Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin positiv überrascht darüber, dass die Abgeordneten der Regierungskoalition sich hier so friedlich und konstruktiv präsentiert haben. Leider ist die Senatslinie aber eine andere. Mit Brechstangenprinzip und Basta-Rhetorik gefährdet dieser Senat den sozialen Frieden in unserer Stadt. Das hat die Anmeldung der CDU recht zutreffend aufgegriffen.
Ob durch Unterbringung nach Polizeirecht oder durch die Anwendung des Beschleunigungsparagrafen 246 Baugesetzbuch, Ihnen ist jedes Mittel recht, um Bürgerbeteiligung beim Bau von Flüchtlingsunterkünften auszuhebeln. Mit Drohgesetzen zur Enteignung und Beschlagnahme bewaffnet, ziehen Sie in den Kampf
Zusätzlich bedienen Sie sich billiger Tricks, um einen inhaltlichen Diskurs zu umgehen. Mit der erfolgreich zustande gekommenen Volksinitiative verhandeln Sie nicht auf Augenhöhe. Dabei sind 26 000 Unterschriften binnen weniger Tage ein deutliches Signal dafür, dass ein Weiter-So nicht akzeptabel ist. Doch anstatt nun endlich eine konstruktive Auseinandersetzung zu suchen und die Angst der Bürger vor Parallelwelten, sozialen Brennpunkten, Gewaltkriminalität und Desintegration ernst zu nehmen, erklären Sie die eingereichten Bürgerbegehren der Bequemlichkeit halber pauschal für unzulässig.
Sie haben bisher jede konstruktive Diskussion mit den Bürgern in dieser Stadt und dem Parlament durch Ihre selbstherrliche Überheblichkeit beendet. Sie geben vor, Gespräche zu führen, aber gleichzeitig werden Bautätigkeiten fortgesetzt, Grundstücke zu genau diesem Zweck veräußert und weiter Tatsachen geschaffen. Das ist eine Unterwanderung dessen, was Sie an Dialogbereitschaft vorgeben. Es ist blamabel und überheblich. Das ist keine Verhandlung auf Augenhöhe, keine Lösungsorientierung, sondern Hochmut.
Wann setzen Sie sich endlich mit der inhaltlichen Kritik an Ihrem Vorhaben auseinander? Wie lange wollen Sie die Basta-Politik gegen die eigene Be
völkerung noch fortsetzen? Wir fordern einen respektvollen Umgang mit den Bürgern in dieser Stadt. Wir fordern eine inhaltliche Auseinandersetzung
mit dem Anliegen der Bürgerbegehren und ihren Initiatoren. Wir fordern Sie auf, zur Deeskalation beizutragen und in einem Mediationsverfahren mit den Initiatoren der Volksinitiative Unterbringungslösungen und einen Kompromiss zu finden.
Wir haben einen entsprechenden Antrag in das Verfahren eingebracht. Der Senat wird sich hier bewegen müssen, die Volksinitiative allerdings auch.
(Milan Pein SPD: Aha! – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Aha! – Dirk Kienscherf SPD: Jetzt wird es interessant!)
Aber letztendlich ist dieser Senat dafür verantwortlich, dass die Bürger überhaupt diesen Weg gehen, den einzigen Weg, der ihnen bleibt, nämlich der Weg zum Volksentscheid. Letzten Endes ist dieser Senat dafür verantwortlich, wenn es bei diesem Volksentscheid am Ende um die Frage Flüchtlinge ja oder nein geht.
Nehmen Sie die Bürger in dieser Stadt endlich ernst. Die Hamburger wollen keine Massenunterkünfte, keine sozialen Brennpunkte, keine systematische Stigmatisierung, keinen Herd drohender Konflikte.
Die Hamburger wollen ein sozial verträgliches Zusammenleben und für die Flüchtlinge eine echte Chance auf Integration. Sie stehen in der Verantwortung, die Schutzsuchenden so unterzubringen, dass es für die hier lebenden Bürgerinnen und Bürger sozial verträglich und akzeptabel ist. Bürgerbeteiligung ist dabei das Stichwort, das wir Freidemokraten Ihnen ans Herz legen wollen. Unser Parteitag hat am Wochenende ein Zehn-PunktePapier zur Bürgerbeteiligung verabschiedet. Sie sollten dort hineingucken. Dort finden Sie Anregungen, wie Sie den Bürger als konstruktiven Impulsgeber einbinden können, anstatt ihn als Beschwerdeführer zu denunzieren.
Die Unart dieses Senats, sich über den Willen des Volkes so massiv und ohne Respekt und Anstand hinwegzusetzen, ist unerträglich.
(Wolfgang Rose SPD: Was reden Sie denn da! – Dirk Kienscherf SPD: Regen Sie sich langsam mal wieder ab da vorn!)
Ihre Basta-Politik rächt sich. Sie beschädigen das Vertrauen in Regierende und leider auch das Ansehen der Politik in Gänze. Kommen Sie von Ihrem hohen Ross herunter,
geben Sie sich einen Ruck und suchen Sie gemeinsam mit der Volksinitiative und den Bürgern dieser Stadt nach anständigen Alternativen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! In der Drucksache 21/1838, gleich auf der ersten Seite, schreibt der Senat:
"Alle Erfahrungen der Stadt- und Stadtteilentwicklung zur Vermeidung von überforderten Nachbarschaften und Segregation sind einzubeziehen."
Man bezieht sich mit diesem Satz auf die Erfahrung, die man mit den sozialen Brennpunkten gemacht hat, wie sie zum Beispiel in den Siebzigerjahren in Steilshoop entstanden sind, die auch deswegen soziale Brennpunkte sind, weil sie eine gewisse Größenordnung haben.
Wann ich das letzte Mal in Steilshoop war? Ich bin dort aufgewachsen. Ich habe nicht, wie viele hier, anstudiertes Wissen über soziale Brennpunkte, sondern habe es selbst erlebt.
Der grundlegende Fehler in der Vorgehensweise des Senats ist, dass nach seinem Verständnis Großwohnsiedlungen erst ab einer Größenordnung von 10 000 Menschen entstehen und erst dann die Probleme mit der Größe einer Siedlung anfangen. Dieser Rückschluss ist, wie Sie wissen, aber falsch. Die Bevölkerungsstruktur samt ihrem Bildungsstand, mit ihren verinnerlichten Grundwerten, geprägt von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft, und die Einkommenslage bestimmen selbstverständlich ebenfalls, ob sich eine Siedlung zu einem Problemgebiet entwickelt oder nicht. Bei der Betrachtungsweise reicht es aber völlig aus, wenn ich 5 000 statt 10 000 Menschen an einem Ort unterbringe,
um einen sozialen Brennpunkt der Zukunft zu schaffen, zumal in diesem Fall, weil wir über Flüchtlinge sprechen, die wir dort geballt unterbringen wollen, der wichtige Aspekt der Integration hinzukommt. Zum wiederholten Mal bleibt mir daher nur aus Sicht unserer Fraktion festzuhalten, dass jede Flüchtlingsunterkunft an einem Ort in Hamburg deutlich unter 1 000 Plätze aufweisen muss. Es stimmt, Sie bewegen sich in die richtige Richtung, das ist anzuerkennen, aber Sie sind an vielen Standorten noch sehr weit weg von einer Größenordnung, die eine Integration über gewachsene Strukturen ermöglicht.
Jetzt sagt der Senat, man habe keine Zeit. Sicherlich ist Eile geboten, das wissen wir alle, aber jetzt panisch zu agieren, ist kontraproduktiv.
War es nicht einmal Ihr Kanzler, der gesagt hat, regieren mit ruhiger Hand? Falsche Handlungen bleiben falsche Handlungen, auch wenn sie unter Eile geschehen, und die Folgen bleiben auch bestehen. Das Bedauerliche dabei ist, dass diese Folgen irreversibel sind. Flächen, die den Menschen der Naherholung dienen sollten, werden jetzt zugebaut, Landschaftsachsen werden dichtgemacht. Es werden Großsiedlungen entstehen, die das Potenzial in sich tragen, zu Problemsiedlungen der Zukunft zu werden.
Sie schaffen künstliche, speziell auf Flüchtlinge zugeschnittene Infrastrukturen und simulieren damit Wirklichkeit in diesen Großsiedlungen in der irrigen Annahme, dass, wenn die Menschen sich in diese Kunstwelt integriert hätten, sie sich damit auch in unser Land und unsere Gesellschaft integriert hätten.
Das alles sind falsche Annahmen, Maßnahmen und Vorstellungen Ihrerseits, die zu einem Scheitern der wichtigen Integration führen werden, nicht in Gänze, aber in Teilen. Mir ist natürlich klar – das wurde auch schon deutlich gesagt –, dass ich hier sagen kann, was ich will. Die Anhörung der Sachverständigen im Festsaal mit Leuten wie Herrn Buschkowsky, der aus der Praxis erzählt und vor Parallelgesellschaften gewarnt hat; die Gründung von BIs und der Zusammenschluss zu einem Dachverband – eine ziemlich seltene Angelegenheit in Hamburg –, dann mittlerweile eine große Anzahl an Beiträgen in der Presse, die nach der ersten Hurra-Welle anfangen, sich etwas differenzierter mit der Unterbringung der Flüchtlinge zu be
schäftigen, all das wird Sie nicht davon abhalten, weiter so durchzuregieren, als würden Sie den Willen der Mehrheit der Menschen in dieser Stadt repräsentieren. Das tun Sie nicht. Es war schließlich nur ein gutes Drittel, das Sie in Ihre jetzige Position gewählt hat.