Protokoll der Sitzung vom 13.09.2017

Wer möchte nun zunächst die Drucksache 21/10071 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen? – Die Gegenprobe. – Die Enthaltungen? – Damit ist diese Überweisung abgelehnt.

Dann kommen wir zur Abstimmung in der Sache.

Wer möchte den gemeinsamen Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD aus Drucksache 21/10071 annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag angenommen.

Wir kommen zum nächsten Tagesordnungspunkt, Tagesordnungspunkt 93, Drucksache 21/10221, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Armut von Kindern, Jugendlichen und Jungerwachsenen bekämpfen.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Armut von Kindern, Jugendlichen und Jungerwachsenen bekämpfen – Drs 21/10221 –]

Die Fraktion DIE LINKE möchte diese Drucksache federführend an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss sowie mitberatend an den Aus

(Dennis Gladiator)

schuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen. Die AfD-Fraktion beantragt eine Überweisung nur an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss.

Dieser Tagesordnungspunkt wurde vonseiten der LINKEN als Kurzdebatte angemeldet, sodass wiederum eine Redezeit von nur zwei Minuten pro Debattenbeitrag gilt.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das wird es. Herr Yildiz von der Fraktion DIE LINKE erhält es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinderarmut kann man kleinreden oder groß bekämpfen.

(Beifall bei der LINKEN – Farid Müller GRÜ- NE: Genau!)

Das ist kein Slogan der Links-Fraktion. Vielmehr müssten hier die GRÜNEN klatschen, denn das ist ein Wahlplakat der GRÜNEN. Es wundert mich, dass die GRÜNEN es nicht hinbekommen haben, diesen Antrag an den Ausschuss zu überweisen.

(Farid Müller GRÜNE: Weil wir es so ma- chen!)

Im Koalitionsvertrag steht, Hamburg solle die kinderfreundlichste Stadt Deutschlands werden. Hamburg hat kein Programm gegen die Armutsbekämpfung. Daher haben wir Ihnen einen Maßnahmenkatalog vorgelegt, in dem wir konkrete Vorschläge machen und zeigen, dass wir bereit sind, gemeinsam mit Ihnen die Armut bei Kindern, Jugendlichen und Jungerwachsenen zu bekämpfen. Wir wollen, dass Gewerkschaften, Sozialverbände, Wohlfahrtsverbände und andere Akteure beteiligt werden und man gemeinsam überlegt, wie es gelingt, dass es den Menschen in dieser Stadt besser geht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn man den Durchschnitt des Landesindex nehmen würde, lebt jedes vierte Kind unter Armutsverhältnissen oder ist von Armut betroffen. Daher war unser Vorschlag, diesen Antrag an den Familienausschuss zu überweisen und dort auch die von uns erwähnten Punkte miteinander zu besprechen. Zu diesen konkreten Punkten gehört auch, wie man erreicht, dass der Kinderregelsatz erhöht wird, dass das Kindergeld beim Familieneinkommen nicht vollständig angerechnet wird und davor schützt und so weiter und so fort. Das wären kleinere Beiträge, sodass Menschen nicht unter Armutsbedingungen leben müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt eine Untersuchung vom Kinderhilfswerk, wonach 70 Prozent der Menschen in Deutschland sagen, sie seien sogar bereit, Steuererhöhungen

hinzunehmen, wenn die Kinderarmut bekämpft wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Yildiz. – Es spricht als Nächster Herr Schmitt von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Abgeordnetenkollegen! Armut von Kindern, Jugendlichen und Jungerwachsenen zu bekämpfen ist ein besonders wichtiges Ziel, welchem wir uns als SPD und GRÜNE in Bürgerschaft und Senat ressortübergreifend widmen und höchste Aufmerksamkeit schenken. Das spiegelt sich auch im Haushalt wider.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Hier nur einige wichtige Beispiele aus dem Bereich, den ich mit bearbeite, Familie, Kinder und Jugend. Wir haben im Allgemeinen Sozialen Dienst die Aufstockung der Stellen mit einer Dauerausschreibung und privilegierter Wiederbesetzung. Wir haben Rekordausgaben für frühkindliche Bildung und Betreuung; darüber haben wir in der Aktuellen Stunde schon gesprochen. Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden wir jährlich eine Milliarde Euro dafür ausgeben. Wir bauen Eltern-KindZentren und Elternlotsenprojekte aus, wir stärken die sozialräumlichen Angebote, und natürlich haben wir zahlreiche Projekte und Maßnahmen zur Integration. Ich weiß, liebe Links-Fraktion, dass Sie wissen – Herr Yildiz hat eben darauf hingewiesen –, dass in unserem Koalitionsvertrag auch etwas über die Lebenslagenberichte steht. Natürlich wird es dabei auch um die Armut von Kindern, Jugendlichen und Jungerwachsenen gehen.

In den Fachausschüssen sind wir zu den Aspekten dieses Themas im Gespräch. So haben wir im Familien-, Kinder- und Jugendausschuss gemeinsam mit Ihnen und mit dem Senat und der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration Ihre jüngste Anfrage zu diesem Thema vor der Sommerpause intensiv durchgearbeitet. Auch die Große Anfrage der CDU-Fraktion zur Zwischenbilanz Familie, Kinder und Jugend, man könnte auch sagen, Zwischenbilanz über alles, haben wir an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überwiesen und werden uns damit auch befassen. Das ist sachgerecht. Für Wahlkampfgetöse ist kein Platz, weder im Fachausschuss noch hier. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Schmitt. – Es erhält das Wort Herr Heißner von der CDU-Fraktion.

(Vizepräsident Detlef Ehlebracht)

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Was wir hier erleben, ist das alte Spiel der Partei DIE LINKE. DIE LINKE braucht immer das Bild in der Gesellschaft, dass es sehr vielen Menschen sehr schlecht geht und sehr viele Menschen auf die Unterstützung der Allgemeinheit angewiesen sind, damit die Partei wieder ihre Programme verkünden und hoffen kann, irgendwelche Wählerstimmen zu bekommen. Ihr Problem im Moment ist nur, dass die Lage in Deutschland gar nicht so schlecht ist.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Ach so!)

Uns geht es besser, als es uns in den letzten Jahrzehnten jemals ergangen ist.

(Beifall bei der CDU)

Und was machen Sie in der Partei DIE LINKE? Sie erfinden den relativen Armutsbegriff, schreiben ihn ganz oben rein und sagen, alle, die 60 Prozent des mittleren Einkommens verdienen, seien armutsgefährdet.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Gibt es Armut, oder gibt es keine Armut?)

Das Absurde daran ist, dass nach dieser Logik das Beste, was Ihnen passieren könnte, wäre, dass der HSV absteigt. Dann haben wir nämlich auf einen Schlag 20 Einkommensmillionäre weniger in Hamburg, das mittlere Einkommen würde sinken, und plötzlich würden viel weniger Leute relativ arm sein.

(Martin Dolzer DIE LINKE: Sie sind so zy- nisch!)

Das ist vielleicht kein Zielkonflikt, wenn man überzeugter St. Paulianer ist. Aber den armen Leuten, um die es Ihnen angeblich geht, ist damit überhaupt nicht geholfen, denn sie erhalten dadurch keinen einzigen Euro mehr.

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Haben Sie unseren Antrag gelesen?)

Aber Ihrer komischen Armutsauffassung nach geht es plötzlich viel mehr Menschen besser.

(Beifall bei der CDU und bei Daniel Oetzel FDP)

Das ist das Perverse Ihrer pseudoproletarischen Politik: Ihnen wäre es lieber, dass hundert arme Menschen 100 Euro weniger hätten, solange nur hundert reiche Menschen 1 000 Euro weniger hätten.

(Jörg Hamann CDU: Das ist Sozialismus!)

Das ist nicht richtig, und deswegen sind wir nicht auf Ihrer Seite. Sie reden immer alles schlecht. Was man sich ansehen müsste, wäre absolute Armut. Ich will gar nicht bestreiten, dass es sie gibt und dass man sie auch adressieren muss. Da muss man sich zum Beispiel ansehen, dass bei Al

leinerziehenden 50 Prozent der Kinder, die Hartz IV bekommen, sind. Das ist ein Problem, das aber nicht in einem Fünfzehnpunkteantrag zur Zweiminutendebatte anzumelden ist. Damit ist keinem geholfen. – Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Heißner. – Als Nächste erhält das Wort Frau Engels von den GRÜNEN.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Interessant, dass die regierungstragende Partei im Bund dieses Thema anscheinend so wenig ernst nimmt und sogar die Probleme an manchen Stellen negiert. Aber ich möchte zum Antrag reden. Dieser klingt nach einem großen Wurf und erreicht uns zufällig direkt vor der Bundestagswahl. Der Titel klingt zweifellos vielversprechend. Kinderarmut bekämpfen, das ist natürlich auch ein grünes Anliegen und ein Anliegen der rot-grünen Koalition; dazu hat Herr Schmitt schon einiges gesagt.

Leider muss man bei näherem Hinsehen feststellen, dass es sich um ein um Hamburgensien aufgepepptes Wahlprogramm der LINKEN handelt, nur halt in Antragsform. Ein großer Teil des Petitums sind Forderungen, denen man nur auf Bundesebene nachkommen kann. Auch wir fordern eine Kindergrundsicherung und wollen den Kinderregelsatz erhöhen. Ich könnte Ihnen jetzt noch im Detail unser Wahlprogramm vorlesen; ich lasse es aber.

Über vieles im Antrag kann man trefflich streiten, gern auch über die Forderung von Sachen, die es schon gibt, ebenfalls gern über das Gießkannenprinzip, mit dem Geld und Stellen ohne Bedarfsabfrage verteilt werden sollen. All das ist in einer Kurzdebatte wohl kaum möglich, aber dazu wurde dieser umfangreiche Antrag angemeldet.

Alles in allem macht dies Ihr Forderungspaket zu einem Schaufensterantrag in Wahlkampfzeiten. Deswegen werden wir ihn auch ablehnen, und zwar in allen Ziffern; es ist ja eine ziffernweise Abstimmung beantragt. Wenn Ihnen die einzelnen Punkte in diesem Antrag wirklich wichtig wären, dürften Sie diese nicht in einem Sammelantrag versenken, sondern müssten sie einzeln einbringen. Dieser Sammelantrag wird diesem wichtigen Thema jedenfalls nicht gerecht. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)