Im Gegenteil, wir wissen seit vielen Jahrzehnten – inzwischen gibt es Studien darüber –, dass jede vierte Frau in ihrem Leben Gewalt erfährt, in der Regel in Partnerschaften und nicht durch den großen Unbekannten, körperliche wie sexualisierte Gewalt.
Ich komme zum Thema des Antrags. Es geht bei diesen Phänomenen doch darum: Worunter leiden die Opfer von Partnergewalt, wie wirkt sich das aus, welche Möglichkeiten haben sie, sich Hilfe zu
suchen, wie kommen sie aus Situationen, die sich oft über Jahre und Jahrzehnte hinziehen, ganze Familien, manchmal Generationen immer wiederkehrend betreffen, wirksam heraus? Was sind für sie die Haltepunkte? Da setzt StoP an und leistet einen wichtigen Beitrag.
Wir wissen nämlich, dass eines der wesentlichen Probleme, neben den ganzen körperlichen, seelischen und psychischen Belastungen, die aus anhaltender körperlicher Gewalt, Unterdrückung, sexueller Ausbeutung bestehen – hier sind übrigens wahrscheinlich auch viel mehr Männer betroffen, als wir uns trauen, heutzutage zu diskutieren –, gesellschaftliche Isolation ist, die Befürchtung, nicht mit seinen Nachbarn darüber ins Gespräch zu kommen. Es ist die Befürchtung, stigmatisiert zu werden, nicht zu wissen, an wen man sich wenden kann, kein Vertrauen zu haben, nach einer Offenbarung nicht doch aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden.
Und in diesem Zusammenhang arbeitet StoP nämlich gerade so effektiv, weil es nicht um hauptamtliche Fachleute geht, die sich darum kümmern, wie es einer Nachbarin geht und wie man ihr konkret helfen kann, wenn sie noch nicht bereit ist, sich vielleicht an Polizei, Justiz und/oder ein Frauenhaus zu wenden. Was sind erste Schritte, die sie gehen kann, wie kann ich vielleicht professionelle Beratung vermitteln, einfach durch das Dasein im Stadtteil? Wir haben aus den StoP-Piloten in den letzten Jahren viel gelernt.
Und in diesem Sinne ist es wirklich großartig, ein unschätzbarer Beitrag, sehr hilfreich und überhaupt nicht kleinzureden und auch nicht zu verniedlichen als Marketing, Klientelpolitik oder eine große Show hinter einem großen Namen.
Es ist im Gegenteil genau das, was notwendig ist, wenn es um die Frage geht, wer der Erste ist. Wir bieten uns selbst als Nachbarn im Stadtteil als Erste an, die Ansprechpartner sein wollen. StoP hat auch gezeigt, in Steilshoop zum Beispiel oder in der Horner Geest, dass es ihnen gelingt, über diesen partizipatorischen Ansatz, diese Arbeit im Stadtteil, dieses Gemeinschaftsprojekt, eben nicht nur Frauen als Unterstützerinnen dieser Initiative zu gewinnen, sondern auch junge Männer, die sehr aktiv im Zusammenhang von Peer-Ansätzen, also zielgruppenbasiert junge Männer, sich des Themas annehmen und zeigen, dass sie anders sein wollen. Sie sind diejenigen, die ansprechbar sind, sie helfen, sie zeigen, dass Gewalt in Partnerschaften kein Mittel ist, miteinander umzugehen. Und deswegen ist es doppelt wirksam.
Ich komme zu der Frage, warum wir uns dem Thema jetzt im Zusammenhang mit Flüchtlingszuwanderung noch einmal besonders widmen und ob es denn nicht um die Frage geht, ob Partnergewalt in bestimmten Kulturen womöglich ausgeprägter ist als in anderen. Dieser Beweis wäre übrigens noch anzutreten. Die Opferberatungsstellen berichten uns ein anderes Bild. Wenn man sich einmal die Mühe macht, sich bundesweit mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen, dann lernt man deutlich, dass Diskriminierung nur augenscheinlich in besonderen Kulturen möglicherweise mehr vorhanden ist als in anderen. Die Realität ist eine andere, die Geschichte der Bundesrepublik zeigt das deutlich.
Hier setzt StoP an, nämlich bei der zweiten Seite der Medaille, warum es wichtig ist. Wir haben in der Stadt viele neue Bewohnerinnen und Bewohner in Unterkünften, die neue Nachbarschaften geworden sind, die als Teil einer neuen Nachbarschaft in einem Stadtteil wirken. Und hier setzt StoP als Nachbarschaftsprojekt an. Deswegen macht es auch sehr viel Sinn, darüber nachzudenken, wie man es in der Nachbarschaft von Flüchtlingsunterkünften noch einmal besonders etablieren und in die Fläche tragen kann. Wir wollen ausprobieren, ob es auch hier die Wirksamkeit entfaltet. Und es geht nicht ausschließlich darum, einen besonderen kulturellen Anspracheansatz an dieser Stelle zu haben, sondern auch im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften, die neue Nachbarschaften sind, mit einem nachbarschaftlichen Ansatz zu wirken. Es funktioniert wirklich gut, wenn nämlich zum Beispiel Frauen, die bei StoP aktiv sind, die zumeist selbst einen Einwanderungshintergrund haben, selbst als Beraterinnen aktiv sind, um am ersten Problem zu arbeiten, worunter die meisten Betroffenen von Partnergewalt am stärksten leiden, nämlich der gesellschaftlichen Isolation, dem Nichtwissen, an wen sie sich wenden können, ohne dass vielleicht eine große Sache daraus wird. Das ist bis heute die größte Angst der Betroffenen, durch die Meldung dessen, was ihnen passiert, vielleicht ihre Familie zu zerstören, nicht mehr weiterzuwissen, nicht mehr zu wissen, wo sie hinkönnen. Hier leistet StoP als Nachbarschaftsprojekt auch gerade in der Nachbarschaft von Unterkünften hoffentlich künftig einen wichtigen Beitrag.
Gestatten Sie mir an dieser Stelle vielleicht noch eine Schlussbemerkung zu dem Thema. Ja, man muss weiterhin überlegen, wie wir uns dem Thema Diskriminierung von Frauen und Gewalt gegen Frauen in allen möglichen Bereichen zuwenden. Das ist eine Facette und sicherlich nicht die letzte, die man bei dieser Frage beachten muss.
Ich würde mir wünschen, dass die Menschen, überwiegend Männer, die sich seit Silvester als neue Frauenrechtler etabliert haben, sich vielleicht den ein oder zwei älteren gesellschaftlichen Problemen in unserem Land auch einmal zuwenden würden. Das beginnt bei Werbung im Fernsehen für Hustenmedikamente, in der selbstverständlich die Mutter diejenige ist, die nie krank sein und ausfallen darf, und endet bei der Frage, ob man als Frau vielleicht besonders viel leisten muss, um nachzuweisen, dass man nicht nur eine Quote erfüllt, weil man ein Amt annimmt. In diesem Sinne wünsche ich uns bis zum nächsten November, wenn wieder der Tag gegen Gewalt gegen Frauen ist, noch viel geistige Arbeit an dieser Stelle. Wir sind noch lange nicht am Ende.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Gewalt in Partnerschaften ist kein Tabu, solange der Täter political correct ein europäischer Mann ist. Anders, wenn es zum Beispiel eine Frau ist, dann muss man sich gut überlegen, was man sagt. Die Senatorin hat es schon angedeutet. Beispiel: Monika Ebeling, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte in Goslar im Harz; sobald sie sich für die Rechte und den Schutz auch von Männern einsetzte, verlor sie ihren Job. Beispiel: Erin Pizzey; sie gründete Frauenhäuser in England in den Siebzigerjahren und fand bei ihrer Arbeit heraus, dass Gewalt sehr, sehr oft von Frauen ausgeht. Auch sie musste gehen.
Rita Steffes-enn, die gibt es noch, warum auch immer; sie ist Psychologin am Institut für deliktbezogene Täterarbeit in Rheinland-Pfalz und sagt, Gewalt in Partnerschaften gehe etwa gleich verteilt von Männern und Frauen aus. Professor Amendt, Bremen, bestätigt das und legt eine lange Literaturliste vor.
Einige Beispiele: Ein fast 80-jähriger Mann wird zwei Wochen nach einer Hüftoperation aus der orthopädischen Station entlassen. Wenige Tage später kommt er mit schweren Verletzungen zurück. Seine Frau hatte ihn die Treppe runtergeschubst. Was für ein armer Mann, sagen alle in der Abteilung. Jeder weiß Bescheid. Keiner denkt an den Schutz für das Opfer, geschweige denn an eine Strafe für die Täterin. Ich muss zugeben, ich auch nicht, aber ich habe daraus gelernt.
ne Frau mit einem Metallgegenstand verprügelt. Ein junges Paar spricht den Täter an, bekommt zu hören, haut ab, diese Frau gehört mir. Im Nu kommen zehn bulgarische Staatsangehörige, umstellen drohend diejenigen, die Zivilcourage gezeigt haben, und diese sind am Ende froh, dass sie noch heil aus der Sache herausgekommen sind. Jemand hat die Polizei gerufen, das Opfer schweigt. Wollen Sie es ihr verübeln? Die Frau hat doch ein sehr, sehr feines Gespür und sie weiß, die wirklich Schutzbedürftigen werden bei uns nicht beschützt. Im Gegenteil, diejenigen, die die Drohkulisse aufgebaut haben, wurden vor zwei Wochen in der Debatte als die Schwächsten der Schwachen bezeichnet; wie zynisch.
Letztes Beispiel: Eine junge Syrerin kommt in die orthopädische Praxis. Die Schwiegermutter sitzt im Wartezimmer. Als die Patientin aufgerufen wird, gelingt es, die Schwiegermutter zurück ins Wartezimmer zu drängen. Die Patientin berichtet, dass sie zu Hause gefangen gehalten und geschlagen wird. Ich verspreche ihr, wenn sie übermorgen wiederkomme, dann habe ich jemanden gefunden, der ihr hilft. Ich rufe die Polizei an. Antwort: Keine Straftat, dann machen wir auch nichts. Ich rufe beim Frauenhaus an, auch hier gibt es keine Bereitschaft, sich mit der Frau in der Praxis zu treffen. Die verantwortlichen Institutionen versagen. Ich konnte mein Versprechen nicht einhalten. Ihr zu sagen, sie solle sich selbst gerademachen und in der Nachbarschaft Unterstützung suchen, wäre zynisch gewesen, wenn dahinter nicht eine Macht steht, die im Ernstfall hilft und schützt. Und die gibt es bei uns nicht.
Zugegeben, bei dieser Frau wurde, im Gegensatz zu der Frau am Nobistor, schariakonform geprügelt. Im April haben Sie alle gezeigt, welch hoher Respekt dafür zu fordern ist, und er wird auch unerbittlich eingefordert. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Flocken. – Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur Abstimmung.
Wer möchte dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN aus der Drucksache 21/4891 zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist bei einigen Enthaltungen einstimmig beschlossen worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 44 auf, Drucksache 21/4894 in der Neufassung, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Ein humanitäres Aufnahmeprogramm für Geflüchtete aus Griechenland.
Diese Drucksache möchten die Fraktionen der SPD, GRÜNEN und LINKEN an den Innenausschuss überwiesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident! Rund 55 000 Geflüchtete leben derzeit in Griechenland, harren verzweifelt in Elendslagern aus, teilweise in regelrechten Internierungslagern. Viele versuchen, im Nirgendwo zu überleben. "Zustände wie in der Vorhölle" ist ein Bericht über den Besuch des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon vor wenigen Tagen auf Lesbos überschrieben. Berichte über Todesfälle infolge unzureichender Gesundheitsvorsorge nehmen zu. Mehr als 22 000 der 55 000 in Griechenland Gestrandeten sind Kinder, circa 2 000 minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge.
Vor wenigen Wochen fand in der HAW die zweite Veranstaltung "Hamburg, Stadt des Ankommens" statt. Ein Geflüchteter berichtete über seinen Freund, einen Syrer, der die gefährliche Flucht nach Deutschland zunächst allein gewagt hatte, um dann seine Frau und seine beiden kleinen Kinder nachzuholen. Über Skype verfolgte er das Ausharren und das Scheitern seiner Lieben im Schlamm von Idomeni, aufgehalten durch die Zäune, die Europa errichtet hat, durch Tränengas und Knüppel. Skype, das droht nun auf lange Zeit seine einzige Kontaktmöglichkeit zu seinen Kindern und seiner Frau zu sein. Das ist kein Einzelfall. Frauen mit kleinen Kindern, deren Männer auf der Flucht vor Terror und Krieg ein sicheres Land erreichten und die jetzt selbst in Griechenland festhängen, das ist keine Seltenheit. Das ist gang und gäbe. Mehr als die Hälfte von ihnen, schätzen Expertinnen und Experten, haben Verwandte in Deutschland. Alte und kranke Menschen, die die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer überlebt haben, dann aber die Zäune nicht mehr überwinden konnten und jetzt irgendwo auf der Straße leben, das ist gang und gäbe. Das ist die eine Seite, verzweifelte Geflüchtete in einem verarmten Land und Zäune, mit denen das wohlhabende Europa sich abschottet.
Es gibt aber auch die andere Seite. Es gibt ein solidarisches Europa, es wächst von unten, und ich freue mich, dass ich das gerade heute sagen kann.
Im März schlossen, als Antwort auf die Untätigkeit und den Unwillen der EU, die humanitäre Flüchtlingskatastrophe an ihren Grenzen zu beenden, die spanische Stadt Barcelona, die griechische In
sel Lesbos und die italienische Insel Lampedusa ein Abkommen. Barcelona, das sich als Stadt der Zuflucht versteht, verpflichtete sich zu technischer, logistischer, sozialer und umweltbezogener Unterstützung für die Bewältigung der humanitären Krise durch die große Zahl aufgenommener Geflüchteter und zur Aufnahme von Geflüchteten von den beiden Inseln. Ich zitiere aus der Erklärung, die die beiden Bürgermeisterinnen von Barcelona und Lampedusa sowie der Bürgermeister von Lesbos damals verabschiedeten:
"Die Gründungswerte Europas stehen auf dem Spiel. Und die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, werden die Zukunft der Europäischen Union gestalten. Wir fordern deshalb die Regierungen auf, keine Entscheidung in unserem Namen zu treffen, die ein Grund zur Scham wäre, sondern dass sie das Netzwerk der Städte in ihrer Aufgabe unterstützen, das Mittelmeer wieder zu einer Brücke der Zivilisation, Demokratie und Hoffnung zu machen."
so die Bürgermeisterin von Barcelona. Und dieses Netzwerk können wir von Norden aus verstärken, als Stadt, die sich als Tor zur Welt versteht. In Deutschland gibt es viele Initiativen wie die heute von uns vorgeschlagene, ein Kontingent von Geflüchteten, die in Griechenland gestrandet sind, aufzunehmen. Es gibt solche Initiativen in Thüringen, Schleswig-Holstein, Bayern, im Wendland, in Köln, Wuppertal, Mannheim, Offenbach und München. Pro Asyl und die bundesdeutschen Flüchtlingsräte haben einen entsprechenden Aufruf ausgesandt, in verschiedenen Landtagen und Gemeinderäten sind auch GRÜNE und SPD aktiv. In Osnabrück hat der Stadtrat gerade in diesem Sinne beschlossen, ein Kontingent von 50 Menschen aus griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen. Es gibt die Möglichkeit einer legalen Einreise.
Wir verlangen nichts Unmögliches. Das europäische Relocation-Programm sieht die Umverteilung von Geflüchteten aus Griechenland oder Italien in einen anderen EU-Mitgliedsstaat vor. Es adressiert Personen, die offensichtlich eines besonderen Schutzes bedürfen. Ihr Asylantrag wird im Zuge dieses Verfahrens erst geprüft, nachdem die Umverteilung stattgefunden hat. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich verpflichtet, im Rahmen dieses Programms 27 400 Personen aufzunehmen. 57 waren es bis März und heute sind es 292 von 27 400. Das ist beschämend.
Wir appellieren an die Bürgerschaft, so zu handeln, wie auch Barcelona gehandelt hat. Gewiss, wir wissen, Hamburg hat viele Geflüchtete aufgenommen, aber angesichts der sinkenden Zahlen neu ankommender Geflüchteter und anhaltend großer Solidarität vieler Hamburgerinnen und Hamburger ist eine Zahl von beispielsweise 1 000 Geflüchteten, wie sie eine Ottenser Initiative fordert, die im Rahmen des Relocation-Programms in Hamburg Zuflucht finden können, wirklich nicht viel. In diesem Rahmen könnten dann auch etliche Familien zusammengeführt werden, die heute getrennt leben müssen.
Da der Antrag überwiesen werden soll, können die konkreten Möglichkeiten im Ausschuss ausführlich dargestellt und erörtert werden. Heute kommt es uns darauf an, in der Debatte ein Zeichen zu setzen, dass sich Hamburg zu seiner Verantwortung als europäische Stadt bekennt.