Protokoll der Sitzung vom 29.06.2016

Dieses Projekt gibt es seit über sechs Jahren in Steilshoop – das ist angesprochen worden –, und dort wird das Projekt auch finanziert, ohne dass man dafür die Mittel einer zentralen Reserve für Zuwanderung zweckentfremden musste.

Liebe Kollegen von Rot-Grün, die zentrale Reserve für Zuwanderung im Einzelplan 9.2 ist keine Kaffeekasse, aus der Sie sich beliebig bedienen können, nur weil Sie irgendetwas mit Flüchtlingen in einen Antrag schreiben. Das ist unlauter. Wenn Sie von dem Projekt überzeugt sind, bringen Sie es in die Haushaltsberatungen ein und finanzieren Sie es aus dem Einzelplan 4.

(Beifall bei der FDP und bei Andrea Oel- schläger AfD – Ksenija Bekeris SPD: Sie sind ganz schön kleinlich!)

Wir Freidemokraten setzen uns für Initiativen zur Gewaltprävention ein, das wissen Sie. Wir haben auch selbst Initiativen eingebracht, und natürlich gilt das ebenfalls für den Rahmen der Flüchtlingsarbeit.

Ob jedoch ein Konzept, das nach eigenem Bekunden das sozialräumliche Umfeld von Opfern und Tätern anspricht, für die Extreme einer Flüchtlingssituation geeignet ist, das sehen wir kritisch. Das vermag ich auch an dieser Stelle nicht abschließend zu bewerten.

Wir haben jedoch in Hamburg vielfältige Angebote, die sich an Opfer von häuslicher Gewalt richten. Es gibt das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, das rund um die Uhr erreichbar ist, das Bundesamt für Familie und Zivilgesellschaft, das online Chatberatung anbietet, die Opferhilfe, die Beratung und psychotherapeutische Hilfe anbietet, es gibt interkulturelle Beratung für Migrantinnen und Migranten. Und als letzten Baustein gibt es die Hamburger Frauenhäuser, um Schutz zu gewähren.

Wir sind in Hamburg breit aufgestellt, was die Beratungsleistungen für Opfer häuslicher Gewalt betrifft. Sollten wir noch eine weitere Nische haben, wie Sie sie hier beschreiben, die durch das Angebot, das wir haben, nicht abgedeckt werden kann, dann lassen Sie uns redlich, transparent und nachhaltig darüber diskutieren, wie wir das vernünftig finanzieren. Und das funktioniert nicht aus den Verstärkungsmitteln für die Zuwanderung. Wir können

daher auch aus diesem Grund diesem Antrag nicht zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Dutschke. – Das Wort hat Herr Dr. Baumann von der AfD-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Kern des Antrags von Rot-Grün ist Gewaltprävention bei Gewalt gegen Frauen, vor allem unter Migranten und Flüchtlingen. Deswegen wird es auch aus den entsprechenden Budgets finanziert. Wir haben doch spätestens seit der Silvesternacht deutlich vernommen, dass ein anderes Frauenbild

(Dorothee Martin SPD: Alter Schwede!)

zum Kulturhintergrund vieler Migranten gehört und da auch Gewalt eine Rolle spielt. Hier versucht jetzt der Antrag von Rot-Grün, das Thema mit einer Lösung voranzubringen.

Spätestens da haben die Fraktionen des Hauses auch gemerkt, dass Wertevermittlung ein großes Problem der Politik werden wird, auch hier in Hamburg. Und nacheinander haben wir dann Anträge gesehen, die – man muss es so deutlich sagen – an Naivität eigentlich kaum zu überbieten waren. Lasst uns noch einmal kurz anschauen, was war.

Es gab den FDP-Antrag zur Wertevermittlung, die Idee, die Werte auf ein Papier

(Christiane Schneider DIE LINKE: Thema!)

in der jeweiligen Heimatsprache zu schreiben und den Migranten auszuhändigen, womit die Werte dann vermittelt seien, verbindlich auch noch. Dann hat die CDU gesagt, so könne man Werte nicht vermitteln, so notwendig das sei; aber sie seien noch nicht vermittelt, wenn man ein Papier aushändigt, das müsse unterschrieben werden. Solche Ansätze sind und bleiben lächerlich, so können wir nicht weitermachen.

(Beifall bei Dr. Jörn Kruse und Dirk Nocke- mann, beide AfD)

Bis zur vergangenen Bürgerschaftssitzung haben Sie ein ähnliches Projekt vorgeschlagen wie jetzt, da ging es um das Berliner Projekt der "Heroes", in dem Theaterpädagogen und Genderforscherinnen mit Jugendlichen Aufführungen und Vorträge veranstalten, um diesem Thema des anderen Frauenbildes zu begegnen. Und jetzt das Projekt "StoP – Stadtteile gegen Partnergewalt".

(Ksenija Bekeris SPD: Ohne!)

Das hört sich zunächst einmal vom Wortlaut her bombastisch an, Stadtteile gegen Partnergewalt. Da sieht man vor dem optischen Auge sozusagen ganze Stadtteile gegen Partnergewalt aufstehen.

(Jennyfer Dutschke)

In Wirklichkeit ist das Projekt aber noch winzig klein. Dafür können die Mitarbeiter natürlich nichts, die da ihren Job machen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Sie haben kei- ne Ahnung!)

Es ist das Projekt einer einzelnen Fachhochschulprofessorin im Stadtteil Steilshoop, jetzt auch in Horn.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wenn man kei- ne Ahnung hat, lieber nichts sagen!)

Es hat eine feste Stelle, ein paar Freiwillige, ist also ein relativ kleines Projekt. Der Zusammenhang mit dem Riesenproblem, welches wir zu lösen haben, fällt dann schon einmal auf. Und das Projekt – es stammt aus Boston, aus den USA sind die Mittel und die Ideen sozusagen übernommen – befasste sich mit kulturellen Vorzeichen und Prägungen der westlichen bürgerlichen Gesellschaften und den entsprechenden Frauenbildern, aber es wird jetzt einfach auf ganz andere übertragen. Das funktioniert wahrscheinlich auch nicht. Insgesamt ist das Projekt löblich, mit den Stadtteilen dafür zu sorgen, dass Anwohner für Gewalt in Partnerschaften sensibilisiert werden und nicht wegschauen.

Das Problem ist aber, dass Rot-Grün hier durch ein gewisses Marketing-Geklingel dieses Projekt zu etwas Bedeutsamem hochdefiniert, dass aber angesichts der Riesenprobleme die Integrationspolitik überhaupt nicht gegeben ist. Hier wird das Projekt zu etwas aufgeblasen,

(Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)

was es überhaupt nicht leisten kann. Und so wird es letztlich für eigene Profilierungszwecke von RotGrün missbraucht. Man kann so der tiefen Kulturkluft oder dem Kulturabstand, wie Collier und andere Forscher das nennen, nicht gerecht werden und dem auch nicht begegnen. Sie können die Integrationsprobleme und die tiefe Kulturdistanz nicht einfach mit Theaterpädagogen wegtanzen, das geht so nicht, da müssen andere Mittel her.

(Beifall bei der AfD – Phyliss Demirel GRÜ- NE: Thema!)

Nein, da kann man nicht lachen, Herr Abaci. Das ist überhaupt nicht witzig.

Man muss nur daran erinnern, dass mitten in Deutschland jedes Jahr 3 000 junge Mädchen, oft noch Kinder, der Willkür älterer Zwangsehemänner ausgeliefert werden. Dem müssen wir begegnen. Und diese 3 000 sind nur die registrierten, die sich in Beratungsstellen getraut haben. Die Dunkelziffer ist da noch viel höher. Sie bekommen dann Zwangsehemänner mitten in Deutschland, meistens enge Verwandte oder Cousins ersten und zweiten Grades des eigenen Familienclans. So sieht es aus. Und da können Sie mit StoP und

Partnergewalt wenig erreichen. Diese Diskrepanzen müssen Sie sehen.

Noch schlimmer wird es, wenn man sich deutlich macht, dass allein zwischen 2010 und 2015 132 Menschen, meist junge Frauen, mitten in Deutschland erstochen, erdrosselt, erstickt, erschossen wurden, von Familienmitgliedern, Brüdern, Vätern, Cousins, sogenannte Ehrenmorde, auch ein Element der familistischen Clangesellschaften dieser anderen Kultur. Hinzu kommen 63 Mordversuche, bei denen die Opfer Glück hatten, eine hohe Dunkelziffer,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Wie viele Familientragödien gibt es?)

weil Opfer oft in die Heimatländer verbracht werden, und wir kriegen hier gar nichts mit.

All dies ist nur die Spitze eines Eisbergs, eine Spitze, die die Richtung anderer kultureller Prägungen und Rollenbilder zeigt. Dahinter ist eine breite Welle der Frauenverachtung und Gewalt, die sich im Alltag zeigt, beispielsweise Frauen nicht die Hand zu geben oder Lehrerinnen nicht zu respektieren, bis hin zu den Silvesterereignissen, bei denen Frauen sexuell angefasst, teilweise auf offener Straße vergewaltigt wurden. Ein anderes Frauenbild, Frau Engels, hat eben doch mit Kulturunterschieden zu tun, und man kann dem nicht mit Kaffeekreisen begegnen

(Martina Friederichs SPD: Das ist ja wider- lich!)

und so, wie Sie es gerade beschrieben haben, und wenn man noch so engagiert ist in Projekten. Das wird dem einfach nicht gerecht. Hier kommt ein viel größeres Problem auf Deutschland und Hamburg zu. Die vorgeschlagenen Lösungen müssen dem gerecht werden und dürfen nicht so banal und klein bleiben.

(Beifall bei der AfD)

Die winzige StoP-Initiative kann nicht – ich zitiere jetzt aus dem Antrag wörtlich –, wie da behauptet wird, ein

"[…] wichtiger präventiver Gewaltschutzansatz in der Flüchtlingsarbeit […]"

werden. Der Antrag behauptet, man könne mit der StoP-Initiative einen wichtigen präventiven Gewaltschutzansatz in der Flüchtlingsarbeit leisten. Das kann man nicht. Schauen Sie einmal da rein, da ist eine Fachhochschulprofessorin, eine Stelle gibt es, noch eine halbe Stelle und ein paar Freiwillige. Und Sie juxen das hier hoch zu einer wichtigen präventiven Gewaltschutzgeschichte. Das ist einfach nicht lauter.

(Ksenija Bekeris SPD: Sie müssen nicht zu- stimmen! – Cansu Özdemir DIE LINKE: Was schlagen Sie denn vor?)

Wir haben hier wieder ein typisches Merkmal scholzscher Regierungsarbeit vor uns; wenn ich das einmal so sagen darf, so ist es eine Art Arbeitssimulation mit lautem Marketinggeklapper. Ich habe selbst lange im Marketing gearbeitet und weiß, wie das geht. Hier werden einfach Worte miteinander verknüpft, Flüchtlinge, Gewalt, Integration, Migranten, und dahinter kommt dann Projekt, Initiative oder irgend so etwas. Dann wird das am Ende des Katalogs aufgelistet, die Leistungsbescheinigung des Senats kommt hinterher, die StoP-Initiative, die Heroes, gegen Gewalt hier und da, aber es steckt viel zu wenig dahinter angesichts der Probleme, die wir haben. Besonders bei den harten Integrationserfordernissen wird uns das, so, wie Sie hier vorgehen, noch die nächsten Jahre um die Ohren fliegen, und wir werden darüber noch oft zu reden haben.

(Beifall bei der AfD – Gabi Dobusch SPD: Reden Sie einmal mit den Frauen von der HAW!)

Vielen Dank, Herr Dr. Baumann. – Das Wort hat Frau Senatorin Dr. Leonhard.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatte in diesem Hause, die Diskussion zum Thema Partnergewalt und auch und vor allem zu Fragen von Frauengewalt der letzten 60, vielleicht sogar 70 Jahre in diesem Land zeigt, dass man sich schon die Mühe machen muss, alle Phänomene des Themas Gewalt gegen Unterlegene, in der Regel Frauen, in Partnerschaften, aber nicht ausschließlich, zu beachten. Da reicht es nicht, auf der einen Seite das alte Klischee von der unterdrückten Frau, die ihrem Mann körperlich unterlegen ist und deswegen dringend Hilfe braucht, am liebsten schnell ausquartiert werden muss, zu bemühen. Und genauso wenig zielführend, in der Sache völlig falsch, überhaupt nicht geeignet, irgendeine Lösung zu finden, ist es, immer wieder das Thema auf kulturelle Phänomene von Zuwanderung zu reduzieren. Das würde nämlich dazu führen, dass man behauptet, dieses Thema hätte es in den letzten 40 Jahren in diesem Land nicht gegeben, und das ist nicht zutreffend.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)