Protokoll der Sitzung vom 12.05.2016

(Zuruf: Der Senat war nicht da! – Glocke)

Wir haben die Akademie der Weltreligionen, die den interreligiösen Dialog in unserer Gesellschaft und in Lehre und Forschung fördert. Nur wir in Hamburg haben den Hamburger Weg, den Religionsunterricht für alle. Darauf können wir bauen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Seit 1997 findet immer am 3. Oktober der Tag der offenen Moschee statt. Denn nur das, was man kennt und was man sieht, muss man nicht fürchten. Und darauf können wir auch bauen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Vor allen Dingen aber haben wir in unserer Stadt, in unserem Staat Strukturen. Wir haben einen

Rechtsrahmen, wir haben eine Verbindlichkeit, wir haben Verlässlichkeit. Wir haben diese Verlässlichkeit und Verbindlichkeit noch erhöht, indem wir Staatsverträge geschlossen haben mit großen Religionen. Und das ist etwas, worauf wir stolz sein können und auf das wir bauen können.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wir haben also hier eine Infrastruktur, in die die Menschen, die zu uns kommen, hineinwachsen können. Wir haben hier eine verlässliche Struktur des interreligiösen Dialogs. Und das ist besser als Ausgrenzung. Denn wie soll man mit Menschen ins Gespräch kommen, wenn man ihnen sagt, ihr gehört nicht zu uns? Nein, der Hamburger Weg ist ein anderer. Der Hamburger Weg ist einer, der sagt, wir stehen zusammen, gemeinsam, im Dialog mit allen Religionen. Und das ist gut so. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Herr Wysocki von der SPD-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg war und ist bundesweit Vorreiter beim interreligiösen Dialog. Das ist gerade jetzt, wo viele Menschen unterschiedlicher Herkunft und auch unterschiedlicher Religionen zu uns nach Hamburg kommen, ein sehr wichtiger Baustein, auf den wir setzen können. Frau von Berg hat das eben schon erwähnt; ich werde es noch ein wenig ausführen.

Ich denke, wir sind mit den Institutionen, die wir in Hamburg haben, gut aufgestellt. Das ist einmal das Interreligiöse Forum, gegründet im Jahr 2000, das ist die Akademie der Weltreligionen mit ganz hervorragenden Veranstaltungen, Foren und Forschungsprojekten, und das ist vor allem natürlich der Mitte 2012 geschlossene Vertrag mit den muslimischen Verbänden und den Aleviten, den wir nach intensiver Vorarbeit, immerhin seit 2006, mit großer Mehrheit in der Bürgerschaft verabschiedet haben. In dem Vertrag sind Regeln des Zusammenlebens und der Zusammenarbeit auf den verschiedensten Gebieten geregelt: Moscheenbau, Friedhofsregelungen, Feiertage und insbesondere eine gemeinsame Weiterentwicklung des Religionsunterrichts für alle in evangelischer Verantwortung. Mit diesem Vertrag hat Hamburg den islamischen Gemeinden und Verbänden einen festen Platz in der Mitte dieser Gesellschaft verortet. Es geht um die Anerkennung von 130 000 Hamburger Mitbürgern muslimischen Glaubens. Und das, diese politische Wirkung, ist uns überaus wichtig.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Dieser Vertrag hat – und wird es auch weiterhin haben – eine große Strahlkraft auf andere Bundesländer und weit darüber hinaus. Man sieht das an den Kontakten, die regelmäßig an uns herangetragen werden und bei denen es um die Fragen geht: Wie macht ihr das in Hamburg? Wie ist die Reaktion? Wie können wir das eventuell in unserem Bundesland auch machen? Dieser Weg ist für uns unumkehrbar, und dies ist auch gewollt.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wir werden diesen Weg nicht blauäugig gehen, um das ganz klar zu sagen. Die Entwicklung des gemeinsamen Religionsunterrichts ist schwierig und kompliziert. Deswegen ist in dem Vertrag auch vorgesehen, dass nach fünf Jahren eine Bilanz gezogen werden soll, wie sich dieser Religionsunterricht entwickelt. Wir verhehlen auch nicht eine Entwicklung in der Türkei, die uns im Moment mit Sorge erfüllt und von der wir noch nicht wissen, welche Auswirkungen sie auf das türkische Kulturministerium und damit auf einen unserer Vertragspartner haben könnte – nicht hat, aber haben könnte. Und ich sage deutlich: Die Äußerung, die vom Vorsitzendes des Zentralrats der Muslime in Deutschland – nicht in Hamburg – getätigt worden ist, dass Scharia und Demokratie vereinbar seien, findet meinen – und ich denke, auch unseren – entschiedenen Widerspruch.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Aber grundsätzlich muss gesagt werden, dass wir mit den Verträgen, übrigens mit allen Religionsgemeinschaften, die wir in Hamburg abgeschlossen haben, grundsätzlich die gemäßigten Kräfte in den Verbänden und innerhalb aller Muslime gestärkt haben. Dieser Weg wird weitergegangen werden, und er wird weitergegangen werden müssen.

Eine Gesellschaft, die sich wie unsere vor allem aus jüdisch-christlichen Traditionen und, das wird eigentlich regelmäßig vergessen, den Werten der Aufklärung gestaltet, wird sich auch weiteren und sie wird sich auch anderen Einflüssen stellen müssen. Nur Traditionen, die gelebt werden, haben eine Zukunft, und nur, wenn wir wissen, woher wir kommen, können wir uns auch einen Begriff davon machen, wohin wir gehen sollen. Aber selbsternannte Verteidiger des Glaubens oder der christlichen Werte, die von niemandem unterstützt werden, braucht keiner.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Schon gar nicht, wenn diese Werte als Kampfbegriffe gegen andere Menschen und Religionen eingesetzt werden. Aber lassen Sie mich auch sagen, dass ich da relativ optimistisch bin. Die Religion wird es aushalten, die Kirchen werden es aushalten, aber die Vertreter auf der rechten Seite des Hauses werden es hoffentlich nicht durchhalten.

(Dr. Stefanie von Berg)

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Um es noch einmal konkret zu sagen, weil auch das eine Frage ist, die immer wieder gestellt wird – ich hoffe nicht, dass Sie in dieser Debatte gestellt wird, aber ab und zu wird sie wieder gestellt –: Die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht, ist beantwortet.

(Glocke)

Denn das islamische Leben, die gelebte Religionspraxis ist schon so, dass das hier stattfindet, dass wir es leben und dass wir es weiter leben werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Herr Wersich von der CDU-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der scharfen Auseinandersetzung mit einem Hamburger Hauptpastor verdanken wir eines der bedeutendsten Werke der Aufklärung und Religionstoleranz. Vor über 200 Jahren, 1779, schrieb hier in Hamburg Gotthold Ephraim Lessing seinen "Nathan der Weise" mit der berühmten Ringparabel, in der es schon damals darum ging, was die wahre Religion ist. Auch heute haben wir – es sind einige Schlagworte bereits genannt worden – mit der Akademie der Weltreligionen, zu Zeiten des schwarz-grünen Senats geschaffen, hervorgegangen aus dem interdisziplinären Zentrum "Weltreligionen im Dialog", an der Uni Hamburg eine bundesweit einmalige Institution. Wir sichern damit nicht nur die Ausbildung der Lehrkräfte auch durch Vertreter anderer Religionen, sondern wir haben damit auch ein tiefes Fundament der Religionswissenschaft in den Mauern unserer Stadt.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Die ebenfalls zur Zeit der CDU-geführten Senate abgeschlossenen beziehungsweise verhandelten Verträge mit der evangelischen Kirche, der Jüdischen Gemeinde, dem Heiligen Stuhl, den Aleviten und den islamischen Glaubensgemeinschaften regeln die Grundlagen der guten Zusammenarbeit. Wir sind auch Gastort geistlicher Vertreter großer Religionen. Der Dalai Lama ist regelmäßig in Hamburg. Bei seinem letzten Besuch 2014 bezeichnete er die verschiedenen Religionen als unterschiedliche Gefäße, in denen Inhalte, die Grundwahrheiten von Frieden und Humanität, gemeinsam liegen. Ein, wie ich finde, sehr friedensstiftender Gedanke, und übrigens dicht an Lessing. Am vergangenen Sonntag und Montag war eine Delegation aus China hier zu Konsultationen vom chinesischen Religionsministerium mit chinesischen Moslems, chinesischen Katholiken, chinesischen Evangelen, die ge

meinsam mit Vertretern der evangelischen und der katholischen Kirche und Wissenschaftlern aus Hamburg über die Herausforderungen und Gemeinsamkeiten der Religionen und den gemeinsamen Kampf gegen den fundamentalistischen Terror gesprochen haben.

Diese wenigen Stichworte belegen: Hamburg kann sich wahrlich und mit Tradition als wichtigstes Zentrum des interreligiösen Dialogs in Deutschland bezeichnen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ich glaube, wir alle spüren, dass dieser Dialog so nötig ist wie selten zuvor. Religion wird und wurde immer wieder als Deckmantel machtpolitischer Ambitionen missbraucht. Im Nahen Osten, im Mittleren Osten, in Afrika und Asien erleben wir, dass fundamentalistische Ideen und Ideologien zu Mord, Flucht und Vertreibung führen. Aber auch bei uns in Hamburg gelingt es islamistischen Verführern, einer orientierungslosen oder Orientierung suchenden Jugend den Tod im Heiligen Krieg schmackhaft zu machen. Und genauso erleben wir, wie Pegida-Bewegte die christlichen Begriffe missbrauchen und zu einem Kampf der Kulturen und Religionen aufrufen. Oder wir erleben politische Bewegungen, die Stimmung gegen Menschen bestimmter Religionen machen, fast genauso wie früher gegen die Juden, heute gegen die Moslems, weil sie sich damit ein stabiles Wählerfundament erhoffen. Wir erleben das in sozialen Netzwerken, auf der Straße und leider auch im Bekanntenkreis, diesen Missbrauch der Religionen und der Begriffe, mit einer, wie ich finde, gefährlichen Mischung aus aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten und der menschlichen Urangst vor dem Unbekannten und Fremden. Aus dieser Mischung wird Stimmung gemacht.

Ganz anders erlebe ich den interreligiösen Dialog, wenn man in die vielen Veranstaltungen, die in Hamburg stattfinden, geht. Wenn dort Menschen, fest im Fundament ihres Glaubens – ein Jude, ein Schiit, ein Sunnit, ein katholischer Christ, ein evangelischer Christ –, miteinander sprechen. Es ist jedes Mal beeindruckend zu sehen, wie die gemeinsamen Grundlagen der Religionen betont werden, die gemeinsamen Werte, und wie widerlegt wird, was es an Behauptungen und Vorurteilen gibt, und wie sich allzeit klar bekannt wird gegen jede Gewalt im Namen Gottes oder Allahs.

Ich wünsche mir für Hamburg, dass wir anstatt der, wie ich finde, oft übertriebenen medialen Präsenz von Salafisten, Pegida und Co. mehr Öffentlichkeit für diesen fundierten Dialog der Religionen auch in den Medien erleben.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Christiane Schneider DIE LIN- KE und Nebahat Güçlü fraktionslos)

(Ekkehard Wysocki)

Und ich wünsche mir dabei auch mehr mediale Auseinandersetzung mit den Argumenten unserer Religionswissenschaftler, denn die Meinungsbildung braucht Fakten. Ich fordere deswegen die Hamburgerinnen und Hamburger auf, auch die mit berechtigten Ängsten und Sorgen: Gehen Sie zu diesen Veranstaltungen.

(Glocke)

Ich komme zum letzten Satz.

Geben Sie sich die Chance zu differenzieren zwischen dem Missbrauch für machtpolitische Zwecke und dem eigentlichen Kern der Religion. Dazu ist der interreligiöse Dialog einer der wichtigsten Bausteine. Wir haben allen Grund, diesen Dialog in Hamburg zu pflegen und weiterzuentwickeln. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der FDP und bei Christiane Schneider DIE LINKE und Nebahat Güçlü fraktionslos)

Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema ist etwas unbestimmt, aber ich finde, meine drei Vorrednerinnen und Vorredner haben schon sehr schöne Vorlagen gegeben, und ich hoffe, die Diskussion bleibt genau so, wie sie eröffnet worden ist.

(Zuruf von Dr. Alexander Wolf AfD – André Trepoll CDU: Das liegt auch an Ihnen!)

Ja, es liegt auch an mir, natürlich.

Dass wir es hier diskutieren und ein Zeichen setzen müssen mit dieser Debatte, hängt nicht nur mit den Ereignissen in der letzten Zeit in der Bürgerschaft zusammen. Es hängt auch nicht nur damit zusammen, dass es eine Polarisierung gibt, und zwar in dem Zusammenhang, ob wir das interreligiöse Zusammenleben wollen oder nicht; da gibt es eine tiefe Polarisierung in der Gesellschaft. Wir haben das Thema der religiösen und kulturellen Vielfalt und der Notwendigkeit der Verständigung in den letzten Jahren unter verschiedenen Vorzeichen in dieser Bürgerschaft immer wieder diskutiert. Zum Beispiel, ich erinnere mich gut, anlässlich eines Konflikts um den Hidschab einer Lehrerin, einer Referendarin, und vor allem und mehrfach angesichts der hier schon vielfach erwähnten Staatsverträge mit den islamischen Gemeinschaften und der Alevitischen Gemeinde. Wir haben über Probleme diskutiert, die aufgetreten sind und gelöst werden mussten, und wir haben bei allen Differenzen im Großen und Ganzen immer lösungsorientiert diskutiert.

Wir von der LINKEN, die wir eher religionsfern oder religionskritisch sind, sind froh, dass Hamburg