Herr Pein, wissen Sie, was wirklich traurig daran ist? Dass der Schulsenator selbst im Dezember 2014 im Schulausschuss erklärt hat, er halte die Hamburger Bildungspläne genau in dem von Frau von Treuenfels beschriebenen Sinne für überarbeitungsbedürftig. Und traurig ist, dass Sie das nicht einmal wissen, Herr Pein. Und noch trauriger ist, dass das Gegenstand des Koalitionsvertrags zwischen Rot und Grün ist und dass diese Regierung bisher in dieser Hinsicht noch nichts auf die Reihe gebracht hat.
Das ist inzwischen mehr als ein grob fahrlässiges Unterlassen, was da betrieben wird. Das ist ein Unterlassen, das den Niveauverlust im Hamburger Schulsystem weiter fördert, und Sie tun einfach nichts daran, obwohl Sie genau wissen, dass hier ein erheblicher Reformbedarf besteht. Wenn Sie, Frau Duden, Frau von Treuenfels vorwerfen, rückwärtsgewandt zu sein – das haben Sie beim letzten Mal mir vorgeworfen, Sie scheinen sich auch nicht neu vorzubereiten auf die Debatten –, dann kann ich nur sagen,
Sie, Frau Duden sind offensichtlich an dieser Stelle ideologisch verbohrt, und das finde ich ehrlich gesagt in diesem Fall noch schlimmer. Es ist besser, Dinge, die angeführt worden sind und die sich nicht bewähren, auf den Prüfstand zu stellen und aus Fehlern zu lernen – das habe ich übrigens auch vor einem Jahr schon gesagt –, statt einfach nicht in der Lage zu sein, Sachverstand und Urteilsfähigkeit zu zeigen. An dieser Stelle, Frau Du
den, wäre das wirklich gefragt. Sie müssten auch wissen, dass man ohne Basiswissen und auch fundiertes Wissen eben gar nicht in der Lage ist, ein vernünftiges Urteil zu fällen. Und daran fehlt es leider vielen Hamburger Schülerinnen und Schülern. Dagegen müssen wir dringend etwas unternehmen. Hamburger Schülerinnen und Schüler, Frau von Berg, verlassen die Schule mit großen Wissens- und Bildungslücken, und das ist ein Skandal.
Ich habe Ihnen beim letzten Mal den Bildungsplan Deutsch für das Gymnasium vorgetragen im Vergleich zu dem bayrischen. Sie haben es heute auch in Ansätzen gemacht, Frau von Treuenfels, ich will Ihnen das dieses Mal ersparen. Ich habe Ihnen beim letzten Mal erzählt, dass ich es unmöglich finde, dass mein ältester Sohn damals in der zehnten Klasse nichts als "Die Entdeckung der Currywurst" bearbeitet hat. Ich könnte Ihnen jetzt über meinen zweiten Sohn eine ähnliche Geschichte erzählen, da war es nicht "Die Entdeckung der Currywurst", sondern sie haben in der neunten Klasse eine einzige Lektüre gelesen, an einem humanistischen Gymnasium im Hamburger Westen. Das ist skandalös. Ich finde, das können wir unseren Kindern nicht antun.
Ich will Ihnen noch etwas sagen, Frau von Berg, weil Sie doch beim letzten gern von rückwärtsgewandt gesprochen haben. Bei Ihnen verstößt das dann auch alles gegen den Anspruch einer multikulturellen Gesellschaft.
Ich finde, gerade in der Situation, in der wir heute sind, in der wir faktisch eine Einwanderungsstadt sind, spielt es eine sehr große Rolle, dass wir unsere Kultur, unsere Literatur, unsere Musik und unsere Geschichte, unsere deutsche Geschichte – nicht, weil sie besser wäre als andere, nein, aber weil sie unsere Identität maßgeblich bestimmt – auch im Rahmen der Bildungspläne vermitteln. An Hamburger Schulen wird nun mal dies, mal das gelehrt, das hängt sehr vom Gusto der einzelnen Schule und vom einzelnen Lehrer ab. Das ist kein Zustand.
Und deshalb, rückwärtsgewandt oder nicht, werden wir den Antrag der FDP in vollem Umfang unterstützen und hoffen, dass das endlich ein Anlass für Sie ist, diese große weitere Baustelle des Hamburger Schulsystems anzugehen. – Vielen Dank.
es sich hier um einen Wiedergänger-Antrag. Er ist in ähnlicher Form von der CDU und von der FDP schon einmal vorgelegt worden. Nach wie vor, das muss ich einfach sagen, gehen Sie von einem fachlich falschen Ansatz aus, denn Kompetenz und Wissen sind keine Gegensätze.
Ich weiß gar nicht, wie oft ich das noch sagen soll. Ich habe noch einmal wieder in all meine Unterlagen geschaut, denn ich bin Lehrerin und Lehrerausbilderin in der zweiten Phase. Ich zitiere einmal ein Beispiel:
"Unter Kompetenz wird die Verbindung von Wissen und Können in der Bewältigung von Handlungsanforderungen verstanden. Kompetent sind die Personen, die auf der Grundlage von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aktuell gefordertes Handeln neu generieren können."
"Kompetenz gleich Wissen plus Können plus Handeln. Kompetenz gleich handelnder Umgang mit Wissen. Kompetenzen sind in der Pädagogik erlernbare, kognitiv verankerte und daher wissensbasierte Fähigkeiten und Fertigkeiten, die auf eine erfolgreiche Bewältigung zukünftiger Anforderungen in Alltagsund Berufssituationen abzielen."
Es geht immer um Kognition, es geht um Wissen und die Verbindung mit Handeln. Es sind keine Gegensätze. Deswegen hat auch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung in München – das ist bekanntlich im hochgelobten Bayern – sehr groß auf seine Seite geschrieben: Kompetenz – mehr als nur Wissen. Meine Damen und Herren, bitte versuchen Sie das einfach einmal in Ihren Wissensschatz zu übernehmen, vielen Dank.
Und da Bayern so hochgelobt ist, habe ich dann einfach einmal in die Bildungspläne von Bayern geschaut, Mathematik als Beispiel. Das haben wir alle bestimmt noch in sehr schrecklicher Erinnerung, ich jedenfalls. Und ich habe einmal in den Hamburger Bildungsplan geschaut, ob es da Ähnlichkeiten, Unterschiede oder sonst irgendetwas gibt. Ich habe große Ähnlichkeiten gefunden. Da frage ich Sie wirklich alle hier, wo denn eigentlich der Unterschied zu Bayern ist. Bayern hat zum Beispiel geschrieben, zur zehnten Klasse, darum geht es jetzt hier: Einfluss der Änderungen von Parametern im Funktionsterm auf dem Graphen, vor allem Verschieben oder Strecken des Graphen, Spiegeln an den Koordinatenachsen.
Hamburg steht nun: Beschreiben, Einflüsse von Parametern im Funktionsterm auf ihre Graphen, – in Klammern – Stauchen, Strecken und Verschieben.
"Sie erkennen in Analogie zum Vorgehen, etwa bei quadratischen oder trigonometrischen Funktionen, wie sich Veränderungen des Funktionsterms auf den Kurvenverlauf auswirken."
"Entscheiden anhand von charakteristischen Merkmalen der folgenden Funktionsklassen, welche für die Modellierung eines realitätsnahen Problems geeignet ist, und lösen dieses durch passende Wahl der Parameter, lineare, quadratische, ganz rationale und einfach gebrochen rationale Funktionen, Potenz, Sinus, Cosinus und Exponentialfunktion."
Was nützt Ihnen denn Wissen, so wie es früher war, reine Inhalte, ohne die Performanz? Nicht umsonst sprechen Wissenschaftler von sogenanntem Eunuchen-Wissen. Sie wissen, was Sie können sollten, aber Sie können es nicht umsetzen. Und was nützt es denn, wenn ich eine Definition vom Präteritum geben kann, aber dann keinen Satz damit bilden kann? Was nützt es denn, wenn ich seitenlang Vokabeln auswendig lerne in Englisch und dann im Gespräch total versage, weil ich sie gar nicht anwenden kann? Was nützt es denn, wenn ich innermathematische Graphen zeichnen kann, aber überhaupt nicht weiß, was ich damit machen soll? Die Jugendlichen von heute entdecken das Wunder der Mathematik, indem sie diese Graphen nämlich anwenden, um zum Beispiel einen Handytarifvergleich vorzunehmen. Das ist echte Kompetenz für zukünftige Situationen im Alltagsleben.
In einem Punkt muss ich Frau von Treuenfels recht geben und auch Frau Prien – ich glaube, wir haben das Thema auch immer wieder bewegt –: In Mathematik sind die Leistungen in Hamburg wirklich ein Problem. Aber da muss ich Ihnen sagen, das liegt nicht an den Bildungsplänen, wie Sie gerade sehr schön gesehen haben. Das liegt tatsächlich wahrscheinlich an der Qualität des Matheunterrichts, das liegt wahrscheinlich an der Qualität der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung. Wenn es
die Schuld der Bildungspläne wäre, dann frage ich Sie, warum sind denn unsere Leistungen, unsere Kompetenzen in Englisch so super? Da sind wir nämlich ganz vorn in der gesamten Bundesrepublik.
Die Ursachenforschung liegt also nicht bei den Bildungsplänen, da müssen wir tatsächlich auf den Unterricht schauen.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal prallen in einer Schuldebatte Welten aufeinander.
Es macht mich etwas ratlos und ich frage mich immer wieder, wo können wir eigentlich Brücken schlagen? Ich hoffe, dass wir bei diesem Thema vielleicht die Brücke schlagen, indem wir uns einmal darauf besinnen, worüber wir eigentlich reden. Wir reden doch darüber, dass wir Kinder und Jugendliche in unseren Schulen haben, von denen wir hoffen, dass sie gut gerüstet in ihr Leben starten können. Und daher hoffe ich, dass ich Frau von Treuenfels und Frau Prien noch einmal erreiche mit der Bitte, darüber nachzudenken, welchen Bildungsbegriff wir eigentlich im 21. Jahrhundert verfolgen und wie wir uns eigentlich vorstellen, wie wir in einer digitalisierten Welt lernen. Wie funktioniert das heute? Ist es wirklich noch, wie Sie es suggerieren, das alte Trichterwissen, wir füllen oben Wissen ein und dann wird es unten wieder ausgespuckt? Oder ist es, wie es in der Fachwelt auch diskutiert wird, das bulimische Lernen, also wir füttern und dann wird wieder – Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen? Oder sind wir doch wirklich einen Schritt weiter und verständigen uns darüber, dass in unseren Klassen unglaublich viele unterschiedliche junge Menschen sitzen, die alle unterschiedliche Lernwege haben?
Ich möchte einmal, weil Sie auch die Mathematikmenschen zitiert haben – man kann doch immer zitieren, was einem in den Kram passt – einen Mathematiker zitieren, der mir in den Kram passt. Er sagt:
"Jede Unterrichtsstunde, jede Unterrichtseinheit muss sich daran messen lassen, inwieweit sie zur Weiterentwicklung inhaltsbezogener und allgemeiner Schülerkompetenzen beiträgt. Die wichtigste Frage ist nicht,
'Was haben wir durchgenommen?', sondern 'Welche Vorstellungen, Fähigkeiten und Einstellungen sind entwickelt worden?'"
Und genau diese Frage haben heute Lehrerinnen und Lehrer im Blick, wenn sie vor einer Klasse stehen mit sehr, sehr unterschiedlichen und vielfältigen Lernbegabungen und Lernwegen. Das ist ein ernstes Thema. Ich glaube, da geht es gar nicht, dass man das mit so einem Antrag wegbügelt, in dem Sie zwar immer behaupten, Sie würden keine Gegensätze bilden zwischen Kompetenz und Wissen, aber alles, was Sie sagen und was Sie schreiben, sagt im Grunde das Gegenteil. Das muss ich Ihnen einmal deutlich sagen. Schon allein die Überschrift "Weg von der inhaltsleeren Kompetenzorientierung" – was besagt es denn sonst, als dass Sie wirklich die Kompetenzorientierung demagogisieren, ihr unterstellen, dass alles schiefläuft, dass wir katastrophale Ergebnisse haben? Das ist wirklich, glaube ich, nicht der richtige Weg, und es führt letztendlich nicht zu dem, was wir alle wollen, dass Kinder und Jugendliche nämlich wirklich gut lernen, und zwar alle in ihrem Tempo.