Protokoll der Sitzung vom 14.07.2016

Vielleicht fühlen Sie einmal bei sich selbst nach, wie es ist, wenn es in Lebensbereichen knirscht, was dann helfen kann, um wieder zur inneren Balance zu finden. Vielen von uns, glaube ich, geht es so, dass Sport und Bewegung dann helfen. Sport macht den Kopf frei, Sport sorgt für innere Gelassenheit und Ruhe. Erst recht kann der Sport geflüchteten Menschen helfen, deren ganzes Leben umgekrempelt wurde und denen die Stabilität in anderen Lebensbereichen fehlt. Ja, da hilft der Sport. Dem Sport haben wir auch zu verdanken, dass es vor Ort zu einer schnellen Integration kam, zu vielen ruhigen Situationen, weil sich die Menschen nämlich ausgetobt haben und sie vor allem zusammen mit den Menschen des Stadtteils in den

(Dennis Thering)

Sportvereinen integriert wurden. Dazu hat der Sport Großartiges geleistet.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Heute bewilligen wir 800 000 Euro, damit noch mehr geflüchtete Menschen in dieser Stadt Sport treiben können. Nicht nur für sie, sondern auch für uns soll das geschehen. Denn das Miteinander kann im Sportverein am besten funktionieren. Wo sind kulturelle Unterschiede zu überbrücken wie auch Sprachbarrieren aufzuheben? Eben im Sport. Es gelten die Regeln des Sports und nichts anderes und das führt alle Menschen dort zusammen. Sport stiftet Gemeinschaftsgefühl und hilft, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Das alles macht Sport zu einem echten Integrationsmotor.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Bereits jetzt haben sich 30 Vereine aufgemacht, das Projekt "Willkommen im Sport" lebendig werden zu lassen. In 60 Erstaufnahmen sind Sportangebote gemacht worden und zahlreiche weitere Vereine sind in Startposition und wollen zusammen mit Flüchtlingen und den Menschen, die im Stadtteil bereits wohnen, Sport gestalten. Wir hatten dazu eine Anhörung im Sportverein und es war einfach faszinierend zu hören, mit wieviel Begeisterung die Menschen im Sport dabei waren, alles miteinander zu verbinden, die Flüchtlinge in die Sportvereine reinzuholen, aber auch in die Unterbringung zu gehen und das mit den Menschen vor Ort zusammen zu gestalten. Den Vereinen wollen wir jetzt helfen, wir wollen sie unterstützen, denn diese Bilanz kann sich sehen lassen, darauf wollen wir aufbauen und es noch weiter ausbauen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es ist klar, dass dieses Engagement finanzielle Unterstützung braucht, denn die Vereine gehen in einem Dreiklang voran. Der Dreiklang heißt ankommen, erleben und teilhaben. Das ist der Dreisprung der Integrationsarbeit im Sport. Der Schwung aus der ersten und der zweiten Stufe muss in die letzte Stufe, in das Teilhaben, mitgenommen werden, denn wir wollen eine dauerhafte Bindung und Teilhabe. Wie wollen wir das erreichen? Indem wir die Menschen in die Sportvereine hereinholen, denn das wirksamste Instrument wäre eine Mitgliedschaft im Sportverein. Dort findet Gemeinschaftsgefühl statt. Dort lernt man Demokratie, denn es wird gewählt, es werden Kapitäne gewählt und was alles im Sport noch passiert, und dort lernt man auch, sich an Regeln zu halten. Wir brauchen das Geld in den Sportvereinen auf der einen Seite, weil die Mitgliedschaft in den Sportvereinen für die Geflüchteten bislang kostenfrei ist. Geflüchtete können nicht sofort die Mitgliedsbeiträge bezahlen. Darum soll das Geld auf der einen Seite zur Kompensation fehlender Mitgliedsbeiträge beitragen. Es geht aber auch darum, dass die Menschen, die Sport im Verein treiben, versichert

sein müssen. Auch dort kann der Sportverein nicht endlos selber Geld zur Verfügung stellen. Und man braucht Geld für die Schulung zur interkulturellen Kompetenz von Trainerinnen und Trainern vor Ort, für Sportkleidung und, und, und. Es gibt vieles, bei dem das Geld in den Sportvereinen gut aufgehoben ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Voraussetzung ist aber immer, dass die Kriterien für eine erfolgreiche Integrationsarbeit eingehalten und erfolgreiche Teilnahmequoten nachgewiesen werden. Um die notwendige Transparenz der Mittel sicherzustellen, werden wir mit dem heutigen Antrag eine Berichtspflicht für die Bürgerschaft beschließen. Ich glaube, das ist gut so, damit wir alle nachvollziehen können, was im Sport passiert, und damit vielleicht auch Sie sich dafür begeistern, wie dieser Sport die Integrationsarbeit lebt und weiterhin fortführt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wie Sie merken, nutze ich heute die Gelegenheit, um den Sport einmal besonders zu loben. Aber so häufig führen wir nach Olympia keine Sportdebatten und darum muss ich das auch tun. Ich bin selber leidenschaftliche Sportlerin und vielleicht spreche ich Ihnen aus der Seele, wenn ich sage, Sport belebt, stabilisiert und setzt Kräfte frei. Deswegen freue ich mich, wenn wir gemeinsam diese positive Energie für die Integration geflüchteter Menschen nutzen. Unterstützen Sie mit uns die herausragende Integrationsarbeit der Sportvereine und des Hamburger Sportbunds, denn das ist eine Investition in die gemeinsame Zukunft. Wir freuen uns über Ihre Unterstützung.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Jetzt erhält das Wort Juliane Timmermann von der SPDFraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vieles ist erwähnt worden; ich möchte das jetzt nicht wiederholen, sondern nur um ein, zwei Dinge ergänzen. Es geht um den Musterschüler im Bereich Integration. Was zeichnet einen solchen Musterschüler aus? Er ist hilfsbereit, hat eine hohe Einsatzbereitschaft, ist engagiert, tut meistens mehr, als nötig ist – und zwar mit viel Hingabe –, und ist ein Vorbild. Der Musterschüler, um den es heute gehen soll und den wir mit diesem Antrag unterstützen wollen, ist der Hamburger Sport. Wir haben uns gestern geeinigt, aber der Hamburger Sport hat bereits im letzten Sommer, in einer Situation, als sich viele Menschen fragten, was kann ich tun, wie kann ich helfen, sofort mit dieser Integrationsarbeit begonnen und sehr klar gesagt: Wir sind an der Seite der Menschen und leisten unseren Beitrag.

(Christiane Blömeke)

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das ist an vielen Stellen sehr unbürokratisch passiert. Man hat sich auf den Weg gemacht, ist bei den Einrichtungen angekommen und hat sich gefragt: Was ist eigentlich unsere Kompetenz? Wir können selbstverständlich auch anfangen, Kleider zu sammeln, wir können Bastelkurse für Kinder anbieten et cetera. Aber der Sport hat sich verhältnismäßig schnell auf seine Kernkompetenz besonnen und gesagt – ich zitiere den ehemaligen Sportsenator –: Unsere Kompetenz ist der Sport. Die Regeln sind überall gleich. Es gibt kein jüdisches und kein muslimisches Abseits, sondern jeder weiß, wie die Regeln sind. Dazu braucht es keine Sprache.

Die anderen Vorteile sind bereits von Frau Blömeke genannt worden. Nach schweren Strapazen des Hierankommens und der schwierigen Situation in den Unterkünften ist es eine sehr willkommene Abwechslung, sich im Sport zu bewegen und dort mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen.

Aber es ist nicht nur eine einseitige Geschichte. Viele Leute in den Sportvereinen sprechen von magischen Momenten, wie Ullrich Lopatta vom Walddörfer Sportverein, der sagte, wenn man Teilhabe möglich mache, Kindern und Jugendlichen das Vereinstrikot überreiche, dann leuchteten deren Augen. Das geht so weit, dass der HSV Spieler findet,

(Thomas Kreuzmann CDU: Einer! Einer!)

die unter Vertrag genommen werden. Jede Unterstützung ist da sicherlich auch gut angekommen und immer wieder nötig. Es sind also viele kleine, aber auch große Momente, die der Sport leistet. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, dass das dem Sport auch weiterhin gelingen kann.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der Sport hatte einen guten Ausgangspunkt. Er hatte nämlich schon 20 Jahre lang das Programm "Integration durch Sport" betrieben und dadurch insbesondere Schwerpunkte im Bereich Fortbildung und Qualifizierung von Trainern und Übungsleitern im Bereich Interkulturalität gesetzt. Es gab Stützpunktvereine, die genau dieses schon in den letzten Jahren betrieben haben. Genau da haben der DOSB und der HSB aufgesattelt und das Programm "Willkommen im Sport", das ich mitgebracht habe, initiiert, das sich insbesondere die Schwerpunkte Qualifizierung und Fortbildung, Austausch, Vernetzung und Information von Stadtteilen, Unterkünften und Sportvereinen vornimmt und somit nicht nur Sportvereine in die Lage versetzt, Flüchtlinge in die bestehenden Programme aufzunehmen, sondern auch niedrigschwellige Programme nur für Geflüchtete anbietet. Ich glaube, mit diesen beiden Säulen leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Integration. Denn es sind schon ganz andere und keine leichten Anforderungen, denen

der Sport mit all den Kriterien, die Interkulturalität mitbringt, gerecht werden muss. Diesen wird der Sport dort herausragend gerecht und mit den angebotenen Fortbildungen werden die Sportvereine in die Lage versetzt, diesem nachzukommen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielleicht lassen Sie mich noch zwei Beispiele nennen. Der HSB hat schon im letzten Jahr begonnen, Botschafterinnen und Botschafter des Sports zu suchen, und ich nenne ganz bewusst die weibliche Form. Es haben sich nämlich in der Mehrzahl Frauen gefunden, die einen interkulturellen Hintergrund haben und bereit sind, dieser Aufgabe nachzukommen.

Etwas anderes hat mittlerweile auch stattgefunden – und die Stellen sind besetzt –: In jedem Bezirk gibt es Koordinatoren, die genau diese Aufgabe von Vernetzung und Zusammenbringen von Sportvereinen auf der einen und Stadtteilen und Flüchtlingsunterkünften auf der anderen Seite gewährleisten und dort mithelfen. Diese Koordinatoren sind mittlerweile in allen sieben Bezirken tätig. Auch das ist ein Baustein von "Willkommen im Sport". Das wollen wir mit diesem Antrag weiterhin unterstützen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Die Kritik, die wahrscheinlich jetzt von links kommen wird, ist, das sei noch zu wenig, man könne noch mehr machen. Ich glaube, wenn man weiß, was im Sportfördervertrag gefordert war – 200 000 Euro vom HSB, die TopSportVereine waren bei 300 000 Euro per anno –, dann sind wir mit unseren 800 000 Euro gut dabei.

(Thomas Kreuzmann CDU: Aber nicht be- fristet!)

Von rechts wird sicherlich kommen, es sei wieder zu spät. Dazu muss man Folgendes sagen: Seit Frühjahr dieses Jahres lag dieser Antrag bei mir auf dem Tisch. Es geht darum, verlässlich danach zu schauen, was die Vereine brauchen, wie viel Geld sie brauchen, um genau das zu gewährleisten. Das ist jetzt mit einem gelungenen Antrag vollbracht. Wir hoffen, dass Sie uns dabei unterstützen, und ich freue mich, mit Ihnen darüber zu diskutieren. Ich denke, das hat der Sport verdient. Lassen Sie uns die Integrationsarbeit, die jetzt ansteht, in beide Hände nehmen und für gutes Gelingen sorgen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als Nächster erhält jetzt das Wort Thomas Kreuzmann von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach all den Lobeshymnen, denen ich mich bezüglich der Leistung des Sports

(Juliane Timmermann)

im Hinblick auf integrative Arbeit durchaus anschließen kann, werde ich nachdenklich in Bezug auf Ihren Antrag. Wenn man so viele Lobeshymnen auf die integrative Leistung des Sports seit Jahren im Parlament formuliert,

(Juliane Timmermann SPD: Dann darf es ein bisschen mehr sein!)

dann greift Ihr Antrag zu kurz. Nach meinem und unserem Dafürhalten ist Ihr Antrag eine Eintagsfliege, weil er auf zwei Jahre befristet ist. Das ist gerade einmal eben aus den Startblöcken herausgekommen und eine Wahrnehmung, dass es sich hierbei um eine Kurzstrecke handelt. Aber integrative Arbeit ist nach unserer Auffassung eher ein Marathon und darf nicht durch die haushalterische Zuwendung von zweimal 400 000 Euro befristet sein.

(Beifall bei der CDU und bei Daniel Oetzel FDP – Farid Müller GRÜNE: Alle Zuwen- dungsbescheide sind nur für ein Jahr!)

Wir fordern nicht mehr, Frau Timmermann. Wir fordern eine Verstetigung dieser Maßnahme. Wir fordern eine Regelzuweisung über den Haushalt. Gerade gestern haben wir Sonderzuwendungen und Erweiterungs- und Verstärkungsmittel für den Einzelplan 9.2 bewilligt und bestätigt und dafür gesorgt, dass entsprechend der Maßnahme zusätzliche Mittel für die Zuwanderung ausgegeben werden; theoretisch wäre es möglich. Heute, im Nachklappen, greifen wir dort schon einmal in die Kasse. Letztendlich sind diese 400 000 Euro eine Vereinbarung, die im Rahmen der Verhandlungen zu dem Sportfördervertrag stattgefunden hat; sie gelten als Add-on. Wenn ich mich zurückentsinne, waren diese Verhandlungen sehr verschärft gestartet worden. Was mir an Informationen zugegangen ist, ist, dass der Senat mit den Zuwendungsempfängern, dem Hamburger Sportbund und dem Hamburger Fußball-Verband, zunächst in die Verhandlungen eingetreten ist, indem er gesagt hat, es gebe nicht mehr, Punkt, aus, basta. Das war die Politik des Senats in den Verhandlungen um den neuen Sportfördervertrag für 2017 und 2018.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Lassen Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Möller zu?

Nein, wir sind in der freien Debatte und nicht in der Aktuellen Stunde;

(Dirk Kienscherf SPD: Das wird doch viel le- bendiger! So seien Sie doch einmal sport- lich!)

die Abgeordnete Möller kann durchaus noch ihren Redebeitrag liefern.

Zum Zweiten: Erst in den Nachverhandlungen – vielleicht werden sich einige erinnern – gab es Äußerungen über die TopSportVereine, die energisch und durch die vom Hamburger Sportbund initiierte Pressemitteilung – rechtlich ist es einwandfrei, wenn die Mitgliederversammlung der Hamburger Spitzensportvereine den HSB beauftragt, seine Pressemitteilung ins Volk zu schicken – er hat diese zunächst gestarteten Verhandlungen zum Sportfördervertrag, bei denen die 400 000 Euro noch gar nicht Gegenstand der Verhandlungen waren, für gescheitert erklärt. Erst im nächsten Schritt gab es die Verständigung auf weitere 400 000 Euro, die heute Gegenstand der Debatte oder der Abstimmung sein sollen, wie wir der Presse entnehmen konnten. Gleichfalls hatten wir vor zwei Wochen diesen Antrag das erste Mal vor Augen und ihn verinnerlicht. Bis heute konnte ich mich dreierlei Eindrücken nicht erwehren: Zwei davon habe ich eben schon genannt. Der dritte Eindruck ist der, was berechtigterweise Frau Blömeke und Frau Timmermann an Lobeshymnen für die Aktivisten im Bereich des Sports, für die Aktivitäten der Vereine ehrenamtlich aus eigener Tasche, von sich gegeben haben. Wenn ich mir vor Augen halte, dass sogar auf der zweiten Seite im letzten Absatz der Sport als zentraler Pfeiler umfassender Integrationsarbeit dargestellt wird, aber eine Zuwendung für die Leistungen im Sport befristet auf zwei Jahre sein soll, beschlich mich damals ein Gefühl von Zynismus, der in diesem Antrag steckt und der gesamten Sache nicht gerecht wird.

(Beifall bei Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Der weitere Eindruck, den ich hatte, ist der: Was passiert, wenn die Mittel über die Jahre erschöpft sind und diese 800 000 Euro vor Ablauf der zwei Jahre berechtigterweise verbraucht sind? Dann fangen die Vereine genau wieder in dem Moment an, die von Ihnen gelobte eigene Arbeit aus eigenen Mitteln zu finanzieren. So weit kann es nicht kommen. Wir müssen diese Mittel über die Jahre hinaus verstetigen und das verpassen Sie. Da Sie dieses nicht tun und nur den ersten Schritt machen und nicht einmal eine Mittelstrecke oder einen Sprint starten, ohne an den Marathon der Integrationsarbeit zu denken, können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen und werden uns deshalb enthalten.