Protokoll der Sitzung vom 13.07.2016

(Zurufe von der FDP und der AfD)

Sie sollten mir einmal zuhören.

(Michael Kruse FDP: Sie haben die Agenda 2010 […]! – Dr. Bernd Baumann AfD: Bitte zum Thema reden! – Glocke)

Herr Kruse, soll ich Sie auf die Rednerliste setzen? – Gut.

Das Grundsatzprogramm der AfD ist der Brandbeschleuniger für weitere soziale Ungleichheit und steht in krassem Widerspruch zu den eigentlichen Bedürfnissen derjenigen, die die AfD wählen. Es bestehen Alternativen, mit denen gemeinsamer Wohlstand geschaffen werden kann. Die Ideologie der AfD ist es nicht. Lassen Sie uns dies den Leuten endlich gemeinsam klarmachen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Ovens von der CDU-Fraktion.

Frau Vorsitzende, meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mit Professor Kruse starten und ihn fragen, was das eben sollte. Aber bei dieser Klassenkampfrede des Kollegen Schmidt muss ich natürlich erst einmal die Abgeordneten der SPD fragen, was das für ein Unsinn war, den Sie eben abgelassen haben, Herr Kollege.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der AfD)

Aber zum Thema und zur AfD.

(Dr. Monika Schaal SPD: Sie sind nicht auf der Höhe der Zeit, Herr Ovens!)

Es ist schon ein interessantes Schauspiel, Herr Professor Kruse. Die AfD bricht im Süden auseinander, im Norden fallen Ihre Partei und Ihre Fraktion durch fragwürdige Senatsanfragen über Kindernamen auf. Laut Forsa kommt diese Ressentimentpartei nur noch auf 8 Prozent,

(Dr. Bernd Baumann AfD: Thema!)

wo doch einige ihrer Vertreter gerade noch von Regierungsbeteiligungen fantasierten. Da hilft es auch nicht, Herr Professor Kruse, wenn Sie jetzt versuchen, nach dem letzten Strohhalm zu greifen und die ursprüngliche Herkunft Ihrer Partei als die Partei der frustrierten Akademiker aufzugreifen. Der Wähler ist klüger, Herr Professor Kruse,

(Dirk Nockemann AfD: Warten Sie Mecklen- burg-Vorpommern ab!)

(Hansjörg Schmidt)

und lässt sich von Ihnen sicherlich nicht ein zweites Mal blenden.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir also über Wissenschaft sprechen, dann doch bitte auf Grundlage von Fakten. Wenn man sich einmal anschaut, was die AfD in den letzten Wochen zum Thema HWWI geleistet hat, dann gab es keine einzige Anfrage, keinen einzigen Antrag. Sie haben sich mit diesem Thema bis zum heutigen Tage ganz offensichtlich nur auf Grundlage der Anfragen, die wir als CDU-Fraktion eingereicht haben, beschäftigt. Nur, das sage Ihnen ganz ehrlich, Herr Professor Kruse, und das sollten Sie als Akademiker auch wissen, eine Kopie vom Original wird nie so gut sein wie das Original selbst. Also probieren Sie es bitte gar nicht erst.

(Beifall bei der CDU)

Sie haben gerade auch wunderbar gezeigt, wie wenig Ihnen die Zukunft des HWWI tatsächlich am Herzen liegt; das hätte ich zumindest an dieser Stelle erwartet. Sie erwähnten eben, es sei kein renommierter Nachfolger für Professor Straubhaar gefunden worden. Was für ein Unsinn. Wir haben mit Professor Vöpel jetzt einen sehr guten anerkannten Mann an der Spitze des Instituts, der gerade versucht, alles zu retten, was unter den Umständen der rot-grünen Unterfinanzierung zu retten ist. Für die Zukunft des HWWI ist Ihr Redebeitrag von eben nicht hilfreich gewesen, Herr Professor Kruse.

(Beifall bei der CDU und bei Daniel Oetzel FDP)

Aber zum Thema, damit Sie auch ein paar Fakten mitnehmen, worum es eigentlich geht, und sich nicht alles durchlesen müssen, was wir schon abgefragt haben. In der Tat gab es in den letzten zwei Jahren ein Minus von über 1 Million Euro. Aber das nicht allein, sondern die Stadt hat darüber hinaus durchaus noch weitere Summen in das HWWI fließen lassen. 150 000 Euro gab es zusätzlich allein in 2015. Wenn man sich dann einmal anschaut, wie denn die Auftragsforschung des HWWI in den letzten Jahren tatsächlich gelaufen ist, woher denn die Notgroschen kamen, dann ist es schon spannend, dass 92 760 Euro netto für eine Studie Marktzutritt Indien, bezahlt von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration, geflossen sind, dass über 175 000 Euro von der ohnehin schon defizitären HSH Nordbank geflossen sind, davon allein 50 000 Euro für ein Gutachten zur Verkehrsinfrastruktur, und dass 150 000 Euro für ein Konzept Finanzen der Zukunft vom Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung geflossen sind. Das sind Themen, Herr Professor Kruse, mit denen Sie sich vielleicht hätten vorher einmal beschäftigen sollen, was das für Quersubventionierungen aus den öffentlichen Behörden waren für ein Institut, das

ganz offensichtlich schon nicht mehr grundlagenfinanziert war, ganz offensichtlich weit über 1 Million Euro Steuergelder eingenommen hat und das die Stadt jetzt nach eigener Auskunft, ohne sich überhaupt mit einer zukünftigen Strategie für das Institut zu beschäftigen – das ist die Auskunft des Senats auf unsere Schriftliche Kleine Anfrage –, für 1 Euro an die Handelskammer verkauft und damit riskiert, Frau Fegebank, dass dieses im Brunnen vor der Handelskammer ertränkt wird. Denn wenn Sie nicht einmal eine Idee haben, wie dieses Institut sich in Zukunft weiterentwickeln soll, dann weiß ich nicht, wie Sie überhaupt Exzellenz in der Wissenschaft in Hamburg fördern wollen. Das war einmal ein Exzellenzinstitut und es hat mehr verdient als diese stiefmütterliche Behandlung, die Sie in den letzten Wochen an den Tag gelegt haben, Frau Senatorin.

(Beifall bei der CDU)

Zusammenfassend kann man also feststellen, dass dieser Senat seit 16 Monaten von der Unterfinanzierung, von der prekären Finanzlage des HWWI weiß. Wir Abgeordnete erfahren also nach anderthalb Jahren aus dem "Hamburger Abendblatt", dass es dort ein Problem gibt.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie können sich doch vorher schlau machen!)

Um die Neuausrichtung kümmert sich die Senatorin gar nicht erst; diese überlässt sie der Handelskammer, die zum Glück in die Bresche gesprungen ist und hoffentlich mit zukünftigen akademischen Partnern wie beispielsweise der Universität der Bundeswehr dann für eine tatsächliche stabile Situation für das HWWI sorgen wird.

Frau Senatorin, wir fordern an dieser Stelle vom Senat erstens: Beziehen Sie die Bürgerschaft in die Neuausrichtung des HWWI mit ein. Es geht schließlich um den Wissenschaftsund Forschungsstandort. Zweitens: Sorgen Sie bitte dafür, dass die wissenschaftliche Exzellenz nicht nur bei Ihren etwas fragwürdigen Diskussionsrunden auf Bundesebene, sondern tatsächlich auch in Hamburg erhalten bleibt und dass uns das HWWI erhalten bleibt, beispielsweise mit neuen Kooperationspartnern, und machen Sie bitte endlich, Frau Senatorin, Ihre Hausaufgaben. Denn dass wir nach anderthalb Jahren erst von dieser Notlage erfahren, wirft schon die Frage auf, welche finanziellen Schieflagen Sie uns eigentlich noch vorenthalten. Aus der Universität höre ich, dass an vielen Fakultäten jetzt tatsächlich gespart werden muss, dass Millionenbeträge eingespart werden sollen. Die Holzwirtschaft, die Sie gerade in den rot-grünen Schredder führen, ist nur ein weiteres Beispiel dafür, wie viele Probleme wir an Hamburgs Hochschulen haben, weil Sie sie nicht ausreichend finanzieren. Da hilft es am Ende auch nichts, wenn Sie sagen, Sie steckten doch jetzt 8 Millionen Euro pro Jahr hinein. Frau Senatorin, das sind Almosen.

(Glocke – Dirk Kienscherf SPD: Ihre Zeit ist abgelaufen!)

Vergleichen Sie es einmal mit der Radverkehrspolitik. Wir beschäftigen uns auf Grundlage von Fakten mit der Zukunft.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Das wünschen wir uns auch von Ihnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ovens, wenn das rote Licht blinkt und es dann auch noch anfängt zu klingeln, dann ist es allerhöchste Zeit, den Satz zu beenden. – Das Wort bekommt Frau Timm von der GRÜNEN Fraktion.

(André Trepoll CDU: Man hört halt so gern zu bei guten Rednern!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Ovens, es ist schon faszinierend, wie Sie bei jeder Debatte den Schlenker zu angeblichen Unterfinanzierungen der Hochschulen hinbekommen.

(André Trepoll CDU: Erstaunlich, dass Sie das nie schaffen!)

Ich gehe aber auch nicht jedes Mal darauf ein, denn heute ist das Thema das HWWI. Das HWWI ist nach dem Wegfall der Drittmittelförderung in eine finanzielle Schieflage geraten, und die Handelskammer ist dazu bereit, das Institut erst einmal zu retten. Da kann man natürlich darüber streiten, ob eine solche Aktion zu den Aufgaben der Handelskammer gehört und ob die damit verbundene anwendungsorientierte Forschung wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Entscheidend ist jetzt aber, dass es mit dem HWWI überhaupt erst einmal weitergeht. Schließlich hat dieses Institut eine mehr als hundertjährige Tradition.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Es hat gute Zeiten erlebt, vor allem unter der Leitung des sehr renommierten Professors Straubhaar. Gute und schlechte Zeiten gehören dazu, und wir können darauf hoffen, dass unter der neuen Leitung des HWWI erneut gute Zeiten anbrechen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – André Trepoll CDU: Hoffnungs- stadt Hamburg! – Thilo Kleibauer CDU: Gute Zeiten, schlechte Zeiten!)

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Jetzt geht es erst einmal darum, das Institut zu retten. Dazu springt die Handelskammer ein, die aller

dings auf der Suche nach neuen Kooperationspartnern ist. Wir hoffen, dass das mit der HelmutSchmidt-Universität etwas werden kann. Insofern ist nämlich die vollständige Übernahme durch die Handelskammer eine Art Übergangslösung. Dauerhaft sollen weitere Kooperationsmöglichkeiten ausgelotet werden.

(Dr. Jörn Kruse AfD: Das können die gar nicht!)

Wie auch immer sich das HWWI zukünftig entwickelt, sollte dieses traditionsreiche Institut erst einmal aus folgenden Gründen erhalten bleiben: Das HWWI ist eine Forschungs- und Beratungseinrichtung, die wirtschaftspolitisch relevante ökonomische und sozioökonomische Trends untersucht. Mit den auf die Bedarfe der Wirtschaft ausgerichteten Analysen und Beratungsleistungen stellt das HWWI ein spezifisches Angebot zur Verfügung. Das kann in unserer immer komplexer werdenden global vernetzten Welt besonders hilfreich sein. Die nun überwiegend anwendungsorientierte Forschung bietet den Vorteil, dass sie praxisnah und bedarfsgerecht ausgerichtet ist und konkrete Lösungsvorschläge bieten kann, gerade auch für Fragestellungen mit regionalem oder politischem Bezug. Davon profitiert die Metropolregion Hamburg insgesamt.

Das von den Gesellschaftern vorgelegte Erneuerungskonzept erscheint tragfähig, das Institut unter der Leitung von Professor Dr. Henning Vöpel erfolgreich in die Zukunft zu führen. Es umfasst sowohl eine stärkere marktorientierte Profilierung als auch Maßnahmen institutioneller Effizienzsteigerung. Davon verspricht sich natürlich auch die Handelskammer einen Nutzen, sonst würde sie das Institut trotz des eigenen Konsolidierungskurses nicht übernehmen. Das zeigt, welche Bedeutung sie dem HWWI für den Wirtschaftsstandort Hamburg selbst beimisst.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Sollte mittelfristig eine Kooperation mit einem renommierten Partner wie der Helmut-Schmidt-Universität zustande kommen, würde das die Attraktivität des HWWI weiter steigern. Hieraus könnte sich eine gute Zukunftsperspektive entwickeln, die die Chance auf einen dauerhaft finanziell abgesicherten Fortbestand des HWWI erhöht. Das ist etwas, was wir alle gern wollen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dolzer von der Fraktion DIE LINKE.