Protokoll der Sitzung vom 11.05.2016

Die Kollegin Prien hat die Diskriminierung von Christen angesprochen. Auch das ist ein Thema, dem man sich politisch nicht verschließen kann und für das man Lösungen finden muss. Das heißt folglich vor allem, dass wir den Begriff Gewaltprävention mit echter Präventionsarbeit füllen müssen und es nicht allein um Maßnahmen des Opferschutzes gehen kann, sondern wir echte Prävention brauchen. Wir hatten – das ist noch gar nicht so lange her – einen Antrag zur Gewaltprävention in Erstaufnahmen eingereicht, weil wir einen Beitrag leisten wollten, um dieser Situation etwas entgegenzusetzen. Leider ist diese Initiative im Ausschuss abgelehnt worden.

Frau Dobusch, Sie sprachen die Vermittlung von Werten an. Es ist ein Anliegen gewesen, das viele Fraktionen in Anträgen eingebracht haben. Ich muss ehrlich sagen: Was dabei herausgekommen ist – ein DIN-A4-Blatt, doppelseitig bedruckt mit bunten Bildern –, mag ein pädagogisch sinnvolles Material sein, um Zwölfjährige aufzuklären, aber das kann nicht der Weg sein, um gegen Gewalt

vorzugehen und unsere Werte verbindlich zu vermitteln.

(Beifall bei der FDP)

Trotzdem gilt, und damit spreche ich hoffentlich im Namen aller Mitglieder dieses Hauses: Gewalt an sich, aber vor allem sexueller Gewalt an Frauen und Kindern, müssen wir als Bürgerschaft den Kampf ansagen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Dutschke. – Das Wort hat Frau Oelschläger von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Schutz von Frauen und Mädchen und anderen schutzbedürftigen Minderheiten beschäftigen wir uns in diesem Haus seit Monaten. Nachdem richtigerweise alle Fraktionen in unterschiedlicher Ausprägung die Notwendigkeit eines zielgerichteten Handelns gegen Gewalt gegen Schutzbedürftige in den Unterbringungseinrichtungen der Stadt unterstützen, hat sich nun auch der Senat des Themas angenommen. Das Ergebnis von rund viermonatiger Beschäftigung mit diesem Thema diskutieren wir hier und heute und können ein erstes Zwischenfazit ziehen.

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Meine Damen und Herren! Es redet nur Frau Oelschläger und sonst niemand. Wenn Sie sich unterhalten wollen, gehen Sie bitte hinaus. – Fahren Sie bitte fort, Frau Oelschläger.

Einerseits sind verschiedene Anstrengungen unternommen worden, die vielfach völlig unhaltbaren Zustände, insbesondere in den großen Erstaufnahmeeinrichtungen, abzumildern. Geht man von einem niedrigen Ausgangslevel aus, sind dabei Erfolge erzielt worden. Andererseits gibt es noch viel zu tun. Vor allen Dingen im Bereich der Ursachenbenennung und Problemforschung tut der Senat sich noch immer schwer.

Positiv ist aber das vielfache ehrenamtliche Engagement der verschiedenen Opferschutzeinrichtungen hervorzuheben. Die zusätzlichen Haushaltszuweisungen zur Stärkung der personellen Ausstattung einer Reihe dieser Organisationen sind folgerichtig und zum aktuellen Zeitpunkt sicher gut angelegt. Eine Dauerlösung kann dies aber nicht sein. Ziel einer Flüchtlingspolitik in Deutschland und in Hamburg kann nur sein, erstens die Zahl der Neuankömmlinge dauerhaft deutlich zu reduzieren und zweitens endgültig abgelehnte Asylbewerber zügig abzuschieben. Den ersten

Punkt kann Hamburg nur indirekt befördern. Die Frage der Abschiebung hingegen ist eine originäre Landesaufgabe.

Drittens muss in Erstaufnahmeeinrichtungen und Folgeunterkünften gleichermaßen eine Null-Toleranz-Linie gegenüber jedweder Gewalt und Drangsalierung einzelner wie ganzer Gruppen durchgesetzt werden. Hier springt das Senatsschreiben noch viel zu kurz. Nur wer klar benennt, welche Probleme bestehen und wer sie verursacht, kann bei der Problemlösung dauerhaft wirksame Wege beschreiten. Hier zeigen sich deutlich die Versäumnisse des Senats. Zahlen über die entsprechenden Vorfälle liegen anscheinend nicht vor. Dies wird auf eine sowieso hohe Dunkelziffer und die Hemmung geschoben, sexuelle Übergriffe in einem ungewohnten Umfeld mit Sprachbarrieren und kulturellen Hürden zu melden. Eine Statistik sei also nicht aussagekräftig. Diese Problematik stellt sich aber bei derlei Straftaten immer. Es ist nicht einmal versucht worden, belastbare Zahlen im Hell- wie Dunkelfeld zu erheben. Das ist beschämend. Stattdessen lässt der Senat sich lieber über gendersensible Einstellungsverfahren aus, was immer das genau sein soll. Vielleicht ist damit gemeint, mehr Frauen im Sicherheitsdienst in den besonders schützenswerten Zonen in den Einrichtungen einzusetzen. Das unterstützen wir gern. Um Eindruck beim Durchschnittsbewohner zu machen, ist diese Strategie allerdings nicht sehr zielführend. Das Schreiben von der Frau Senatorin umfasst also einiges an Licht und teils Punkte, die von vornherein hätten berücksichtigt werden müssen, aber weiterhin auch viel Schatten.

Zu guter Letzt dürfen wir an dieser Stelle diejenigen nicht ausklammern, die nicht aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Ausrichtung schutzbedürftig sind – auch im Jahr 2016 kommt es in Flüchtlingsunterbringungen in Deutschland zu Übergriffen gegenüber religiösen Minderheiten. Hierbei sind insbesondere schon in ihren Heimatländern verfolgte Christen und Jesiden ebenso wie Konvertiten betroffen. Derselbe Schutz wie für Frauen sollte auch für diesen gefährdeten Personenkreis bereitgestellt werden. Dazu steht morgen unser Antrag zum Schutz religiöser Minderheiten vor Übergriffen durch Muslime in Hamburger Flüchtlingsunterkünften zur Abstimmung auf der Tagesordnung. Wenn Sie es ernst meinen mit guten, sicheren Zuständen für alle in Hamburger Flüchtlingsunterkünften, stimmen Sie diesem Antrag morgen zu. – Danke.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Frau Oelschläger. – Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kommen wir zur Abstimmung.

(Jennyfer Dutschke)

Wer möchte die Drucksache 21/4174 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt worden.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache 21/4174 Kenntnis genommen hat.

Dann rufe ich Tagesordnungspunkt 41 auf, Drucksache 21/4244, Antrag der CDU-Fraktion: Bettelbanden vertreiben Kunden – Gewerbsmäßige Bettelei in Hamburgs Innenstadt muss gestoppt werden!

[Antrag der CDU-Fraktion: Bettelbanden vertreiben Kunden – Gewerbsmäßige Bettelei in Hamburgs Innenstadt muss gestoppt werden! – Drs 21/4244 –]

Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen.

Vonseiten der AfD-Fraktion liegt hierzu ein Überweisungsbegehren an den Innenausschuss vor.

Wer wünscht das Wort? – Herr Erkalp von der CDU-Fraktion, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema der Bettelbanden beschäftigt uns,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ja, Sie!)

wenn wir ehrlich sind, schon seit vielen Jahren. Mal waren es die Mütter mit ihren Babys in den Armen, mal waren es die Krüppelbettler und mal leidende alte Frauen. Alle hatten stets das Ziel, durch Mitleid etwas Geld zu bekommen. Es lief immer friedlich ab, und diese Personen haben sich nicht aufgedrängt. Das Motto lautete immer: Mitleid erregen, aber friedlich.

Die Situation heute ist jedoch dramatischer als früher. Neben den bereits erwähnten Gruppen finden sich zusätzlich Klemmbrettbettler, die meist gut angezogen, zu zweit und suggerierend, sie könnten nicht reden und hören, durch die Straßen gehen, um Unterschriften zu sammeln, und dann gibt es eine Art Spende mit dieser Unterschrift. Manche zahlen, andere wiederum nicht. Es läuft aber immer so ab, dass diese Personen mehr oder weniger bedrängend auf einen zukommen, manchmal einem sogar den Weg versperren. Ich glaube, das haben schon viele von uns häufig gesehen. Ich beobachte dies seit vielen Jahren, weil ich in der Innenstadt arbeite; dort herrschten manchmal wirklich sehr schlimme Zustände. Ich habe alte Frauen erlebt, die mit fast weinerlicher Stimme gesagt haben, man möge sie in Ruhe lassen. Das ist mit Si

cherheit kein Einzelfall; der eine oder andere von Ihnen wird mir darin beipflichten.

Darüber hinaus gibt es die Rosentrickbetrüger. Dabei erhalten Passanten eine Rose, die Passanten freuen sich über das vermeintliche Geschenk, aber im nächsten Augenblick wird die Hand ausgestreckt und Geld gefordert. Manche fühlen sich in dieser Situation so sehr bedrängt und beschämt, dass sie bezahlen. Andere wiederum sind so frei und stark und lehnen ab. Auch den Rosennachschub für diese Verkäufer konnte ich beobachten. Kaum war die letzte Rose weggegeben worden, verliefen keine 20, 30 Sekunden, bis eine gut gekleidete Person mit einer großen Tasche kam, aus ihr einen großen Strauß Blumen holte und ihn an diese verteilende Person übergab. Damit ist für mich klar: Das ist gewerbsmäßig und ganz klar organisiert.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Dann gibt es noch die sogenannten Pappbecherbettler. Das sind Personen, die gefühlt überall in der Stadt sind. Sie sind sehr hartnäckig; wenn es sein muss, gehen sie zehnmal an einen Tisch, bis sie ihr Geld bekommen, um dann weiterzuziehen. Diese Gruppen sind in allen Quartieren der City unterwegs. Sie sind jedoch nicht, wie die erste Gruppe, die ich eben nannte, friedlich. Sie warten nicht einfach auf Passanten oder Touristen, die aus Mitleid Geld in den Pappbecher werfen, nein, sie gehen selbstbewusst auf Personen zu und bedrängen sie teilweise in einer unverschämten Dreistigkeit. Selbst ein Nein hält diese Bettlergruppen nicht davon ab, weitere Fragen zu stellen. Oftmals muss man mehrfach Nein sagen, damit sie weitergehen, und wenn man Pech hat, wird man beschimpft. Mein Kollege Jörg Hamann und ich saßen vor einigen Tagen hier gegenüber bei Tchibo und wurden fünf-, sechsmal gefragt. Wir haben fünf-, sechsmal Nein gesagt, und am Ende wurden wir beschimpft. Das ist wirklich nicht erfunden; es war so.

(Milan Pein SPD: Jörg Hamann wurde be- schimpft?)

Wir wurden beschimpft.

(André Trepoll CDU: Es war nicht Herr Kien- scherf, der hat ein Alibi! – Jörg Hamann CDU: Ich habe nichts rausgerückt!)

Zwischen Gänsemarkt und Mönckebergstraße werden Passanten teilweise im Minutentakt aggressiv angebettelt. Laut Medienberichten verdienen – man muss leider sagen: verdienen – diese gewerbsmäßigen Bettler mit ihren Tricks bis zu 100 Euro am Tag.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Woher wissen Sie das eigentlich?)

Wenn man sich einmal vorstellt, wie viel das ist, dann ist das eine ganze Menge, wovon sicherlich

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg)

ein Großteil an Hintermänner, aber eben nicht an das Finanzamt weitergegeben wird.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)

Diese Vorgehensweise ist nicht mehr wegzureden. Jeder kennt sie, und ich kenne niemanden, der das gut findet. Die städtischen Einzelhändler und Kaufleute kennen diese Schwierigkeiten zur Genüge. Viele von ihnen fürchten um ihre Kunden und um den guten Ruf Hamburgs. Kundenbeschwerden beim City Management, aber auch bei uns in der Politik, sind keine Seltenheit mehr. Auch Ansagen, dass man die City nicht mehr besuchen wolle, sind schon ausgesprochen worden.

Vor einigen Jahren war die Situation ähnlich zugespitzt. Damals war der Kollege Markus Schreiber, der heute unter uns sitzt, noch Bezirksamtsleiter in Mitte. Es wurden auf Basis des Hamburgischen Wegegesetzes Untersagungsverfügungen erlassen, da es sich um gewerbsmäßige Bettelei von meist organisierten osteuropäischen Bettelbanden handelte und es somit einer genehmigungsbedürftigen Sondernutzung bedurfte. Mit Beteiligung des damaligen Bezirklichen Ordnungsdienstes, des BOD, und der Polizei wurden Beschlagnahmungen durchgeführt und auch Platzverweise erteilt,

(Jörg Hamann CDU: Das war gut!)

was auch zwischenzeitlich zum Erfolg führte.

(Beifall bei der CDU)

Danach wurden die Kontrollen etwas weniger, und dann pendelte sich das wieder ein. Was ich damit sagen will: Das ist für die Verwaltung, aber auch für die Politik kein neues Thema. Der Senat erkennt aber anscheinend die stark gestiegene, gewerbsmäßige, organisierte Bettelei in Hamburg nicht. Das zeigt auch die Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage zum selbigen Thema, Drucksache 21/3908. Danach lägen den zuständigen Stellen keine Hinweise auf bandenmäßiges Vorgehen, keine Erkenntnisse über gewerbsmäßig organisierte Bettler und ebenso keine Erkenntnisse über mögliche Hintermänner dieser Bettelbanden vor. Weiter heißt es, die geringe Anzahl an bekannten Beschwerden widerspreche dem von mir in der Anfrage geschilderten Ausmaß. Manchmal frage ich mich, ob unsere Senatsmitglieder tatsächlich in Hamburg wohnen. Glauben Sie wirklich, dass jeder, der von Bettlern aggressiv angebettelt wird, sofort zur Polizei läuft und Anzeige erstattet? Natürlich nicht. Wer hat das schon gemacht? Ich habe es nicht gemacht,

(Milan Pein SPD: Warum denn nicht? Das müssen Sie mal machen!)

und ich glaube, Sie haben es auch nicht gemacht. Aber wenn man fragen würde, wie viele aggressiv belagert wurden und wie viele das gut finden, würden die meisten sagen, sie finden das nicht gut.

Sie sollen hier ein Problem lösen und es nicht schönreden, denn die Bürger dieser Stadt gehen im Gegensatz zu Ihnen tatsächlich mit offenen Augen durch die Stadt und erkennen sofort, was falsch und was richtig ist. Die Situation erfordert unverzüglichen Handlungsbedarf. Erhöhen Sie einfach die Polizeipräsenz, prüfen Sie neue Ansätze, zum Beispiel neue Aufgabenfelder der Kontrolle für Angestellte des Parkraummanagements, statten Sie Beamte und Angestellte aus der Innenbehörde, Wirtschaftsbehörde, Finanzbehörde, von mir aus auch allen Behörden, mit neuen Kontrollaufgaben aus, Herr Senator.