Protokoll der Sitzung vom 12.04.2017

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Vizepräsidentin Christiane Schneider über- nimmt den Vorsitz.)

DIE LINKE fordert freien Eintritt in staatliche Museen, entweder generell, tageweise oder anlassbezogen. Das klingt zunächst nach Freibier für alle, wie wir das doch generell der LINKEN auch zutrauen würden, aber so einfach ist die Sache eben nicht. Auch die FDP fordert ebenso wie DIE LINKE freien Eintritt für staatliche Museen, was zunächst einmal überrascht, denn die FDP ist doch normalerweise eine Partei, die durchaus ökonomisch vernünftig argumentiert. Und vernünftig heißt grundsätzlich hier zunächst einmal, das Ausschussprinzip anzuwenden. Trotzdem argumentieren sie ähnlich wie DIE LINKE. Deshalb werde ich mich damit einmal ein bisschen auseinandersetzen.

Die Hauptargumente beider Anträge laufen darauf hinaus, was Ökonomen meritorische Effekte oder meritorische Güter nennen würden. Das sind Güter, bei denen die Gesellschaft ein kollektives Interesse an individuellem Konsum oder vermehrtem

individuellen Konsum, hier von Museen, hat. Das könnte man zum Beispiel mit positiven externen Effekten begründen, indem zum Beispiel Museumsbesucher die angenehmeren Gesprächspartner sind oder kollektiv sozialer oder kulturell und historisch einsichtiger sind, von denen man vielleicht denkt, dass sie auch toleranter, engagierter und so weiter sind als die Mehrheit. Diese Kausalität ist sicher nicht empirisch testbar, aber qualitativ glaube ich an solche Zusammenhänge genauso wie die antragstellenden Fraktionen von LINKEN und FDP. Allerdings ist der Meritorik bei diesem Thema schon sehr, sehr weitgehend Rechnung getragen, was man daran erkennt, dass der Kostendeckungsgrad, Herr Hackbusch hat darauf schon hingewiesen, in verschiedenen Hamburger Museen zwischen 4 und 14 Prozent beträgt. Das heißt, der Subventionierungsbedarf ist riesig. Meritorik ist hier in einem Unmaß schon zum Ausdruck gebracht worden. Da könnte man jetzt einerseits sagen, man könne den Rest auch noch auf null heruntersubventionieren, indem man die Ticketpreise wegfallen lässt, dann spare man noch die Kosten für Kasse und Einlasskontrolle. Oder man könnte im Gegenteil sagen, was nichts kostet, dat dögt doch nix. Ich will beide Positionen nicht einnehmen. Was mich von den antragstellenden Fraktionen unterscheidet, ist im Wesentlichen die Beurteilung der Zugangsbarrieren. Beide Anträge fokussieren sich auf die Preise als zentrale, subjektive Zugangsbarrieren beziehungsweise nachfragemindernde Faktoren. Ich glaube das nicht. Die Eintrittspreise liegen für Erwachsene im Bereich von Kinokarten, darauf hat Herr Wersich schon hingewiesen, für Jugendliche oft noch wesentlich darunter. Das kann es nicht sein.

Für den Hauptfaktor, der Menschen vom Museumsbesuch abhält, halte ich die intellektuelle und bildungsbürgerliche Anmutung vieler Museen im Zusammenhang mit einer unzureichenden Einführung und Erklärung. Viele Menschen werden in Museen erschlagen von einer Fülle von Exponaten, die sie nicht verstehen, wenn sie nicht entweder einen sehr starken, einschlägigen Bildungshintergrund haben, am besten nach einem Studium der Geschichte oder Kunstgeschichte, oder adäquat und zielgruppengerecht hingeführt werden. Ich selbst bin ein häufiger Museumsbesucher in Hamburg und anderswo. Und ich selbst kritisiere auch häufig die unzureichende Information über den Background und die Details des ganzen Museums, bestimmter Sammlungen oder einzelner Exponate. Die Audioguides haben hier schon einen gewissen Fortschritt gebracht in den letzten Jahrzehnten, aber noch lange nicht genug. Und die Audioguides selbst sind von sehr unterschiedlicher Qualität, insbesondere was die Sprache, damit meine ich jetzt nicht Deutsch oder Englisch, sondern die intellektuelle Sprache der Audioguides, und auch die Zugangsvoraussetzungen für den Nutzer, betrifft. Museen sind geballte Kultur,

(Jens Meyer)

zu der man hinführen muss, damit sie auch für Menschen verständlich sind, die nicht etwas Einschlägiges studiert haben.

(Hansjörg Schmidt SPD: So wie Herr Höcke!)

Was man gleichzeitig besser und gratis machen sollte – wohlgemerkt: und gratis machen sollte –, sind in der Tat die Audioguides, und zwar sie mit unterschiedlichen Niveaus von Breite und Tiefe zu versehen. Das bietet eine Fülle von Möglichkeiten auch für individualisierte Zugänge zum Verständnis des Ausgestellten.

Was es ebenfalls in jedem Museum geben sollte, sind ein oder mehrere Videos am Eingang, in denen kurze Filmchen den Hintergrund beleuchten und Verständnis wecken für Epochen, Künstler und Exponate. Wenn man also dem Finanzminister zusätzliche Mittel für Hamburger Museen entlocken könnte, was ich mir doch wünschen würde, dann sollte man es in bessere Erklärung für Erwachsene und bessere Museumspädagogik für Schüler stecken. Das bringt wesentlich mehr für die Besucherzahlen und das Kulturerlebnis und vor allem auch das Kulturverständnis als freier Eintritt, der schon jetzt sehr niedrig ist.

(Glocke)

Dann sage ich noch einen Satz zu dem Antrag der SPD und der GRÜNEN. Herr Wersich hat zwar recht, das ist sehr viel Selbstbeweihräucherung, aber es ist trotzdem im Kern richtig, vor allem das Petitum ist richtig. Dies betont nämlich gerade die stärkere Zuwendung für die Museen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Professor Kruse. – Jetzt hat die fraktionslose Abgeordnete Frau Heyenn das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2015 steht folgende Passage. Ich zitiere:

"Hamburgs kulturelles Leben ist einzigartig. Ob Kunsthalle oder Reeperbahn Festival, ob Staatsoper oder Kinderbuchhaus – die Vielfalt der Kultur in Hamburg macht ihren Reichtum aus. Die Hamburgerinnen und Hamburger können täglich aus einem vielfältigen Kulturangebot schöpfen […]."

So stimmt das leider nicht. Viele Hamburgerinnen und Hamburger sind von kulturellen Einrichtungen ausgegrenzt. Die Regierungsfraktionen sprechen in ihrem Antrag viel vom Abbau der Barrieren, meist allerdings in baulicher Hinsicht. Der Präsident des Deutschen Museumsbundes sieht das anders. Ich zitiere:

"Wir reden ja immer übers barrierefreie Museum und vielfach ist die erste Barriere eben ein Eintrittspreis."

Zitatende.

Die rot-grüne Parlamentsmehrheit zählt in ihrem Antrag detailliert die Ermäßigung für über zehn verschiedene Zielgruppen auf, die es in den staatlichen Museen in Hamburg gibt. Damit soll belegt werden, dass genug getan wird für eine uneingeschränkte Teilhabe am Kulturangebot. Aber einmal abgesehen von der Stigmatisierung von ALG I-und ALG II-Empfängerinnen und -Empfängern, so erhalten Studierende nur einen ermäßigten Eintritt, wenn sie ein dem Museum zugewandtes Fach studieren.

(Gabi Dobusch SPD: Dann zahlen sie gar nicht! Dann sind sie frei!)

Also Historiker dürfen nur ins Museum für Hamburgische Geschichte, da bekommen sie eine Ermäßigung, Kunststudenten in der Kunsthalle. Und ich frage mich, welche Studierenden erhalten denn Ermäßigung im Museum der Arbeit? Das hätte ich gern einmal gewusst.

Dass es für Jugendliche bis 18 Jahren einen freien Eintritt gibt, ist sehr erfreulich, aber warum müssen denn Jugendliche ab 12 Jahren bei der Langen Nacht der Museen jetzt am 22. April 10 Euro Eintritt zahlen? Das wüsste ich auch gern einmal. In einer Schriftlichen Kleinen Anfrage habe ich den Senat gefragt, ob er sich mit dem Verzicht von Eintrittsgeldern in Museen und dessen möglichen Auswirkungen befasst hat. Die Antwort, nein, dazu bestände bisher keine Veranlassung. Das war im Oktober 2016.

Überall in Europa und auch in anderen Bundesländern machen sich viele Politikerinnen und Politiker Gedanken, wie sie die soziale Ausgrenzung beim Museumsbesuch herunterfahren können. Nur RotGrün in Hamburg nicht, das haben wir doch eben zur Genüge gehört. Stattdessen begründen Sie Ihr "Weiter so" damit, dass für bestimmte Zeiträume Ermäßigungen für alle Besucher eingerichtet werden. Es war Ihnen offenkundig selbst zu mühsam herauszufinden, um welche bestimmten Zeiträume es sich dabei beim Museum für Kunst und Gewerbe handelt. Und genauso ist das, das kann sich keiner merken und will sich auch keiner merken, wann es wo einmal einen halben Tag freien Eintritt gibt. Wie wäre es denn mit einem freien Eintritt wie in anderen Städten? In London, Antwerpen, Leipzig, München oder Essen, die machen es uns vor. In Berlin will Rot-Rot-Grün das auf den Weg bringen. In Baden-Württemberg hat die oppositionelle SPD-Fraktion einen neuen Vorstoß gewagt mit der Ansage, dass die Sammlungen der Museen des Landes für alle Bürgerinnen und Bürger frei zugänglich sein müssen. Und was sagt die SPD in Hamburg? Hemmschwellen sollen abgebaut und

(Dr. Jörn Kruse)

niedrigschwellige Veranstaltungsformate und museumspädagogische Angebote sollen vom Senat unterstützt werden.

(Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Ich möchte die Gruppen, die in den Gängen oder auch hinten im Saal stehen und sich ziemlich laut unterhalten, doch bitten, leise zu sein. Im Moment spricht Frau Heyenn und nur sie. Schönen Dank.

Und das, was Sie dort fordern, ganz ehrlich, ist das Tagesgeschäft der Museen und daran arbeiten die seit Jahren, und zwar sehr intensiv. Der Eintrittspreis ist die größte Barriere. Die Frage, die sich stellt, ist, wie man diese Barriere beseitigt.

Neben einem freien Eintritt einmal im Monat, einmal die Woche oder immer gibt es viele Modelle. So zum Beispiel in München. Jeden Sonntag beträgt der Eintritt in den staatlichen Museen 1 Euro. Bundesweit ist die Diskussion dazu im vollen Gange, es wird Zeit, dass das auch die Regierung in Hamburg endlich anpackt, nur man muss sagen, gerade in Hamburg. Der SoVD hat darauf hingewiesen, dass im Jahre 2015 mehr als 23 000 über 60-Jährige auf Grundsicherung angewiesen sind. Im März 2016 waren es bereits über 24 000. Der Sozialverband stellt fest, dass die Altersarmut in Hamburg ständig zunimmt, und einige sprechen sogar von Hamburg als Hauptstadt der Altersarmut. Was liegt also näher, als einen ersten Schritt zu machen und eine Ermäßigung für Senioren in den Hamburger Museen einzuführen? Die gibt es nämlich nicht, und viele haben mich angesprochen. Das ist überfällig, und weiter ist überfällig, die FDP hat es angesprochen, dass große Spendenboxen im Eingang aufgestellt werden. Das kostet nichts, dafür muss man keinen Prüfauftrag formulieren. Überhaupt, denke ich, wäre es wichtig, alle Anträge an die Ausschüsse zu überweisen, eine Expertenanhörung durchzuführen. Das, was die Regierung hier vorschlägt, ist eine Beerdigung erster Klasse für dieses Thema für die nächsten Jahre, und das wäre schade.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP)

Schönen Dank, Frau Heyenn. – Jetzt hat der Abgeordnete Herr Hackbusch von der Fraktion DIE LINKE das Wort.

Ich war doch einmal sehr gespannt auf die Argumente, die gekommen sind, um zu sagen, warum der Antrag, den wir gestellt haben oder den die FDP gestellt hat, falsch ist und warum er noch nicht einmal an den Ausschuss überwiesen werden sollte, um das zu be

sprechen. Das wesentliche Argument, das Sie hier genannt haben, Frau Dobusch und Herr Gögge haben es auch wiederholt, ist falsch. Denn Sie sagen, als die Kunsthalle praktisch freien Eintritt hatte, steigerten sich bei ihr die Besucherzahlen, während in den anderen Museen die Besucherzahlen in der gleichen Höhe abnahmen. Das ist einfach grundsätzlich falsch gewesen. Dort sind einige weniger gewesen, aber trotzdem waren es insgesamt viel mehr. Und auch die Lange Nacht der Museen und die Erfahrung in anderen Bundesländern zeigen, dass die Frage des Eintrittspreises eine wichtige Frage ist, die Sie nicht einfach so wegwischen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Zweite ist das Argument, das Sie dann angeführt und durchaus richtig angeführt haben, zu sagen, es soll ein öffentlicher Raum sein. Das wurde auch von verschiedenen anderen in der Diskussion dargestellt. Zu sagen, es sei ein öffentlicher Raum, für den wir Eintritt nehmen, das ist doch Unsinn.

(Dietrich Wersich CDU: Deswegen sind un- sere Zuschauerräume alle voll, weil es kei- nen Eintritt kostet!)

Das sind doch keine öffentlichen Gebäude, der Rathausplatz ist ein öffentliches Gelände, aber doch nicht da, wo ich Eintritt bezahlen muss, Herr Wersich. Das ist einfach falsch. In dem Augenblick, wenn ich Eintritt bezahlen muss, ist es kein öffentliches Gebäude, kein öffentlicher freier Bereich mehr. Und dementsprechend gehört zu öffentlichen Plätzen und öffentlichen Räumen, wenn wir das dort machen sollen, dass es eintrittsfrei sein muss. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann kam das Argument mit dem Spielraum, das Herr Wersich eingebracht hat, um sich danach natürlich gleich zu widersprechen. Denn der Spielraum der Museen ist in den letzten Jahren so, wie Herr Wersich das auch ausgeführt hat, kräftig eingeschränkt worden.

(Dietrich Wersich CDU: Nee, umgekehrt!)

Das ist in gewisser Weise fast ein Genickbruch. Denn wenn der Spielraum darin besteht, wie in den letzten Monaten geschehen, dass die Museumspreise hochgesetzt werden, dann ist es doch kein Spielraum, das ist in gewisser Weise eine Möglichkeit, irgendwie mit einer schlechten Situation zurechtzukommen, aber doch kein Spielraum, der zusätzlich für die Museen da ist, obwohl wir natürlich sagen wollen, die Museen sind eigenverantwortlich, aber es ist eine politische Aufgabe, ob wir für den Eintritt sind oder nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Und dementsprechend noch einmal eine Bemerkung zum FDP-Antrag: Insgesamt finde ich das

(Dora Heyenn)

auch, wir sind uns nicht sicher, welcher der richtige Weg ist und ob die Sammlung vor allen Dingen frei sein sollte oder nur ein Tag eintrittsfrei. Das ist in gewisser Weise ein Vorschlag, den wir machen, wir würden ihn gern diskutieren. Dementsprechend ist der Weg, das im Ausschuss zu diskutieren – das hat auch Frau Heyenn hier deutlich ausgedrückt –, genau der richtige dafür, und es wäre eine wichtige Aufgabe, das dort zu besprechen.

Was mir an Ihrem Antrag nicht gefällt, ist die Idee zu sagen, wenn die Museen das selbst erarbeiten müssen, bestehe natürlich die Gefahr, dass die Kommerzialisierung oder Disneylandisierung dieser Bereiche stärker ausgeprägt wird. Das ist nicht die Art und Weise, wie wir mit den Museen als öffentliche Bildungsstätte umgehen wollen. Deswegen sehen wir diesen Bereich skeptisch, auch wenn wir durchaus finden, dass einige Vorschläge, wie Pay as You Can,

(Michael Kruse FDP: Das ist doch unser Vorschlag!)

eine wichtige Möglichkeit darstellen, vielleicht auch Mehreinnahmen zu erhalten.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Frau Dobusch ist noch nicht einmal mit ihrem Vortrag hier durchgekommen und hatte noch nicht einmal genug Zeit dafür. Dann stellt sich Rot-Grün hin und überweist das nicht an den Ausschuss, das ist unverständlich. Das ist eine Art und Weise nach dem Motto, wir sind uns selbst genug, wir haben genug mit uns selbst zu tun, das reicht uns völlig. Das ist gegen den Parlamentarismus und gehört sich nicht.