Protokoll der Sitzung vom 28.09.2016

(Beifall bei der AfD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann stimmen wir ab.

Wer möchte den Antrag gern an den Schulausschuss überweisen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag mehrheitlich nicht an den Schulausschuss überwiesen.

Wir stimmen in der Sache ab.

Wer möchte den Antrag beschließen? – Auch hier die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann hat der Antrag keine Mehrheit gefunden.

Wir kommen zu Punkt 57 unserer Tagesordnung, Drucksache 21/5948, ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen der SPD, GRÜNEN, LINKEN und FDP: Einsetzung einer Enquete-Kommission nach Artikel 27 der Hamburgischen Verfassung in Verbindung mit Paragraf 63 unserer Geschäftsordnung: "Kinderschutz und Kinderrechte weiter stärken: Überprüfung, Weiterentwicklung, Umsetzung und Einhaltung gesetzlicher Grundlagen, fachlicher Standards und Regeln in der Kinder- und Jugend

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

hilfe – Verbesserung der Interaktion der verschiedenen Systeme und Akteurinnen und Akteure".

[Antrag der Fraktionen der SPD, GRÜNEN, LINKEN und FDP: Einsetzung einer Enquete-Kommission nach Artikel 27 der Hamburgischen Verfassung in Verbindung mit § 63 der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft: "Kinderschutz und Kinderrechte weiter stärken: Überprüfung, Weiterentwicklung, Umsetzung und Einhaltung gesetzlicher Grundlagen, fachlicher Standards und Regeln in der Kinder- und Jugendhilfe – Verbesserung der Interaktion der verschiedenen Systeme und Akteurinnen und Akteure" – Drs 21/5948 –]

Zunächst stelle ich fest, dass der Antrag aus Drucksache 21/5948 mit dem nach Artikel 27 Absatz 1 unserer Verfassung erforderlichem Quorum gestellt worden ist. Wir werden ihn jetzt debattieren.

Das Wort bekommt Herr Lohmann von der SPDFraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute den erarbeiteten Antrag zur Einsetzung einer Enquete-Kommission zur weiteren Stärkung des Kinderschutzes und der Kinderrechte vorliegen und werden diesen Antrag heute beschließen. Es war ein langer Weg, und es ist ein gutes Signal, dass SPD, GRÜNE, LINKE und FDP sich gemeinsam daran gemacht haben, in einer Expertenkommission den Kinderschutz und die Kinderrechte aus einer anderen Perspektive zu beleuchten.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und bei Daniel Oetzel FDP)

Damit haben viele, viele Stunden des Verhandelns und des Ringens um die Beschlussfassungsinhalte ein Ende gefunden. Ich bin sehr froh, dass diese Gespräche nicht in der typischen Regierungskoalition-gegen-Opposition-Rhetorik verliefen, sondern konstruktiv und auf Augenhöhe den heutigen Antrag hervorgebracht haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Weil diese Form – vier Fraktionen einigen sich auf einen Antrag – nicht alltäglich ist, möchte ich mich an dieser Stelle für die konstruktiv geleistete Arbeit und für das Ergebnis bei allen Beteiligten recht herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und ver- einzelt bei der LINKEN)

Wirklich schade finde ich – und das meine ich auch so –, dass sich die CDU-Fraktion trotz mehrfacher

Gesprächsangebote nicht dazu durchringen konnte, diesen Antrag mitzugestalten. Immerhin hat die CDU durch ihren Fachsprecher Herrn Heißner, den ich sehr schätze, in der Presse mehrfach mitgeteilt, dass sie sich an der Enquete-Kommission konstruktiv beteiligen werde. Hierzu sind Sie herzlich eingeladen,

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von André Trepoll CDU)

vor allem vor dem Hintergrund, dass wir in der Vergangenheit sowohl im Sonderausschuss als auch im PUA überwiegend fallbezogen diskutiert haben.

Diese Kommission bietet allen Beteiligten die Chance, grundlegend zu diskutieren und das System von innen und außen zu betrachten, und genau deshalb ist es richtig, dass wir heute diesen Antrag beschließen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Neun Sachverständige und neun Abgeordnete, die gemeinsam die Enquete-Kommission bilden werden, haben rund zwei Jahre Zeit, um die 20 Punkte des Antrags zu bearbeiten. Sie werden unterstützt von einem Arbeitsstab und haben natürlich die Möglichkeit, punktuell weiteren externen Sachverstand, etwa durch Anhörungen, hinzuzuziehen.

Der Auftrag umfasst Themenfelder wie Aus- und Fortbildung, Kommunikation, Schnittstellen der Systeme, Steuerung, juristische Arbeitsprozesse, die Pflegekinderhilfe und, am wichtigsten, das Wohl des Kindes, das im Mittelpunkt allen Geschehens stehen muss.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist hier nicht entscheidend, ob von der SPDFraktion der Aspekt der Aus- und Fortbildung oder die Steuerung zur Einhaltung von Regeln als besonders wichtig erachtet wurde oder welche Fraktion sich welche Themenschwerpunkte gesetzt hat. Entscheidend ist, dass die antragstellenden Fraktionen gemeinsam hinter dem stehen, was hier als Arbeitsauftrag formuliert worden ist.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Daniel Oetzel FDP)

Wir waren schon in der letzten Legislaturperiode bereit, eine Enquete-Kommission einzurichten. Die damalige Entscheidung führte aber zur Einsetzung eines PUA. Dieser PUA hat, wie zuvor ein Sonderausschuss, weitgehend einvernehmlich Empfehlungen erarbeitet. Diese Empfehlungen machen nach wie vor Sinn, auch wenn wir weiteren Handlungsbedarf erkennen müssen. Deshalb ist es in unserem Enquete-Einsetzungsantrag klar formuliert: Die Einrichtung dieser Enquete-Kommission erfolgt in Erweiterung der Arbeit und in Würdigung der Beschlüsse beziehungsweise Empfehlungen des Sonderausschusses Chantal und des Parla

(Präsidentin Carola Veit)

mentarischen Untersuchungsausschusses Yagmur.

Eine Enquete-Kommission mit der hälftigen Besetzung durch Sachverständige ist ein anderer Ansatz als ein Sonderausschuss oder PUA und zeigt zudem eine deutliche Erweiterung der Fragestellungen. Die Sachverständigen haben, das zeichnet sich ab, unterschiedliche Forschungs- und Arbeitshintergründe. Auch der Vorsitz wird nicht bei einer oder einem Abgeordneten liegen, sondern aufseiten der Sachverständigen. Auch das ist von uns, also auch von den anderen antragstellenden Fraktionen, so gewollt.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Daniel Oetzel FDP)

Ich möchte hier noch einmal die Gelegenheit nutzen, mich schon jetzt für die Bereitschaft der Sachverständigen zu bedanken, diese Enquete-Kommission zu bilden und zwei Jahre lang für Kinderschutz und Kinderrechte zu arbeiten. Gemeinsam wollen wir jede Anstrengung zum Wohle unserer Kinder unternehmen. Packen wir es an.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Daniel Oetzel FDP und Dr. Joachim Körner AfD)

Das Wort bekommt Herr Heißner von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich fasse den uns vorliegenden Antrag in zehn Worten zusammen: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ ich einen Arbeitskreis.

(Beifall bei der CDU)

Und ich füge hinzu: noch einen und noch einen und noch einen und noch einen Arbeitskreis.

(Christiane Blömeke GRÜNE: Wissenschaft- liches Arbeiten ist Ihnen fremd anschei- nend!)

Denn wir haben uns mit dem Thema Kinderschutz in Hamburg auseinandergesetzt in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, in einem Sonderausschuss, in zahlreichen ordentlichen und außerordentlichen Sitzungen des Familienausschusses und in zahlreichen Plenardebatten. Wir haben in diesem Bereich kein Erkenntnisdefizit sondern ein Umsetzungsdefizit.

(Beifall bei der CDU – Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Ach, Herr Heißner!)

Und das ist keine Leerformel der Opposition. Wir warten jetzt seit November 2015 auf den Bericht der Jugendhilfeinspektion zu dem Fall eines Kindes, dessen Name in der Presse als Deljo bezeichnet wurde; ob er wirklich so heißt, wissen wir noch nicht. Zum Fall Tayler haben wir auf diesen Bericht

zwei Monate gewartet. Zwei Monate – und jetzt fast ein ganzes Jahr. Davor ging es noch schneller. Das lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder wird hier bewusst blockiert und aufgeschoben oder die Jugendhilfeinspektion hat nicht die Ressourcen oder die Unterstützung des Senats, die sie braucht. Und woran liegt das? Warum können wir das nicht justieren? Warum können wir sie nicht besserstellen? Weil die gesetzliche Verankerung dieser Jugendhilfeinspektion, die bereits im Dezember 2014 beschlossen wurde – übrigens parteiübergreifend –, bis heute nicht erfolgt ist. Stand heute liegt dem Familienausschuss noch immer kein entsprechender Gesetzentwurf vor.

Ein zweites Beispiel: Wir hatten anlässlich des Falls Chantal, wo das Problem war, dass in der Pflegefamilie eventuell nicht genug kontrolliert wurde, beschlossen, dass wir verpflichtende Hausbesuche und verpflichtende Hilfeplangespräche in den Familien machen. Was ist passiert? Wir haben durch eine Große Anfrage von uns herausgefunden, dass das in über der Hälfte der Fälle einfach nicht umgesetzt wird. Das haben wir in einem Sonderausschuss beschlossen.

Und das dritte Beispiel: Tayler. Wir alle wissen – Sie haben es selbst angesprochen –, dass wir anlässlich des Falls Yagmur fraktionsübergreifend ausführliche Beschlüsse gefasst haben, die im Fall Tayler einfach nicht umgesetzt wurden. Wir haben erfahren, dass der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung nicht ausgeräumt wurde, bevor das Kind zurückgeführt wurde, obwohl das ausdrücklich beschlossen wurde. Es wurde nicht die Kinderschutzkoordinatorin eingebunden, obwohl das ausdrücklich beschlossen wurde. Es wurde kein Gutachten erstellt, obwohl die Erziehungskompetenz in der Familie des Kindes in Zweifel gezogen worden war. Genau das hatten wir beschlossen; in diesen Fällen muss ein Gutachten zur Erziehungskompetenz eingeholt werden. Diese Sachen sind alle nicht umgesetzt worden, und da interessiert es auch keinen Menschen, ob die Sozialbehörde die Regeln vorgeschrieben hat, die dann vor Ort nicht umgesetzt wurden.

Ich verweise auf den Beschluss, der Offenen Kinder- und Jugendarbeit mehr Geld zu geben. Da haben Sie als Senat gesagt, das sei ein Ersuchen. Das haben wir in zwei Lesungen hier beschlossen. Ich verweise auf die Spielmobile. Der Kollege Oetzel hat herausgefunden, dass die immer noch nicht umgesetzt sind, obwohl das vor einer Ewigkeit beschlossen wurde. Anders als Sie zu glauben scheinen, ist es in unserem System so, dass die Bürgerschaft Richtlinien vorgibt und der Senat diese umzusetzen hat. Und das haben Sie einfach nicht getan.

(Beifall bei der CDU)

Dazu muss man auch einmal sagen: In der Vergangenheit haben anständige Politiker wie der Kol

(Uwe Lohmann)

lege Schreiber aus politischer Verantwortung wenigstens noch persönliche Konsequenzen gezogen. Heute erleben wir, dass die Bezirksamtsleiterin, die all diese Regelverstöße zu verantworten hatte und danach im Ausschuss zeigte, dass sie die Regeln noch nicht einmal kannte, die man hätte einhalten müssen, nach wie vor im Amt ist.