Protokoll der Sitzung vom 14.12.2016

(Beifall bei der CDU)

Denn der Haushalt des Einzelplans 4 hat in etwa die Aussagekraft eines Telefonbuchs. Das haben wir in den Haushaltsberatungen im Sozialausschuss intensiv erleiden müssen. Es war schon außerordentlich ärgerlich, dass Sie im Grunde zu keinem der entscheidenden Punkte belastbare Aussagen treffen konnten. Das ist kein ordentliches Regieren und keine ordentliche Politik.

Gleiches gilt dafür, dass Sie bis heute kein vernünftiges Integrationskonzept vorgelegt haben, obwohl wir 30 000 Menschen in dieser Stadt aufgenommen haben. Sie wollen das Konzept vor allem im Bereich der Erstintegration überarbeiten. Ich frage einmal: Erstintegration dann nach zwei Jahren im nächsten Sommer? Wenn die Menschen schon zwei Jahre hier gewesen sind, was wollen Sie denn noch machen in Sachen Erstintegration? Das ist wirklich keine Leistung, bei der Sie sich mit Ruhm bekleckert haben. Sie hätten viel früher beginnen müssen mit der Frage, wie man es schafft,

(Kazim Abaci SPD: Das haben wir bereits in 2013 getan!)

Menschen aus anderen Kulturkreisen in Sachen Erstintegration besser an unsere Gesellschaft heranzuführen. Wie funktioniert das mit der Vermittlung von Werten und Normen von Anfang an?

(Senatorin Dr. Melanie Leonhard)

(Jan Quast SPD: Es passiert ja sehr viel!)

Da haben wir Sie zum Jagen tragen müssen. Was Sie da gemacht haben, ist leider an der unteren Latte – ein großes Versäumnis Ihrer Politik.

(Beifall bei der CDU und bei Jennyfer Dutschke FDP)

Frau Senatorin, Sie haben zu Recht auf W.I.R hingewiesen. W.I.R ist eine gute Sache. Wir haben das von Anfang an nicht nur unterstützt, sondern diese Idee ja auch mit in die Debatte gebracht. Doch das, was Sie daraus gemacht haben, ist zumindest noch dürftig. Die Ergebnisse, die Sie vorzuweisen haben, die wenigen Menschen, die Sie in Ausbildung oder in Praktika gebracht haben, sind jedenfalls bisher nichts, für das man sich auf die Schulter klopfen müsste. Sie haben recht, rechtskreisübergreifend, institutionenübergreifend, das ist gut und wichtig. Aber es reicht nicht, eine solche Institution zu schaffen. Am Ende muss der Ball ins Tor, und das ist bisher nicht der Fall.

(Beifall bei der CDU)

Dass das mit den Strukturen nicht so sonderlich gut geklappt hat, liegt eben auch daran, dass Sie diese völlig verdruckste und unentschlossene Institution des Zentralen Flüchtlingskoordinators geschaffen haben, der – man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen – heute noch an die 80 Mitarbeiter hat, einen Fahrer, fünf Pressesprecher. Sagen Sie mir doch bitte einmal – das habe ich ja auch in der Anfrage gerade abgefragt –, was diese Behörde den ganzen Tag macht. Das möchten wir wirklich einmal wissen.

(Beifall bei der CDU und bei Jennyfer Dutschke FDP)

Sie kümmert sich jedenfalls nicht um Integration, denn das ist auch gar nicht ihre Aufgabe. Im Unterbringungsbereich sind so viele andere Akteure jetzt am Start, die es umsetzen müssen. Sie sind uns tatsächlich eine Erklärung schuldig, was dieser aufgeblähte Apparat eigentlich machen soll. Den ZIK, den Zentralen Integrationskoordinator wollen Sie nicht schaffen. Dann sollten Sie diese Struktur lieber auflösen und die stark machen – etwa in Ihrer Behörde, Frau Leonhard –, die sich tatsächlich mit Integrationsaufgaben befassen.

Dass Sie es nicht geschafft haben, das, was Sie an Unterbringungen auf die Beine gestellt haben, kostenmäßig in den Griff zu kriegen, ist ein weiterer Skandal, den wir bei diesen Haushaltsberatungen nochmals zur Sprache bringen müssen. Es ist den Menschen in dieser Stadt nicht klarzumachen, dass im Bereich der Unterbringung von Flüchtlingen Geld keine Rolle spielt und die Kostenkontrolle von Ihrer Seite schlicht abgelehnt wird.

(Jan Quast SPD: Das ist doch Quatsch!)

Die Obdachlosen in der Stadt, die Sie jetzt mit rigider Härte behandeln und wo Sie nicht einmal bereit sind, privaten Initiativen für die Gesundheitsversorgung Raum auf unseren Straßen zu lassen, verstehen gar nicht, was Sie hier betrieben haben.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Bernd Bau- mann AfD)

Ich habe leider nicht so viel Zeit, will aber zumindest auf einen Antrag, den wir gestellt haben, zu sprechen kommen, weil er mir zutiefst am Herzen liegt. Wir haben Ihnen vorgeschlagen und bitten um Ihre Unterstützung für die Einrichtung einer Recherche- und Informationsstelle zum Antisemitismus.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Der wird über- wiesen!)

Er wird überwiesen? Das ist ja sozusagen der Ritterschlag heute.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das liegt uns sehr am Herzen, weil antisemitische Übergriffe und Attacken auch vor unserer Stadt nicht haltmachen. Wir beschäftigen uns viel mit den Folgen des Rechtsextremismus; das ist auch gut und richtig so. Aber leider sind Antisemitismus und Antizionismus nicht nur ein Phänomen des rechten Extremismus, sondern auch des Linksextremismus – DIE LINKE ist nicht da –, sondern leider auch des Islamismus und des Salafismus.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind der Meinung, dass die jüdischen Mitbürger in unserer Stadt niedrigschwellig ein Angebot haben müssen, um ihre Sorgen und Nöte loszuwerden. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie diese Initiative unterstützen. Das würde unserer Stadt gut zu Gesicht stehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Jörn Kruse AfD)

Als nächste Rednerin erhält das Wort Ksenija Bekeris von der SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin von der CDU, ja, im Einzelplan der Finanzbehörde sind die Verstärkungsmittel Zuwanderung dargestellt. Wir werden mit jedem Quartalsbericht erfahren, in welchem Umfang Verstärkungsmittel in Anspruch genommen werden. Mit dieser Vorgehensweise sichert der Senat gerade die passgenaue Steuerung der zuwanderungsbedingten Mehrbedarfe, und wir stellen die Finanzierung ohne Leistungskürzung an anderer Stelle dar. Sie wären doch die Erste, die das kritisieren würde, würden wir das anders machen.

(Karin Prien)

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wenn ich auf das vergangene Jahr zurückblicke, dann ist das Flüchtlingsthema dasjenige, welches unsere Arbeit besonders geprägt hat. Da schaue ich auf den Kapazitätsaufbau, auf das Ringen um gute Lösungen für die Unterbringung. Da schaue ich auf das Forum Flüchtlingshilfe, das die Integration mitgestaltet, und auf das herausragende Engagement der ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helferinnen und Helfer. Und da möchte ich mich ausdrücklich auch im Namen meiner Fraktion dem Dank, den Frau Prien schon ausgesprochen hat, anschließen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Franziska Grunwaldt CDU)

Hamburg stemmt diese Herausforderungen gemeinsam, und es ist mir wichtig zu betonen, dass der rot-grüne Senat die nicht unerheblichen Mehrausgaben zur Versorgung und Integration der Geflüchteten aufbringt, ohne an irgendeiner Stelle bisherige Leistungen für die Hamburgerinnen und Hamburger einschränken zu müssen. Niemand hat weniger.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Deshalb wurden in Hamburg, anders als andernorts zum Beispiel, keine Turnhallen dauerhaft belegt. Das war, ist und bleibt uns wichtig.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Im Haushalt sind die Leistungen, auf die die Menschen von Gesetzes wegen Anspruch haben und die den allergrößten Teil des Sozialhaushalts bestimmen, auskömmlich und vorausschauend finanziert. Die große Herausforderung der Integration war und ist uns allen sehr präsent. Im Integrationskonzept sind die Flüchtlinge übrigens schon seit 2013 genannt,

(Kazim Abaci SPD: Genau!)

aber die Politik und auch die Sozialpolitik machen weit mehr aus. Hamburg stellt ein Winternotprogramm für Obdachlose zur Verfügung, das seinesgleichen in der Bundesrepublik sucht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben die Beratungsangebote gestärkt, die die Perspektiven klären. Wir haben und werden zusätzlich eine ganzjährig geöffnete Tagesaufenthaltsstätte mit 100 Plätzen für Obdachlose in der Stadt schaffen. Wir haben nicht nur die Unterbringung der Flüchtlinge gestemmt, sondern wir haben auch noch, und das wird so oft vergessen, 800 zusätzliche Plätze für Wohnungs- und Obdachlose geschaffen und setzen uns mit unserem Antrag für Kreditbürgschaften im Umfang von 10 Millionen Euro in den Jahren 2017 und 2018 dafür ein, dass Wohnungsbau für Gruppen, die es am Wohnungsmarkt besonders schwer haben, realisiert werden kann.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir stärken den Opferschutz und sind im guten Dialog mit den Frauenhäusern. All das zeigt unsere Solidarität mit den Schwächsten. Wir wollen sie stärken. Wir machen eine Sozialpolitik des Ermöglichens und nicht des Verwaltens.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

In diesen Zeiten ist es wichtig, die demokratische Kultur zu fördern und den sozialen Zusammenhalt gegen jene zu stärken, die am Ende die Freiheit aller bedrohen. Antiislamismus, Antisemitismus, allgemeine Menschenfeindlichkeit sollen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben, das dürfen wir jeden Tag aufs Neue nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Karin Prien CDU)

Wir müssen hier Haltung zeigen und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, überweisen wir Ihren Antrag zur Schaffung einer Beobachtungsstelle zum Antisemitismus an den Sozialausschuss – trotz eines teils etwas befremdlichen Zungenschlags im Vortext – und werden das dort noch einmal beraten.

Ich möchte aber noch einen weiteren wichtigen Punkt nennen, der viel mit einem gleichberechtigten Miteinander zu tun hat. Wir fühlen uns der UNBehindertenrechtskonvention verpflichtet. Wir haben uns in Berlin und auch in Hamburg auf den Weg gemacht, mit dem Bundesteilhabegesetz den Systemwechsel im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention in Richtung einer inklusiven, für alle offenen Gesellschaft anzugehen. Dann schaue ich auf den Antrag der Fraktion DIE LINKE und frage mich, ob dieser Antrag ernst gemeint ist. Nach ausführlichen und nicht einfachen Debatten im Bundestag und Bundesrat kommt der Antrag reichlich spät. Nicht nur zu diesem Antrag, sondern allgemein zu den Anträgen, zu denen die Kolleginnen und Kollegen jetzt keine Stellung nehmen können, muss man sagen, Realismus Fehlanzeige.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Jennyfer Dutschke FDP)

Der Dialog von Politik und Verwaltung mit den vielfältigen Partnerinnen und Partnern der Stadtgesellschaft, seien es Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbände oder Religionsgemeinschaften, ist ein hohes Gut. Warum die FDP genau an dieser Stelle bei den Wohlfahrtsverbänden etwas streichen möchte, erschließt sich mir als Sozialpolitikerin wirklich nicht und das ist auch nicht richtig.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)