Protokoll der Sitzung vom 14.12.2016

Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass zum Beispiel der Mindestlohn im Koalitionsvertrag von der CDU mit Begeisterung aufgenommen worden ist.

(Beifall bei der SPD und bei Antje Möller GRÜNE)

Nein, Rot-Grün kann auf eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik zurückblicken und wird sie fortführen.

(Beifall bei der SPD)

Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen, aber auch der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen ist kontinuierlich gestiegen. Selbst die Unterbeschäftigung geht im längerfristigen Trend zurück. Das ist ein Zusammenspiel von guter Politik für die Stadt und guter Konjunktur. Betrachtet man die Entwicklung allerdings differenzierter, so wird schon deutlich, dass die Beschäftigungszuwächse fast ausschließlich im Bereich der gut und hoch qualifizierten Fachkräfte erzielt wurden. Qualifizierung, Ausbildung und Weiterbildung sind deshalb das A und O. Wir werden hier in unseren Bemühungen nicht nachlassen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Die Hamburger Arbeitsmarktpolitik unterliegt dem festen Regelwerk des SGB II und SGB III; dies gilt sowohl für den finanziellen wie auch für den förderrechtlichen Rahmen. Innerhalb dieses Rahmens gestalten die Regierungsfraktionen und der Senat eigene verantwortungsvolle arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.

Wir wissen, dass Qualifizierung der erfolgreichste Weg zum Erhalt des Arbeitsplatzes, zum schnellen Wiedereinstieg in Arbeit und zur Wiedereingliede

rung nach längerer Arbeitslosigkeit ist. Als zukünftige Handlungsschwerpunkte am Hamburger Arbeitsmarkt sehen wir deshalb die Förderung der beruflichen Weiterbildung, die abschlussorientierte Qualifizierung gering Qualifizierter, die Integration von Menschen, die langzeitarbeitslos sind, die Begleitung von Jugendlichen beim Übergang von Schule in Ausbildung, Studium oder Arbeit, die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt und die Sicherung des Fachkräftebedarfs. Dennoch müssen wir feststellen, dass wir einen Teil der Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, mit Qualifizierungsmaßnahmen leider nicht erreichen. Daher hat nach unserer Ansicht der soziale Arbeitsmarkt mit seiner unmittelbaren Beschäftigungswirkung seinen festen Platz in der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Hamburg.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Darüber hinaus brauchen wir aber mehr Geld im Eingliederungstitel vom Bund und wir brauchen den Passiv-Aktiv-Transfer. Dafür müssen endlich die Gesetze auf Bundesebene geändert werden. Der Senatsentwurf für den Einzelplan 4 setzt mit der vorgesehenen Mittelausstattung die Maßnahme der Beschäftigungsförderung unter Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit die richtigen Akzente. Wir werden ihm deshalb zustimmen.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke und Antje Möller, beide GRÜNE)

Ich darf an dieser Stelle noch einmal den Ersten Bürgermeister zitieren, der gestern sagte:

"Hamburg wird die Stadt der guten Arbeit sein."

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Gestatten Sie mir noch einen Ausblick auf die vorliegenden Anträge der CDU. Mit Ihrer Forderung nach AvM Dual haben wir uns bereits befasst, allerdings im Schulausschuss. Wir sollten hier die Antwort des Senats auf den Beschluss der Bürgerschaft abwarten. Ihrem Antrag zum Berichtswesen über die Fortschritte bei den Arbeitsmarktmaßnahmen für Flüchtlinge können wir ebenfalls nicht folgen. Hier liegt bereits eine Übersicht der Maßnahmenangebote vor und wir werden uns mit diesem Thema sowieso intensiv im Sozialausschuss befassen. Dann haben Sie sich mit Kennzahlen beschäftigt; das ist immer gut. Aber in der vorliegenden Form können wir dem leider nicht zustimmen. Ich will aber ausdrücklich sagen, dass es auch zu diesem Thema noch Gelegenheit zur Beratung im Sozialausschuss geben wird. Wir alle haben das Interesse, hier weiterzukommen. Zu den Haushaltsanträgen der FDP und der LINKEN wird die Kollegin Möller Stellung nehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Franziska Grunwaldt)

Frau Möller von der GRÜNEN Fraktion bekommt das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Thema Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik hat ja immer etwas Dröges an sich.

(Michael Kruse FDP: Das liegt nicht an Ih- nen!)

Nein, das liegt nicht an mir, das ist so. Gut, dass Sie es aber auch schon gemerkt haben.

Es hat viel mit Bundesregelungen, mit Landesregelungen, mit vielen Zahlen und mit viel Bürokratie zu tun. Das Interessante daran ist aber, dass wir in den letzten anderthalb, zwei Jahren doch viel Dynamik im Bereich des Arbeitsmarkts erkennen können. Das eine große Element der Dynamik entwickelt sich bei der Fragestellung Integration von Geflüchteten, Integration von jugendlichen Schulabgängerinnen und -abgängern in den Arbeitsmarkt. Das ist aktuell tatsächlich die größte Herausforderung für uns alle, aber natürlich vor allem für diese Koalition. Das eine sichtbare Element, das im letzten Jahr gewachsen ist, ist das W.I.RProgramm, breit angelegt mit einem, wie es so schön heißt, rechtskreisübergreifenden Ansatz, hoch kompliziert und relativ einmalig in dieser Republik, wo tatsächlich die unterschiedlichen Behörden in ihrer Zuständigkeit es schaffen, miteinander zu arbeiten. Das finde ich schon vom Ansatz her sehr löblich, und dieses breit angelegte Konzept zeigt auch Wirkung, die Lebenslagenberatung neben der beruflichen Orientierung und dem großen Verbund mit allen wichtigeren Akteurinnen und Akteuren auf dem Arbeitsmarkt gemeinsam in ein Gebäude zu setzen und vor allem auch die Menschen zu erreichen. Hier ist Hamburg tatsächlich auf einem guten Weg. Nicht umsonst wird, glaube ich, der Kollegin aus der BASFI an vielen Stellen republikweit zugehört, wie Hamburg es macht und weiterentwickelt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das ist aber natürlich kein Grund für Stillstand, sondern wir werden das immer weiterentwickeln und fortschreiben müssen. Diese halbjährliche Fortschreibung wird passieren; Herr Schwieger hat etwas dazu gesagt.

Wo wir gern mehr Dynamik und mehr Entwicklung hätten, ist natürlich im Bereich der Unterstützung für Menschen, die in Langzeiterwerbslosigkeit in dieser Stadt leben. Es sind immerhin 40 000, die seit mindestens vier Jahren in diesem Leistungsbezug aufgrund der fehlenden Erwerbstätigkeit leben. Das ist zu viel, das ist bitter für die Menschen, die in dieser Situation leben müssen. Es ist aber auch eine Erkenntnis für die Behörden, sei es die BASFI wie aber auch das Jobcenter, hier mit einer Vielzahl von Maßnahmen dann doch nicht so viel

erreichen zu können, wie man das möchte. Hier wünschen wir uns manchmal ein bisschen mehr Fantasie. Wie kann man Angebote so verändern, dass sie nicht nur eine kurze Förder- und Aktivierungsmaßnahme darstellen, sondern dass sie tatsächlich hinführen in Arbeit, hinführen in eine dann auch zumindest etwas länger fortdauernde Möglichkeit, sich den Lebensunterhalt selbst zu verdienen. In diesem Zusammenhang bauen wir schrittweise auch den sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose mit längeren Beschäftigungsperspektiven auf.

Ja, Frau Grunwaldt, das ist ein schwieriger Weg. Das liegt aber nicht daran, dass die BASFI keine guten Briefe schreibt, weil sie nämlich sowieso viel mehr macht, als nur Briefe zu schreiben, und auch das Jobcenter selbst schreibt nicht Briefe, sondern geht in das Gespräch mit den Unternehmerinnen und Unternehmern in dieser Stadt, mit den öffentlichen Betrieben. Und trotzdem ist es schwer, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu finden, Menschen sozialversicherungspflichtig einzustellen mit den Hemmnissen, mit den Handicaps, die der soziale Arbeitsmarkt an dieser Stelle hat. Wir arbeiten daran, wir stocken Stück für Stück auf. Vergleicht man das bundesweit, dann sind das Ziel in Hamburg – nur, um Ihnen einmal eine aktuelle kleine Zahl zu nennen – 500 bis 550 Plätze, aktuell sind es 373, in Köln gibt es 19 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, in Hannover 166, München 47, Stuttgart 67. Sie sehen, wir sind sehr gut an der Stelle und können besser werden, denn die sozialversicherungspflichtige Arbeit ist allemal besser als der Ausbau von AGHs oder anderen Beschäftigungsmaßnahmen, die tatsächlich keine Perspektive bieten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der Ansatz der LINKEN, die öffentlich geförderten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsangebote auf 3 400 Plätze aufzustocken und alle 2 000 Arbeitsgelegenheiten in FAV-Plätze, so heißen sie ja, umzuwandeln, ist ein Weihnachtswunschzettel und schlicht nicht realisierbar. Im Übrigen einerseits nicht wegen der über 50 Millionen Euro, die das kosten würde, und andererseits natürlich auch deshalb nicht, weil dieses Paket von Arbeitsplatzangeboten mitnichten auf der anderen Seite ein Pendant bei den Erwerbslosen finden würde. Denn mal eben so jemanden zu finden, der dann diese Plätze besetzt, ist eben auch nicht leicht. Hier muss die Maßnahme zu der Klientel passen, hier müssen die Menschen erreicht werden und nicht mit einer Riesenzahl von Plätzen erschlagen werden, wenn die Maßnahme für sich selbst individuell gar nicht stimmig sein kann.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Deshalb setzen wir auf zwei Punkte, einmal auf die gute Weiterentwicklung des W.I.R-Projekts und aller Arbeitsmarktzugangsinitiativen, die sich in die

ser Stadt entwickeln. Es gibt auch viele aus der Ehrenamtlichkeit heraus, die sich W.I.R anschließen und zu guten Erfolgen führen. Wir brauchen die Möglichkeit der Schule, dann der Qualifizierung, dann der Ausbildung und dann des Arbeitsplatzes für die hierher Geflüchteten, aber genauso auch für die Menschen, die sich in der Erwerbslosigkeit befinden. Deshalb gehört das Thema Passiv-Aktiv-Transfer mehr in den Sozialausschuss als hierher, aber es bleibt ein spannendes Thema, und wir hoffen, dass wir die Finanzierungsblockaden des Bundes an der Stelle dann auch irgendwann einmal durchbrechen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Frau Dutschke von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Möller, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben Sie gesagt, Zahlen seien nicht Ihr Ding, und Herr Schwieger findet, dass der Bürgermeister von gestern ist. Da haben Sie recht.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sollen mehr Menschen in reguläre Beschäftigung bringen, doch das falsche Verständnis von Arbeitnehmerschutz durch Rot-Grün führt zu einer Drangsalierung von Arbeitgebern und treibt Kleinstunternehmer in die Enge.

(Dirk Kienscherf SPD: Was? Wo haben Sie das denn her?)

Sei es die Auffassung, dass befristete Arbeit unanständig, ein Minijob eine Zumutung und eine Vergütung unterhalb des Mindestlohns unwürdig ist,

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

die Auswirkungen dieser rot-grünen und auf Bundesebene von Schwarz mitgetragenen Politik treffen bei Konjunktureinbrüchen immer die Schwächsten, die dann gar keinen Job mehr haben.

(Beifall bei der FDP)

Auch wenn gut bezahlte, unbefristete sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze beziehungsweise Selbstständigkeit in Vollzeit oder in Teilzeit, je nach Wahl der Arbeitnehmer, unser aller Ziel sind, RotGrün in Hamburg und Schwarz-Rot im Bund müssen die Realitäten endlich anerkennen. Denn insbesondere die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen stellt eine enorme Herausforderung dar. Sie erinnern sich an die Erhebungen des Senats, denen zufolge rund 35 Prozent der bleibeberechtigten Flüchtlinge Kompetenzen mitbringen, die im hiesigen Arbeitsmarkt nachgefragt werden. 35 Prozent sind nicht viel. Überzeugende Programme,

wie die anderen 65 Prozent in Lohn und Brot gebracht werden sollen, hat der Senat bisher nicht vorgelegt. W.I.R, work and integration for refugees, ist zwar ein erster und ein guter Ansatz, aber noch lange kein Instrument, das Wirkung zeigt. Auch wenn wir in Hamburg nahezu Vollbeschäftigung haben, bleiben knapp 50 000 Unbeschäftigte, die öffentliche Leistungen beziehen, denn der Hamburger Arbeitsmarkt ist ein hoch qualifizierter Arbeitsmarkt, der für gering Qualifizierte und für Menschen ohne Deutschkenntnisse kaum Platz bietet.

(Kazim Abaci SPD: Deshalb machen die einen Sprachkurs!)

Die Statistiken belegen dies. Aktuell können fast zwei Drittel der Arbeitslosen keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen und knapp 41 Prozent unserer Arbeitslosen gelten als langzeitarbeitslos. Der Senat zeigt gering Qualifizierten und Langzeitarbeitslosen aber keine Perspektiven auf und setzt stattdessen lieber auf Transferleistungen anstatt auf niedrigschwellige Einstiegschancen, die dann eben geringfügiger vergütet sind.

Wir Freidemokraten bekennen uns zu einer Flexibilisierung des Arbeitsmarkts

(Kazim Abaci SPD: Das kenne ich schon!)

und sind offen für Maßnahmen, die mehr Menschen zu Jobs verhelfen. Für uns gilt: lieber befristete Arbeitsverhältnisse statt unbefristeter Arbeitslosigkeit.

(Beifall bei der FDP und bei Philipp Heißner CDU und Dr. Alexander Wolf AfD)