Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Ihre Gegenargumente können nicht überzeugen, sie lassen sich allesamt entkräften. Sie behaupten, ohne die Staatsverträge könne man nicht im Dialog bleiben. Das würde aber bedeuten, dass ein Dialog des Staates mit den muslimischen Verbänden fast nur noch in Hamburg stattfindet,

(Farid Müller GRÜNE: Ja, wenn man welche kündigt!)

denn außer Bremen hat kein anderes Bundesland solche Verträge geschlossen. In Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurden entsprechende Verhandlungen auf Eis gelegt. Einen Dialog gibt es dort aber trotzdem, auch gibt es Regelungen zum Religionsunterricht, zu Feiertagsregelungen und auch zu anderen Fragen, wie in den anderen Bundesländern ohne diese Verträge übrigens auch.

(Kazim Abaci SPD: Wie sieht das in Hessen aus?)

Sie behaupten, dass die Verträge und die darin festgelegten Vereinbarungen dazu dienen, die islamischen Verbände und ihre Mitglieder dazu zu bringen, unsere Grundwerte und unsere freiheitlich demokratische Grundordnung zu achten. Das hat jedoch nachweislich nicht funktioniert. Wie auch? Wer sich nicht an unser Grundgesetz gebunden fühlt, der wird sich auch dann nicht daran gebunden fühlen, wenn sich diese Grundwerte in einem Staatsvertrag wiederfinden.

Sie weisen immer wieder auf die staatliche Neutralität in religiösen Fragen hin und darauf, dass der Staatsvertrag damals nicht etwa geschlossen wurde, weil der Staat die religiösen und/oder politischen Auffassungen seiner Vertragspartner geteilt hätte. Dem säkularen Staat ist es egal, ob und welche Religionen die Menschen haben. Das ist sehr richtig. Aber dem Staat darf es keinesfalls egal sein, wenn Menschen gegen unsere im Grundgesetz verankerten zentralen Werte verstoßen und wenn ein Vertragspartner gegen das vertraglich

(Vizepräsidentin Antje Möller)

Vereinbarte verstößt. Mit Verfassungsfeinden und Extremisten darf der Staat nicht gemeinsame Sache machen.

(Beifall bei der FDP)

Und weil Sie immer wieder anzweifeln, dass es ohne die islamischen Verträge nicht geht, sage ich Ihnen, wie das Zusammenleben der Religionen untereinander funktionieren soll: durch Dialog, gegenseitigen Respekt und Wertschätzung, so wie im Rest der Republik auch. Integration und das Miteinander verschiedener Religionen funktionieren nur im Dialog, aber unter dem Deckmantel dieses Dialogs darf sich der Senat eben nicht vor seiner Verantwortung drücken. Wir müssen eine wehrhafte Demokratie sein, und deshalb dürfen wir geheimdienstliche Tätigkeiten oder Antisemitismus bei uns niemals dulden.

(Beifall bei der FDP)

Wir Freien Demokraten stehen für eine offene Gesellschaft, dazu gehört die Trennung von Staat und Religion. Die Religionsfreiheit muss selbstverständlich gewährleistet sein, aber auch dazu bedarf es keines Staatsvertrages. Und nun sind Sie weiterhin in der Pflicht, uns und der Öffentlichkeit nachzuweisen, dass das alles nicht ohne einen Staatsvertrag geschehen kann. Ich sage Ihnen voraus, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall bei der FDP)

Von der SPD-Fraktion bekommt nun Herr Dr. Dressel das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich fange einfach einmal mit einer Frage an. Liebe Kollegin Suding, haben Sie eigentlich einmal mit denjenigen geredet, denen Sie jetzt den Stuhl vor die Tür setzen wollen?

(Kazim Abaci SPD: Nein!)

Sie sind doch eine Rechtsstaatspartei.

(Katja Suding FDP: Drehen Sie das doch nicht wieder um! Meine Güte!)

Nein, ich will es einmal sehr einfach sagen.

Rechtsstaatspartei heißt, dass man in so einer fundamentalen Frage beim Vertragswerk, wenn man dem anderen Vertragspartner den Stuhl vor die Tür setzen will, zumindest irgendwelche Mindestanforderungen einhält.

(Beifall bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE, Nebahat Güçlü fraktionslos und Christiane Schneider DIE LINKE)

Das werden Ihnen vielleicht Juristen in der Fraktion erklären, dass man zum Beispiel der anderen Seite, die man rausschmeißen will, einmal – wie man im Juristendeutsch sagen würde – rechtliches Ge

hör gewährt. Politisch würde man sagen, man redet vielleicht mit denen und sagt, das und das sind die Vorwurfslagen. Das war da bei Facebook, das war da bei Twitter, das habe ich dort gesehen. Was sagt ihr dazu? Und da muss man auch sehen, dass DITIB nicht DITIB ist, sondern es gibt Landesverbände. Wenn Sie noch einmal in das Vertragswerk hineinschauen, werden Sie sehen, da ist DITIB NORD.

(Dirk Nockemann AfD: Die Fakten waren doch erdrückend! Da brauchen Sie doch nicht dauernd zu reden!)

Ihre rechtsstaatlichen Standards wollen wir hier nicht weiter diskutieren, Herr Nockemann.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Karin Prien CDU)

Das erkenne ich bei der FDP an: Sie sind eine Rechtsstaatspartei, und dazu gehört, wenn es Vorwürfe gibt und man daran auch wirklich rechtliche Konsequenzen, nämlich eine Vertragskündigung, knüpfen will, dass man sich überlegt, ist denn eigentlich der, dem jetzt mutmaßlich etwas vorgeworfen wird, auch derjenige, der es begangen hat oder es sich zurechnen lassen muss. Das ist doch schon die erste Frage, bei der man einmal sehr genau hinschauen muss.

Deswegen können wir zum Beispiel bei der CDU nur bei zwei Ziffern mitgehen, weil wir natürlich die Sorgen im Hinblick auf die Einflusssituation Diyanet und Türkei teilen. Deswegen stimmen wir dem Punkt auch zu. Aber bei Ziffer 3 wollten Sie einen Vertragsverstoß wegen der Karikaturen feststellen. Das wäre wirklich nur dann unmittelbar der Fall, wenn DITIB NORD auf der eigenen Homepage dieses wirklich widerliche Bild von dem Faustschlag gegen den Weihnachtsmann hätte. Es ist aber nicht so. So einfach kann man es sich nicht machen, wenn man solche fundamentalen Konsequenzen in einer so wichtigen gesellschaftspolitischen Frage wirklich ziehen will. Dann muss man sauber arbeiten und, sorry, das erfüllt keiner dieser drei Anträge, die mir hier vorliegen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das ist der erste Punkt. Deshalb sagen wir auch gar nicht, dass es da nicht Gesprächsbedarf gibt. Man muss nicht wiederholen, was wir vorhin alles diskutiert haben. Das ist auch unsere Erwartungshaltung an alle Beteiligten, die müssen sich dazu verhalten. Da reicht in der Tat nicht einfach nur aus, dass man sich distanziert, denn an den Taten soll man sie messen. Dass sie dann drei Tage später eine Pressemitteilung abgeben, es sei alles nicht so gewesen, das reicht nicht aus.

Wir haben also mit den Beteiligten geredet und haben von DITIB auch Aussagen dazu bekommen, dass man sich der Problematik des Einflusses aus der Türkei bewusst ist. Die Frage ist, welche Kon

(Katja Suding)

sequenzen zieht man daraus, inwieweit erreicht man eine stärkere Distanzierung von Diyanet? Wenn es jetzt festgestellte Verstöße zum Beispiel dahingehend gibt, dass der Generalbundesanwalt feststellt, das mit den Spitzeleien sei tatsächlich so gewesen, wie wird dann damit umgegangen, wenn es tatsächlich einen Hamburger Fall geben sollte, wie reagiert DITIB NORD? Sie haben uns gesagt, sie würden die Abberufung bei Diyanet verlangen. Das ist doch eine Sache, an der man jetzt sehen kann, ob sie sich daran halten oder nicht. Aber sich nicht einmal die Mühe zu machen, diese Aufklärungsarbeit abzuwarten, ist diesem Thema absolut nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Insofern muss man das sehr differenziert betrachten. Wir sagen, jetzt ist der Weg, diese Konsultationsgespräche zu führen, der richtige. Wir wollen das auch, weil es doch im Vorfeld durchaus zwischen den Fraktionen einmal dahingehend besprochen wurde, das auch im Ausschuss zu bewegen. Das ist ein berechtigter Hinweis.

Deswegen stehen bei uns die zwei wichtigsten Themen im Mittelpunkt: Wie laufen diese Konsultationsgespräche? Darüber wollen wir natürlich einen Bericht im Verfassungsausschuss. Und es ist die Bedeutung des Religionsunterrichts, worüber auch schon vorhin geredet wurde. Natürlich wollen wir dazu ebenfalls einen Bericht im Schulausschuss haben, um all die Fragestellungen miteinander besprechen zu können. Das Parlament soll hier auf diesem Weg auch mitgenommen werden, aber zu einem Zeitpunkt, an dem diese Aufklärungsarbeit einen vernünftigen Rahmen gefunden hat.

Ich will abschließend einen Satz aus der Neujahrsbotschaft des Interreligiösen Forums zitieren:

"Nur im friedlichen Dialog, in Begegnung und mit Argumenten können Probleme gelöst und Vorurteile abgebaut werden."

Das sollten wir uns hier zu Herzen nehmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Von der CDU-Fraktion bekommt nun Herr Wersich das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich fand es vorhin schon despektierlich, als der Bürgermeister sagte, er wolle nicht bei der FDP-Debatte reden, weil dann niemand mehr zuhören würde. Dass er jetzt aber selbst einen Beitrag zu dieser Missachtung des Parlaments leistet, ist Ausdruck von Obrigkeitsverhalten und nicht einer demokratischen Diskussionskultur.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der FDP und bei Dr. Ludwig Flocken fraktionslos)

Als CDU wissen wir, dass die FDP grundsätzlich gegen alle Verträge ist und war, und das findet auch unseren Respekt. Wir selbst sehen das anders. Wir würdigen die Bedeutung der Kirchen und Religionen für die Gesellschaft. Wir wissen, dass das Grundgesetz verbietet, dass wir uns staatlich einmischen in die inneren Angelegenheiten von Religion, aber wir wissen auch, dass das Grundgesetz geradezu die Zusammenarbeit fordert in einer pluralistischen und freien Gesellschaft, indem das Subsidiaritätsprinzip und die Förderung freier gemeinnütziger Träger ein Grundpfeiler nicht nur unseres Sozialstaates ist. Und deshalb wollen wir die Zusammenarbeit zwischen Kirchen und Staat aktiv gestalten; das ist und bleibt die Grundhaltung der CDU.

(Beifall bei der CDU)

Die AfD hat sich mit ihren alternativen Wahrheiten längst von einer friedensuchenden, interreligiösen Gesellschaft und einem ebenso innergesellschaftlichen Dialog verabschiedet. Dazu brauchen wir, glaube ich, nichts mehr zu sagen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Dirk Nocke- mann AfD)

Kommen wir zu den Fakten des CDU-Antrags. Die CDU fordert nicht die Aufhebung der Verträge, nicht mit der SCHURA, nicht mit der VIKZ, nicht mit den Aleviten. Wer derartige Behauptungen aufstellt, zeigt, dass er unseren Antrag nicht gelesen hat, sondern selbst mit Polemik Stimmung machen will.

(Beifall bei der CDU)

Anders stellt sich die Sachlage bei der DITIB dar. Hier muss der Vertrag ausgesetzt werden bis zur Klärung der im Raum stehenden Vorwürfe. Und ich frage Sie: Was muss passieren, dass auch Sie einsehen, es ist Zeit für eine Gelbe Karte? Es geht um eine Gelbe Karte, nicht um mehr, aber auch nicht um weniger gegenüber der DITIB.

(Beifall bei der CDU)