Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Für die Fraktion DIE LINKE bekommt nun Frau Schneider das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erstens möchte ich mich bei meinen drei Vorrednerinnen beziehungsweise dem Vorredner bedanken, weil ich es wirklich gut finde, wie die Bürgerschaft hier sehr einmütig einem wirklich, wie ich finde, unerträglichen Antrag eine Abfuhr erteilt.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Ja, Antisemitismus tritt heute wieder offener und aggressiver auf. Nein, er war in Deutschland nie verschwunden. Erst kürzlich sagte die HolocaustÜberlebende Esther Bejarano aus Hamburg – ich zitiere –:

"Eigentlich ist der menschenverachtende Geist der Nazis nie verflogen. Wenn heute der Antisemitismus wieder wächst, und das tut er aus meiner Sicht, dann kann man das nicht damit abtun, dass man sagt, das seien jetzt die Muslime, die ins Land gelassen wurden. Das soll nur davon ablenken, dass der Antisemitismus nie aufgehört hat bei vielen Menschen."

(Beifall bei der LINKEN)

Antisemitismus ist in keiner Gestalt und von niemandem zu akzeptieren. Antisemitismus speist sich aus vielen Quellen. Niemand bestreitet, dass Zuwanderung aus islamisch geprägten Ländern des Nahen und Mittleren Ostens eine der Ursachen zunehmender, vor allem israelbezogener antisemitischer Vorfälle ist –

(Vizepräsident Detlef Ehlebracht übernimmt den Vorsitz.)

eine der Ursachen, aber bei Weitem nicht die einzige. Deshalb zeigen die Rede des Abgeordneten Wolf und der Tenor der Antragsbegründung, die Fokussierung auf Muslime und auf Kinder mit Migrationshintergrund, worum es Ihnen tatsächlich geht. Es geht wieder einmal pauschal um Muslime, um den Islam. Sie instrumentalisieren ein Problem, ein reales Problem, um wieder einmal antiislami

(Dr. Stefanie von Berg)

sche Ressentiments zu schüren. Es ist unerträglich, dass Sie diese Problematik für Ihre Ressentiments nutzen.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Antisemitische Einstellungen und Denkmuster sind aber in der ganzen Gesellschaft präsent, wie zum Beispiel eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahre 2016 zeigte. Nebenbei: Anhängerinnen und Anhänger der AfD stimmten demzufolge antisemitischen Aussagen viermal häufiger zu als Anhängerinnen und Anhänger der anderen im Bundestag vertretenen Parteien. Das muss nicht verwundern, denn die Programmatik dieser Partei ist geprägt durch menschenfeindliche Ideologien der Ungleichheit und Ungleichwertigkeit von Menschen, zum Beispiel durch Frauenverachtung und eben durch antimuslimische Ressentiments. Und wo sich Vorstellungen von Ungleichheit und Ungleichwertigkeit von Menschen breitmachen, da ist Antisemitismus nicht fern. Es ist, wie hier schon mehrfach gesagt worden ist, kein Unfall, dass sich die AfD geweigert hat, Leute wie Höcke, Gedeon oder andere auszuschließen.

Was die Schulen betrifft, das ist in der Tat ein wichtiges Feld der Bekämpfung von Antisemitismus. Da brauchen wir aber ein ganzes Bündel von Maßnahmen, und zwar – auch das ist gesagt worden – vorrangig von präventiven Maßnahmen. Eine Meldepflicht führt zu nichts, wenn nicht klar ist, was denn eigentlich passieren soll. Ich finde, es gibt in Hamburg einige wichtige Ansätze und Projekte, die wir als Bürgerschaft unterstützen und die wir auch ausbauen sollten. Ich erinnere an den Religionsunterricht für alle – und das sage ich als Atheistin –, der die jungen Menschen zur Neugierde auf Andersgläubige und zum gegenseitigen Verständnis anregt und der deshalb friedensstiftend ist. Ich verweise darauf, dass zum Beispiel Vertreter der Schura oder auch der TGH gemeinsam mit Vertretern der Jüdischen Gemeinde in Schulklassen über Antisemitismus aufklären. Ich könnte noch viele andere Beispiele nennen, Workshops gegen Mobbing, den Ausbau der schulinternen oder auch zentralen Beratungs- und Fortbildungsangebote für Lehrerinnen, Lehrer, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen und Schulleitungen zu den unterschiedlichen Erscheinungsformen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, den Ausbau der Unterstützung und Beratung Betroffener und so weiter und so fort.

Wer aber den Kampf gegen den Antisemitismus vorschiebt, um antimuslimische Ressentiments zu schüren, der ist ein Teil des Problems und nicht der Lösung.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Schneider. – Es erhält als Nächste das Wort Frau von Treuenfels-Frowein von der FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, keiner von uns kann religiöses Mobbing an Schulen gutheißen; das wird auch keiner tun. Das muss abgestellt werden. Das ist nicht einfach nur ein Hänseln, sondern dahinter steht etwas ganz anderes, nämlich ein Integrationsproblem, das zu lösen ist. Ich glaube, auch darin sind wir uns alle hier einig. Ich möchte aber trotzdem eines einmal vorweg sagen: Wir aus der Mitte des Parlaments würden sehr gut daran tun, wenn wir diese Probleme einmal selbst von uns aus, so wie sie sind, benennen und auch wirkliche Lösungsvorschläge machen und uns nicht immer nur alle einig darin sind, wenn der rechte Rand dieses Flügels dieses Problem benennt. Dann kann daraus ja nichts werden. Das ist eine grundfalsche Einstellung,

(Beifall bei der FDP und der AfD)

weil wir den rechten Rand damit nämlich nur noch stark machen. Wachen Sie endlich auf. Genau so ist es. Ich halte nichts von Meldepflichten, weil ich nicht glaube, dass man durch Meldepflichten ein religiöses Mobbing unterbinden kann. Und deswegen stimmen wir diesem Antrag auch nicht zu. Aber ich sehe sehr wohl, dass es dieses Problem gibt, und ich sehe sehr wohl, dass es ein starkes Integrationsproblem gibt, das wir alle miteinander lösen müssen. Ich sehe auch, dass, wenn wir das nicht tun und wenn sozusagen diese bürgerliche Mitte, die sich zumindest in diesen Dingen, glaube ich, sehr einig ist, das nicht klar und deutlich anspricht, dann genau das passiert, was wir hier alle nicht wollen, nämlich dass der rechte Rand immer stärker und immer stärker wird und dass es diejenigen sind, die es ansprechen, dass es diejenigen sind, die diese Themen für sich in Anspruch nehmen. Darauf sollten wir genauso achten wie auf das, was heute alles schon richtigerweise hier gesagt worden ist. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Bitte, Frau Güçlü.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Also ich muss sagen, ich fand die Rede meiner Vorrednerin jetzt ein bisschen irritierend, denn die Reden vorher – da möchte ich mich auch noch einmal bei allen Rednerinnen und Rednern bedanken – waren sehr ausgewogen und sehr genau bedacht, und Sie haben jetzt einen anderen Pfad eingeschlagen. Was mich am meisten

(Christiane Schneider)

irritiert, muss ich sagen, ist: Wenn Sie das zu einem reinen Integrationsproblem deklarieren …

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Auch!)

Aber Sie haben sich so ausgedrückt; das wollte ich nachfragen.

… dann lassen Sie außer Acht, dass wir leider in unserer Gesellschaft nicht nur bei den zugewanderten Muslimischstämmigen das Problem haben. Das ist nicht zu bestreiten, aber – das haben vorhin Stefanie von Berg und auch die Kollegin von der LINKEN sehr schön gesagt – wir brauchen keine Registrierung. Denn was soll eine Registrierung nach erfolgtem Mobbing bringen? Wir müssen unsere Energien darauf konzentrieren, in die Prävention zu investieren, weil nur die Prävention das verhindert. Und die Prävention neben dem Aufklären, neben dem pädagogischen Aufarbeiten in der Schule ist natürlich auch im Bereich der Erwachsenen wichtig. Orte für Begegnungen zu schaffen, also gerade die vermeintlich Unterschiedlichen zusammenzubringen, ins Gespräch miteinander zu bringen. Ich glaube, Christiane Schneider hat es kurz angedeutet: Es gibt Projekte zwischen der Türkischen Gemeinde Hamburg, der Jüdischen Gemeinde und dem Anne Frank Zentrum in Berlin. Das sind wertvolle Projekte und die bringen das, weil sie Themen aufgreifen, die alle umtreiben. Natürlich ist Antisemitismus durchaus auch ein Thema für Menschen mit muslimischem Hintergrund, aber auch sie erleben muslimischen Rassismus. Auch das ist ein immer weiter zunehmendes Problem in unserer Gesellschaft.

Deswegen also: Nicht nur auf ein reines Integrationsproblem reduzieren – das ist ein sehr, sehr falscher Zugang –, sondern, wie Christiane Schneider das gesagt hat, Orte für Begegnungen schaffen, Projekte fördern, die Begegnung und den Dialog intensivieren. Nur so kommen wir wirklich weiter. – Danke.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Es hat sich zu Wort gemeldet Herr Senator Rabe.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war sehr froh über die vielen Wortbeiträge, weil sie zwischen einem ernsten Problem auf der einen Seite differenzieren, aber gleichzeitig sagen, dieses Problem, das ernst genommen werden muss, dürfe nicht als politisches Vehikel für ganz andere Dinge missbraucht werden. Das hat mich sehr berührt und ich möchte mich dafür ausdrücklich bedanken bei allen Beteiligten bis auf … Ich bekam vor 30 Sekunden von der FDP-Fraktion Hamburg über Mitteilungen gesendet:

"Wir haben in Hamburg ein massives Integrationsproblem, aber Senat Hamburg leugnet das religiöse Mobbing an Schulen …"

übrigens leugnen noch falsch geschrieben –

"… Realitätsverweigerung hilft nicht weiter, Herr Ties Rabe."

Es ist schon sehr bedauerlich, Frau von Treuenfels-Frowein,

(Wolfgang Rose SPD: Ungeheuerlich!)

dass Sie diese Debatte genau wie die AfD für ganz andere Zwecke missbrauchen. Das finde ich schade.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LIN- KEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Senator Rabe. – Es liegen zwei weitere Wortmeldungen vor. Zunächst Herr Dr. Wolf von der AfD-Fraktion.

Kurz: Ich habe nicht vor, auf die vielen oder verschiedenen geradezu unterirdischen Angriffe einzugehen,

(Dennis Thering CDU: Können Sie auch gar nicht!)

die, anstelle sich mit Sachargumenten auseinanderzusetzen,

(Martin Dolzer DIE LINKE: Der Einzige, der unsachlich ist, sind Sie!)

nur versuchen, mit hergeholten Argumenta ad personam die Sache vom Tisch zu wischen und nicht ernsthaft zu behandeln.

(Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)

Ich möchte allein darauf hinweisen, dass auf Bundesebene sowohl die SPD-Bundesministerin für Familie, Frau Giffey, ebenso wie der CDU-Fraktionschef Volker Kauder übereinstimmend fordern, antisemitisches Mobbing an Schulen zu erfassen, um künftig besser dagegen vorgehen zu können, ein Lagebild zu bekommen und dann effektive Maßnahmen zu ergreifen. Es verblüfft mich durchaus, dass auf Hamburger Ebene die Vertreter der hiesigen Fraktionen sich derart abweichend von ihren Bundespolitikern äußern. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Als Nächste erhält das Wort Frau von Treuenfels-Frowein von der FDP-Fraktion.

Vielen Dank. Eine Sache wollte ich Ihnen gegenüber einmal eben kurz klarstellen. Es war ja eine sachliche Kritik und deswegen kann ich es hier