Protokoll der Sitzung vom 11.05.2016

Wenn Sie da hineingeschaut hätten, wüssten Sie, dass es zunehmend viele Fälle von Geschlechterdiskriminierung an den Schulen gibt, dass Mädchen sich bedrängt fühlen, dass Mädchen nicht mehr anziehen können, was sie wollen, weil sie ständig gemobbt werden, wenn sie das tun. Sie wüssten, dass Eltern Tanz- und Spielverbote für Ihre Kinder durchzusetzen versuchen, nicht nur unter den Moslems, selbstverständlich auch unter orthodoxen Christen. Das gibt es auch, aber das sind dann vielleicht doch eher sehr wenige Einzelfälle, aber auch gegen sie muss man konsequent vorgehen.

(Beifall bei der CDU – Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Mobbing, Sie rühren eine miese Suppe!)

Nun lassen Sie mich doch ausreden. Das müssen Sie mir schon überlassen, welche Suppe ich koche, Frau Boeddinghaus. Das ist doch wirklich nicht Ihre Sache.

Es macht wirklich keinen Sinn, wenn wir bei jeder dieser Debatten dem anderen erst einmal unterstellen, er hätte da irgendetwas im Kopf darüber, was Sie nun meinen. Was läuft bei Ihnen, Frau Duden, eigentlich für ein Kopfkino ab, wenn Sie mir unterstellen, ich würde Islamisten und Salafisten mit Moslems in einen Topf werfen? Das habe ich zu keinem Zeitpunkt getan, und ich verbitte mir solche Unterstellungen. Lassen Sie das sein, setzen Sie sich mit dem Thema auseinander.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein – in Anführungszeichen, entschuldigen Sie – Buchtitel, den ich zitiert habe; das wird man doch wohl machen dürfen.

(Gerhard Lein SPD: Die Überschrift, die ist es! Die machen Sie sich zu eigen!)

Nein, das habe ich nicht getan. Das ist nicht wahr.

(Zurufe von Dirk Kienscherf SPD)

Sie wissen natürlich, dass ich zündele, Herr Kienscherf. Melden Sie sich doch einfach zu Wort,

Herr Kienscherf, wenn Sie etwas zu sagen haben, und pöbeln Sie hier nicht herum.

(Glocke)

(unterbrechend) : Frau Prien, einen Moment. Die Geste habe ich nicht verstanden. – Danke, Sie können fortfahren.

Danke schön, Frau Präsidentin.

Ich bleibe dabei: Ohne eine vernünftige Datenlage aus den Schulen, die der Schulsenator nach eigenem Eingestehen bis heute nicht hat, wird man den Problemen nicht wirklich gerecht, und deshalb brauchen wir diese Datenlage. Was wir allerdings nicht brauchen – ich will auch noch einmal etwas Nettes sagen –, ist, Frau von Treuenfels, eine neue Handreichung, weil wir die Handreichung in Wahrheit schon haben; und die ist auch gar nicht schlecht. All die Punkte, die Sie zu Recht in Ihrem Antrag ansprechen und die ich absolut teile, sind in dem Elternratgeber enthalten. Ich finde, er ist auch ordentlich gemacht, und zwar in einer einfacheren Sprache, und sämtliche angesprochenen Konfliktlagen, seien es Schulfahrten, sei es Schwimmunterricht, sei es Sportunterricht, sei es Sexualkundeunterricht, sind darin enthalten. Auch das Thema Befreiung vom Unterricht ist dort aus unserer Sicht hinreichend abgearbeitet.

Wichtig wäre natürlich, dass diese Broschüren an diejenigen verteilt werden, die es angeht. Wenn der Senator in einer unserer Anfragen antworten musste, dass sie in den IVK-Klassen nicht verteilt werden, dann ist das natürlich schlecht; das muss natürlich passieren. Jedes Flüchtlingskind, alle Eltern von Flüchtlingskindern müssen diese Unterlage erhalten.

(Kazim Abaci SPD: Nicht nur Flüchtlingskin- der, alle Kinder!)

Insofern sind wir froh, dass der Senat angekündigt hat, das in Zukunft zu tun. Wenn das das Ergebnis dieser Debatte ist, dann ist es ein Erfolg. Es wäre schön gewesen, wenn wir Sie nicht darauf hätten hinweisen müssen. Ich finde es schade, dass wir das nicht im Schulausschuss beraten, wohin es nämlich gehört. Frau Duden, anders als Sie behauptet haben, haben wir das Thema Salafismus und Islamismus in der vergangenen Legislaturperiode mehrfach in einer Selbstbefassung beraten. In dieser Legislaturperiode haben wir es noch nicht ein einziges Mal besprochen, obwohl wir Anlass dazu hätten. Frau Duden, Ihre Ausführungen verstehe ich so – aber das können wir unter den Obleuten absprechen –, dass wir uns im Rahmen einer Selbstbefassung mit diesem Thema sehr bald noch einmal beschäftigen werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion bekommt nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Frau Prien, eigentlich geht es heute – das war der ursprüngliche Antrag der FDP-Fraktion –, um Integration. Es geht darum, beispielsweise Schulpflichtverletzungen zu dokumentieren, Eltern entsprechend zu beraten und dergleichen mehr. So ist auch Ihr Antrag überschrieben. Da steht: "Generation Allah" entgegenwirken – Integration von Anfang an. Im Petitum fordern Sie lückenlose Dokumentation und Ähnliches. Dann habe ich vorhin – ich habe sie leider nur digital – Ihre Pressemitteilung gelesen, in der steht:

"'Generation Allah' konsequent entgegenwirken und Maßnahmen gegen Salafismus an Schulen ergreifen."

Weiter unten geht es los mit Islamisten, und dann geht es gleich weiter mit:

"Dazu gehört auch, dass wir endlich effektive Maßnahmen gegen islamistischen Fanatismus an Schulen ergreifen."

Frau Duden hat absolut recht, wenn sie sagt, dass Sie mit diesem Antrag, und vor allen Dingen mit Ihrer Pressemitteilung, das Problem mit dem Umgang von eventuell gelebtem religiösen Leben, Burkini und so weiter, mit Islamismus und Salafismus vermischen. Damit zündeln Sie in dieser Stadt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir werden gemeinsam mit den Obleuten im Schulausschuss – also am Rande der Bürgerschaft – beraten, wann wir das Thema aufnehmen. Wir haben zwei Anträge beziehungsweise Große Anfragen zum Thema Islamismus und Salafismus gestellt, die wir im Schulausschuss noch vor der Sommerpause beraten werden. Das ist auch richtig und wichtig; davor drücken wir uns nicht. Aber hier geht es um etwas ganz anderes, und ich finde es, wie gesagt, sehr gefährlich, das zu vermischen.

Zu Ihnen, Frau von Treuenfels-Frowein: Sie haben absolut recht, wenn Sie sagen, Integration beruhe darauf, dass von beiden Seiten etwas beigetragen werde; sie beruhe auf Gegenseitigkeit. Integration beruht aber auch auf Vertrauen. Ich habe mich darüber erkundigt, wie viele Fälle es gibt, die Sie kritisieren, also Befreiung von Unterricht aufgrund religiöser Zugehörigkeit oder Befreiung vom Sportunterricht aufgrund religiöser Zugehörigkeit. Ein solches Misstrauen, das aus Ihrem Antrag spricht, kann ich beim besten Willen nicht teilen. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

(Karin Prien)

Selbstverständlich nehmen die allermeisten Kinder aus muslimischen Familien, gerade auch Mädchen, am Schwimmunterricht teil. Wie Frau Duden angesprochen hat, gibt es seit 2005 aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichts die Möglichkeit, im Burkini am Sportunterricht teilzunehmen. Selbstverständlich kommen die Kinder ihrer Schulpflicht nach und nehmen auch an Klassenfahrten teil. Wir hatten eine Anfrage gestellt, auf die der Senat geantwortet hat, bei den zwei strittigen Fällen habe es sich um Evangelikale, also keine muslimischen Kinder gehandelt. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.

Es gibt ein gewisses Misstrauen gegenüber Lehrerinnen und Lehrern. Es gibt, Gott sei Dank in Hamburg, in unserem Staat, Regeln. Es gibt einen Rahmen, der eingehalten werden muss, und alle beteiligen sich daran, dass er eingehalten wird. Wenn es Verstöße gibt, dann gibt es auch Gespräche. Denn Integration beruht auf Vertrauen, auf Dialog. Die Schulen tun etwas Großes daran, mit allen im Gespräch zu bleiben und dementsprechend Verstöße zu ahnden, aber auch präventiv zu handeln. Dieses große Vertrauen habe ich auch weiterhin in unsere Schulen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nicht zuletzt sind Ihre Forderungen nach lückenloser Dokumentation tatsächlich eine Überbürokratisierung der Schulen, eine wahnsinnige Belastung für die Schulen

(Zuruf von Karin Prien CDU)

und ein Eingriff in die selbstverantwortete Schule. Wie gesagt, wir haben Vertrauen in die Verantwortlichkeiten der Lehrerinnen und Lehrer und der Schulen, denn sie haben das größte Interesse, dass Integration bei uns gelingt.

Zum Punkt bezüglich Niqab und Burka: Ich selbst bin Lehrerin und habe mir darüber Gedanken gemacht, wie es mir gehen würde, wenn mir ein Mädchen gegenübersitzt, bei dem man nur die Augen oder eventuell auch gar nichts sieht. Ich gebe zu, es wäre für mich sehr schwierig, weil ich keine Beziehung aufbauen könnte. Aber es ist nun einmal so, dass Niqab und Burka nicht verboten sind, und selbst wenn man das melden würde, was dann? Was wäre die Konsequenz? Was wollen Sie mit diesem Antrag?

Dann habe ich mich darüber gewundert, dass in demselben Petitum steht, "und sonstige interreligiösen Konflikte" – also abgesehen von Niqab und Burka – "sollen gemeldet werden". Da frage ich mich: Was ist ein interreligiöser Konflikt? Das ist nicht beziffert. Gewaltvorfälle, eine ganz andere Geschichte, müssen sowieso gemeldet werden, und das ist auch richtig und wichtig und gut so, weil Schulen nur so funktionieren können.

Kurzum: Wir alle werden gemeinsam daran arbeiten – die Schulen tun es vor allen Dingen –, dass Integration in den Schulen gelingt. Wir nehmen es ernst, aber wir vermischen dieses Thema nicht mit Islamismus und Salafismus. Lassen Sie uns diese Trennschärfe auch weiterhin beibehalten. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Frau Özdemir von der Fraktion DIE LINKE bekommt nun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte auf den FDP-Antrag eingehen.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Danke!)

Es wäre nämlich ziemlich fies, wenn wir das nicht tun würden. Sie sprechen in Ihrem Antrag auch über das Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, auch Toleranz und Integration, machen sich sicherlich nicht am Schwimmunterricht fest. Gleichberechtigung muss von der gesamten Gesellschaft implementiert werden, und in Hamburg haben wir immer noch die Situation, dass Frauen 25 Prozent weniger verdienen. Also ist auch das ein Punkt, über den wir beim Thema Gleichberechtigung sprechen müssen. Sie sprechen doch von Gleichberechtigung.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sollten erst einmal dafür sorgen, dass Gleichberechtigung wirklich stattfindet, anstatt sie nur für besondere oder bestimmte Gruppen zu predigen. Im Endeffekt leben wir in einer Demokratie, und eine funktionierende Demokratie muss aushalten, dass Menschen, Jungen wie Mädchen, nicht am Schwimmunterricht teilnehmen möchten. Ich habe auch das letzte Mal gesagt, dass es immer wieder unterschiedliche Gründe dafür gibt, warum junge Frauen, warum Mädchen nicht am Schwimmunterricht teilnehmen möchten. Es kann sein, dass die Religion ein vorgeschobenes Argument ist. Und wenn es aus religiösen Gründen sein sollte, ist das immer noch kein Indiz dafür, dass ein mangelnder Integrationswille vorhanden ist. Wenn wir von Integration reden, müssen wir weg vom Thema Schwimmunterricht und Burkinis und hin zu gleichberechtigter demokratischer Teilhabe von jungen Menschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hier leben immer noch Menschen, die nicht einmal das Wahlrecht haben, obwohl sie hier geboren sind. Die Handreichungen aus Schleswig-Holstein, die Sie in Ihrem Antrag erwähnt haben, heißen Handlungsleitlinien zum Thema Islam, Islamismus und Salafismus in Schulen. Hier wird auch in einen

(Dr. Stefanie von Berg)

Topf geworfen, was eigentlich nicht in einen Topf gehört. Deshalb finde ich das als Beispiel nicht sehr angemessen.

Noch einmal zum Antrag der CDU-Fraktion. Es wurde sehr oft gesagt, er sei extrem populistisch. Ja, ich finde auch, es ist extrem populistisch zu behaupten, dass es eine Generation Allah in Hamburg geben würde. Wir wissen aber, und auch die CDU weiß sehr genau, dass es diese Generation nicht gibt. Und nur, weil Ahmad Mansour einen arabischen Hintergrund hat, heißt es nicht, dass seine Thesen richtig sind. Sie glauben, dass es authentischer wirkt, wenn ein Herr Mansour statt eines Horst Seehofers in dieser Debatte zitiert wird. Das ist es aber nicht. Was Sie stattdessen mit diesem Antrag tun, ist, alle Muslime, die nicht am Schwimmunterricht teilnehmen, unter den Generalverdacht der Radikalisierung zu stellen. Das ist extrem populistisch und gefährlich und auch kontraproduktiv. Sie differenzieren nicht, Sie pauschalisieren.