Protokoll der Sitzung vom 14.12.2016

(Beifall bei der FDP und bei Philipp Heißner CDU und Dr. Alexander Wolf AfD)

Lieber Minijobs statt Transferleistungen, lieber niedrige Einstiegslöhne statt gar keinen Einstieg, lieber arbeiten und aufstocken statt arbeitslos zum Mindestlohn. Wenn ein Unternehmen bei Kapazitätsspitzen durch Zeitarbeit zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schafft, ist das besser, als die Stammbelegschaft zu Überstunden zu verpflichten. Denn klar ist, dass wir gezieltere Anstrengungen brauchen, um auch gering Qualifizierten eine Perspektive zu bieten. Wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik, die Chancen für alle schafft.

(Beifall bei der FDP)

Weiterbildung und Weiterqualifizierung sind der Schlüssel für eine Zukunft vieler, denen die Zugangsvoraussetzungen zum Arbeitsmarkt fehlen. Wir wollen deshalb eine verstärkte Priorisierung hin zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die zu einem berufsqualifizierenden Abschluss führen. Wir wollen damit eine Arbeitsmarktpolitik der zweiten Chancen für diejenigen, die einmal falsche Entscheidungen getroffen haben, für diejenigen, die mehr leisten und mehr verdienen wollen, und für jene, die neu in unserem Land sind.

(Antje Möller)

Auf die Frage, welche Voraussetzungen Arbeitslose erfüllen müssen, um zu einer Weiterbildungsmaßnahme mit berufsqualifizierendem Abschluss zugelassen zu werden, antwortete der Senat im letzten Jahr, dass dies eine Ermessensleistung sei. An einer abschlussorientierten Weiterbildung haben im Jahr 2014 nur 982 Personen teilgenommen. Wie viele von ihnen diesen Abschluss jedoch auch geschafft haben, wissen wir nicht, weil hierüber nicht einmal Statistiken vorliegen. Um jedoch die Wirkung arbeitsmarktpolitischer Instrumente messen zu können, müssen entsprechende Kennzahlen erfasst werden. Wir wollen mit unserem Antrag dazu beitragen, dass das künftig passiert. Nur so können wir künftig evaluieren, welche Arbeitsmarktprogramme mehr Ressourcen brauchen und welche weniger. Diverse Anträge, die hier zu Kennzahländerungen vorliegen, zeigen, dass wir im Bereich Arbeitsmarktpolitik durchaus noch Steuerungsbedarf haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich bitte Sie daher um Unterstützung. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Dr. Baumann von der AfD-Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gute Arbeitsmarktpolitik muss die Menschen möglichst in gut bezahlte Beschäftigung bringen. Gut bezahlte Beschäftigung haben in Hochlohnländern nur Arbeitskräfte mit guter Qualifikation und hoher Produktivität, aber ein Sechstel aller Beschäftigten in Hamburg ist da schon deutlich abgerutscht, arbeitet bereits im Niedriglohnsektor. 150 000 Menschen leben unter uns mit Löhnen unter 10 Euro, von denen man in Hamburg praktisch kaum vernünftig existieren kann, ganz sicher nicht im Alter, weil man von diesem Lohn keine Rente ansparen kann. Ein Sechstel der Bevölkerung, die ein Leben lang gearbeitet haben sind im Alter ein Sozialfall, weil in der Regel Ausbildungs- und Qualifikationsprobleme vorlagen.

In Hamburg ist es besonders schlimm bei den hohen Kosten für Miete und Lebenshaltung. Deshalb muss gute Politik im Bereich Arbeit alles tun, um die Arbeitnehmer hierzulande zu qualifizieren, ihre Produktivität am Arbeitsplatz zu steigern, um im beinharten Wettbewerb der globalen Standorte vorn zu bleiben. Und was tut der Hamburger Senat? Tut er alles, um Produktivität und Qualifizierung der im globalen Wettbewerb der standortbedrohten heimischen Arbeitskräfte zu verbessern? Gucken Sie in die Unterlagen. Er tut es nicht. Es geschieht viel zu wenig, wenn man sich die Entwicklung und die Zahlen anschaut. Der Senat knausert hier. Das darf so nicht weitergehen.

(Beifall bei der AfD – Hendrikje Blandow- Schlegel SPD: Das ist eine solche Ignoranz, das ist unfassbar!)

Hier kommt nämlich ins Spiel, was die Haushalte von Arbeit und Sozialem, über die wir heute sprechen, zutiefst erschüttert und durcheinanderwirbelt, nämlich die Flüchtlingskrise. Denn der Hamburger Senat will von den rund 50 000 Flüchtlingen, größtenteils aus dem Orient und aus Afrika, die derzeit in Hamburg sind, fast alle hierbehalten und dabei ausdrücklich auch jene Flüchtlinge endgültig hierbehalten, die rechtlich keinerlei Anspruch und Schutzgrund haben, weil ihre Asylanträge längst abgelehnt worden sind. Selbst solche sollen dableiben, über deren Abschiebung längst entschieden worden ist. Diesen 50 000 Menschen mit Flüchtlingshintergrund räumt der Senat arbeitsmarktpolitisch und haushaltspolitisch, man kann sagen, absoluten Vorrang ein. Deren Qualifizierungs- und Förderungsmaßnahmen müssen ja im Vergleich extrem teuer, ihre Kurse und Ausbildung extrem aufwendig und langwierig sein, da ihre Anforderungen arbeitsmarktpolitisch extrem hoch, eigentlich kaum lösbar sind. Die kommen direkt aus ihrem Alltag im Orient und in Afrika ohne Kenntnisse der deutschen Sprache, ohne Kenntnisse der deutschen Schrift, im Schnitt mit kaum brauchbarer Ausbildung und Qualifikation, wie sich immer deutlicher zeigt. Und das für Jobs in nordeuropäischen Hochproduktivitätswirtschaftszentren, bei denen selbst Menschen ohne und mit Migrationshintergrund hierzulande, wie wir gesehen haben, schon viele Schwierigkeiten haben, siehe den riesigen Niedriglohnsektor, den doch auch Sie zur Kenntnis nehmen müssen. Insgesamt ist das, was Sie da machen wollen, ich sage es mal so, der größte arbeitsmarktpolitische Wahnsinn der Menschheitsgeschichte. So etwas hat noch niemand probiert und das aus gutem Grund. Das hätten Sie nicht tun dürfen.

(Beifall bei der AfD)

Denn der geplante endgültige Zuzug dieser 50 000 muss vor dem Hintergrund weiterer Problemgruppen, nicht nur der 150 000 Menschen im Niedriglohnsektor, gesehen werden, die wir in der Stadt haben. In Hamburg waren schon vor der Flüchtlingskrise 50 000 Menschen so lange arbeitslos, dass sie Hartz IV bezogen. Die meisten waren aber längst hier geboren, aufgewachsen, sozialisiert, beherrschen die Sprache, beherrschen die Schrift, hatten die Schule absolviert, Berufsausbildung gemacht. Hier scheitern Sie bei Zehntausenden von Menschen schon seit Jahren und Jahrzehnten kläglich mit Ihrer Arbeitsmarktintegrationspolitik. Hier hätten Sie erst einmal zeigen müssen, dass Sie so etwas im großen Stil beherrschen. Und Sie beherrschen es doch nicht. Das ist doch offenbar.

(Beifall bei der AfD)

(Jennyfer Dutschke)

Durch Ihre Bereitschaft, so große Mengen von Menschen ohne jeden Asylrechtsanspruch, größtenteils ohne wirklich brauchbare Qualifikation aufzunehmen – dafür können die Menschen selbst nichts, Sie machen die Politik hier –, schneiden Sie großen Teilen der deutschen Unterschichten und der bislang schon Eingewanderten den Rückweg in den Arbeitsmarkt ab. Das sagt nicht etwa nur die AfD, sondern das ist Folge jeder klaren mathematischen Logik schon seit Adam Riese. Entweder Ihr Großexperiment gelingt, dann verdrängen die Neuen die Alten aus den Leichtlohngruppen und dem eh schon prekären Niedriglohnsektor – eigentlich eine Katastrophe –, oder ihr Großprojekt scheitert, dann gerät das ganze Sozialsystem auf Dauer in die Schieflage. Die begrenzten staatlichen Qualifizierungs- und Förderungskräfte fördern sich dann auf ewig zu Tode auf Kosten der Weiterqualifizierung von Einheimischen, die derer doch so nötig bedürfen. Auch das eine Katastrophe. Das sind die beiden einzigen Optionen, die Ihre angeblich alternativlose Politik der deutschen Bevölkerung lässt, es sei denn, sie wählen irgendwann die AfD. – Danke.

(Beifall bei der AfD – Dr. Andreas Dressel SPD: Bitte nicht! – Dr. Monika Schaal SPD: Wir haben keinen Wahlkampf! – Martina Friederichs SPD: Das ist keine Alternative!)

Meine Damen und Herren, das Wort bekommt Frau Senatorin Dr. Leonhard.

Sehr geehrte Präsidentin, meine Damen und Herren! Zu den wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit zählt – und deswegen finde ich auch tatsächlich, dass es kein langweiliges, sondern ein sehr spannendes Thema ist – die Frage, wie wir Integration in den Arbeitsmarkt für alle Menschen gestalten wollen, insbesondere in einen Arbeitsmarkt, der sich zusehends wandelt, der immer mehr Anforderungen an Fachkräfte stellt und der insbesondere in Hamburg immer weniger Arbeitsverhältnisse für Menschen mit geringen Qualifikationen bereithält und immer mehr Anforderungen an den Einzelnen stellt. Insofern bin ich froh, dass wir mit dem Arbeitsmarktprogramm, das wir regelhaft vorlegen, auf die verschiedenen Fragestellungen gute Antworten und mit diesem Haushaltsplanentwurf die richtigen Schwerpunkte gesetzt haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich möchte gern auf einiges eingehen, was hier gesagt worden ist. Da ist zunächst die Frage, wie man mit dem sehr stabilen Sockel von Menschen im Langzeitleistungsbezug, sogenannten Langzeitarbeitslosen, umgeht. Ist es wirklich richtig, den ganzen Bereich der Arbeitsmarktpolitik in den wirtschaftspolitischen Bereich einzuordnen, so, wie

sich die CDU das wünschen würde? An dieser Stelle muss ich sagen, wenn man das Thema Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit ernst nimmt, dann muss man sich die Mühe machen, sich die Menschen einmal anzugucken, die im Langzeitleistungsbezug sind. Dann stellt man fest, dass die allermeisten von ihnen verschiedenste Vermittlungshemmnisse haben, meistens mehrere in einer Person vereint, und fast 70 Prozent haben entweder keinen Abschluss oder keine abgeschlossene Berufsausbildung. In diesem Sinne gibt es kaum ein Thema, das mehr Querschnittsanstrengungen erfordert als die Integration von Langzeitarbeitslosen und/oder, wenn es nicht mehr um das Thema Arbeitsmarktintegration geht, die Förderung ihrer sozialen Teilhabe. Deswegen ist dieses Thema so wichtig, dass wir es in der Sozialbehörde behandeln.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir setzen erhebliche Mittel ein, denn es geht nämlich überhaupt nicht um Geld, um einmal mit dieser Mär aufzuräumen. Es ist für Arbeitgeber nämlich fortgesetzt nicht so entscheidend, wie viel Eingliederungszuschuss wir für die Integration dieser Menschen in ihren Betrieb bezahlen. Wir könnten das Gehalt und noch Summen dazu bezahlen. Es ist für sie trotzdem nicht entscheidend relevant, diese Menschen in ihren Betrieb zu integrieren, weil sie eben diese verschiedenen Vermittlungshemmnisse haben, inzwischen auch zahlreiche, die im gesundheitlichen Bereich liegen, sodass wir uns entschieden haben, erhebliche Mittel auch zum Beispiel mithilfe des Europäischen Sozialfonds in die Hand zu nehmen, um in Hamburg Projekte – und ein wesentlicher Teil unserer Arbeitsmarktförderung geht darauf zurück – wie Gesundheitsförderung, Schuldnerberatung, Angebote der Familienhilfe rechtskreisübergreifend zusammenzuführen und Langzeitarbeitslosen effektive Möglichkeiten zur Rückkehr in den Beruf zu geben. Das ist wichtig an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dazu bedarf es eines rechtskreisübergreifenden Blicks, denn die Menschen sind jung oder alt, weiblich, alleinerziehend, haben Migrationshintergrund oder nicht, sind alle sehr unterschiedlich, aber eins kennzeichnet sie alle, sie gehören überwiegend zu den Geringqualifizierten, die verschiedene Vermittlungshemmnisse haben. Deswegen geht es nicht nur um wirtschaftspolitische Fragen.

Wenn man also weiß, dass das Thema Fachkräfte von morgen das Entscheidende für die Entwicklung unserer Stadt sein wird, ist etwas Zweites wichtig, wenn wir auf die Langzeitarbeitslosen gucken, nämlich Langzeitarbeitslosigkeit gar nicht erst entstehen zu lassen. Wie bereits gesagt wurde, haben wir mit der Jugendberufsagentur, der Zusammenführung von schulischer Berufsberatung, Berufsintegrationsangeboten aus unseren

(Dr. Bernd Baumann)

landesfinanzierten Maßnahmen und dem Jobcenter gute Erfolge erzielt nach dem Motto: Kein Abschluss ohne Anschluss, wir wollen keinen mehr verlieren, sodass Langzeitarbeitslosigkeit gar nicht erst entsteht. Das alles spiegelt sich auch in unserem Haushaltsplanentwurf wider, und das ist dort richtig sortiert.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ein Abschlusswort noch – zu den postfaktischen Beiträgen möchte ich nicht Stellung nehmen – zum Thema Mindestlohnkritik. Ich finde es interessant, dass eine Partei, die an jeder Stelle für Staatsferne und Deregulierung spricht, inzwischen immer noch nicht gelernt hat, dass es der Staat und der Steuerzahler sind, die diese Niedriglohnarbeitsverhältnisse subventionieren, und zwar mit zahlreichen Maßnahmen. Das sind Kosten der Unterkunft, Wohngeld, Lohnzuschüsse, Aufstockungen im SGB-II-Leistungsbezug und vieles mehr. Das soll in Ordnung sein, um das Thema Arbeitslosigkeit abzubauen?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das finde ich nach wie vor schwierig. Es kann nie Ziel von Arbeitsmarkt-, Sozial- oder Wirtschaftspolitik sein, dass wir Dinge fördern, die sich nur deswegen lohnen, weil man Menschen für weniger als 8,50 Euro einstellt. Schon 8,50 Euro bedeuten für viele, dass sie noch SGB-II-Leistungsbezug haben. Insofern kann ich das als Antwort auf die drängenden Fragen unserer Zeit nicht akzeptieren.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Mir liegen jetzt zu diesem Thema keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich rufe dann die Debatte zum Bereich Soziales und Integration auf.

Wer wünscht das Wort? – Karin Prien von der CDU-Fraktion.

Lieber Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu der vorherigen Debatte gäbe es noch viel zu sagen, aber ich steige jetzt gleich einmal zum Thema Integration ein. Wir haben in der vergangenen Haushaltsperiode als Schwerpunktthema von Integration eigentlich nur das Thema Unterbringung behandelt. Es ging darum, rund 30 000 Menschen letztes und dieses Jahr menschenwürdig unterzubringen und zu versorgen, und das war weiß Gott eine große Herausforderung. Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit wahrnehmen und den Mitarbeitern in den Behörden, den vielen Freiwilligen, den vielen Helfern in den Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Gewerkschaften, den Lehrerinnen und Lehrern, den Erzieherinnen und Erziehern, all den Menschen,

die geholfen haben, zu danken. Sie alle haben das großartig miteinander gemeistert.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Carl-Edgar Jarchow FDP)

Gemeistert haben Sie es übrigens trotz der von Anfang an schlecht durchdachten Strukturen und des Kompetenzwirrwarrs, der zu sehr vielen Reibungsverlusten geführt hat.

(Beifall bei der CDU)

Die Leute haben sich viel Mühe gegeben.

(Zuruf von Farid Müller GRÜNE)

Es hat mäßig geklappt, Herr Müller. Da wäre Luft nach oben gewesen.

Dass Sie aber die Kosten für die flüchtlingsbedingten Mehraufwendungen in den Jahren 2015 und 2016 über die Mehrbedarfe im Einzelplan 9.2 geregelt haben, war der Notlage im Jahr 2015 geschuldet; da war das auch in Ordnung. Im Jahr 2016 war das schon äußerst problematisch und intransparent. Dass Sie aber jetzt für den nächsten Doppelhaushalt genau diese Nummer wieder fahren und uns wieder erzählen, Sie könnten ja nicht planen und deshalb keinen ordentlichen Haushalt im Sozialbereich machen,

(Jan Quast SPD: Erfolgreich!)

ist einer der großen Skandale dieser Haushaltsdebatte.

(Beifall bei der CDU)