Protokoll der Sitzung vom 12.10.2016

(Carsten Ovens CDU: Ich sehe, was Sie al- les nicht machen!)

Das kann man nicht wegleugnen und das kann man auch nicht auf diese Summe reduzieren, zumal das nicht gerade wenig Geld ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Denn wir haben gerade über den XFEL diskutiert, diesen neuen Röntgenlaser, der weltweit einmalig ist, und diese bahnbrechende europäische Großforschungsanlage ist nur ein Bespiel für den enormen Innovationsschub, den Hamburg zurzeit im Wissenschaftsbereich leistet. Wir investieren auf vielfältige Weise mit diversen Bauprojekten und Maßnahmen im Bereich Wissenschaft und Forschung. Das zeigt auch die laufende Umsetzung der Empfehlungen des Wissenschaftsrats.

(Beifall bei den GRÜNEN – Glocke)

Frau Timm, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ovens?

Nein, heute nicht.

Herr Ovens, tut mir leid.

Aber ich gehe noch auf Ihren Beitrag ein, Herr Ovens, weil Sie die Dauer des Verfahrens kritisiert haben, bis die Drucksache über die 40 Millionen Euro, die wir übrigens schon einmal debattiert haben in der Bürgerschaft, zustande gekommen war. Das liegt nämlich daran, dass wir ein Beteiligungsverfahren durchgeführt haben mit den Universitäten. Die Behörde hat zusammen mit den Universitäten erläutert, wie dieses Geld sinnvoll eingesetzt werden kann. Und Beteiligungsprozesse brauchen eben ihre Zeit. Das ist vielleicht bei der CDU noch nicht aus praktischer Erfahrung bekannt, aber wir GRÜNE leben doch für Beteiligung, und das hat eben eine gewisse Dauer, wenn sie gut ist und wirklich

auch die geäußerten Standpunkte berücksichtigt werden im Entscheidungsprozess.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Vor allem profitiert von den 40 Millionen Euro nicht nur die Spitzenforschung, die natürlich insbesondere, sondern auch kleinere Universitäten, die strukturell gefördert werden durch Anhebung der Grundfinanzierung, und auch Fachbereiche außerhalb der Naturwissenschaften erhalten Gelder für die wissenschaftsgeleitete Projektförderung von neuen Forschungsthemen. Da können sich insbesondere die Geisteswissenschaften einbringen.

Darüber hinaus verbessern wir die Studienbedingungen, also die Qualität der Ausbildung, und wir erhöhen die Studierendenanfängerzahlen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Zweites Thema dieser Debatte ist der Neubau des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie, abgekürzt SDMA, dessen Forschungsanliegen im Zusammenhang mit dem XFEL stehen und das auch auf dem Forschungscampus Bahrenfeld angesiedelt werden wird, denn in Bahrenfeld arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt gemeinsam auf engstem Raum und auf höchstem Niveau an der komplexen Erforschung von Materie. Sie profitieren von der einzigartigen Infrastruktur am Forschungscampus, auf dem sich unter anderem das Helmholtz-Zentrum DESY befindet. Auf diese Weise kann dort hochkarätige, zukunftsweisende Forschung stattfinden, unter anderem zu Materialwissenschaften, Infektionsforschung, Luftfahrt und erneuerbare Energien. All das, von der Grundlagenforschung bis zur Produktentwicklung.

Es handelt sich um einen in diesem Sinne optimalen Forschungskontext, und in dem entsteht nun das SDMA. Damit wird wissenschaftliches Neuland betreten, weil mithilfe neuer Strahlungsquellen die Eigenschaften und das Verhalten von Materie mit höchster räumlicher und zeitlicher Auflösung abgebildet werden kann. Davon erhoffen wir uns wichtige Erkenntnisse unter anderem für die medizinische Wirkstoffforschung, einem sehr wichtigen Bereich, der hoffentlich vielen Patientinnen und Patienten dann zugutekommt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Hierfür haben der Senat und die Bürgerschaft schon 2012 die Weichen gestellt, für die Gründung dieses Forschungsinstituts, das eine richtungsweisende Entscheidung ist für den Wissenschaftsstandort Hamburg und die dort stattfindende exzellente Strukturforschung. Und dementsprechend hat auch die gemeinsame Wissenschaftskonferenz, also auf länderübergreifender Ebene, 2013

(Carsten Ovens)

einer überregionalen Finanzierung der Bund-Länder-Gemeinschaft zugestimmt zugunsten dieser exzellenten Forschungsvorhaben.

Das hochkarätige, für die Metropolregion Hamburg zukunftsweisende Institut wird in Bahrenfeld entstehen. Dort wird ein Grundstück im Rahmen des Erbbaurechts bestellt, und Beginn der Baumaßnahme ist ziemlich bald, nämlich bereits Anfang 2017. Und die Fertigstellung wird für 2020 anvisiert. Das SDMA wird in Hamburg zu einem internationalen Zentrum für Strukturforschung, das noch mehr hochkarätige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Hamburg locken wird. Das ist ein weiterer Meilenstein exzellenter Forschung. Unsere Stadt ist damit auf dem Weg zu einer Wissenschaftsmetropole mit internationaler Strahlkraft. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Dolzer von der Fraktion DIE LINKE.

Liebe Hamburgerinnen und Hamburger, liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin! Herr Tode, das, was Sie gesagt haben, und dieser Antrag sind wieder symbolisch für die falsche Ausrichtung von Wissenschaft und Forschung, nicht nur in der letzten Zeit, sondern auch in den letzten Legislaturperioden. Es geht hauptsächlich um Exzellenz und Spitzenforschung. Auch in diesem Fall sind es wieder drei Viertel der Gelder, die dort investiert werden, und nur ein Viertel geht in die Finanzierung des Fundaments. Das ist grundlegend falsch. Und genau deshalb können wir dem nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben es hier doch gehabt in den Debatten, die Zukunft der Berufsschullehrerinnen und -lehrer, das Gesundheitswesen, Sonderpädagogik und Holzwirtschaft, und andere werden folgen. Wir wissen es. Und es ist nicht so, wie Sie gesagt haben, die Studienanfängerzahlen würden angehoben, nein, wir haben es gesehen in den Haushaltsplänen, sie werden sinken. Das können Sie auch nicht verdrehen. Die Ausrichtung Ihrer Hochschulpolitik geht zuungunsten der Studierenden, und sie geht wirklich zuungunsten des Wissenschaftsstandortes Hamburg, denn nur Exzellenz mit sehr wenig Ausfinanzierung in der Ebene, das ist nicht unsere Zielrichtung.

(Beifall bei der LINKEN)

Ohnehin sind 40 Millionen Euro viel zu wenig. Wir brauchen eine Ausfinanzierung der Hochschulen, wir brauchen eine Ausfinanzierung auch der Forschung. Und genau dafür fehlt das Geld. Da sind wir wieder beim Sparschweinchen, Herr Tode, die Vermögensteuer oder die Schuldenbremse, das wären Lösungen, oder auch das Finanzrahmenge

setz. In anderen Bereichen konnte man das dehnen, im Wissenschaftsbereich nicht. Das ist ein Fehler.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben über das Max-Planck-Institut gesprochen. In der Debatte habe ich schon skizziert, dass es an anderen Standorten Korruptionsvorwürfe gab, die auch wirklich berechtigt waren. Und dann hat die Bürgerschaftskanzlei gesagt, ja, das sei ihr bewusst, man wolle das in Hamburg ausschließen. Das finde ich gut und wichtig und richtig.

Das Problem ist aber, dass in der gleichen Argumentationsreihe gesagt wurde, Spitzenforscherinnen und Spitzenforscher müssten mit innovativen Methoden angelockt werden, und dafür müssten eben manchmal mehr oder weniger innovative Methoden genutzt werden, die sich nicht im Rahmen des Normalen bewegten. Das ist natürlich mehr als fraglich. Das sollten wir nicht tun, die Bürgerschaftskanzlei hat auch gesagt, sie mache das nicht, aber an den anderen Standorten ist das passiert. Wie sollen wir das ausschließen? Da müssen wir nachbessern und auf jeden Fall unsere Augen darauf werfen.

Ich möchte noch etwas sagen zum Max-Planck-Institut insgesamt. Sie haben gesagt, da gebe es nichts zu kritisieren. Ich zitiere einmal aus der Selbstbeschreibung:

"Neue Methoden ermöglichen es Physikern und Biologen am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie, Neuland in der Wissenschaft zu betreten. Mithilfe neuer Strahlungsquellen, vor allem mit dem Röntgen-Freie-Elektronen-Laser, der am DESY in Hamburg gebaut wird, können die Forscher die Eigenschaften und das Verhalten von Materie mit einer räumlichen Auflösung von wenigen Nanometern und in Zeitinterwallen und wenigen milliardstel Bruchteilen einer milliardsten Sekunde abbilden, und dann können sie in die Struktur dieser Materie eingreifen durch die Bündelung der Strahlen."

Klingt erst einmal alles sehr nett. Wenn wir jetzt aber zurückkommen auf das Buch "Die Physiker" von Friedrich Dürrenmatt – ich weiß nicht, ob Sie das verstanden hatten, Herr Schinnenburg –, so ist das nichts Triviales, sondern da wird sich auf hohem geistigen Niveau auseinandergesetzt mit den Wirkungen der Physik und Rückwirkungen der Physik auf die Gesellschaft. Da geht es um einen Physiker, der gesagt hat, wenn meine Forschung in die Praxis umgesetzt wird in einer Gesellschaft, in der nicht humanitäre und menschenrechtliche Werte im Mittelpunkt stehen, dann ist das verheerend, und diese Physik könnte zur Vernichtung führen. Er hat deshalb versucht, seine eigene Forschung unter dem Deckel zu halten. Das passiert

(Dr. Carola Timm)

nachher nicht, weil die Anstaltsleiterinnen und Anstaltsleiter in der Hirnanstalt, in die er sich geflüchtet hat, seine Forschung kopiert und meistbietend verscherbelt haben, um es einmal lax auszudrücken. Es ist ein sehr, sehr interessantes Buch.

Und wenn wir uns das Max-Planck-Institut anschauen und sehen, was dort geforscht wird, so kann das sehr gute Auswirkungen haben, aber es ist ein Spannungsfeld. Es kann genauso gut genutzt werden für das, was bei Rheinmetall schon Realität ist. Sie sagen, die Zukunftswaffe Hochenergielaser war bei Rheinmetall schon Realität. Und dann wird mit sehr ähnlichen Worten beschrieben, wie mit einem Laser festes Material wie in der Forschung beim Max-Planck-Institut vernichtet werden kann bis hin zu Flugzeugen mit Insassen.

In Hamburg wird nicht militärisch geforscht, aber die Trennlinie dazwischen ist so dünn und so schmal, dass wir es überhaupt nicht ausschließen können, dass die Forschung, die hier friedlich betrieben wird, an anderer Stelle anders genutzt wird. Genau dieses Spannungsfeld müssen wir meines Erachtens ausloten, und genau deshalb müssen wir kritisch sein.

Also zwei Punkte: Wir können nicht zustimmen, weil erstens in der Fläche ausfinanziert werden muss, und zweitens ist nicht jede exzellente Forschung eine Forschung, die auch im Frieden und im Sinne der Menschenrechte ist. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schinnenburg von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sagen Sie einmal, Herr Tode, warum melden Sie eigentlich immer wieder irgendetwas aus dem Bereich Wissenschaft zur Debatte an? Ich meine, das sind doch alles reine Kamikaze-Anmeldungen. Sie können doch damit überhaupt nichts gewinnen. Sie können auch mit diesem Etat nichts gewinnen, und Sie können mit dieser Senatorin nichts gewinnen. Warum tun Sie sich das eigentlich immer wieder an?

(Beifall bei Martin Dolzer DIE LINKE – Dr. Sven Tode SPD: Nur um Sie zu hören!)

Die Hochschulen sind unterfinanziert. Es gibt immer neue Horrormeldungen.

(Beifall bei Katja Suding FDP – Dr. Sven To- de SPD: Sprechen Sie zum Thema!)

Das sind einmal die Holzwirtschaft, das Steuerrecht und das Seerecht. Die Liste ist fast beliebig lang. Die Situation ist katastrophal, das werden Sie mit noch so schönen Debattenanmeldungen nicht vermeiden können, ganz im Gegenteil, das wird

immer nach hinten losgehen. Aber wenn Sie die Debatte wollen, dann bekommen Sie sie halt.

Nun fangen wir einmal an. Das Positive ist an sich, dass insgesamt 40 Millionen Euro mehr für Hochschulen zur Verfügung stehen. Aber das ist doch schon eine Mogelpackung, denn die 40 Millionen Euro sind nicht pro Jahr, sondern pro Jahr sind es nur 8 Millionen Euro. 8 Millionen Euro, nicht 40 Millionen Euro. Wenn Sie hier also von 40 Millionen Euro reden, dann greifen Sie auf etwas vor, was wir später einmal beschließen werden. 8 Millionen Euro sind es pro Jahr.

Und dann werden diese 8 Millionen Euro in der Tat völlig falsch verteilt. Die Universität Hamburg wird 2016 einen Verlust von 30 Millionen Euro machen, die TU von etwa 4,5 Millionen Euro, das steht im Haushaltsporträt der Senatorin, Seite 16. Die bekommen nichts. Das heißt, da, wo ständig von der Substanz gelebt wird, gibt es nicht einmal etwas von den 8 Millionen Euro.

Und dann die Sache mit dem Missbrauch. Sie verwenden dieses Geld für die Eitelkeit der Senatorin. Sie möchte ablenken, auch von ihrer schlechten Wissenschaftspolitik, und versucht irgendwie, im Exzellenzwettbewerb des Bundes zu punkten. Dafür verwendet sie über die Hälfte dieses Geldes, dieser 40 Millionen Euro über fünf Jahre. Und da sie genau weiß, dass das nicht einmal reicht, weil selbst dann die Hamburger Hochschulen immer noch völlig unterfinanziert sind, hat sie auch noch den Bürgermeister losgeschickt oder er sie – umgekehrt, ich glaube, eher Letzteres, weil sie sich das wahrscheinlich gar nicht zutrauen würde –,