Protokoll der Sitzung vom 17.01.2018

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Diese Unterscheidung nützt niemandem. Sie führt nicht zu einem besseren Behandlungsergebnis, sondern schürt den Unmut bei den Patientinnen und Patienten. Zwar benutzte ich noch einmal das Wort Zwei-Klassen-Medizin, aber das ist unzeitgemäß und es wird als Spaltung empfunden. Dabei geht es keiner Gruppe besser. Denn auf der einen Seite nehmen die gesetzlich Versicherten wahr, dass sie bei der Terminvergabe oft hintenanstehen müssen, und das ist wirklich ungerecht und, je nach Krankheitsbild, auch eine echte Belastung. Aber auf der anderen Seite gibt es Privatversicherte, die nicht selten das Gefühl haben, gemolken zu werden, weil sie Behandlungen nahegelegt bekommen, die sie gar nicht nachgefragt haben. Nicht wenige haben auch im Alter ein großes Problem, wenn sie die Beiträge nicht mehr zahlen können; sie können nämlich dann nicht mehr wechseln. Herr Lenders, ob Sie es wollen oder nicht, wir brauchen dringend eine Reform des Krankenkassensystems und die hätten wir vorrangig auf Bundesebene gebraucht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

In der Tat mussten wir leider feststellen, dass in den Sondierungsgesprächen auf Bundesebene die CDU – wir haben es hier noch einmal gehört – ihre Blockade zur Bürgerversicherung aufrechterhalten hat. Das ist schade, denn eine echte Reform hin zu einer gerechteren Versicherung kann so nicht stattfinden. Ich appelliere trotzdem noch einmal, nicht an Herrn Lenders, aber vielleicht an Sie, Herr Trepoll: Geben Sie sich einen Ruck, sollte es zu

Koalitionsverhandlungen kommen. Schauen Sie noch einmal genau hin, welche Vorteile es dort mit einer Bürgerversicherung geben würde.

(André Trepoll CDU: Das war bei Jamaika auch nicht vereinbart!)

So weit waren wir ja noch gar nicht.

(Dennis Gladiator CDU: Sie waren ja dabei, oder?)

Es braucht eine einheitliche Gebührenordnung, damit die Behandlung von privat und gesetzlich Versicherten das gleiche Geld verdienen wird. Denn nur so können wir auch eine gerechtere Verteilung der Arztpraxen erreichen – und das ist wichtig.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir brauchen auch ein System, das alle Bürgerinnen und Bürger prozentual nach ihrem Einkommen in den Solidarausgleich einbezieht. Die einseitige Belastung von Einkünften aus abhängiger Beschäftigung wird nämlich dann beendet und die Wahlfreiheit für alle erreichen wir auch durch die Bürgerversicherung.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich glaube, wenn es zu Koalitionsverhandlungen kommen würde, haben Sie es in der Hand, verehrte Kollegen der CDU, dieses System so durchzuführen.

(Glocke)

Frau Blömeke, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Trepoll?

Nein, ich warte, dass er sich gleich noch einmal zu Wort meldet; ich möchte jetzt erst einmal zum Ende kommen.

Also lassen Sie nicht weiter zu, dass die hohen Einkommen in Deutschland keinen Cent zur solidarischen Krankenversicherung beitragen. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Ich kann nur sagen: Hier in Hamburg warten wir jetzt nicht auf die CDU mit der pauschalen Beihilfe für Beamtinnen und Beamte. In Hamburg steigt ein Testballon,

(Dennis Gladiator CDU: Ja, das ist das Pro- blem!)

der schon jetzt, und ich wiederhole mich dabei, bundesweit Beachtung findet.

(André Trepoll CDU: Nein!)

Natürlich findet er bundesweit Beachtung. Vielleicht müssen Sie einmal die Presse genau lesen und vielleicht einen Schritt in die richtige Richtung der Solidargemeinschaft machen.

(André Trepoll CDU: Der G20-Gipfel hat auch bundesweit Beachtung gefunden!)

Ich will zwei Prinzipien der pauschalen Beihilfe erklären, die zur Bürgerversicherung hingehen und im Gesetzentwurf wirksam werden. Das ist die Wahlfreiheit, die ausgebaut wird. Die Gruppe der Beamtinnen und Beamten wird in die Solidargemeinschaft einbezogen

(Dennis Gladiator CDU: Das hat mit dem Antrag nichts zu tun!)

und es sind die Wahlfreiheit und die Solidargemeinschaft, die wir dort fördern. Am Ende wünschen wir uns natürlich die Wahlfreiheit für alle und nicht nur für die Beamtinnen und Beamten. Eine solche Reform durchzuführen erfordert Mut. Diesen Mut haben wir hier in Hamburg gezeigt; andere Bundesländer schielen auf Hamburg, sehen einen ähnlichen Weg und ich wünschte, die CDU hätte auf Bundesebene diesen Mut auch.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Celik von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Heute bin ich voll des Lobes für den Senat; das passiert auch nicht so häufig, aber die SPD fordert die Bürgerversicherung. Wir nennen es eine solidarische Gesundheitsversicherung und eigentlich lässt sich das auch nur auf der Bundesebene einführen. Aber der Senat hat eine Möglichkeit gefunden, damit Hamburg einen ersten Schritt in diese Richtung gehen kann. Das finden wir gut und wir finden auch, dass es auch für andere Bundesländer beispielhaft ist, diesen Weg zu beschreiten.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Neue Beamtinnen und Beamte haben in Zukunft die Wahlfreiheit. Sie können Ja sagen zur solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung. Sie können Ja sagen zur beitragsfreien Mitversicherung ihrer Kinder. Sie können Nein sagen zum Bürokratiemonster Beihilfeabrechnung und PKV-Abrechnung und damit bleibt auch mehr Zeit für Familie und Kinder. Nicht zuletzt können sie sich auch weiterhin für das bisherige Modell entscheiden. Langfristig rechnet sich der Weg in die gesetzlichen Kassen für die Stadt, für die Beamtinnen und Beamten und für die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten – und das ist gut.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Bei Wahlfreiheit und Nachhaltigkeit können doch die CDU und die FDP nicht meckern.

(André Trepoll CDU: Was ist denn das heute für 'ne Linksfront?)

Sie haben sich immer für dieses Modell mit dem Argument ausgesprochen, es müsse doch eine Wahlfreiheit geben. Die Beamtinnen und Beamten bekommen jetzt die Möglichkeit, sie bekommen die Wahlfreiheit und Sie meckern trotzdem; das ist doch aberwitzig, welche Argumente Sie hier bringen.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Im Moment sind ungefähr die Hälfte aller Privatversicherten Beamtinnen und Beamte plus Familienangehörige. Wenn weniger Beamtinnen und Beamte privat versichert wären, dann wäre das zwar nicht das Ende der Zwei-Klassen-Medizin, aber schaden würde es nicht. Denn mit weniger Privatpatienten gibt es weniger Anreize auch für Ärztinnen und Ärzte, sich besonders gern auch in wohlsituierten Stadtteilen Hamburgs niederzulassen und die ärmeren Stadteile zu meiden. Deshalb verbessert das die ambulante Gesundheitsversorgung und auch die ärztliche Versorgung in belasteten Stadtteilen, wenn wir auch Schritte in Richtung Bürgerversicherung gehen.

Wir fordern aber auch die SPD auf, sich auf Bundesebene für die Bürgerversicherung einzusetzen. Die Sondierungen haben das Ergebnis zustande gebracht, dass die Sozialdemokraten in diesem Punkt eingeknickt sind, und ein zentrales Wahlversprechen wird in diesem Punkt brechen. Das finden wir schade, denn die Zwei-Klassen-Medizin stört massiv das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen. Mit einer solidarischen Bürgerversicherung könnten wir auch die Beiträge senken. Wir könnten mehr Gerechtigkeit in der Krankenversicherung erreichen und die Eigenbeteiligungen und die Zuzahlungen abschaffen. Deshalb brauchen wir unbedingt eine Reform der Krankenversicherung. Wir brauchen die Bürgerversicherung. Deshalb appelliere ich auch noch einmal an die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten: Setzen Sie sich zumindest in den Koalitionsgesprächen dafür ein, dass Sie sich dort durchsetzen und die ZweiKlassen-Medizin beenden.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn sonst müsste ich auch Ihrer gesundheitspolitischen Sprecherin im Bundestag, Frau Hilde Mattheis, die berechtigte Frage stellen: Wie soll wieder mehr Vertrauen in die Sozialdemokratie und ihr Kernanliegen, die soziale Gerechtigkeit, wachsen, wenn man in diesem Punkt nachgibt? – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt Frau Dutschke von der FDP-Fraktion.

(Christiane Blömeke)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir diskutieren hier einen Gesetzentwurf, der den Hamburger Sozialdemokraten offensichtlich als Ersatzbefriedigung für die real untauglichen Bürgerversicherungspläne dienen soll. Es ist schon bezeichnend, dass sogar die Betroffenen, die der Senat mit diesem Gesetz beglücken will, dagegen protestieren. Nicht umsonst lehnt der Beamtenbund das vergiftete Geschenk von Bürgermeister Scholz und Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks vehement ab.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Denn was hier irreführend als Wahlfreiheit verkauft wird, ist in Wirklichkeit eine Einbahnstraße mit Sackgasse. Wer sich einmal für den Zuschuss entschieden hat, kann nicht wieder zurück. Und ob auch dieser Vorstoß mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn überhaupt vereinbar und damit verfassungskonform ist, wird derzeit massiv bezweifelt. Bisher hat der Senat auch nichts unternommen, um diese Zweifel aus dem Weg zu räumen. Doch unabhängig von den sachlichen und rechtlichen Bedenken, über die wir unbedingt im Ausschuss diskutieren sollten, und da besteht meines Erachtens heute hier auch Konsens, ist noch nicht einmal die finanzielle Dimension dieses Projekts geklärt.

(Zuruf von Christiane Blömeke GRÜNE)

Ja, ich lese Ihnen gern einmal vor, was in Ihrer Drucksache steht, Frau Blömeke. Der Senat hat uns keine Prognosen vorgelegt, wie sich die Nachfrage bei Neubeamtinnen und -beamten entwickeln könnte. Oder haben Sie sie gefunden?

(Christiane Blömeke GRÜNE: Ja, ich habe Zahlen gefunden!)

Wir haben damit keine Transparenz über die möglichen finanziellen Risiken, die sich ergeben, falls dieses Modell von vielen angenommen werden sollte. Dabei hätte eine einfache Szenarioanalyse die Auswirkungen auf den Haushalt prüfen können. Selbst die Zahl der jetzt schon freiwillig in der GKV Versicherten ist lediglich eine Mindestgröße, die Sie in der Senatsdrucksache finden, Frau Blömeke. Ob nun mangelndes Handwerk oder reines Kalkül, der Senat hat kein Interesse an Kostentransparenz, denn eine Erhebung hätte Ergebnisse liefern können, die Sie nicht haben wollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Bei zu wenigen Interessenten ist bei dem Testballon, von dem Sie, Frau Blömeke, gesprochen haben, sehr schnell die Luft raus und bei zu vielen Interessenten wird Ihnen von Rot-Grün der Ballon finanziell gehörig um die Ohren fliegen. Sie sehen, wie unausgegoren dieser Gesetzentwurf zum jetzigen Zeitpunkt ist.