Im Unterricht müssen die Basics vermittelt werden. Dazu gehört entscheidend die Rechtschreibung. Wir haben doch lange dafür gekämpft, und ich verstehe nicht, wie Sie sich heute davon verabschieden können. Diese kann man nicht anders abprüfen als durch Diktate. Der Schulversuch sieht aber vor – ich zitiere –:
"So wird man in einer alles>>könner-Schule kaum noch ein herkömmliches Diktat finden. Kinder können sich eigenständig zum Test anmelden."
Rechtschreibung kann man nicht zum Wahlfach machen. Welcher Schüler meldet sich außerdem freiwillig zum Test? Den möchte ich sehen. Meine Kinder täten das wahrscheinlich nicht.
In Ihrer Pressemitteilung, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und GRÜNEN, schreiben Sie eindeutig, Sie wollten – ich zitiere wieder –
etablieren. Das gilt für die Kernfächer in den Bereichen Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen und Naturwissenschaften. So behaglich diese Lernatmosphäre auch sein mag, Sie verwehren mit dieser Kompetenzorientierung unseren Schülern die klassische Bildung und das geht nicht.
Genauso weltfremd ist es, Zeugnisse ohne Noten zu vergeben. Ich erinnere mich gut an meine Schulzeit, und wenn ich da eine Drei, eine Zwei oder eine Vier hatte, haben mir meine Lehrer schon gesagt, warum. Es hat mich nicht so interessiert, in welchen der klitzekleinen Bereiche das aufgeteilt ist, Frau von Berg. Deswegen finde ich es weltfremd, Zeugnisse ohne Noten zu vergeben. Das lehrt die Kinder von Anfang an etwas, das sie nicht lernen sollen, nämlich dass Wettbewerb etwas Verwerfliches sei. Wettbewerb soll aber Ansporn zu Leistung sein und das sollen Kinder lernen.
Witzigerweise geht jedes Mal, wenn Sie hier mit dem Begriff Kompetenzorientierung anstelle von Wissensvermittlung kommen, ein Verzicht auf Noten damit einher. Ich kann Ihnen sagen, warum Sie das machen: weil Ihre Kompetenzen nämlich nicht eindeutig prüfbar sind. Deswegen schaffen Sie die Noten lieber gleich mit ab, weil die armen Kinder ein bisschen frustriert sein könnten. Aber wenn unsere Kinder nicht in der Schule auf das echte Leben vorbereitet werden, kommt das böse Erwachen später, an Universitäten oder in der Ausbildung. Längst klagen doch die Ausbildungsbetriebe und die Hochschulen über das massiv sinkende Leistungsniveau der Schulabgänger, insbesondere – Sie haben es gerade selbst erwähnt, Herr Seelmaecker – beim Thema Rechtschreibung. Was Sie hier betreiben, liebe Kollegen von der SPD, den GRÜNEN und der zustimmenden CDU, ist eine nachhaltige Absenkung des Niveaus an Hamburger Schulen. Das ist schlicht verantwortungslos. Sie wollen, dass unsere Schüler Alleskönner werden. Dafür wird, wie gesagt, das Diktat abgeschafft, es werden die Noten abgeschafft und es wird die konkrete Wissensvermittlung abgeschafft. Was bleibt denn da noch übrig? Ein Schüler, der keine fundierte Bildung mehr hat und der kaum eine Rückmeldung über seine Leistung erhalten hat? Der wird leider kein Alleskönner, sondern der wird ein Alles-ein-bisschen-Könner, schlimmstenfalls wird er ein Nichtskönner. Wissen Sie, was daran besonders bitter ist? Diese Art von Unterricht
grenzt genau die ohnehin Benachteiligten aus. Kinder aus bildungsfernen Familien haben nämlich keine Chance, zu Hause das nachzuholen, was die Schule offenbar heute nicht mehr bereit ist zu leisten. Das ist verkehrt.
Wenn Sie immer von sozialer Spaltung in dieser Stadt sprechen: Das zementiert die Spaltung unserer Gesellschaft. Was für eine Entwicklung der sozialdemokratischen Partei, dass Sie das mitmachen, und der immer sozialdemokratischer werdenden CDU. Wir werden das nicht unterstützen und lehnen diesen Antrag ab. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir werden gegen den Antrag der GRÜNEN und ebenfalls gegen den Zusatzantrag der LINKEN stimmen. Wir halten den Ansatz dieses Schulversuchs, die Betonung der Kompetenzorientierung, für im Kern verfehlt. Der hier propagierte allein oder vorwiegend kompetenzorientierte Unterricht bringt, so fürchten wir, eine Niveauabsenkung mit sich. Ein kompetenzorientierter Unterricht kann nicht in jedem Fach und für jeden Lerntyp eingesetzt werden. Gerade in Mathematik ist eine Kompetenzorientierung angesichts des notwendigen Einpaukens von Rechnungswegen und Lösungsstrategien für ähnlich gelagerte Aufgabentypen abträglich. Aufwendige Rechercheaufgaben gehen häufig zulasten notwendiger Übungsphasen, wie sie im Mathematikunterricht unabdingbar sind. Kompetenzorientierung steht zu Recht, gerade wenn sie so verallgemeinert oder zu stark zulasten einer Wissensund Grundkenntnisorientierung propagiert wird, unter dem Verdacht, Bildungsabschlüsse zu erleichtern, weil häufig in den Aufgabenstellungen die Antworten schon enthalten sind. Derartige Ostereipädagogik sollten wir nicht noch mit Schulversuchen unterstützen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielleicht habe ich mich eben nicht klar genug ausgedrückt. Lesen, Rechnen, Schreiben, nur als Beispiel, sind selbstverständlich wesentliche Voraussetzungen, die es im Unterricht zu vermitteln gilt. Das eine schließt das andere aber in
diesem Fall nicht aus. Wenn wir hier einen Schulversuch haben und dieser seit acht Jahren läuft, dann gehört es zu einer ordentlichen wissenschaftlichen Evaluation dazu, dass man das durchhält, das zu Ende bringt und sich dann mit den Ergebnissen auseinandersetzt. Das ist nicht schwarz oder weiß, sondern man muss sehen, dass sich die Dinge möglicherweise methodologisch fortentwickeln, und das eine muss das andere nicht ausschließen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Seelmaecker. – Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.
Wer möchte diesen annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist er mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.
Wer nun dem gemeinsamen Antrag der GRÜNEN und der SPD aus Drucksache 21/4063 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dieser ist mehrheitlich angenommen.
Ich rufe jetzt auf die Punkte 42 und 41 der Tagesordnung, die Drucksachen 21/4060 und 21/4059, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Endlich effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus an Schulen umsetzen, zusammen mit dem Antrag der FDP-Fraktion: Präventionsarbeit gegen gewaltbereiten Salafismus endlich professionalisieren.
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Endlich effektive Maßnahmen gegen gewaltbereiten Salafismus an Schulen umsetzen! – Drs 21/4060 –]
[Antrag der CDU-Fraktion: Präventiv vorsorgen – Effektive Maßnahmen gegen islamistischen Salafismus an Schulen ergreifen! – Drs 21/4203 –]
[Antrag der FDP-Frakton: Präventionsarbeit gegen gewaltbereiten Salafismus endlich professionalisieren – Drs 21/4059 –]
Diesen möchten die Fraktionen der SPD, CDU und GRÜNEN an den Schulausschuss überweisen. Zur Drucksache 21/4060 liegt vonseiten der Fraktionen
der SPD, GRÜNEN, LINKEN, FDP und AfD ein Antrag auf Überweisung ebenfalls an den Schulausschuss vor. Die FDP-Fraktion möchte diese Drucksache zusätzlich mitberatend an den Innenausschuss überweisen. Die Drucksache 21/4059 möchten die Fraktionen der SPD, CDU, GRÜNEN und AfD an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen. Vonseiten der FDP liegt hierzu ein Überweisungswunsch federführend an den Schulausschuss sowie mitberatend an den Innenausschuss vor.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vorab möchte ich deutlich machen, dass wir diesen Antrag nicht angemeldet haben, um über den Islam als Religion zu sprechen, sondern über den Dschihadismus als ein soziales Problem in der Stadt. Außerdem ist es ein sensibles und sehr ernstes Thema, deshalb ist es angebracht, sich ihm sachlich und differenziert zu nähern.
Wir haben diesen Antrag eingereicht, weil wir in den letzten zwei Jahren immer wieder Fälle von Schülerinnen und Schülern mitbekommen haben, die sich zum gewaltbereiten Salafismus bekennen oder sich entsprechenden Organisationen angeschlossen haben. Seit Januar 2013 sind 65 Personen nach Syrien oder in den Irak ausgereist, 17 kamen dort zu Tode und 22 kehrten zurück. Der 17-jährige Florent, bekannt als Bilal, aus St. Pauli ist einer der ausgereisten und zu Tode gekommenen Jugendlichen. Der Prozess seiner Radikalisierung zeigt, dass man dies vielleicht hätte verhindern können. Auch Pastor Wilm von der St.-PauliKirche, der ihn in seiner Kindheit begleitet hatte und ihn kannte, sagte dies.
An Schulen wurde beobachtet, dass Schülerinnen und Schüler grüppchenweise mit dem Islamischen Staat sympathisieren. Es gab Vorfälle, in denen einige Schülerinnen und Schüler ihre Mitschülerinnen und Mitschüler auf ihrer Ansicht nach unislamisches Verhalten hingewiesen haben, und es gab Schülerinnen und Schüler, die ihre Lehrkräfte und Schulleitungen darüber informiert beziehungsweise sich beschwert haben, woraufhin jedoch nichts geschehen ist und es keine Reaktion von der Schulleitung gab.
Genauso ist falsch, was ich an einem Hamburger Beispiel deutlich machen möchte: Eine Schülerin kam nach den Ferien vollverschleiert zurück in die Schule und wurde endgültig der Schule verwiesen. Das ist genau die falsche Reaktion, denn diese heftige Ablehnung führt im Endeffekt dazu, dass diese Schülerin erst recht in die Arme der Dschiha
disten getrieben wird. Angebracht wäre gewesen, erst einmal herauszufinden, ob die Schülerin überhaupt radikalisiert ist oder ob etwas anderes dahintersteckt, und im Fall einer Radikalisierung Deradikalisierungsmaßnahmen zu ergreifen, und das ist nicht passiert. Gerade das ist das Problem. Es handelt sich um ein kompliziertes und schwieriges Thema, das den Lehrerinnen und Lehrern den Umgang im Schulalltag erschwert. Die Angst der Schulen vor Stigmatisierung, wenn Fälle oder Stimmungen in der Schule bekannt werden, darf in keiner Weise dafür führen, dass solche Probleme gedeckelt werden.
Die Schule spielt eine wichtige Rolle in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und dementsprechend müssen Lehrkräfte gestärkt und unterstützt werden, damit sie sich nicht alleingelassen fühlen mit dieser Problematik oder überfordert in dieser in der Tat schwierigen Situation. Genauso wenig dürfen die Schülerinnen und Schüler mit ihren alltäglichen Problemen alleingelassen werden. Der IS oder andere radikale Imame erklären mit ihren leicht verständlichen Propagandavideos auf YouTube den Jugendlichen die Welt. Pierre Vogel gibt einfache Antworten auf komplizierte Fragen. Sie geben Jugendlichen das Gefühl, verstanden zu werden, dazuzugehören, akzeptiert zu werden. Die Antworten dürfen wir nicht den Rattenfängern überlassen, die Antworten sollten demokratische Instanzen geben.
Der Senat erkennt die Problematik zwar, allerdings nicht hinreichend. Herr Senator, sich auf die zuletzt veröffentlichten Zahlen zu beziehen und das Problem kleinzureden, löst das Problem nicht, zumal die Zahlen einiges nicht wiedergeben, zum Beispiel, wie viele der Jugendlichen die Schulen verlassen haben, weil sie es unislamisch finden, zur Schule zu gehen. Die Maßnahmen reichen auch nicht aus, um das Problem zu lösen. Wir haben eine längere Zeit gewartet, weil wir es fair fanden, erst einmal zu gucken, ob das, was Sie in die Wege geleitet haben, wirklich greift, aber es hat sich gezeigt, dass das Problem präventiv, effektiv und nachhaltig so nicht behoben wurde. Aus diesem Grund fordern wir mit diesem Antrag den Senat auf, verbindlich stattfindende Fortbildungen und Weiterqualifizierungen des gesamten Lehrkörpers zum Themenkomplex Radikalisierung, Salafismus und Islamismus und zur Sensibilisierung dafür im Umgang mit Schülerinnen und Schülern zu implementieren.
Auch ist dringend notwendig, dass neue Unterrichtseinheiten zum Themenkomplex als Module in den Fächern Religion, Ethik beziehungsweise Philosophie entwickelt werden, ausgearbeitet für jede
Jahrgangsstufe unter Mitarbeitern des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung. Junge Menschen müssen in der Schule die Gelegenheit erhalten, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen, um gerade die gewaltbereiten Strömungen ethisch einordnen zu können. Ich weiß, dass sich viele Lehrkräfte nach Anschlägen, auch in Europa, im Unterricht kurz damit befasst haben, aber die Debatte unter den Schülerinnen und Schülern hat gezeigt, dass dies nicht ausreicht.