Protokoll der Sitzung vom 11.04.2018

Herr Wersich, dazu möchte ich Folgendes sagen. Die Situation ist, dass wir uns eigentlich darauf verständigt haben, dass es eine koloniale Geschichte gibt, dass Hamburg damit etwas zu tun hat und dass es auch darum geht, Schuld und Opfer und ähnliche Fragen aufzuarbeiten. Einer der wichtigen Punkte, auf die wir uns alle heute verständigt ha

ben – Herr Kruse hatte einmal eine Äußerung gebracht, die vielleicht nicht ganz dazu passte –, war, dass wir es auch damit zu tun haben, als Gesellschaft und als Stadt schuldig geworden zu sein, und mit Opfern diesen Diskurs aufnehmen müssen. Das ist das entscheidende Moment. Der runde Tisch der Erinnerung ist ein Tisch, bei dem unter anderem auch Opfer einen wichtigen Teil einnehmen. Das haben wir auch im Kulturausschuss häufig diskutiert. Das entscheidende Moment ist, dass es niemanden gegeben hat, der nicht die intellektuelle Auseinandersetzung mit diesen Fragen durchaus gesucht hätte, dass aber die Opfer gesagt haben, dass sie große Schwierigkeiten haben, das zusammen mit Menschen von der AfD zu machen. Ich halte das für eine Schwächung dessen, was eigentlich notwendig ist, und auch für einen Fehler, aber ich finde, dass es durchaus verständlich ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor allen Dingen, wenn man sich überlegt, wir haben einen ähnlichen Prozess in Berlin, wo jemand von der AfD aufgetreten ist, um die Vorstellung der AfD dazu auch noch einmal klarzumachen, dass die Kolonialpolitik der Deutschen sich doch auch positiv in diesen Ländern, gerade in Namibia, ausgedrückt hätte, wo wir wissen, dass wir für einen Völkermord verantwortlich sind, und zwar weil es ein Bewusstsein für eine eigene afrikanische Zivilisation hervorgebracht hätte. Das ist die Art und Weise, mit der die AfD versucht, Aufklärung zu betreiben. Das ist nicht die Art und Weise, wie wir versuchen, eine Aufarbeitung auch der Schuld hinzubekommen. Das ist das große inhaltliche Problem, das wir haben. Natürlich hat die AfD das Recht und haben wir die Pflicht, uns mit allen Positionen auseinanderzusetzen. Aber ich will noch einmal deutlich darauf hinweisen, dass ich die Opfer in dem Augenblick verstehe, in dem sie Schwierigkeiten haben, sich mit solchen Positionen auseinanderzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Ulrike Sparr GRÜNE)

Frau Dutschke hat das Wort für die FDP-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Leider ist dieser Vorfall exemplarisch für den falschen Umgang mit der AfD in Teilen von Gesellschaft und Politik. Wer andere Meinungen nicht aushält, muss sich selbst und sein eigenes Demokratieverständnis ernsthaft hinterfragen. Anstatt deren populistischen Argumente endlich inhaltlich zu entlarven, wurde im Rahmen dieser Veranstaltung der einfachste Weg gewählt, dies nicht zu tun. Aber indem man die Debatte mit denen verweigert und sie von einer öffentlichen Veranstaltung ausschließt, gießt man

(René Gögge)

noch mehr Öl ins Feuer des Rechtspopulismus und -extremismus.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Was meinen Sie, wozu das führt? Wir alle haben die Rede der AfD gehört, wie sie sich zu diesem Vorfall als Opfer inszeniert, und das nicht nur in der Regierungserklärung, sondern eben noch ein zweites Mal. Dieser Vorfall ist in der Sache problematisch. Wenn ein Mensch aufgrund seiner sexuellen Orientierung oder seiner Religion gebeten worden wäre, eine Veranstaltung zu verlassen, hätte es zu Recht einen Sturm der Empörung gegeben. Genauso inakzeptabel ist es, jemanden aufgrund seiner politischen Einstellung zum Gehen aufzufordern.

Keine Frage, dass dieser Antrag und diese Debatte nicht der Sache dienen, sondern lediglich der Profilierungssucht der AfD. Aber muss man der AfD diese Gelegenheiten geben? Ich meine, nein.

Professor Kruse, Sie haben hier zweimal die Bühne genutzt und zweimal zur selben Sache gesprochen. Sie erwecken damit geradezu den Eindruck, als hätten Sie auf so einen Vorfall nur gewartet.

(Dr. Jörn Kruse AfD: Das ist schlichter Un- sinn! – Dirk Nockemann AfD: Das ist doch lächerlich!)

Es geht Ihnen nicht um die Sache. Das Einzige, was Sie mit Ihrer Darbietung erreichen wollten, ist eine möglichst hohe Klickzahl bei Facebook und YouTube. Sie sollten einmal überdenken, ob das die richtige Motivation dafür ist, Volksvertreter zu sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Flocken.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Volksvertreter! Das Ausstoßen eines Menschen aus der Horde galt in Urzeiten als Weg, ein Todesurteil zu vollstrecken, ohne der Hand des Henkers zu bedürfen.

(Zurufe)

Typisches Delikt: mangelnde Verehrung von Führern oder Göttern, hier des Gottes […] und Schuldkult. Seit Aufkommen der Zivilisation wurden für das Ausstoßen Regeln entwickelt, Recht statt Willkür sollte gelten. Wenn es auch heute nicht mehr den Tod bedeutet, in die Wüste geschickt zu werden, so haben auch wir solche Regeln. Am 23. März sind sie verletzt worden. Es hätte vom Vorsitzenden des runden Tisches Mut und Treue zu den Grundlagen menschlicher Zivilisation bedurft, die geltenden Regeln durchzusetzen,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Ihre Bewerbungs- rede für die AfD!)

und zwar gegen unser aller evolutionsbiologisches Erbe in der Horde entwickelt und nun mit der Macht der moralischen Erpressung durch eine laute Gruppe ans Tageslicht stoßend. Der Vorsitzende wird fortan bei jedem Blick in den Spiegel mit dem Bewusstsein leben müssen, diesen Mut nicht aufgebracht zu haben. Ob er sich vor dieser Erkenntnis davonstiehlt mit dem Argument, dass der gute Zweck, der Kampf gegen rechts oder gegen was weiß ich, gegen Deutschland, jedes Mittel heiligt, das bleibt ihm überlassen. Herr Dr. Wolf hat mit seiner Flucht ebenfalls die Gelegenheit verpasst, mutig einzustehen für Recht und Ehre.

(Lachen bei der FDP)

Dr. Wolf und die AfD-Fraktion müssen sich fragen lassen, wo sie Standfestigkeit nach außen und Treue zu Recht und Wahrheit nach innen bewiesen haben, dass es ihnen zustünde, den Vorsitzenden für seine Schwäche zu verurteilen. – Vielen Dank.

Herr Nockemann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Immer dann, wenn meiner Fraktion Unrecht geschieht,

(Zurufe: Oh!)

wenn ihr Rechte vorenthalten werden, die ihr zustehen, dann fällt Ihnen immer nur das Gleiche ein, nämlich wir würden uns in irgendeiner Opferrolle suhlen.

(Farid Müller GRÜNE: Das ist doch so!)

Das ist Humbug.

(Beifall bei der AfD)

Unser Auftrag, unsere Mission ist es, Tag für Tag für Verfassung und für Freiheit einzutreten, für freie Meinungsäußerung. Und das passt Ihnen nicht.

(Zurufe)

Dass während einer öffentlichen Veranstaltung ein Abgeordneter unserer Fraktion ausgestoßen wird, rausgemobbt wird, das ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit 1949.

(Zurufe)

Aber das passt natürlich ins Bild dieser Stadt. Man behält uns alles Mögliche vor, Bürgersäle werden nicht vermietet, die Position in der Härtefallkommission wird nicht genehmigt, bei Demonstrationen wird zu Demonstrationen gegen unsere Partei aufgerufen

(Jennyfer Dutschke)

(Michael Kruse FDP: Das ist doch erlaubt! Das ist Demokratie, die Sie sonst immer so hochhalten!)

und nun werden wir als Abgeordnete vor die Tür gesetzt von einer Verwaltung, die wir als Abgeordnete kontrollieren sollen. Das, was hier passiert ist, hat nichts damit zu tun, dass wir uns in einer Opferrolle wiederfinden, sondern das ist schlicht und ergreifend ein Angriff auf die parlamentarische Demokratie. Und deswegen hat Professor Kruse das vorhin bereits das erste Mal im Rahmen der Regierungserklärung vorgetragen, jetzt zum zweiten Mal, und damit Sie es alle auch wirklich verstehen, trage ich es nun zum dritten Mal vor.

(Beifall bei der AfD)

Was da passiert ist, erinnert an die Endzeit von Weimar.

(Zurufe: Oh!)

Die bürgerlichen Kräfte haben sich lange genug einschüchtern lassen. Seit es die AfD gibt, ist die AfD Hoffnungsträger für diese bürgerlich-konservativen freiheitlichen Kräfte. Wir werden dafür kämpfen und wir lassen uns von diesem Herausmobben nicht in unseren Rechten beeinträchtigen.

(Beifall bei der AfD)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann stimmen wir über den Überweisungswunsch der AfD-Fraktion ab.

Wer möchte den Antrag gern im Ausschuss beraten? – Wer nicht? – Und die Enthaltungen? – Dann ist das Überweisungsbegehren mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Wir stimmen in der Sache ab.

Wer möchte dem Antrag seine Zustimmung geben? – Auch hier die Gegenprobe. – Und die Enthaltungen? – Dann ist der Antrag bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.

Punkt 34, ebenfalls ein Antrag der AfD-Fraktion: Tatmittel "Messer" im Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei erfassen und somit auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik abbilden.

[Antrag der AfD-Fraktion: Tatmittel "Messer" im Vorgangsbearbeitungssystem der Polizei erfassen und somit auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) abbilden – Drs 21/12483 –]

Die Debatte soll geführt werden. Vonseiten der AfD-Fraktion liegt ein Überweisungsbegehren an den Innenausschuss vor. Auch hier handelt es sich um eine Kurzdebatte, also zwei Minuten Redezeit.