Protokoll der Sitzung vom 13.09.2017

Pöbeln Sie nicht so viel rum, Herr Trepoll. Auch Sie können hier vorn gern etwas sagen zu der Frage, wie die CDU zu den Gebühren steht; wir warten alle drauf.

Schon ab 2018 wird Hamburg die ersten 500 zusätzlichen Fachkräfte einstellen, um auf die Betreuungsquote von 1:4 zu kommen. Wir verfolgen dieses Ziel plangemäß weiter bis 2021, und ich kann Ihnen sagen in einer Koalition, die ein ATeam hat: Unser Plan wird funktionieren, denn wir lieben es, wenn ein Plan funktioniert. – Danke.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der Applaus galt Ihnen. – Herr Yildiz von der Fraktion DIE LINKE, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Eines muss man deutlich sagen: Tausende Beschäftigte im Kita-Bereich machen in dieser Stadt eine tolle Arbeit, und sie machen sich seit Jahren dafür stark, dass dieser Bereich immer besser wird. Aber man muss auch deutlich sagen, dass bis heute keine einzige Initiative von der SPD oder den GRÜNEN gekommen ist,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Doch!)

sondern Sie haben diese Forderungen der Beschäftigten übernommen. Die Volksinitiative "Frühkindliche Bildung ist ein Grundrecht"

(Zuruf von Juliane Timmermann SPD)

ist eine Initiative der Beschäftigten und der Gewerkschaften gewesen.

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

(Anna Gallina)

Ohne den Druck von außen, Herr Dressel, kommen Sie nicht dahin, von sich aus die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten und die Bedingungen in den Kitas zu verbessern.

(Beifall bei der LINKEN)

Und es so darzustellen, dass solch eine Volksinitiative aus heiterem Himmel komme … Die Menschen haben keine Langeweile. Diese Menschen arbeiten unter extremen Bedingungen und tun ehrenamtlich alles dafür, dass die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Eine Volksinitiative bedeutet, sehr viel Arbeit in etwas zu stecken. Daher kann man es nicht einfach so darstellen, dass die Beschäftigten, die Gewerkschaften oder die Eltern Langeweile hätten und jetzt wieder eine Volksinitiative starten. Sie werden wieder auf die Schnauze fallen, wenn Sie nicht reagieren, wenn Sie nicht mit der Initiative reden.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Wir werden noch sehen, wer da auf die Schnauze fällt!)

Ich will von diesem Wahlkampf weg.

(Zurufe von Dr. Andreas Dressel SPD und Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Ach so! Alles klar!)

Wir als Links-Fraktion haben konkrete Vorschläge gemacht, was man tun kann, wenn man tatsächlich Interesse daran hat, in diesem Bereich auch langfristig Erfolge zu erwirtschaften.

67 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher arbeiten in Teilzeit. 67 Prozent. Das ist keine Statistik von mir, das ist die Zahl, die uns die Senatorin in der Antwort auf eine Große Anfrage genannt hat. Es ist nicht so, dass alle Beschäftigten freiwillig Teilzeit arbeiten. Gehen Sie doch einmal auf die Gewerkschaft und die Beschäftigten zu

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das haben wir sogar schon gemacht!)

und bieten Sie an, dass die Vollzeitbeschäftigung erhöht wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweiter Punkt – Herr Dressel, hören Sie einmal kurz zu, damit Sie vielleicht etwas mitnehmen können –: 20 Prozent der Auszubildenden zur Erzieherin und zum Erzieher brechen noch während ihrer Ausbildung die Ausbildung ab. Nach der Ausbildung gehen weitere 20 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher einer anderen Arbeit nach oder bilden sich fort und machen etwas anderes. Da müssen Sie sich fragen, was die Gründe sind. Das sind zusammengerechnet 40 Prozent der Auszubildenden zur Erzieherin/zum Erzieher, die am Ende etwas völlig anderes machen. Tun Sie doch einmal etwas dafür, dass die Rahmenbedingungen bei der Erzieherausbildung verbessert werden, dass Erzieherinnen und Erzieher im Beruf bleiben und auch in diesem Bereich arbeiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Da geben Sie mir recht; vielen Dank, Herr Dressel.

Dritter Punkt: Der Krankenstand in Hamburg ist sehr hoch; nach dem, was uns geantwortet wurde, liegt er bei den Elbkindern im Durchschnitt bei 17,5 Prozent. Eine durchschnittliche Erzieherin geht mit 60 in Rente. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das zeigt deutlich, dass die Arbeitsbedingungen im Bereich Kita nicht einfach sind. De facto könnten die Erzieherinnen und Erzieher länger arbeiten, wenn man die Arbeitsbedingungen verbessert. Man hat am Ende auch haushalterisch und volkswirtschaftlich etwas davon. Tun Sie doch einmal etwas dafür, dass unsere Erzieherinnen und Erzieher gesund in die Rente gehen und nicht krankheitsbedingt.

(Beifall bei der LINKEN)

Lieber Herr Heißner, 2004 hat Ihre Fraktion es durch Kürzungen im Kita-Bereich hinbekommen, dass dort diese schlechten Arbeitsbedingungen herrschen. Ich teile einige Ihrer Kritikpunkte, aber mich wundert, dass Sie dieses Thema zu einem Wahlkampfthema machen,

(Dennis Thering CDU: Wir haben es nicht angemeldet!)

aber wenn es dann darauf ankommt und wir Anträge stellen, um diese Rahmenbedingungen zu verbessern, dann lehnen Sie diese Anträge ab. Das bedaure ich.

(Beifall bei der LINKEN)

Am Ende möchte ich allen Fraktionen einen Vorschlag machen; ich glaube, die Regierungsfraktionen haben damit begonnen, als sie jetzt mit der Initiative Kontakt aufgenommen haben. Ich kann Ihnen eines sagen: Als Schwarz-Grün die Kürzungsmaßnahmen beschlossen hat, haben die Eltern und die Beschäftigten innerhalb von drei Wochen 70 000 Unterschriften gesammelt, damit diese Kürzungen zurückgenommen werden. Daraufhin haben SPD und GRÜNE sie, nachdem sie ihren Koalitionsvertrag vereinbart hatten, zurückgenommen. Das haben wir befürwortet. Wenn Sie nicht wollen, dass auch diese Initiative in kurzer Zeit 40 000 bis 50 000 Unterschriften sammelt und Sie wieder – und noch dazu vor dem Wahlkampf – einen Volksentscheid haben, dann tun Sie etwas dafür, dass bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden und die Erzieherinnen und Erzieher ihre Zeit nicht noch einmal ehrenamtlich mit einer Volksinitiative verbringen, sondern mit ihren Kindern, mit ihren Familien. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Da wir am Ende der Redezeit wären, sich aber Frau Senatorin Dr. Leonhard gemeldet hat, bekommt sie jetzt das Wort. Im Anschluss daran haben, wieder anfangend mit der üblichen Reihenfolge, alle Fraktionen noch einmal die Möglichkeit, für drei Minuten zu antworten. – Frau Senatorin Dr. Leonhard, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin jetzt dran, damit Sie noch einmal zu Wort kommen; so ist es nach der Geschäftsordnung in der Aktuellen Stunde.

Die Debatte ist eine sehr wichtige. Deswegen ist es in Ordnung, dass wir hier regelmäßig über das Thema frühe Bildung und Betreuung debattieren. Das werden wir auch weiterhin tun müssen, um die unterschiedlichen Aspekte angemessen zu beleuchten. Ich finde, wir müssen einmal sagen, dass es schon eine Besonderheit ist – und sie ist so groß, dass die Bertelsmann Stiftung sie, wenn man über das Management Summary hinaus liest, aufgenommen hat –, dass in Hamburg mehr als 83 000 Kinder von früher Bildung und Betreuung in Kitas und Kindertagespflege profitieren, dass wir als eines der sehr wenigen Bundesländer in der Lage sind, den Rechtsanspruch der Eltern auf einen Betreuungsplatz zu erfüllen und damit – und das ist unbestritten – einen wichtigen volkswirtschaftlichen Beitrag leisten. Das ist uns auch attestiert worden an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dora Heyenn fraktionslos)

Diese Kinder werden hervorragend betreut, in vielen Einrichtungen in dieser Stadt, deren Größe von knapp 20 Kindern bis hin zu 200 Kindern reicht. In Hamburgs Kitas findet Bildungsarbeit statt, das ist überhaupt keine Frage und das kann niemand bestreiten. Das Spektrum reicht von integrierter Sprachförderung bis hin zu ausgezeichneten Frühförderstätten für Kinder mit Behinderung. Auch das würdigen die verschiedenen Studien bundesweit. Das wird inzwischen international anerkannt. Und wer möchte, hat die Wahl zwischen dem Besuch einer Kita, die eine Bewegungs-Kita ist, einer, die einen Musikschwerpunkt hat, bekenntnisorientierten Kitas oder einer Wald-Kita. Dass man in Hamburg auch einmal wechseln kann, zum Beispiel, wenn man umzieht, und nicht den Platz nehmen muss, der einem zugeteilt wird, allein das ist ein Verdienst und eine große Leistung, und daran arbeiten viele Erzieherinnen und Erzieher in der Stadt mit.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dora Heyenn fraktionslos)

Der Betreuungsschlüssel ist ein wesentlicher Beitrag zu Qualität im Kita-Alltag, das ist unumstritten

und das ist überhaupt keine Frage. Deswegen haben wir uns gemeinsam mit den Kita-Trägern und gemeinsam mit Elternvertretern – übrigens im Konsens – auf den Weg gemacht, unseren schrittigen Plan umzusetzen, die Qualität in den Kitas zu verbessern, weil zwei Wahrheiten unabhängig voneinander gelten – ich sage dann auch gleich noch etwas zum Thema Bertelsmann Stiftung – und einfach anerkannt werden müssen, wenn man über dieses Thema spricht: Dass in den letzten Jahren unser Kita-System so viel Zulauf hatte, hat natürlich auf der einen Seite mit der erfolgreichen Arbeit zu tun, es hat aber auch etwas damit zu tun, dass wir aufgrund des Rechtsanspruchs einen erheblichen Ausbau hatten und wir jetzt auch in Stadtteilen Kinder mit früher Bildung und Betreuung erreichen, in denen es vorher wirklich schwer war, einen Platz zu bekommen. Das heißt: Insgesamt sind sehr viel mehr Kinder im System als noch vor einigen Jahren, und das ist auch politisch gewollt.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dora Heyenn fraktionslos)

Eine gute Erzieherinnen- und Erzieherausbildung dauert aber eine gewisse Weile, bis zu fünf Jahre, je nach Bildungsabschluss. Und obwohl wir sehr rechtzeitig in Abstimmung mit der Schulbehörde begonnen haben, die Bildungskapazitäten in Hamburg von knapp 600 Plätzen auf inzwischen über 1 000 zu erweitern, ist es so, dass die Zahl der Kinder in Hamburg überproportional noch weiter gestiegen ist, und das finden wir gut und richtig. Deswegen werden wir den Schritt des Personalaufbaus in den Kitas schrittweise umsetzen müssen. Das hat gar nicht ausschließlich etwas mit Kosten zu tun. Wir sind hier inzwischen in einer Dimension unterwegs – damit man einmal einen kleinen Geschmack davon bekommt –, die bedeutet – und das hat Bertelsmann übrigens auch schwarz auf weiß aufgeschrieben –, innerhalb eines Jahres 3 700 Erzieher finden zu müssen, wenn man ihren Empfehlungen auch nur annähernd nahe kommt. Wenn man das in Geld umrechnet, dann kommt man auf eine Summe für die Elternbeiträge, wenn man sie denn wieder einführen wollte – und ich sage hier sehr offen, dass ich das nicht will;

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dora Heyenn fraktionslos)

das ist nicht mein Ziel –, die schnell mehrere Hundert Euro pro Haushalt betragen würde.

Hamburgs Eltern sind froh darüber, dass sie so einen guten Zugang haben und sie ihn sich auch leisten können, denn das macht etwas mit den Familieneinkommen insgesamt und mit der Chance, in einer Stadt leben bleiben zu können oder ins Umland ziehen zu müssen. Das muss man auch einmal erwähnen an dieser Stelle.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dora Heyenn fraktionslos)

Durchdenken wir einmal konsequent, was passiert, wenn man diese Forderungen, die im Raum stehen und die einige von Ihnen genannt haben, umsetzen würde, selbst mit einem gewissen Zeithorizont, wenn man nicht gleichzeitig sozusagen ad hoc alles pädagogische Personal dafür zur Verfügung hat – und das wird so sein, auch weil wir noch freie Berufswahl haben und übrigens auch nicht alle Absolventen der Fachschulen Erzieher werden müssen; wir brauchen sie auch in anderen Bereichen und wir sind sehr froh darum, dass der eine oder andere gern anderswo arbeitet. Das gehört dazu. Wir haben freie Berufswahl. Dann bedeutet das aber auf lange Sicht, wenn man es konsequent durchdenkt, dass man mit der gleichen Anzahl von Fachpersonal weniger Betreuungsplätze anbieten würde. Und welche soziale Botschaft das ist in diese Stadt und für den Standort Hamburg, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

(André Trepoll CDU: Aber das ist dann doch der falsche Weg!)

Das ist der falsche Weg, genau. So ist es.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Dora Heyenn fraktionslos)