In Wirklichkeit war das eine Riesengefahr, Mann, Mann, Mann. Im Übrigen ist das Hauptproblem – darin sind wir alle uns doch einig – etwas flapsig ausgedrückt, das Verpennen der Frist im weitesten Sinne. Wer überwacht denn die Frist? Macht das die Poststelle bei gemeingefährlichen Inhaftierten?
Das nächste Argument, Urs Tabbert, das ich hörte, waren die damaligen Fehler in 2005. Die Fehler von damals, und seien sie auch einzuräumen, machen doch die Fehler von heute nicht besser. Das hilft überhaupt nicht.
Und auch schon mehrfach gehört habe ich, es sei doch schwierig und die Rechtsprechung habe sich geändert. Jeder Anwalt ist nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs verpflichtet, für seinen Mandanten immer den sichersten Weg zu gehen. Ist denn dann nicht erst recht der Staat im Fall eines inhaftierten, gemeingefährlichen, pädophilen Kinderschänders dazu verpflichtet, den sichersten Weg zu gehen? Da gibt es doch gar keine Frage.
Lieber Herr Müller, zum Sofort-Senator, den ich auch eher als Skandal-Senator sehe, sagten Sie, das sei ein bisschen dünn, weil ich nur drei Beispiele gebracht hätte, die teilweise auch schon aus 2015 gewesen seien. Da haben Sie natürlich völlig recht, das war ein wenig dünn. Deswegen will ich einmal ein bisschen aufbohren.
Ein 14-jähriger mutmaßlicher Vergewaltiger, dringend tatverdächtig, ist, nachdem er in der Jugendeinrichtung war, gleich aus dem Fenster heraus abgehauen – danke, hier will ich gar nicht bleiben, mir dräut Ungemach – und geisterte wochenlang durch diese Stadt.
Wir hatten vor Kurzem vier entflohene Häftlinge aus Billwerder. Wir hatten gerade zwei Angriffe in den Justizvollzugsanstalten gehabt. Sie können es nachlesen; die Antwort bekomme ich vom Senat wahrscheinlich kurzfristig zugestellt. Und zur Frage der Anzahl der offenen Haftbefehle: allein in Hamburg wurden 2013 339 nicht vollstreckt, 2014 wurden 542 nicht vollstreckt. Und um es rund zu machen: 2015 waren es 793. Die Tendenz ist klar: Es geht aufwärts, und das in einem Bereich, in dem wir es wirklich nicht gebrauchen können.
Herr Dolzer, Resozialisierung ist wichtig: darin sind wir uns einig. Sie sind ja auch erstaunt darüber, dass die CDU diesbezüglich neuerdings vorn dabei ist. Das waren wir in Wirklichkeit schon immer, ich bin es in besonderem Maße, denn damit betreiben wir aktiven Opferschutz. Bei diesem Mann war es etwas anders, da können wir nicht – und das habe ich mehrfach auch von Herrn Steffen gehört – von Resozialisierung sprechen. Der Mann muss überhaupt erst einmal sozialisiert werden. Da war gar nichts zu resozialisieren. Er ist krank, das heißt, er muss therapiert werden. Das geht also weit über einen normalen Straftäter hinaus.
Ich könnte so weitermachen. Wenn Sie wollen, habe ich hier zum Beispiel noch die Zahl der Tatverdächtigen der unter 21-Jährigen. Nach der polizeilichen Kriminalstatistik ist sie zwischen 2012 und 2015 um 15,96 Prozent gestiegen. Die Anzahl der Neuzugänge bei den Jugendstrafverfahren ist interessanterweise im selben Zeitraum um 20 Prozent gesunken. Was ist denn da los? Arbeitet die Polizei nicht mehr anständig? Das kann ich mir kaum vorstellen. Und auch die Anzahl der verurteilten Jugendlichen und Heranwachsenden sinkt in Hamburg trotz Anstiegs der polizeilich erfassten Tatverdächtigen. Ich weiß das auch, ich habe auch schon einen Erklärungsversuch des Senators gelesen. Aber ich kann die Zahlen addieren, es sind nämlich nur drei Stück, und selbst wenn ich nur zwei addiere, bleibt die Differenz so hoch, dass ich sage, wir haben einen klaren Anstieg und offenbar eine nicht ausreichend besetzte Staatsanwaltschaft und daher mehr Einstellungen. Das muss sich ändern. Lassen Sie es nicht weiter so passieren.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn es darum geht, noch einmal die üblichen Angriffsrituale, die in solchen Fällen irgendwie abzuhandeln sind, abzuspielen, dann sind Sie groß, dann sind
Wenn es darum geht, politische Kärrnerarbeit zu tun, wie zum Beispiel den gestrigen Nachmittag in der Teilvollzugsanstalt für Frauen in Billwerder zu verbringen, ein Angebot, das die Justizbehörde gemacht hat – wer ist dann da? Meine Kollegin von den GRÜNEN, Frau Timm, und ich.
Wir sind die einzigen Abgeordneten, die da sind. Sie haben immerhin Ihre Mitarbeiterin hingeschickt. Die CDU war überhaupt nicht vertreten, die AfD und DIE LINKE auch nicht. Und das, wo wir eine so große Debatte über den Frauenvollzug hatten. Wenn es verbal zur Sache geht, sind Sie ganz vorn, aber wenn es darum geht, sich Mühe zu machen und zu schauen, ob Dinge funktionieren und man wirklich für Verbesserung sorgen kann, dann habe ich von Ihnen leider nichts gesehen, Frau von Treuenfels.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Darf ich wenigstens fragen, Herr Tabbert? Gestatten Sie eine Zwischenbemerkung oder Zwischenfrage der Abgeordneten von Treuenfels?
Noch einmal, jetzt nicht. Ich mache das sonst immer, aber jetzt nicht, denn eine Sache kann ich der Kollegin nämlich leider auch nicht ersparen, wenn man den Mund so voll nimmt wie sie.
Sie sind doch Mitglied einer Partei, die im Jahr 2001 Justizsenator Kusch mit ins Amt gehoben und ihm noch einen Staatsrat der FDP zur Seite gestellt hat.
Und ausgerechnet Sie fordern jetzt den Rücktritt von Till Steffen. Da sind doch bei Ihnen völlig die Maßstäbe verrutscht.
Lassen Sie uns gemeinsam entlang der Entscheidung des OLG sicherstellen, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholt.
Herr Pein hat das vorhin in der nötigen Besonnenheit getan. Er hat die Punkte aufgezeigt, die wir abklopfen müssen. Lassen Sie uns das tun. Und
lassen Sie uns verbal ein bisschen abrüsten. Ich glaube, damit ist der Justiz in Hamburg am besten geholfen.
Ich verwende jetzt nicht meine kleinen fünf Minuten darauf, mich mit Herrn Tabbert zu streiten. Wie lange kennen wir uns jetzt eigentlich? Haben Sie irgendwann einmal eine Rede gehalten, in der nicht das Wort Herr Kusch vorkam? Ich weiß es nicht. Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen. Ich glaube nicht.
Eine Sache noch. Und das ist etwas, das ich unserem Justizsenator auch vorwerfe, um einmal wieder zu unserem Thema zu kommen, Herr Tabbert.