Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

Und unten ist es dunkel bei den Hamburger Hochschulen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Jetzt leuchtet es unten!)

Der Leuchtturm wird zwar weit zu sehen sein, aber umso dunkler ist das, was hier unten passiert. Schauen Sie einmal die Zahlen an. Man könnte doch denken, durch so ein Projekt kommen dann mehr Physikstudenten nach Hamburg. Dem ist nicht so. Die Bewerber für ein Physikstudium in Hamburg gehen ständig zurück, vor fünf Jahren waren es noch 352, jetzt sind es nur noch 246. Al

so, das Leuchtturmprojekt hat zumindest bei Physik nicht funktioniert.

Der letzte Punkt, bei dem ich mir schon ein wenig Sorgen mache, das hat Herr Dolzer so ein kleines bisschen angedeutet: Ich verstehe nicht so ganz, warum Sie sich auf einen Quantensprung bei der Gesundheit freuen. Ich freue mich sehr darauf, aber wieso die GRÜNEN sich darauf freuen, das verstehe ich nicht. Welchen Teil der Medizin wird denn eine Maschine, die kleine Details bis in den molekularen Bereich untersuchen kann oder Viren, wie Frau Blömeke zu Recht sagte, verbessern? Genau. Die Gentechnik. Und Gentechnik ist das Allerschlimmste, das man sich vorstellen kann. Das ist fast so schlimm wie Fleisch essen oder Auto fahren. Ich wundere mich wirklich und befürchte ein bisschen, dass die GRÜNEN am Ende die tollen Ergebnisse von XFEL doch nicht so gut finden, wenn sie erst einmal merken, worum es da wirklich geht.

(Farid Müller GRÜNE: Alter Nörgler!)

Die FDP freut sich über dieses Projekt, wir werden es auch weiterhin unterstützen, und wir würden uns umso mehr freuen, wenn auch die Hamburger Hochschulen ein bisschen von dem Licht abbekommenen würden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Joachim Körner AfD)

Herr Professor Dr. Kruse von der AfD-Fraktion erhält das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin, ich möchte mich am Anfang der heutigen Debatte auch im Namen meiner Fraktion für die würdigen Worte bedanken, die Sie vorhin zum Tode von Frau Senatorin Kisseler gefunden haben.

Aber jetzt befassen wir uns mit etwas profaneren Themen, nämlich mit dem XFEL. Hier erweisen sich die GRÜNEN, die das Thema angemeldet haben, einmal wieder als echte Physiker. Nach ihrem ehemaligen Lieblingsthema Atomkraft jetzt also Röntgenlaser. Aber hier ist es wenigstens konstruktiv.

Ich will besser mir und Ihnen zuliebe auf eine inhaltliche Erörterung von XFEL verzichten. Ich habe nämlich das, was da abläuft, gerade so weit verstanden, wie man es in der Zeitung lesen kann, und das hat im Wesentlichen Frau Blömeke schon sehr zutreffend referiert, das muss ich nicht wiederholen. Aber die GRÜNE Fraktion ist immerhin sicher klüger als ich, denn sie weiß immerhin – Zitat –:

"… dass es sich um einen Quantensprung für Gesundheit, Technik und Astronomie handelt."

(Dr. Wieland Schinnenburg)

Da kann ich an das anknüpfen, was Herr Schinnenburg eben gesagt hat. Ich hoffe, dass die GRÜNE Fraktion mit dieser Formulierung recht hat, denn sonst wäre es ein enorm teures – wir reden jetzt von 1,2 oder 1,3 Milliarden Euro – Spielzeug, das da zwischen Bahrenfeld und Schenefeld installiert wurde. Ich will das einmal glauben, weil die Experten das auch sagen. Und im Übrigen, was ich eben schon gesagt habe, kann ich es nicht wirklich selbst beurteilen, aber ich bin jemand, der Experten immer gern glaubt.

Für Hamburg ist es schon ein enormer Erfolg und ein Vorteil für den Wissenschaftsstandort, dass es überhaupt in Hamburg installiert wurde. Das belohnt die Arbeit der internationalen Forscherteams der vergangenen Jahrzehnte beim DESY in Bahrenfeld und liefert sehr gute Perspektiven für den Wissenschafts- und Physikstandort, so will ich es einmal nennen, Hamburg. Und wenn die GRÜNEN und ihre Wissenschaftssenatorin Fegebank sich für Spitzenforschung in Hamburg einsetzen, bin ich immer auf ihrer Seite. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das Wort bekommt Frau Senatorin Fegebank.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau Präsidentin, ich möchte mich herzlich für Ihre warmherzigen und sehr beeindruckenden Worte bedanken. Es ist für uns auch nicht leicht, wir verlieren mit Frau Kisseler nicht nur eine liebe Senatskollegin, sondern auch eine großartige, herausragende Kulturpolitikerin und, wie ich fand, eine wunderbare Frau, die mir in vielen Fragen Vorbild war und sicherlich künftig auch sein wird. Aber ich halte es so wie viele von Ihnen in Ihren Wortbeiträgen, dass ich sage, was wahrscheinlich Frau Kisseler auch gesagt hätte: weitermachen und nach vorn schauen. Und im nächsten Jahr steht in der Tat ein Jahr der Superlative an, im Januar mit der Eröffnung der Elbphilharmonie, und da wird ein Teil ihres Vermächtnisses weiterleben und für folgende Generationen sichtbar und spürbar sein. Und wir werden im nächsten Sommer, das hätte sie sicher auch sehr gefreut, das richtige Loslegen des European XFEL erleben. Ich sage immer, das ist so ein bisschen wie die Elbphilharmonie unter der Erde. Das finde ich sehr beeindruckend und das werden zwei echte Aushängeschilder für die Welt, die nach Hamburg kommen wird und wegen derer Hamburg sicherlich auf der Weltkarte noch einmal eine ganz besondere Bedeutung bekommen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nach einigen Sätzen, die ich gerade bei den Vorrednern gehört habe, kribbelt es mir so richtig in den Fingern; ich möchte Sie einfach sehr herzlich einladen, vielleicht auch mit mir gemeinsam, sich

einmal zeitnah dort das Gelände anzusehen, auch Gespräche mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu führen, mit Frau Burger vom XFEL-Zentrum, aber auch mit Herrn Dosch, mit den vielen und zahlreichen Forscherinnen und Forschern, die schon jetzt am Standort – es sind in Schenefeld 230, die mit ihren Familien dort vor zwei, drei Monaten eingezogen sind, nicht in das Zentrum, sondern nach Schenefeld – und am XFEL selbst beziehungsweise am DESY schon jetzt zahlreich tätig sind. Ich möchte Sie wirklich herzlich einladen, um vielleicht mit der einen oder anderen Frage zu einer Beantwortung zu kommen.

Und, Herr Dolzer, um vielleicht auch Ihre Sorge zu nehmen, was den Aspekt der Sicherheit angeht, es befindet sich ein Sicherheitsgelände dort. Es sind äußerste Sicherheitsvorkehrungen, die dort auch zum Wohle der arbeitenden Menschen getroffen werden. Ich würde mir einfach wünschen, dass nicht nur, wie Frau Blömeke es ausgedrückt hat, irgendwann in einer Schullaufbahn jedes Kind, jeder jugendliche Mensch sich mit dem Gelände in Bahrenfeld und Schenefeld vertraut gemacht hat, sondern dass möglichst auch jeder Abgeordnete die Gelegenheit gehabt hat, sich dieses oder eines der spektakulärsten Forschungsprojekte weltweit anzusehen. Also meine Einladung dahin steht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Christiane Blömeke GRÜNE: Genau das war mein Wunsch!)

Hamburg baut mit dem European XFEL seine Position an der Weltspitze der Forschung mit freien Elektronenlasern weiter aus. Ich erinnere an die sehr feierliche Eröffnung in der letzten Woche. Es war in der Tat beeindruckend, weil wir neben den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dort auch aus den Partnerländern Gastredner hatten. Herr Dosch hat in Richtung Fernsehen und NDR gesagt, ab nächstem Jahr hätten wir einen neuen Sender am Start, den neuen Discovery Channel. Er hat gesagt, hier würden Bilder und Filme gemacht, die es sonst so weltweit nicht gäbe. Es ist die beste Kamera der Welt, es ist das Mekka der Forschung mit Licht, und das ist in der Tat beeindruckend und lohnt sich einfach, intensiver angeschaut zu werden. Das gilt auch für die Felder Medizin, es gilt für die Felder Energiewende. Da versprechen wir uns natürlich in der Grundlagenforschung bahnbrechende Erkenntnisse, die dann übersetzt werden in Produkte, in die Anwendungsorientierung, und da haben wir in der Tat ein Zentrum geschaffen, das wirklich seinesgleichen sucht. Deshalb noch einmal an Sie, Herr Dolzer: Wir können nicht einfach eine solche Struktur in ein anderes Land legen, wo es vielleicht Anknüpfungspunkte gibt. Das, was hier passiert, was sich in Bahrenfeld über die letzten Jahre entwickelt hat, gibt es so kein zweites Mal, und ich glaube, das sollte man sich vergegenwärtigen, wenn man überlegt, was man mit wem wie zusammenlegen kann.

(Dr. Jörn Kruse)

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Natürlich – und da richte ich meinen Blick in das gesamte Haus – haben solche Erfolge, haben solche Leuchttürme viele Mütter und Väter. Herr Schinnenburg, natürlich war vor einigen Jahren die FDP beteiligt und hat dieses Projekt auch wohlwollend begleitet.

(Beifall bei Dr. Wieland Schinnenburg FDP)

Dafür möchte ich an dieser Stelle auch meinen ausdrücklichen Dank aussprechen. Es hat nämlich wirklich von der Planungsphase bis heute 20 Jahre gedauert, von der ersten Idee bis hin zur Realisierung. Man muss sagen, es gehört zu den Projekten, die mit kleinen Ausreißern nach oben relativ im Zeitplan, relativ im Budgetplan geblieben sind, und das bei einem Konsortium – es ist eben schon angeklungen –, an dem elf Länder teilnehmen. Das finde ich durchaus beeindruckend bei einem Projekt dieser Größe, über einen so langen Zeitraum so viele verschiedene Regierungen, sowohl hamburgseitig als auch im Bund als auch in den anderen Ländern, an Bord zu halten und zu begeistern für dieses Projekt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Glocke)

Frau Senatorin, bevor Sie fortfahren, gestatten Sie den Hinweis, dass die Redezeit der Abgeordneten in der Aktuellen Stunde jetzt abgelaufen wäre. Aber bitte fahren Sie fort.

Ja, dann mache ich es jetzt schnell. Ist das auch neu? Ist das schon Teil der Reform?

(André Trepoll CDU: Das war eigentlich schon immer so! – Heiterkeit bei den Frak- tionen)

Das müssten Sie in der Senatsvorbereitungsrunde besprochen haben.

(fortfahrend) : Dann war ich in dem Moment wohl kurz nicht aufmerksam in der Senatsvorbereitungsrunde und werde noch einen Punkt gern aufgreifen, weil er mir tatsächlich am Herzen liegt.

Neben der Qualität der Forschung – und das ist ein Punkt, den einige von Ihnen schon angesprochen haben – ist es die Frage des Zusammenhalts und der Integration, die ein solches Forschungsprojekt tatsächlich bewegen kann.

Wir sind in bewegten Zeiten, wir spüren alle fast täglich die Fliehkräfte, wir setzen uns mit dem Brexit auseinander, fremdenfeindliche Töne nehmen zu. Und wir haben hier ein Forschungsprojekt – Russland ist schon angesprochen worden –, bei

dem nicht nur europäische Partner dabei sind, sondern auch Russland, und wir über Forschung ein sehr starkes Signal für Integration setzen und über Forschung auch ein gemeinsames Ziel definieren. Das ist also ein echtes Stück gelebtes Europa, ein multinationales Kooperationsprojekt, und für mich sehr konkret in dieser Frage auch die Umsetzung des europäischen Gedankens in der Wissenschaft. Man kann es nicht oft genug betonen, dass das hier in Hamburg und Schleswig-Holstein stattfindet. Der European XFEL ist, glaube ich, ein sehr starkes Signal, sinnbildlich für einen zentralen Baustein unserer Wissenschaftspolitik im Senat, Magnet für die klügsten Köpfe, Forscherinnen und Forscher aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzubringen und neue Perspektiven zu eröffnen, die einzigartigen Perspektiven in Bahrenfeld auf dem Forschungscampus rund um das DESY und der Universität weiter auszubauen, denn dort gibt es schon viele Kooperationen.

Aber wir wollen vor allem eines, und ich denke, das eint uns wieder: in Hamburg bahnbrechende Entdeckungen machen und dabei Arbeitsplätze, Wachstum und Wohlstand schaffen. Ich danke noch einmal all denjenigen, die über die vergangenen Jahre hier, in Berlin, in den anderen Ländern dieses Projekt so maßgeblich mit angeschoben, auf den Weg gebracht und auch zur Umsetzung gebracht haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Weitere Wortmeldungen zu diesem Thema sehe ich jetzt nicht.

Dann kommen wir zum nächsten Thema, angemeldet von der Fraktion DIE LINKE

Der Erbschaftsteuer-Kompromiss ist ein Erfolg der Lobby der Vermögenden. Der Hamburger Senat darf dem nicht zustimmen

Wer möchte das Wort? – Herr Hackbusch, bitte, Sie haben es.

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach dieser sehr abstrakten, unter der Erde liegenden Fragestellung kommen wir jetzt wieder etwas nach oben, real ins politische Leben. Unter anderem zu Herrn Scholz, der gegenwärtig da oben sitzt und am Freitag im Bundesrat mit abstimmen wird über die Frage, wie in der Erbschaftsteuer in Zukunft in dieser Republik verfahren wird. Und dazu sind noch einmal einige wichtige Worte notwendig.

Das Erste: Deutschland ist gegenwärtig, und das ist, glaube ich, vielen nicht bewusst, ein Eldorado für Vermögende, Unternehmen und Erben. Die OECD-Untersuchung dazu sagt, dass in allen Industrieländern prozentual mehr Steuern aufge

(Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank)

bracht werden bei Vermögenden und Unternehmern als in Deutschland, nur Österreich liegt noch darunter. Als Beispiel: 2,4 Prozent der Steuern in Deutschland, 8,5 Prozent der Steuern in Frankreich, und in Großbritannien fast 12 Prozent. Selbst in Skandinavien, das einen sehr hohen Spitzensteuersatz hat, liegt es noch bei 3 Prozent und dementsprechend über dem, was in Deutschland gemacht wird.

Stattdessen müssen in Deutschland vor allen Dingen diejenigen bezahlen, die ein normales Arbeitseinkommen haben. Diese Hauptverdiener tragen die Hauptlast der Steuerbelastung, weil die anderen geschont werden. Und so tragen wir, glaube ich, dazu bei, da wir eine hohe Frustration in dieser Gesellschaft haben, dass es eine Möglichkeit bei der Erbschaftsteuer gäbe, daran etwas zu verändern.

(Beifall bei der LINKEN)