Protokoll der Sitzung vom 01.03.2017

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Einen Moment. – Meine Damen und Herren! Nur Herr Abaci hat das Wort. Wenn Sie sich unterhalten wollen, verlassen Sie bitte den Saal. – Herr Abaci, bitte schön.

Zum Stichtag 31. Dezember 2016 befanden sich 1 092 Schülerinnen und Schüler in der Praktikumsphase. Von diesen waren 93 Prozent mit betrieblichen Praktika versorgt. Das ist durchaus beachtlich und zeigt, dass die Reform und auch deren Umsetzung richtig und wichtig waren.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Vor dem Hintergrund der Zuwanderungswelle der vergangenen eineinhalb Jahre stand unsere Stadt zudem vor der großen Herausforderung zum einen, die noch nicht schulpflichtigen Jungen und Mädchen zu versorgen und zum anderen die nicht mehr schulpflichtigen Flüchtlinge bis 25 Jahre in die Berufsausbildung und Arbeit zu integrieren. Zum 31. Januar dieses Jahres besuchten fast 2 800 neu zugewanderte Jugendliche die Bildungsangebote der Berufsvorbereitungsschule für Migrantinnen und Migranten. Seit dem 1. Februar 2016 ist flächendeckend das AVDual-System auch

(Senatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt)

für junge schulpflichtige Flüchtlinge offen, und zwar unabhängig von deren Aufenthaltsstatus. Das AVDual für Flüchtlinge, abgekürzt AV und Dual, ist auf eine Dauer von zwei Jahren ausgelegt und beginnt mit einer mehrmonatigen Ankunftsphase, in der die Jugendlichen intensiv auf den Lernort Betrieb und die Betriebspraktika vorbereitet werden. In den drei dualen Phasen lernen und arbeiten die Jugendlichen wöchentlich drei Tage in der Schule und zwei Tage im Betrieb. Zurzeit befinden sich über 2 000 Schülerinnen und Schüler in der dualisierten Ausbildungsvorbereitung.

Ganz wesentlich für den Erfolg der Integration dieser Jugendlichen ist die Sprachförderung. Diese ist im betrieblichen Praktikum eng mit dem Deutschunterricht in der Schule verzahnt. Zudem werden die Jugendlichen und jungen erwachsenen Flüchtlinge durch ihre betrieblichen Integrationsbegleiter und Lehrkräfte unterstützt. Sie bereiten mit den jugendlichen Flüchtlingen die Praktika vor, bereiten sie nach und unterstützen sie dabei, geeigneten Anschluss in Ausbildung, Beschäftigung oder weiterführende Bildungsangebote zu planen. Eine Herausforderung liegt dabei oft darin, dass Flüchtlinge aus ihren Herkunftsländern keine geregelte Berufsausbildung kennen und es enorm wichtig ist, die Ziele und Potenziale sowie den Wert einer soliden beruflichen Ausbildung klar aufzuzeigen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Das Lernen im Betrieb eröffnet den Jugendlichen und jungen Erwachsenen neue Perspektiven. Sie lernen ihre Kompetenzen und Stärken in der betrieblichen Umgebung neu kennen und setzen sich mit betrieblichen Regeln auseinander. Gleichzeitig erfahren gerade Jugendliche mit Flucht- oder Migrationsgeschichte viel darüber, wie die deutsche Gesellschaft im Inneren tickt, denn soziale Normen lernt man durch Interaktion mit Einheimischen und nicht dadurch, dass man in einer Flüchtlingsaufnahme sitzt.

Hamburg ist eine Metropolregion und die Wirtschaft floriert. Und das ist gut so. Wir brauchen aber dringend Fachkräfte für den Arbeitsmarkt. Indem wir junge Flüchtlinge ausbilden, haben wir eine Win-win-Situation für beide Seiten. Die Integration in Ausbildung und Arbeit erscheint hier genauso dringlich wie Erfolg versprechend.

An dieser Stelle möchte ich gern betonen, dass die Zusammenarbeit mit allen beteiligten Gruppen hervorragend funktioniert. Ich möchte mich insbesondere bei den engagierten Berufsschullehrerinnen und -lehrern, Integrationsbegleiterinnen und -begleitern, den Betrieben, den Fachbehörden und den Gewerkschaften für die gute Zusammenarbeit bedanken.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja. Es ist eine gute Investition in die Jugendlichen, aber es ist auch eine Investition für die Zukunft. Und wenn diese Jugendlichen aus welchen Gründen auch immer in ihre Herkunftsländer zurückgehen sollten, ist das unser Beitrag zur Entwicklungsarbeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Grunwaldt von der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache es schnell. AvM Dual ist in der Tat einer der Lichtblicke in Sachen Ausbildungsvorbereitung für Flüchtlinge. Es ist klar in den Strukturen, die Zusammenarbeit mit den Berufsfachschulen und der Wirtschaft ist vorbildlich. Und wie wir gestern im Ausschuss gehört haben, soll das Pilotprojekt ab März, also AvM Dual für die 18- bis 25-Jährigen, ausgebucht sein. 400 Personen waren geplant, 400 Personen sind jetzt dabei. Ich kann an dieser Stelle nur dafür werben, die AvM Dual für die bis zu 21-Jährigen zur Regel zu machen und bei den bis zu 25-Jährigen bei Bedarf. Es ist eine wahnsinnig gute Chance für die jungen Menschen, noch einen Schulabschluss zu erlangen, außerdem ihren Spracherwerb zu fördern und sich selbstverständlich auch beruflich zu orientieren.

Trotz all dieser Lobeshymnen muss ich den Senat an dieser Stelle jedoch an seine finanzielle Verantwortung erinnern. Derzeit werden die Kosten nämlich überwiegend durch interne Umschichtungen im Wirtschaftsplan des HIBB und im Rahmen des HIBB-Wirtschaftsplans aufgefangen. Allerdings sieht der Wirtschaftsplan des HIBB bereits jetzt einen zweistelligen Millionenbetrag als Defizit vor, der das Eigenkapital mindert, also vorhandene Reserven verbraucht. Daher warne ich davor, dem HIBB, das ebenfalls ein Erfolgsmodell ist, die Substanz zu entziehen und Kosten für die Ausbildungsvorbereitung für Flüchtlinge auszulagern.

(Beifall bei der CDU)

Dieses jedoch nur am Rande. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Dr. von Berg von der GRÜNEN Fraktion.

(Kazim Abaci)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bildung und Ausbildung ist neben Arbeit und Wohnen einer der drei Schlüssel zur Integration. Und ich bin sehr froh, dass auch die vorgelegte Drucksache deutlich macht, dass Hamburg hier vielfältige Möglichkeiten bietet, das durchaus sieht, anerkennt und vor allen Dingen in die Tat umsetzt.

Beruflicher Bildung kommt da ein besonderer Stellenwert zu. Denn junge Menschen brauchen nicht nur einen Schulabschluss, sie brauchen auch einen Anschluss nach dem Abschluss, und das ist dann die berufliche Bildung. Das heißt, wir haben hier in der beruflichen Bildung eine Schlüsselstelle, und der Senat hat sich gemeinsam mit dem HIBB, dem Hamburger Institut für Berufliche Bildung, auf den Weg gemacht, für die 18- bis 25-Jährigen, also für die jungen Erwachsenen, dort vielfältige Möglichkeiten zu bieten.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Bereits das Pilotprojekt von AvM Dual war sehr erfolgreich. 97 Prozent der Jugendlichen oder jungen Erwachsenen haben hier einen Abschluss erhalten. 97 Prozent. Das ist eine richtige Erfolgsgeschichte und ich finde, wir könnten alle einmal gemeinsam klatschen für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die das geschafft haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ja, ich finde, die haben Applaus verdient.

Der Senat hat bei diesem Vorgehen eine wirklich sorgsame Umsetzung an den Tag gelegt, nichts übereilt, aber auch nicht zu langsam gearbeitet, nicht getrödelt, und es macht sich daran bemerkbar, dass wirklich alle möglichen denkbaren Schwierigkeiten, die bei einem derart anspruchsvollen Projekt auftreten können, bedacht wurden. Zum Beispiel die systematische Unterstützung durch die Integrationsbegleiterinnen und -begleiter. Das heißt, sie können bei betrieblichen Problemen beraten. Sie können bei Konflikten helfen. Sie können auch eine Arbeitsplatzanalyse vornehmen. Sie können bei der Suche nach Praktikumsstellen helfen und gemeinsam mit den Betrieben, Kammern und der Wirtschaft zusammenarbeiten. Bei diesem Konzept hat man gesehen, dass wirklich alle vorbildlich Hand in Hand gearbeitet haben und dafür, finde ich, auch für diese Institutionen, nicht nur für die Schülerinnen und Schüler, verdient es einen großen Applaus.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Besonders freut es mich aber, und das war ein großes Anliegen in unserem Koalitionsvertrag, dass wir uns nun den 18- bis 25-Jährigen gezielt widmen, denn diese Gruppe von jungen Men

schen, die teilweise nur gebrochene Schulbiografien haben, gebrochene Biografien bei der formalen Bildung, sollen doch auch bei uns in die Arbeitswelt integriert werden. Und das werden wir jetzt gezielt angehen in einem sehr durchdachten, dreiphasigen System, bei dem immer wieder mit Potenzialanalysen – Frau Prien ist jetzt leider gerade nicht da, aber Frau Prien sprach vorhin von Potenzialanalysen – in die richtige Richtung gegangen wird. Das heißt, dass jeder junge Mensch das Angebot bekommt, was für ihn richtig ist. Und das ist ein schöner Erfolg.

(Beifall bei Phyliss Demirel GRÜNE)

Auch freut es mich, dass wir die Produktionsschulen einbeziehen können. Das heißt, das ist noch einmal eine Form, die nicht so verschult ist wie die anderen Schulformen. Wir bieten also wirklich allen Jugendlichen, allen jungen Erwachsenen eine gute Möglichkeit, sich zu entfalten, alle Potenziale, die sie mitbringen, hier auch zur Geltung zu bringen und künftig an der Gesellschaft, am Arbeitsleben teilzuhaben. Und das ist ein schöner Erfolg. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Boeddinghaus von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie bei der vorigen Debatte gilt auch bei dieser Debatte festzustellen, der Senat tut etwas, aber man muss schon die Frage stellen: Reicht es? Was tut er? Ist es genug?

(Dirk Kienscherf SPD: Bei Ihnen reicht es ja immer nicht!)

Und wissen wir überhaupt, was er da tut? Und weiß er das überhaupt selbst, frage ich mich manchmal.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben den Antrag schon einmal debattiert, und da habe ich schon einmal deutlich gesagt, dass, anders, als Sie es in Ihrem Antrag schreiben, dass dieses AVDual ein erfolgreiches Bildungsangebot sei …

(Kazim Abaci SPD: Ja, ist es auch!)

Ja? Dann schauen Sie doch einmal in den Ausbildungsreport 2016, der sagt für das Jahr 2015, dass 47,2 Prozent der jungen Menschen einen Ausbildungsplatz oder eine Beschäftigung erhalten haben. Wenn Ihnen das reicht,

(Kazim Abaci SPD: Es geht um diesen An- teil! AVDual!)

dann fürchte ich um die Hamburger Kinder und Jugendlichen, lieber Herr Abaci.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch bei dem Erfolgsmodell Produktionsschulen, die durchaus ein gutes Angebot für die Kinder und Jugendlichen sind, dürfen Sie sich doch nicht ausruhen, denn da beträgt die Übertrittsquote in einen Ausbildungsplatz gerade einmal 45,9 Prozent. Also, da gibt es unglaublich viel Luft nach oben, und deswegen ärgere ich mich eigentlich über diese Debattenanmeldung, denn Sie lobhudeln sich, ohne im Grunde klare Fakten auf den Tisch legen zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben das in der Haushaltberatung gehabt, da wurde es deutlich gemacht. Wir hatten es im Schulausschuss, dort wurde klar gesagt, es gebe noch keine validen Zahlen, es gebe noch keine Evaluation. Das Einzige, was jetzt in der Drucksache steht: erste Erfahrungen aus der Praxis. Wunderbar. Märchenstunde, Schulpolitik Rabe. Ich finde es echt nervig, denn es bringt Sie doch auch nicht weiter. Wir haben gerade heute wieder einen Anruf bekommen, dass aus diesen Schulen mitgeteilt wird, der Deutschunterricht sei viel zu knapp. Es muss viel mehr getan werden für die Allgemeinheit.