Protokoll der Sitzung vom 28.06.2017

Wenn wir beim Thema Flucht sind: Wir haben eine Tageszeitung in Hamburg, die vor wenigen Tagen darauf aufmerksam gemacht hat, dass sich auf unserem Nachbarkontinent, im Südsudan, eine Hungerkatastrophe zusammenbraut, von der 5,5 Millionen Menschen betroffen sind.

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Wir selbst merken und wissen häufig gar nicht, dass es sie gibt, und sie ist dramatisch. Ich glaube, wenn wir einen Gipfel derjenigen haben, die in der Welt etwas zu sagen haben, dann werden sie sich dieses Themas annehmen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Das glaubst du doch selber nicht!)

Ich glaube – und deswegen haben wir diese Debatte auch so angemeldet –, dass es wichtig ist, Haltung zu zeigen in dieser Frage und über diese Inhalte zu diskutieren. Lieber Herr Trepoll, deshalb fand ich Ihren Debattenbeitrag in der Frage etwas deplatziert, zumal Sie ja die Partei der Wehrpflicht, des Mindestlohns, des Atomausstiegs und demnächst auch der Ehe für alle sind. Sie sind die Partei, die doch etwas konturlos momentan daherkommt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Dennis Thering CDU: Das sagen die GRÜ- NEN? – Glocke)

Herr Dr. Tjarks, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Nockemann?

Nein.

Wenn man die Frage der Haltung betrachtet, dann muss man natürlich auch hier Haltung einnehmen: eine Haltung zu Donald Trump, eine Haltung zu Herrn Putin und eine Haltung zu Herrn Erdogan. Da reicht es nicht, auf der einen Seite auf DITIB zu schimpfen und auf der anderen Seite zu sagen, aber ich mache mit Herrn Erdogan einen TürkeiDeal. Das ist eben etwas, das ein bisschen zu kurz greift, Herr Trepoll.

(Zuruf)

Ihr inhaltlicher Beitrag, Herr Thering, ist, dass Sie Kekse und Äpfel an die Polizisten verteilen wollen. Das werden wir auch ohne Sie hinbekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Nun bekommt Frau Dr. Schaal von der SPD-Fraktion das Wort.

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Klimaschutz zahlt sich aus und steigert laut einer aktuellen OECD-Studie für den G20 das Wirtschaftswachstum um 5 Prozent. Das ist die Hamburger Botschaft in Sachen Klimaschutz an die G20.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

In Hamburg wollen die G20 die Weichen für die Erreichung des Zwei-Grad-Ziels stellen. Doch davor gibt es eine Menge Fleißarbeit zu leisten. Die sogenannten Sherpas bereiten gerade den Aktionsplan Klimaschutz vor. Erstmals arbeiten dabei Arbeitsgruppen für Energie und Klimaschutz zusammen. Die Ergebnisse sind leider noch unter Verschluss, aber alle sind daran interessiert, dass die Arbeitsgruppe den Durchbruch schafft. Das berichtete uns gestern im Umweltausschuss eine Vertreterin des Bundesumweltministeriums, und ich fand, die Referentin strahlte durchaus Zuversicht aus.

Es wäre in der Tat eine sehr große Sache, wenn in Hamburg der Klimaschutz einen Schritt weiterkäme – auch mit Trump, denn aufgrund des Konsensprinzips bei den Vereinbarungen geht bei G20 ohne ihn gar nichts. So gebe es im Weißen Haus durchaus auch Klimabefürworter, berichtete uns die Referentin vom Ministerium. Ein Teil der USAdministration habe sehr wohl erkannt, welche Wachstumspotenziale im Klimaschutz steckten. Schließlich kommt der Wirtschaftsminister der USA aus der Mineralölwirtschaft, die längst ihre Investitionen in erneuerbare Energien lenkt.

Das G20-Treffen im September 2016 im chinesischen Hangzhou unterstützte das rasche Inkrafttreten des Pariser Klimaabkommens, und im Dezember des vergangenen Jahres haben dann 195 Staaten in Paris tatsächlich alle das Abkommen unterschrieben. Das macht Hoffnung, dass jetzt von Hamburg auch ein Signal für die Umsetzung des Pariser Abkommens ausgeht und dass dafür auch Geld bereitgestellt wird.

(Beifall bei der SPD)

Verheerende Unwetter und Überschwemmungen kosteten 2016 weltweit Tausende von Menschen das Leben und verursachten Vermögensschäden in Höhe von 125 Milliarden US-Dollar. Darum ist es unverständlich, dass ausgerechnet der amerikanische Präsident den Klimawandel als Erfindung der Chinesen diffamiert und die Mittel für den Klimaschutz einstampft. Dabei sind es gerade die Chinesen, die jetzt zusammen mit den Deutschen das klimafreundliche Wachstum vorantreiben.

Deutschland hat im Vorfeld des Gipfels viele bilaterale Gespräche geführt, damit G20 ein Erfolg wird. Ich hoffe, das gelingt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Herr Trepoll von der CDU-Fraktion hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, das ist genau das, was ich gemeint habe: Ich glaube, dass die große Mehrheit der Hamburger sich sehr wohl bewusst ist, dass es diese Zusammenkünfte geben muss, aber ich finde, Sie hätten ihnen auch deutlicher machen müssen, welche Einschränkungen das mit sich bringt. Das ist etwas, wo man sich dann auch einmal herablassen muss von den Höhen der Weltpolitik und auf die Menschen zugehen muss. Das hat einfach gefehlt. Das haben Sie in Ihren Äußerungen nicht erkennen lassen.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Kruse und Katja Suding, beide FDP)

Ich glaube, dass es richtig ist, dass wir uns damit auseinandersetzen, wie sich Globalisierung heutzutage gestaltet.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Ich will einmal etwas einwerfen, das möglicherweise auch auf Kritik stößt: Man muss natürlich – das müssen wir viel stärker betonen – auch die positiven Seiten der Globalisierung in den Vordergrund stellen. Selbstverständlich gibt es enorme Verwerfungen und Herausforderungen, Herr Tjarks. Aber schauen Sie sich einmal an, wie sich zum Beispiel in den letzten 40 Jahren die Quote der Menschen, die von absoluter Armut bedroht sind in unserer Welt, verändert hat. Das waren am Anfang der Siebzigerjahre noch 60 Prozent, jetzt sind wir bei 14 Prozent. Schauen Sie sich an, wie sich Kindersterblichkeit, Hunger, selbst kriegerische Konflikte und Tote entwickelt haben. Es ist richtig, dass wir sagen, dass wir mit dieser Entwicklung bei Weitem nicht zufrieden sind und uns anstrengen müssen, damit wir als Weltgemeinschaft, als internationale Gemeinschaft und insbesondere als die Staaten, die wirtschaftlich stark sind, weiter zur Lösung beitragen. Ich finde, das ist der richtige Ansatz. Er darf aber nicht vermischt werden mit dem Motto: Globalisierung ist nur schlecht und hat nur negative Auswirkungen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Hat doch keiner gesagt! Was reden Sie denn?)

Herr Tjarks, dass Karl Marx von der Geschichte und der Natur des Menschen widerlegt wurde, ist mittlerweile auch Ihnen klar. Von daher finde ich diesen Vergleich ein bisschen gewagt. Interessant ist, dass Sie sich überhaupt nicht geäußert haben zu den Dingen, die Ihnen viele Redner vorgeworfen haben: diese Doppelzüngigkeit, sodass wir gar nicht wissen, welchen Standpunkt Sie vertreten.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Frau Gallina, Sie haben die Möglichkeit, eine andere Sicht darzulegen. Das würde mich schon interessieren.

Ich finde es beeindruckend, wie die Kanzlerin sich diesem Prozess zugewandt hat. Weder Herr Scholz noch ich nehmen an den Verhandlungen teil, sondern es ist die Bundesregierung, die diese Verhandlungen führt. Die Kanzlerin hat es in dieser Woche mir gegenüber noch einmal bestätigt.

(Zurufe von der SPD: Ui!)

Sie war Anfang der Woche hier, hat sich mit den NGOs unterhalten und den Forderungskatalog entgegengenommen. Sie überhöht die Erwartungen an den Gipfel nicht, denn sie sagt klar: Nach den Dingen, die in Amerika passiert sind, werde es beim Thema Klimaschutz wahrscheinlich keinen vernünftigen Fortschritt geben. Umso wichtiger ist es, Herr Scholz, dass wir uns Themen wie zum Beispiel der Stärkung der wirtschaftlichen Situation auf dem afrikanischen Kontinent zuwenden, dass wir dort konkret etwas machen können, dass wir bei der Gleichstellung von Männern und Frauen

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wichtiges The- ma!)

in Ländern des südlichen Kontinents etwas machen können. Das macht unsere Kanzlerin aus.

Herr Tjarks, ein letzter Satz zum Abschluss: Was konservativ ist, das verändert sich im Laufe der Zeit. Das hat moderne Konservative schon immer ausgemacht, und das wird auch so bleiben. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Herr Trepoll. – Jetzt liegen mir zwei Wortmeldungen aus der Links-Fraktion vor. Frau Özdemir bekommt das Wort als Erstes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Scholz, Sie haben hier wirklich eine Romantik-Show abgeliefert.

(Dirk Kienscherf SPD: Oho!)

Sie haben sich gedrückt vor den eigentlichen Fragen und vor den ungelösten Problemen.

Was Sie dargestellt haben, möchte ich einmal einem Zitat aus dem Leitartikel des "Handelsblatts" von heute gegenüberstellen. Thomas Tuma schreibt:

"Am 7. und 8. Juli wird Hamburg dann ordnungsgemäß eine Festung sein. Oder ein Gefängnis. Je nach Perspektive."

(Dennis Gladiator CDU: Gefängnis für den militanten Linksextremismus!)

"Auf jeden Fall ein Hochsicherheitstrakt, der mit friedvoller Völkerverständigung nur noch so viel zu tun hat wie Flugzeugträger mit Hans-Albers-Romantik."

Was Sie hier geliefert haben, ist eine RomantikShow.

(Dennis Gladiator CDU: Ich stelle mir Ro- mantik anders vor!)

Sie sprechen über die Gruppe der G20, die durch nichts legitimiert ist. Hier versammeln sich die Mächtigsten der Welt und reden über die 172 anderen, sogenannten schwächeren Länder. Lassen Sie uns doch einmal überlegen, wer eigentlich nach Hamburg kommt. Wir haben Kriegstreiber wie Erdogan. Wir haben den saudischen König, der damit beschäftigt ist, Menschen zu köpfen. Wir haben Trump, der sich eben nicht an bestimmte Abkommen halten möchte, sondern seine eigene Agenda hat. Und die wollen hier über Frieden sprechen?