingungen sind wesentlich schlechter.

(Zuruf von Carsten Ovens CDU)

Was heißt denn sozialer Frieden zum Beispiel in Blankenese im Björnsonweg? Was heißt es, wenn dort Menschen Nein sagen zu 192 Flüchtlingen? Frau von Treuenfels, ich finde es überhaupt nicht albern, ich finde es sehr bedenklich,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das ist auch bedenklich!)

wenn in einer Straße, wo jahrzehntelang eine Flüchtlingsunterkunft war, wo es keine Probleme gab, wo jetzt andere Anwohnerinnen und Anwohner sagen, es sei gut gelaufen, Menschen sich aufschwingen und sagen, sie wollten dort keine weiteren Flüchtlinge haben. Das wollen Sie unter sozialem Frieden verpacken. Das geht überhaupt nicht.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich weiß nicht, ob Sie heute den sehr interessanten Artikel in "Der Zeit" gelesen haben. Darin gibt es eine Untersuchung dazu, wer warum protestiert. Darin werden verschiedene Milieus, wie es dort so schön heißt, beschrieben. Darin wird auch beschrieben, wer sich zum Beispiel abschottet. Blankenese wird als Beispiel dafür genommen, dass es eine Tendenz gebe, dass reichere, wohlhabendere Menschen sehr offen für Geflüchtete sind, solange sie nicht in ihrer Nähe leben, und sagen, sie wollten sich lieber abschotten. Sie haben in Ihrer Anmeldung davon gesprochen, dass Sie Flüchtlingsghettos verhindern wollen. Vielleicht müssen Sie ernsthaft darüber nachdenken, ob Sie auch Reichenghettos verhindern wollen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Um den sozialen Frieden herzustellen, muss wesentlich mehr in dieser Stadt gegen soziale Spaltung passieren, damit weder arme Menschen, die schon lange in Hamburg leben, noch geflüchtete Menschen, die hierherkommen, weder gegeneinander ausgespielt noch ausgegrenzt werden. Dann erreichen wir vielleicht irgendwann einen sozialen Frieden.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich komme zu dem, was der Senat geplant hat. Es war wirklich absurd zu sagen: Wir machen das rein mathematisch, jeder Bezirk liefert einen Standort für 800 Wohnungen für Geflüchtete. Das ist mathe

matisch genauso absurd wie die Position der Volksinitiative, sie wolle nur noch Standorte, die 1 000 Meter voneinander entfernt sind. Man kann es nicht rechnerisch machen, das ist völlig klar. Ich bin froh über den Protest vor Ort. Ich bin froh über unsere guten Bezirksversammlungsleute, sowohl von den LINKEN und von den GRÜNEN als auch von der SPD, die gesagt haben, so gehe das nicht. Ich bin auch froh darüber, dass es die IFI gibt, weil sie dazu beigetragen hat, dass Rot-Grün sich bewegt. Das ist alles gut. Aber das, was Sie bisher vorgestellt haben, reicht nicht. Wir brauchen zweifelsohne mehr sozialen Wohnungsbau. Falls die Meldungen stimmen und Sie jetzt sagen, 10 000 Wohnungsgenehmigungen pro Jahr wären klasse, erschreckt mich das. Das haben wir schon lange gefordert. Aber Sie wollen, dass davon nur noch 3 000 Sozialwohnungen sind; das ist nicht einmal ein Drittel. Das ist der völlig falsche Weg, denn wir brauchen viel mehr Wohnungen für Menschen mit wenig Einkommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Daran sollten Sie sich orientieren.

Wir reden in dieser Stadt sehr viel über die IFI, Initiative für erfolgreiche Integration. Wir reden sehr wenig von all diesen Menschen, die sich in der Stadt vor Ort engagieren. Wir reden wenig von den Initiativen, die sich seit Jahrzehnten engagieren. Ich nenne das Beispiel Poppenbüttler Berg. Auch dort gibt es zwei Initiativen. Eine davon ist dafür, dass die Geflüchteten dorthin kämen. Diese Initiative findet bei den Medien kein Gehör. Wir haben andere Initiativen, die sich wirklich still und leise, aber sehr effektiv in ihren Stadtteilen bemühen. Auch sie finden kein Gehör.

(Dennis Thering CDU: Zeit!)

Was? Meine Zeit ist noch völlig in Ordnung.

(Dennis Thering CDU: Seit einer halben Mi- nute klingelt es!)

Herr Thering, Sie sind ja so aufgebracht. Ihnen passen meine Argumente nicht. Bleiben Sie ganz ruhig.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich komme zum Schluss, denn, Herr Thering, ich liebe kurze und schmerzhafte Zwischenrufe, aber die langen schmerzerfüllten Reden, die Sie hier oft halten,

(Glocke)

sind nicht der richtige Weg.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Dutschke von der FDP-Fraktion.

(Heike Sudmann)