Protokoll der Sitzung vom 11.05.2016

Sie sollen hier ein Problem lösen und es nicht schönreden, denn die Bürger dieser Stadt gehen im Gegensatz zu Ihnen tatsächlich mit offenen Augen durch die Stadt und erkennen sofort, was falsch und was richtig ist. Die Situation erfordert unverzüglichen Handlungsbedarf. Erhöhen Sie einfach die Polizeipräsenz, prüfen Sie neue Ansätze, zum Beispiel neue Aufgabenfelder der Kontrolle für Angestellte des Parkraummanagements, statten Sie Beamte und Angestellte aus der Innenbehörde, Wirtschaftsbehörde, Finanzbehörde, von mir aus auch allen Behörden, mit neuen Kontrollaufgaben aus, Herr Senator.

(Gerhard Lein SPD: Die Lehrer aus der Schulbehörde!)

Für die CDU kann ich nur sagen: Für die Gewerbetreibenden, die Kaufleute und die Bürger dieser Stadt ist es im Grunde völlig egal, wie Sie das Problem lösen. Lösen Sie es einfach.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Das beginnt damit, dass Sie heute diesem Antrag zustimmen, ansonsten machen Sie sich unglaubwürdig durch Nichtstun. Der Bürger vergisst so etwas nicht. Und wenn Sie uns nicht glauben, glauben Sie wenigstens dem Presseecho. Das war nämlich gewaltig, angefangen mit der "Bild"-Zeitung

(Dirk Kienscherf SPD: Ah, die "Bild"-Zei- tung!)

und später allen anderen. "Panorama" will jetzt nachziehen, weil dieses Thema die Hamburger bewegt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Vielen Dank, Herr Erkalp. – Das Wort hat Frau von Enckevort von der SPD-Fraktion.

(Jörg Hamann CDU: Warum denn nicht Herr Schreiber?)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute eine sehr ernste Problematik, die in allererster Linie sachlich geführt werden sollte und geführt werden muss.

(Beifall bei der SPD)

Das, was eben von Ihnen ausgeführt wurde und in Ihrem Antrag zu lesen ist, ist weit entfernt von Sachlichkeit.

(Gerhard Lein SPD: Der kann nicht anders!)

Ihre Sprache ist darauf ausgerichtet, Ihre Vermutungen eskalierend zu formulieren. Sie geben damit dem, was Sie sagen wollen, für mich einen

(David Erkalp)

sehr schwer hinzunehmenden reißerischen Charakter.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie reden davon, dass die Innenstadt von Betteltrupps bevölkert werde, dass die Bulgaren immer aggressiver würden. Hamburger und Touristen würden belagert und bedrängt. Schon der Schreibstil versperrt Ihnen den Weg, einen Sachverhalt sachlich aufzubereiten und ihn zu bewerten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Dennis Thering CDU: Der Realität in die Au- gen sehen!)

Sie machen dabei, so scheint es mir, Ihrem Inneren einmal so richtig Luft. Und selbst wenn ich den Filter der Sprachwahl ausschalte und Ihre inhaltlichen Forderungen betrachte, fehlt es Ihnen an Präzision.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Dennis Thering CDU)

So fordern Sie beispielsweise – lassen Sie es mich doch einfach einmal erklären –, dass der Erkenntnisgewinn zügig vorangetrieben werden solle. Sie unterstellen damit indirekt, dass die Polizei nicht ausreichend tätig werden würde.

(David Erkalp CDU: Ganz genau!)

Wenn man die von Ihnen gestellten Schriftlichen Kleinen Anfragen dann aber einmal liest, insbesondere die Antworten, wird einem klar, dass das nicht so ist. Es ist nämlich die Beweisbarkeit der organisierten Strukturen, der Hintermänner, die schwer und bislang bisweilen unmöglich ist.

(David Erkalp CDU: Wir waren ein Mal auf der Straße und haben es das erste Mal gleich gesehen! – Gegenruf von Milan Pein SPD – Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Meine Damen und Herren! Es redet nur Frau von Enckevort und sonst niemand. – Fahren Sie bitte fort.

Und daher kann die Arbeit der Polizei und der Ermittlungsbehörden eben nicht die schnelle Lösung produzieren, die Sie gern hätten. Gewinne kann man eben nicht planmäßig vorantreiben, und manchmal muss der Gewinn einer Erkenntnis auch der sein, es mit einer sehr schwierigen rechtlichen Thematik zu tun zu haben.

(Dr. Bernd Baumann AfD: Zurücktreten!)

Auch wenn Sie ein entschlossenes Vorgehen gegen mutmaßliche gewerbliche Bettelei sicherstellen wollen, zeugt dieses von einer aus meiner Sicht recht wenig juristisch geprägten Strategie,

(Zuruf von David Erkalp CDU)

die vergisst, dass eine Mutmaßung eben kein Beweis ist, auf deren Grundlage keiner in dieser Stadt rechtmäßig handeln kann und handeln wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie kritisieren, dass die Polizei und die Bezirksmitarbeiter Situationen lediglich beobachten und nicht einschreiten, zeugt auch dieses von einer sehr schwer nachvollziehbaren Haltung zu staatlichem Handeln. So ist es geboten, die Schwelle zu einem staatlichen Handeln abzuwarten, bevor eingegriffen werden kann. Betteln ist ein Phänomen, das es schon immer gegeben hat und auch immer geben wird. Gerade in Zeiten größerer Migration ist es unabänderlich, dass neben den in diesem Land dringend benötigten ausgebildeten Fachkräften auch Armutsmigranten nach Hamburg kommen. In einer Großstadt, einer Metropole, werden soziale Probleme sichtbar und derzeit sichtbarer.

(Zurufe von David Erkalp CDU)

Man kann sie nicht einfach wegwischen, wie wir uns das in unserer Vorstellung von einer perfekten Welt manchmal bunt ausmalen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Was das ganze Thema so beklemmend macht, ist doch nicht, dass Passanten mit bettelnden Menschen konfrontiert sind. Das, ganz ehrlich, ist für jeden Menschen in unserer Hansestadt zumutbar. Was die Problematik so nachhallend macht, ist doch die vermutete Struktur, die Organisation, die hinter den bettelnden Menschen ihr Unwesen treibt, und dass mit allen Mitteln, die angewendet werden, meist nur die Menschen getroffen werden, zu denen man eigentlich Vertrauen aufbauen müsste, eben die Letzten in einer Kette von unsäglichem Elend.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller GRÜNE)

Das alles haben die handelnden Akteure in dieser Stadt auch erkannt. Polizei, Bezirk, Behörden und soziale Träger bewegen sich in diesem sehr komplexen rechtlichen und sozialen Terrain miteinander voran.

(Zuruf: Also gibt es sie doch!)

Bereits jetzt besteht ein sehr enger Austausch zwischen dem Bezirk und dem City Management der Innenstadt. Gemeinsam mit vielen anderen Akteuren nimmt das Thema beispielsweise der Runde Tisch St. Jacobi auf. In diesem sitzen Kaufleute, Politik, Behördenvertreter, Kirchenvertreter, Handwerks- und Handelskammer, Polizei und auch das City Management. Er tagte beispielsweise am 18. April dieses Jahres, somit vier Tage, bevor das City Management einen Brief an die Innenbehörde schrieb, ohne dass dort eine besondere Zuspitzung der Lage von irgendeiner Seite problemati

siert worden wäre. Die Polizei wird entgegen Ihrer Darstellung selbstverständlich bei Gesetzesverstößen tätig, ahndet Ordnungswidrigkeiten, geht auf Hinweis dem Verdacht dieser nach und handelt, wenn es die Gefahrenabwehr erfordert.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie geht spezifisch auch dem Verdacht betrügerischen Handelns nach, auch bei den von Ihnen beschriebenen Maschen mit dem Klemmbrett oder dem Rosentrick.

(Zurufe von der CDU: Frau Engler hat sich doch gemeldet! Das war auch in den Medi- en! Und Sie sagen, Sie arbeiten gut zusam- men! – Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Erkalp, Sie hatten sehr viel Zeit, Ihr Anliegen vorzutragen, und dabei haben Ihnen alle zugehört. Jetzt sollten Sie zuhören, wenn die Antwort kommt.

(Beifall bei der SPD)

Frau von Enckevort, bitte.

Sie unterstellen auch in diesem Jahr erneut, dass das Betteln zugenommen habe und immer aggressiver werde. Wenn man sich mit den in diesem Bereich agierenden sozialen Akteuren dazu austauscht, sieht man schnell, dass das nicht der Fall ist. Auch die Polizei erkennt keine dramatische Zuspitzung im Vergleich zur Vergangenheit. Wir haben es mit Wellenbewegungen zu tun, und das sollte uns allen bekannt sein. Der Bezirk und die zuständigen Behörden arbeiten Hand in Hand. So wird es weiterhin Schwerpunkteinsätze in der Innenstadt geben, bei denen auch die zuständigen Fachämter des Bezirks und die Polizei gegen aggressives Betteln – und nur diese Form ist gesetzlich nicht gedeckt – vorgehen.

Wie eben schon gesagt ist das Beklemmende an der Situation die Hilflosigkeit derjenigen, die uns dort begegnen. Und auch hier hat Hamburg ein dichtes Netzwerk gewebt, das Hilfe anbietet und auch in den jeweiligen Muttersprachen tätig wird. Betteln ist nicht schön, und zwar, liebe Kolleginnen und Kollegen, in allererster Linie für den Bettelnden selbst. Körperliche Strapazen ausgeklammert, geht Betteln seit Jahrhunderten einher mit der Preisgabe von Würde. Wer bettelt, hat für gewöhnlich kaum noch etwas zu verlieren. Es ist aus meiner Sicht schon beachtlich, dass Sie bei bettelnden Menschen offensichtlich als Erstes an die Vertreibung von Kunden zu denken scheinen. Die Aussagen, die dieser Antrag trifft, werden dem vielschichtigen Thema nicht im Ansatz gerecht.