Protokoll der Sitzung vom 28.03.2018

Erstens: Ich habe es gesagt, es gibt keine Notwendigkeit für die Kennzeichnungspflicht, denn bisher sind keine Verfahren gegen Beamte daran gescheitert, dass deren Identität nicht ermittelt werden konnte. Das ist eine reine Phantomdebatte, die niemandem nützt, die aber großen Schaden anrichtet.

Das Zweite, das liest man in den Anträgen: Die Antragsteller verdrehen das Urteil des EuGH so, wie es ihnen politisch gefällt, denn Fakt ist, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verlangt eben keine Kennzeichnungspflicht für Polizisten. Wer das behauptet oder auch nur den Eindruck erweckt, der sagt schlicht die Unwahrheit. Und völlig absurd, liebe Kollegen der LINKEN, ist dann die Behauptung, die Kennzeichnungspflicht sei ein Bekenntnis zu den Menschenrechten. Das ist wirklich grober Unfug.

(Beifall bei der CDU)

Wer sich das Urteil anschaut, der wird feststellen, da geht es um eine unzureichende Ermittlungstätigkeit. Man hat nicht ausreichend Videomaterial gesichtet und Personen befragt. Das Urteil geht nicht zurück auf eine fehlende Kennzeichnung. Das muss man bitte auch zur Kenntnis nehmen und darf das hier nicht verdrehen. Und dann wird davon geredet, dass das staatliche Gewaltmonopol eine besondere Sorgfalt verlangt. Ja, natürlich tut es das. Natürlich müssen Bürger darauf vertrauen können, dass staatliches Handeln jederzeit juristisch überprüfbar ist, keine Frage. Das ist doch gerade der Kern unseres Rechtsstaats. Genau das ist aber heute schon der Fall, eben auch ohne die Kennzeichnungspflicht, die wir deshalb auch nicht brauchen.

Und der dritte Punkt: Unsere Polizisten brauchen und verdienen Unterstützung. Bei den LINKEN wundert es mich nicht, dass sie sich mit solchen Phantomdebatten beschäftigen, bei SPD und GRÜNEN aber schon, denn sie hatten eigentlich einmal gesagt, sie würden die Kennzeichnungspflicht nur im Einvernehmen mit den Gewerkschaften einführen. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Polizeigewerkschaften die Kennzeichnungspflicht ablehnen. Insofern gehört auch diese Debatte vom Tisch. Herr Senator, Ihre Polizisten verdienen einen Senator, der ihnen den Rücken stärkt und der ihnen nicht auf Verlangen der GRÜNEN in den Rücken fällt. Deswegen appelliere ich an Sie: Räumen Sie mit uns heute das Thema ab, die Kennzeichnungspflicht in Hamburg darf nicht kommen. Mit der CDU jedenfalls wird sie nicht kommen.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Das Wort hat die Abgeordnete Möller von der GRÜNEN Fraktion.

(Dennis Gladiator)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin tatsächlich sehr froh, dass wir zu diesem Thema hier noch einmal wieder so eine schöne, lebendige Debatte haben.

(Dirk Nockemann AfD: Herr Scholz ist nicht mehr da und jetzt können Sie!)

Ich glaube, die Debatte hätten wir auch führen können, wenn Herr Scholz noch da gewesen wäre, Herr Nockemann. Da sind Sie vielleicht ein bisschen, sagen wir einmal, noch rückwärtig in Ihren Gedanken.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielleicht ist auch Herr Gladiator rückwärtig in seinen Gedanken, denn dieses ein bisschen muffige Bild vom Rechtsstaat, das Sie uns hier eben vorgestellt haben, ist, ehrlich gesagt, seit zehn Jahren schon vorbei.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Wir haben mehrere Bundesländer, die Hälfte aller Bundesländer, die – auch unter Beteiligung der CDU – die Kennzeichnungspflicht, die individuelle Erkennbarkeit von Polizistinnen und Polizisten, im Einsatz eingeführt haben.

(Dennis Gladiator CDU: Aber gerade wieder abschaffen!)

Das ist gut so, das bewährt sich über die Jahre.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Was wir aber noch einmal klären müssen – und dazu taugt tatsächlich, weil wir da mehr Zeit haben, die Debatte im Innenausschuss sehr gut –, das ist: Was wollen wir eigentlich? Aus Ihrer Sicht geht es darum, dass Polizistinnen und Polizisten angeprangert werden sollen. Vorwürfe sollen immer wieder geäußert werden können und dann auch noch Polizistinnen und Polizisten im Dienst verfolgt werden und Ähnliches.

(Dennis Gladiator CDU: Das wollen Sie, nicht wir!)

Es geht um etwas ganz anderes. Es geht grundsätzlich darum, dass Bürgerinnen und Bürger sich in diesem unserem Staat nicht einem anonymen Staat und auch nicht anonymen Vertreterinnen und Vertretern des Staates gegenübersehen, sondern dass wir Transparenz brauchen im Umgang miteinander.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Dieser – und deshalb sage ich, moderne – Ansatz hat sich auch in einigen Länderpolizeien längst durchgesetzt, bloß in Hamburg nicht. Deshalb ist das ein dickes Brett, Frau Schneider hat recht, aber Schwarz-Grün hat nach dieser Debatte auch nicht mehr lange gedauert.

(Dennis Gladiator CDU: Rot-Grün ist jetzt zu Ende!)

Das will ich jetzt aber überhaupt nicht auf die heutige Zeit irgendwie überleiten, weil ich tatsächlich glaube, dass wir in dieser Koalition, aber möglicherweise auch bei den Gewerkschaften – da will ich Herrn Lenders gern ausnehmen – ein Stückchen weiter sind.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und der LINKEN)

Die Diskussion in den Gewerkschaften wird anders geführt. Sie können sich mit der GDP aus anderen Bundesländern unterhalten, die sagt andere Dinge als unsere hier. Das soll man den unterschiedlichen Landesverbänden ja auch zugestehen. Wir werden diese Diskussion aufgreifen.

In Bezug auf das, was vorhin schon über den heutigen Artikel in der "Hamburger Morgenpost" gesprochen wurde: Es trifft nicht zu, dass noch nicht auf die Gewerkschaften zugegangen wurde. Im ersten Jahr dieser Koalition haben wir einen Terminvorschlag angeboten, mühsam gefunden. Jetzt sage ich einmal so: Der Zufall hat es wahrscheinlich gewollt, dass alle drei Gewerkschaften an diesem Termin leider nicht konnten.

(Joachim Lenders CDU: Das ist doch Quatsch!)

Dann kam G20, dann kamen viele andere Dinge …

(André Trepoll CDU: Dann ist Ihr Terminka- lender aber voll, wenn Sie nur einen Vor- schlag machen können!)

Dann gab es wirklich volle Terminkalender bei vielen Leuten, Herr Trepoll, so ist das nun einmal im Leben, aber diese Legislaturperiode ist ja auch noch nicht zu Ende.

Es gibt einen neuen Anfang. Es gibt, glaube ich, auch einen guten Grund für einen neuen Anfang.

(Dennis Gladiator CDU: Aber Sie kennen die Antwort doch schon!)

Die Variante, ob sich aufgrund der Aufklärung durch den G20-Ausschuss nicht möglicherweise auch ein anderer Blick auf die Sinnhaftigkeit einer individuellen Erkennbarkeit von Polizistinnen und Polizisten ergeben könnte, lasse ich einmal offen. Das könnte ja sein, und zwar ist das völlig unabhängig davon, dass jede Straftat gegenüber Polizistinnen und Polizisten verfolgt und aufgeklärt werden soll und dass wir das für genauso notwendig halten wie schlicht den Anspruch, dass Bürgerinnen und Bürger, wenn sie der Polizei gegenüberstehen, erkennen können, um wen es sich handelt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das ist ein Grundprinzip in dieser Gesellschaft und das sollten wir auch hier durchsetzen. Ich finde

den Weg gut. Wir werden uns mit Expertinnen und Experten sicherlich ausführlich im Ausschuss beschäftigen und hoffen selbstverständlich auf die Bereitschaft der Polizeigewerkschaft – jetzt gucke ich tatsächlich einmal in Richtung Herrn Lenders, aber nur kurz –, sich auch mit uns in diese Diskussion erneut zu begeben zehn Jahre später.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos – Dennis Gladia- tor CDU: Die Antworten kennen Sie doch von beiden Gewerkschaften!)

Das Wort erhält Herr Jarchow für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der Tat, es ist eine lebhafte Debatte – gut, dass wir sie führen. Ich weiß nicht, wie oft wir sie noch führen müssen. Jetzt kommt wieder eine Ausschussberatung. Wir haben es schon sehr oft hier behandelt. Ich habe hier den Antrag der GRÜNEN aus dem Jahr 2011, jetzt haben wir 2018 und wir sind immer noch nicht weiter, also machen wir einmal eine Überweisung. Das ist genau das, was wir nicht wollten, deswegen haben wir Anträge gestellt und ich bin schon ein bisschen erstaunt, lieber Kollege Gladiator, über die Interpretation, was uns denn motiviert, für die Kennzeichnungspflicht der Polizei zu sein.

(Dennis Gladiator CDU: Ging eigentlich in die andere Richtung!)

Ja, ich fühlte mich aber auch ein bisschen angesprochen.

Ich will das gar nicht alles auf DIE LINKE schieben, ich nehme das ruhig auch auf meine Kappe. Mir zu unterstellen, ich sei für eine Kennzeichnungspflicht, weil ich ein generelles Misstrauen gegen die Polizei habe, finde ich, gelinde gesagt, abwegig.

(Beifall bei der FDP, der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Viel mehr möchte ich dazu gar nicht sagen.

Eine chiffrierte individuelle Kennzeichnungspflicht bei geschlossenen Einsätzen ist unserer Meinung nach geeignet, die unterschiedlichen Interessen zu vereinen – die unterschiedlichen Interessen, lieber Herr Kollege. Sie wahrt die Persönlichkeitsrechte der Polizistinnen und Polizisten, ermöglicht Betroffenen eine Identitätsfeststellung zum Zwecke der Sachaufklärung und steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Wir finden, das ist schon eine Menge, was für eine solche Kennzeichnungspflicht spricht.

(Beifall bei Mareike Engels und Anna Galli- na, beide GRÜNE)

Ich denke, gerade bei geschlossenen, bei großen Einsätzen, G20 war so ein Beispiel, wenn wir denn die Bilder sehen, da hat die Hälfte der Polizei diese Kennzeichen, die andere hat sie nicht. Dann sollte man sich vielleicht doch einmal bundesweit zu einer Regelung durchringen, finde ich. Es gibt ja durchaus auch Bundesländer mit CDU-Beteiligung …

(Zuruf: In NRW wird es gerade abgeschafft!)

Das ist in der Tat richtig, das hätte ich jetzt hier sogar gesagt.