Protokoll der Sitzung vom 14.04.2016

Wie wird die Wärmeversorgung sichergestellt, wenn die Abwärme ausfällt? Auch das ist nicht trivial. Wo bleibt die kontinuierlich anfallende Abwärme eigentlich zum Beispiel im Sommer, wenn keine Wärme benötigt wird? Im Sommer braucht man keine Fernwärme; man braucht Wärme, um das Warmwasser für die Haushalte zu heizen, und das machen wir in Hamburg in unserer eigenen Anlage in der Borsigstraße ganz ökonomisch mit erneuerbarem Altholz. Diese Anlage in der Borsigstraße reicht. Für den Sommerbetrieb brauchen wir also keine zusätzliche Abwärme. Hier haben wir nämlich bereits ein Teilsegment für die Wärmeproduktion, eine wirtschaftliche und umweltfreundliche Lösung, die wir beibehalten wollen. Aber, wie gesagt, das ist ein Teilsegment.

Es wird überlegt, die industrielle Abwärme in ein Nahwärmenetz einzuspeisen, mit dem die Probleme gegebenenfalls leichter lösbar sind. Dem Ver

nehmen nach würde auch Vattenfall eine lokale Lösung einer Abwärmeeinspeisung in das große Versorgungsnetz vorziehen. Hier bietet sich möglicherweise der Hamburger Osten förmlich an. Insofern wundere ich mich auch, dass die CDU diesen Vorstoß mit Moorburg macht. Über das, was bisher diskutiert wurde, steht im CDU-Antrag nichts, geschweige denn von der Machbarkeit, dem Zeitfaktor und den Kosten.

Auch die FDP hat einen Vorschlag gemacht. Sie fordert eine Gesamtkonzeption für die Süderelbe, um Abwärme aus Moorburg zu nutzen, will aber erst einmal die Potenziale analysieren. Hierzu wissen wir aus der Behörde, dass es nicht viel und darum leider nicht geeignet ist.

Die CDU, Herr Gamm, hat beklagt, dass bei der Stromproduktion in Moorburg die anfallende Wärme in die Elbe geleitet werde und den Fluss aufheize. Um das zu verhindern, hatten sich Vattenfall und die Stadt auf den Bau eines Hybridkühlturms zur Verringerung des Elbwassergebrauchs verständigt, um die Elbe zu entlasten. Strittig ist die Einsatzzeit des Hybridkühlturms. Beim Bundesverwaltungsgericht ist immer noch ein Verfahren anhängig, in welchem Umfang der Kühlturm zum Einsatz kommt. Das sollten Sie hier auch einmal sagen. Dem Verfahren tut es sicher nicht gut, wenn wir unqualifiziert darüber reden.

Mindestens im Sommer aber, wenn die Elbe ohnehin in Wärmestress gerät, wird die Auskopplung von Wärme aus Moorburg sicher keine Abhilfe schaffen, denn im Sommer braucht sie niemand. Das ist alles andere als nur Polemik und wird sicher für das Verfahren nicht hilfreich sein.

Ende 2015 wollten Vattenfall und die Stadt wegen Unwägbarkeiten nicht mehr über den Bau eines Gas-und-Dampfturbinen-Kraftwerks (GuD) am Standort Wedel entscheiden – Herr Gamm hat darauf hingewiesen –, aber man muss die Polemik abziehen, Herr Gamm. Wir haben darüber diskutiert, worin die Risiken liegen. Es ist das unwägbare Strompreisrisiko, es waren die seinerzeit nicht bekannten Möglichkeiten einer KWK-Förderung, ohne die der Neubau dort nicht darstellbar war, und es gibt auch am Standort Wedel erhebliche Rechtsrisiken, die noch nicht abschätzbar sind. Entscheidungen unter Unsicherheit trifft kein Unternehmen gern, ob mit oder ohne öffentliche Beteiligung.

Jetzt werden Alternativen gebraucht, die erarbeitet werden müssen. Bis sie gefunden und vor allen Dingen auch solide umgesetzt werden, wird man das Kohlekraftwerk in Wedel für eine Übergangszeit den aktuellen emissionsrechtlichen Vorschriften anpassen müssen, denn auf ewig will niemand dieses Kraftwerk weiter betreiben.

Eines muss auch klar sein: Die Versorgungssicherheit muss kontinuierlich gewährleistet sein. Es

kann nicht sein, dass wir die Fernwärmekunden im Kalten sitzen lassen.

Sie haben dann den Spitzenlastkessel am Haferweg ins Spiel gebracht. Das ist sicher nicht die Lösung. Das reicht nicht aus. Ihre Forderung geht damit ins Leere. Jetzt muss vorrangig und zügig geklärt werden, ob man am Standort Wedel festhält, ob man dort eine andere Lösung als ein GuD haben will – das wird sicher keiner mehr bauen wollen –, damit wir dann im Sinn des Volksentscheids bis 2019 einen sicheren, wirtschaftlichen, klimagerechten, umweltund verbraucherfreundlichen Fernwärmebetrieb erwerben können. Daran arbeitet die BUE mit Hochdruck und großer Sorgfalt. Der CDU-Antrag ist dafür entbehrlich. Auch der FDP-Antrag hilft uns nicht weiter. Darum wollen wir beide Anträge nicht überweisen und auch nicht annehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt erhält das Wort Ulrike Sparr von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorweg eine Parenthese:

"Die Bedeutung des Begriffs Ideologie wird oft von den politischen Interessen derer bestimmt, die ihn gebrauchen, denn nichts eignet sich zur Verketzerung des politischen Gegners besser als ein allgemeingängiges Fremdwort, über dessen Bedeutung sich die wenigsten im Klaren sind."

Dass ich diesen Satz aus meinem Abituraufsatz von vor ziemlich genau 40 Jahren heute in der Hamburgischen Bürgerschaft zitieren kann und muss, ist wirklich eine besondere Pointe dieses CDU-Antrags. Was ist eine Ideologie? Eine Ideologie ist eine Wertanschauung, eine Werteordnung. Nur, um das zu erkennen, muss man wahrscheinlich erst einmal eine haben.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Im vergangenen Dezember fand in Paris die Weltklimakonferenz statt. Dort wurde mit großer Ernsthaftigkeit und Intensität darum gerungen, wie es gelingen könne, die sich anbahnende Klimakatastrophe, wenn schon nicht zu verhindern, wenigstens abzubremsen. Am Ende hat sich die Welt tatsächlich darauf verständigt, alles zu unternehmen, um die Erwärmung des Weltklimas auf unter 2 Grad abzubremsen. Selbst die Bundeskanzlerin ist von diesem Ziel überzeugt und hat, wenn auch mit milden Worten, die Dekarbonisierung der Gesellschaft, also den Verzicht auf fossile Brennstoffe angemahnt. Und was macht die CDU? Sie hört auf den falschen Rat ihres Wirtschaftsrats, in dessen

Vorstand sich auch Herr Wasmuth, der Geschäftsführer der Vattenfall Wärme GmbH, engagiert,

(Ralf Niedmers CDU: Nur kein Neid!)

und präsentiert uns einen Antrag, der auf die verstärkte Nutzung von Fernwärme aus dem Kohlekraftwerk Moorburg hinausläuft. Ist der Rückfall hinter die Position der Bundeskanzlerin eigentlich das, was Sie unter ideologiefrei verstehen? Die langfristige Dekarbonisierung der Fernwärme ist der größte einzelne Beitrag, den wir als Stadt für unsere städtischen Klimaschutzziele leisten können.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Für die künftige Wärmeversorgung brauchen wir einen Mix aus verschiedenen Lösungen: dezentrale Anlagen mit erneuerbaren Energien, Nutzung des energetischen Potenzials von Biomasse und industrieller Abwärme. Was wir nicht brauchen, ist, ein altes Kohlekraftwerk durch ein neueres zu ersetzen. Das Ganze ist etwas komplexer als der Bau eines Gas-und-Dampfdruck-Kraftwerks. Dies stand übrigens auch im Koalitionsvertrag und ist auch zeitlich überholt worden. Sie haben aber verstanden, warum das so ist. Sicherlich haben wir ein Problem mit den Netztemperaturen, wenn wir vom jetzigen Fernwärmenetz ausgehen. Man wird darüber nachdenken müssen, wie das zu lösen ist – mit Auskopplung von Netzteilen oder wie auch immer. Das ist ein relativ anspruchsvolles Vorhaben, und darum geht es nicht von jetzt auf gleich.

Aber der Vorschlag der CDU, Wärme aus Moorburg mittels einer neu zu bauenden Leitung unter der Elbe hindurch ins Fernwärmenetz einzuspeisen, ist nicht nur ungeeignet, weil er kohlebasiert ist. Er ist auch noch aus weiteren Gründen ungeeignet, denn er ist teuer. Das aufwendige Verlegen von Leitungen unter der Elbe hindurch führt zu extrem hohen Kosten. Experten sprechen mittlerweile von über 200 Millionen Euro. Das ist doch genau das, was den Wärmebezug verteuert, was Sie angeblich vermeiden wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Zudem wäre mit hoher Sicherheit und aus nachvollziehbaren Gründen mit Klagen von Anwohnerinnen und Anwohnern des Leitungsbaus zu rechnen. Ich bin mir sicher, dass auch die örtlichen CDU-Kreisverbände dann gute Gründe finden, diese Klagen zu unterstützen.

Im Übrigen haben gerade wir GRÜNEN uns immer gegen den Bau einer Fernwärmetrasse aus Moorburg ausgesprochen, weil dafür Hunderte von Bäumen hätten gefällt werden müssen und damit dem Klima noch ein weiterer Schlag versetzt worden wäre.

Auch Ihre Behauptung, in dem BET-Gutachten stehe nichts zum Thema Ihres Antrags, ist allenfalls

(Dr. Monika Schaal)

zu einem Viertel richtig. Denn was dort zum Thema Fernwärme steht, lässt sich auf die Nutzung der Abwärme übertragen. Ich zitiere:

"Die Moorburg-Anbindung ist in dem gewählten Bewertungsrahmen keine sinnvolle Option."

Auf die Begründung verzichte ich; Frau Schaal hat sie gerade vorgetragen.

Hinzu kommt: Würden wir jetzt eine Leitung zur Nutzung der Abwärme bauen, hätten wir uns doch bald mit der scheinbar logischen und naheliegenden Frage auseinanderzusetzen, warum wir diese dann nicht gleich für die zusätzlich zu erzeugende Fernwärme nutzen würden.

In Ihrem Petitumspunkt 1 ist folgerichtig auch nur noch von Wärme aus Moorburg die Rede. Somit wäre eine solche Leitung das Einfallstor für eine weiterhin kohlebasierte Wärmeversorgung in Hamburg und damit genau das Gegenteil dessen, was wir tun müssen und was erforderlich ist. Es ist nicht unsere Aufgabe, Vattenfall den Bau eines unzeitgemäßen und klimaschädlichen Kohlekraftwerks dadurch zu vergolden, dass die Fernwärmekunden des künftig städtischen Netzes ihre schmutzige und teure Wärme aus Moorburg beziehen.

Ob wir, wie von Ihnen unter Punkt 2 gefordert, das Kraftwerk Wedel als Reservekapazität benötigen oder ob wir den Bedarf anderweitig decken können, werden im Übrigen die bereits von der Behörde in Aufrag gegebenen Gutachten zeigen. Darauf basierend werden wir die sinnvollste Lösung finden.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Auch was das Heizwerk Haferkamp angeht, können Sie ruhig darauf vertrauen, dass wir die beste und sinnvollste Lösung finden werden.

Wir debattieren hier gleichzeitig einen Zusatzantrag der FDP-Fraktion, der sich von dem Antrag der CDU bemerkenswert unterscheidet. Der Fachkollege dort hat nämlich erkannt, dass der Bau einer Fernwärmeleitung unter der Elbe hindurch unsinnig ist, und setzt sich deshalb mit dem Begehren auseinander, südlich der Elbe, also in der Nähe des Kraftwerks, nach Nutzungsmöglichkeiten für Abwärme zu suchen. Allerdings geht das Petitum aus unserer Sicht dennoch in die falsche Richtung. Zum einen, weil die Behörde für Umwelt und Energie bereits dabei ist, das Potenzial dort zu analysieren. Dazu wird für ganz Hamburg ein Wärmekataster aufgebaut, das auch die Abwärmepotenziale im Süderelberaum erfassen wird.

Zum anderen, weil schon jetzt erkennbar ist, dass dieses Wärmeaufkommen wohl nicht ausreichen wird, um den Aufbau eines komplett neuen Fernwärmenetzes in Harburg und Umgebung wirtschaftlich darstellbar zu machen. Die dichte Be

siedlung und die notwendige Querung der Bahntrassen dort, um zum Beispiel das Neubaugebiet auf der Schlossinsel zu erreichen, machen so ein Vorhaben wirklich sehr teuer.

Was aber möglich ist, und dieser Weg sollte gegangen werden, sind privatwirtschaftliche Vereinbarungen zwischen Erzeugern und potenziellen Abnehmern von Abwärme, die in räumlicher Nähe zueinander liegen. Das ist gerade in großen Gewerbegebieten durchaus denkbar und machbar. Vor diesem Hintergrund werden wir auch den FDPAntrag ablehnen.

Die Wärmeversorgung Hamburgs muss gerade in der kalten Jahreszeit sichergestellt sein. Darin besteht Einigkeit. Diese Anforderung steht an oberster Stelle bei allen unseren derzeitigen Überlegungen. Das darf aber nicht zulasten des Klimas und anderer Umweltgüter gehen. Das darf man nicht mehr gegeneinander ausspielen.

(Beifall bei Christiane Blömeke GRÜNE)

Wir lernen gerade erst zu begreifen, vor welche Herausforderungen uns der Klimawandel stellt. Aber wir haben es jetzt in der Hand, dem zu begegnen. Wir müssen jetzt die Weichen stellen, kohlefrei und zukunftssicher. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort erhält als Nächster Stephan Jersch von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag ist voll retro, er ist von gestern.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist mir völlig unverständlich, wieso Moorburg nicht verzichtbar sein soll, wohl aber der zweite Satz des Volksentscheids, den die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger für sich und für Hamburgs Energieversorgung gewonnen hat. Es ist mir völlig unverständlich, wie ein Klimakiller unverzichtbar sein, aber die Energiewende hintenangestellt werden soll.

Wenn man gestern gelesen hat, dass die EU-Kommission die wasserrechtliche Genehmigung für Moorburg für nicht rechtens halte, ist es trotzdem notwendig, über Moorburg zu reden. Insofern würden wir die beiden Anträge von CDU und FDP gern im Ausschuss sehen.

Aber letztendlich haben wir in dieser Freien und Hansestadt zu viel Moorburg. Wir brauchen nicht noch mehr von Moorburg und schon gar nicht für die Energieversorgung.