Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

Wir werden ihre offene und ehrliche Art vermissen, auch ihre Hartnäckigkeit, mit der sie sich jede Kunstform zu Herzen nahm, seien es die bildenden und darstellenden Künste oder Musik und Literatur. Sie hat in unserer Heimatstadt viele Spuren hinterlassen, erst in diesem Sommer durften wir gemeinsam die Auszeichnung der Speicherstadt und des Kontorhausviertels zum UNESCO-Weltkulturerbe feiern. Wir denken aber auch an die Neuausrichtung der Stiftung Historische Museen, die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes oder die Sanierung des Gängeviertels. Von Anfang an war Barbara Kisseler dabei ein Grundgedanke wichtig: Kultur darf nicht nur etwas für Eliten, sondern muss für jeden von uns zugänglich sein. So wie auch bei der Elbphilharmonie. Wie sehr hätten wir es ihr gewünscht, die Eröffnung des Hauses mitzuerleben.

So bleibt ihre letzte Rede, die sie hier in der Bürgerschaft am 31. März dieses Jahres hielt, ihr Vermächtnis. Dort sagte sie:

"Mit der Elbphilharmonie baut Hamburg auf eine wirklich überzeugende lange Tradition als Musikstadt auf. Wir begreifen das Konzerthaus gerade nicht als solitär, für uns ist es ein großer Teil einer sehr wichtigen und sehr vielfältigen Musiklandschaft."

Dass Hamburg sich mit dieser Einstellung einen so guten Namen in der deutschen Kulturrepublik gemacht hat, verdanken wir auch Barbara Kisseler. Wir werden ihr stets ein ehrendes Andenken bewahren. Unser tiefes Mitgefühl gilt ihrer Familie und ihren Freunden.

Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren! Wir steigen in unsere heutige Tagesordnung ein und ich teile Ihnen zu

nächst mit, dass die Fraktionen übereingekommen sind, die beiden Deputationsnachwahlen zu vertagen. Die Debatte morgen zu TOP 53 entfällt, weil die antragstellende Fraktion den Antrag zurückgenommen hat. Wir beginnen mit der

Aktuellen Stunde

Sechs Themen sind angemeldet worden,

von der GRÜNEN Fraktion

Der beste Laser der Welt: XFEL ist ein Leuchtturmprojekt für Hamburgs Wissenschaft und Quantensprung für Gesundheit, Technik und Astronomie

von der Fraktion DIE LINKE

Der Erbschaftsteuer-Kompromiss ist ein Erfolg der Lobby der Vermögenden. Der Hamburger Senat darf dem nicht zustimmen

von der FDP-Fraktion

Der Wirtschafts- und Logistikstandort Hamburg wird von Stau blockiert und Rot-Grün schaut hilflos zu

von der AfD-Fraktion

"Mogelpackung für Hamburg": Senatsvertrag hilft Bürgern gegen Flüchtlings-Großsiedlungen wenig

von der SPD-Fraktion

Gemeinsam für ein gesundes Hamburg: Gesundheitsprävention auf der Grundlage des "Pakts für Prävention" stärken

und von der CDU-Fraktion

Staustadt Hamburg – Bürger und Wirtschaft leiden unter rot-grüner Verkehrspolitik

Das dritte und sechste Thema wird gegebenenfalls gemeinsam aufgerufen. Wir kommen jetzt aber zunächst, auch wenn es noch ein wenig schwerfällt, zum ersten Thema, angemeldet von der GRÜNEN Fraktion. – Frau Blömeke, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Es fällt nicht leicht, nach den bewegenden Worten der Präsidentin und nach unserer Schweigeminute zu Ehren der verstorbenen Senatorin Kisseler zur politischen Tagesordnung überzugehen. Aber wir wissen auch, dass Trauer und die Erinnerung an Menschen, die wir aus unserer Mitte verloren haben, nicht auf eine Schweigeminute begrenzt sind. Darum bin ich davon überzeugt und sicher, wenn ich Ihnen gleich über die faszinierenden neuen Forschungsmöglichkeiten durch den European XFEL etwas erzähle und berichte, auch Senatorin Kisseler hätte sich von diesem technischen Meisterwerk begeistern lassen und wäre als Mitglied des Se

nats stolz darauf gewesen, dass Hamburg nun Standort für den besten Laser der Welt ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der neue Röntgenlaser XFEL – ich will das einmal auf Deutsch übersetzen, es heißt röntgenlichtfreier Elektronenlaser – ist ein Quantensprung für die weltweite Forschung im Bereich der Medizin, der Physik, der Chemie, der Technik und der Astronomie.

Aber was verbirgt sich eigentlich genau hinter diesem Namen und 36 Meter tief unter der Erde zwischen Bahrenfeld auf Hamburger Seite und Schenefeld auf der anderen Seite? Was verbirgt sich in diesem 3,4 Kilometer langen Tunnel? Um es mit einem Wort zu sagen, mein Eindruck ist, es verbirgt sich Gigantisches dort. Ultrakurze Röntgenblitze, die 1,6 Millionen Mal pro Minute durch diesen Tunnel geschickt werden und 10 Trilliarden Mal heller sind als die Sonne, ermöglichen den Forschern völlig neue Einblicke. Forscher werden in der Lage sein, chemische Reaktionen zu filmen und dreidimensionale Aufnahmen von Nanoteilchen zu machen, die nur einen millionstel Millimeter groß sind. Ich glaube, das können wir uns alle kaum vorstellen. Viren, Enzyme und Eiweißstrukturen lassen sich so völlig neu analysieren. Sie merken schon, der XFEL hat mich begeistert, ich hoffe, er begeistert Sie auch.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aber noch mehr beeindruckt mich die Aussicht, dass es durch die Forschung mit dem XFEL gelingen kann, neue passgenaue Medikamente für Krankheiten herzustellen. Vielleicht auch für Krankheiten, die bislang noch als unheilbar gelten. Das ist doch wirklich ein großer Schritt für die Menschen in Hamburg und für die ganze Welt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Auch in anderen Bereichen wird uns der XFEL neue Einblicke verschaffen. Im Bereich der Fotovoltaiktechnik ließe sich beispielsweise die Frage beantworten, warum Eiweiße in einem Blatt das Sonnenlicht überleben können, aber unsere Haut verbrennt. Im Bereich der Computerforschung kann es uns helfen, die Festplattentechnik so zu optimieren, dass wir völlig neue Speicherkapazitäten von Daten erhalten. Und nicht zuletzt ermöglicht der XFEL auch neue Erkenntnisse in der Erforschung von Planeten.

Die Möglichkeiten der Forschung sind so vielfältig und faszinierend, dass ich denke und hoffe, dass wir fraktionsübergreifend dem Senat und unserer Wissenschaftssenatorin Fegebank und all denen, die Wegbegleiter waren, den XFEL hier in Hamburg einzurichten, danken können. Danken können, dass er nun weltweit in aller Munde ist, wenn es hier um neue Maßstäbe in der Forschung für den Menschen geht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte noch einen weiteren bemerkenswerten Punkt ansprechen, eine weitere Dimension, die ich ebenfalls mit dem XFEL verbinde. Vor dem Hintergrund, dass sich viele Länder zunehmend auf ihre nationalen Grenzen zurückziehen, zeigt nämlich der XFEL exemplarisch, wie erfolgreich internationale und grenzübergreifende Zusammenarbeit sein kann. Elf Länder haben sich hier zusammengeschlossen, um den besten Laser der Welt in Hamburg zu realisieren. Das können wir gerade in dieser heutigen Zeit nicht hoch genug schätzen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Und, lieber Senat, verehrte Senatorin Fegebank, liebe Kollegen und Kolleginnen, ich habe beim Hineinvertiefen in dieses Thema gemerkt, wie ich wirklich begeistert werde, ich könnte sehr viel länger dazu reden. Meine Zeit ist knapp, aber ich möchte enden mit einer Bitte an die Senatorin. Ich würde mir nämlich wünschen, dass nicht nur die Bürgerschaft die Möglichkeit erhält, diesen XFEL, diesen besten Röntgenlaser der Welt, der hier in Hamburg steht, zu besuchen, sondern dass jedes Schulkind, jedes Hamburger Schulkind, und jeder Hamburger und jede Hamburgerin, die interessiert sind, die Möglichkeit erhalten, sich vor Ort von dem Nutzen des technischen Meisterwerks für Hamburg und für den Menschen überzeugen können. Frau Senatorin, vielleicht gibt es die Möglichkeit für uns, dieses Wunderwerk anzusehen, zusammen mit den Hamburgerinnen und Hamburgern. Er leistet einen Dienst für die Menschen, den man gar nicht hoch genug schätzen kann, und ich glaube, es ist etwas sehr Großartiges, was hier in Hamburg jetzt den Testbetrieb aufgenommen hat und ab dem nächsten Jahr regelhaft weiterläuft. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Dr. Tode von der SPD-Fraktion bekommt das Wort.

Meine Damen und Herren! In der Tat ist es sehr schwierig, zum Alltag zurückzukehren, nachdem wir eine sehr engagierte, eine herzliche Frau verloren haben, die bei uns im Senat viele Sachen so auf den Weg gebracht hat, dass wir sie wahrscheinlich jetzt abschließend gar nicht genügend würdigen können. Ich darf auch für meine Fraktion der Präsidentin danken für die Worte, die sie gefunden hat. Wir sind doch alle noch, glaube ich, sehr geschockt, und nicht nur ich glaube, ich habe eine Freundin verloren, viel zu früh, in einer Situation, in der wir alle gehofft haben, dass der Kampf von Barbara Kisseler dazu führt, dass sie uns noch lange erhalten geblieben wäre. Natürlich sind unsere Gedanken bei ihrer Familie und bei den vielen Freunden, nicht nur denen, die sie hier in Hamburg hat, sondern die sie überall im ge

(Christiane Blömeke)

samten Kunstbetrieb der Bundesrepublik Deutschland hat.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Frau Blömeke hat es schon gesagt, ich bin sicher, dass auch Barbara Kisseler dieses hervorragende Werk anerkannt hätte, das wir jetzt vor Augen haben, das vielleicht nicht so leuchtet wie die Elbphilharmonie, weil es doch verbuddelt ist, aber dennoch einen großen Quantensprung für uns, für die Wissenschaft bedeutet, für Europa, aber auch für den Wissenschaftsstandort Hamburg.

Und lassen Sie mich das sehr deutlich sagen, dies ist ein Projekt, das parteiübergreifend einen positiven Effekt für Hamburg hat. Es wurde 2005 auf den Weg gebracht mit den Stimmen aller Fraktionen dieses Parlaments, und es ist ein wichtiger Aspekt für alle. Ich glaube, wir sollten festhalten, dass das ein Bereich ist, wo wir uns alle darüber freuen können, wo wir uns also nicht in einem parteipolitischen Klein-Klein verhaken sollten, sondern wo wir sagen sollten, alle haben wir unseren Anteil daran, dass hier ein Quantensprung für die Physik gemacht worden ist, ein Quantensprung für die Wissenschaft. Insofern hoffe ich, dass wir hier einmal eine Gemeinsamkeit haben in der Wissenschaftspolitik, die wir eigentlich so oft haben könnten, wenn wir sie nur wollten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Zunächst ist natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DESY ausgesprochen zu danken, denn man muss sich vorstellen, bei einer Bauphase, die 2005 mit der Planung angefangen hat und bis heute abgeschlossen wird, haben wir kaum Bürgerbeschwerden gehört, sondern im Gegenteil, wir haben gemerkt, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von DESY und Herr Dosch als Vorsitzender von DESY selbst zu Bürgerinnen und Bürgern gegangen sind und ihnen die Angst genommen haben, was denn passiert, wenn da all diese Atome unter ihrem Haus durchflutschen. Auch diese Strukturen sind sehr positiv, glaube ich, und man sollte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von DESY und all denen, die dieses Projekt gefördert haben, erst noch einmal seinen Dank aussprechen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und, Frau Blömeke hat es schon erwähnt, es ist ein XFEL der gemeinnützigen Forschungsinstitutionen, das von elf europäischen Staaten, vom Bund, Hamburg und Schleswig-Holstein zusammen getragen wird. Das zeigt, dass es eine europäische Wissenschaftsgemeinschaft gibt, und zwar auch über die Europäische Union hinaus, denn den zweitgrößten Anteil dieses Forschungsprojekts finanziert die Russische Föderation immerhin mit 27 Prozent mit, und das sind ungefähr über 400 Millionen Euro. Auch das ist sicherlich eine Sache, die kaum hoch genug zu werten sein kann

in Zeiten, in denen wir teilweise in anderen Bereichen Konflikte haben. Hier sieht man, Wissenschaft ist international, Wissenschaft ist global, und es ist wissenschaftsübergreifend.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Die neue Forschungsanlage erweitert den Wissenschaftsstandort Hamburg um eine weitere Einrichtung mit internationaler Strahlkraft und der Aussicht auf Spitzenforschung. Mit dem europäischen XFEL wird in Hamburg Wissenschaftsgeschichte geschrieben. Das Projekt mit seinen insgesamt elf europäischen Partnerländern reiht sich nahtlos in die hochkarätigen Wissenschaftsinstitutionen unserer Stadt ein. Damit festigt Hamburg seine Position in der internationalen Wissenschaftslandschaft und nachhaltig auch als Schauplatz europäischer Wissenschaftskooperationen. Und das ist eine gute Nachricht für die Stadt, das ist eine gute Nachricht für Europa, eine gute Nachricht für Deutschland.