Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

Vielen Dank, Herr Steinbiß. – Es erhält das Wort Herr Trepoll von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, erinnern wir uns zurück, Herr Steinbiß, an die letzten beiden Bürgerschaftswahlen. Sofort danach ging das Wehklagen los: enorm gesunkene Wahlbeteiligung, enorm viele ungültige Stimmen. Dann hat der damalige Erste Bürgermeister auf die Frage, ob das komplizierte Wahlrecht die Wähler abschrecke, folgende Sätze gesagt:

"Eindeutig ja. Jeder, der in einem Wahllokal war, konnte sehen, wie viel Mühe einige mit den Wahlzetteln hatten. Die Zahl der ungültigen Stimmen ist hoch."

Er hat dann, wie die Parlamentspräsidentin, gesagt, da müsse sich etwas ändern. Wie so oft sind Sie dann leider Ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden, denn heute diskutieren wir diese Weiterentwicklung des Wahlrechts und müssen feststellen, dass von diesen Ankündigungen eigentlich nichts Realität geworden ist. Dabei ist das derzeitige Wahlrecht doch viel zu kompliziert. Es ist zehnmal teurer als das vorherige Wahlrecht und nach den Erfahrungen, die wir auch im Ausschuss ausgewertet haben, ist es auch noch sozial ungerecht, denn gerade in den sozial schwierigen Stadtteilen ist die Wahlbeteiligung überdurchschnittlich zurückgegangen. Wir hatten repräsentative Erhebungen, dass mittlerweile 40 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger dieses Wahlrecht ablehnen. So eine Ablehnungsquote bei einem Wahlrecht ist fatal, weil es natürlich auch den Grundkonsens einer Demokratie ausmacht. Deshalb wundert es mich schon sehr, dass Sie hier in der vorletzten Debatte so ein wichtiges Thema anmelden, wenn ich mir Ihre Anmeldungen davor anschaue. Sie wissen natürlich selbst, was für ein

sensibles Thema das ist. Wir haben in manchen Altersgruppen eine Zahl an ungültigen Stimmen von 6,5 Prozent. Bei Bundestagswahlen sind das 1,2 Prozent, maximal 1,5 Prozent. Da sehen Sie das. Ich habe das an den Infoständen ja selbst erlebt, Sie doch auch, dass Leute zu uns kommen und sagen: Was soll denn dieses dicke Stimmzettelbuch, ich kenne die doch alle gar nicht, ich traue mich gar nicht mehr, zur Wahl zu gehen. Ich habe genau so etwas erlebt. Ich finde, bei so einem wichtigen demokratischen Grundrecht wie dem Wahlrecht müssen wir uns bessere und konkretere Maßnahmen überlegen. Und die haben wir als CDU-Fraktion Ihnen heute hier vorgelegt.

Den Kostenfaktor will ich jetzt gar nicht in den Mittelpunkt stellen. Aber auch die Auswahlmöglichkeit, also dieses Kumulieren und Panaschieren insbesondere auf der Landesliste … Ich glaube, es sind acht Kollegen, die heute hier nicht sitzen würden, wenn die Parteien das jetzt autark aufgestellt hätten. Ist es das alles wert? All diese Fragen wurden sich nicht gestellt.

Und dieser Heilungsmechanismus, den Sie einführen, ist im Prinzip so nach dem Motto: Wir haben Schmerzen und bekämpfen sie mit Schmerztabletten, wir gehen nicht an die Symptome ran, sondern wir versuchen das Ding jetzt umzudrehen, um bei der nächsten Wahl besser dazustehen, weil es dann nicht so viele ungültige Stimmen gibt. Das finde ich nicht in Ordnung. Dass insbesondere die SPD davon überproportional profitiert, ist, glaube ich, auch etwas, das wir uns, wenn wir das umgekehrt gemacht hätten, ganz schön hätten anhören müssen. Ich kann mich noch an die Debatten erinnern, Herr Müller, Wahlrechtsraub und welche starken Vokabeln Sie da benutzt haben. Dass das hier gar nicht kritisch diskutiert wird, dass es so ein Schweigekartell gibt, wundert mich ehrlich gesagt sehr.

(Beifall bei der CDU)

Dass Sie die kleineren Fraktionen eingebunden haben, weil zum Beispiel FDP und LINKE manchmal gar nicht mehr genug Leute haben, um Kandidaten aufzustellen, händeringend Leute anrufen müssen …

(Gerhard Lein SPD: Sie doch auch nicht!)

Wir hatten im Bezirk Bergedorf, da gab es gar nicht … Das gehört doch zur Wahrheit dazu. Das macht es für kleine Parteien enorm schwierig, für Sie offensichtlich auch. Das ist auch ein Problem, aber das müssen Sie dann klären. Also auch das ist eine enorme Herausforderung dieses Wahlrechts. Ich glaube, eine Bürgerschaftswahl ist eine Landtagswahl, ist eine Richtungsentscheidung. Deshalb brauchen wir dort kein Kommunalwahlrecht, kein Gemeindewahlrecht, sondern auf der Landesliste diese eine Stimme. Das beantragen wir auch. Wir brauchen keinen Heilungsmechanis

(Olaf Steinbiß)

mus und wir brauchen auch keine Auslegung von Wahlvorständen nach der politischen Willensentscheidung, denn das ist doch wirklich ein Problem. Also wenn es objektiv so ist, dass die Menschen das Wahlrecht überhaupt nicht verstehen, dann muss man doch auch konzedieren, dass sie dann gar nicht wissen, was sie mit ihren Stimmen zum Ausdruck bringen, wenn sie gleichzeitig Kandidaten und die Liste ankreuzen.

Wir fordern mit unserem Antrag eben keinen totalen Umbau des bestehenden Wahlrechts, sondern wir wollen eine Optimierung und eine Verschlankung erreichen. Mit diesen Vorschlägen hätte man sich aus unserer Sicht auch mit Mehr Demokratie auseinandersetzen und diesen Diskurs suchen müssen; den Mut hätte man haben müssen, Herr Steinbiß. Ich glaube, dass Ihr Antrag heute diesem Anspruch nicht gerecht wird. Er versucht nur, die vorhandenen Konstruktionsfehler zu kaschieren. Das reicht nicht aus. Mit dem heutigen Tage steht fest, dass das Hamburger Wahlrecht nach wie vor kein Wahlrecht bleibt, sondern ein wirkliches Qualrecht. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Trepoll. – Es erhält das Wort Herr Müller von der GRÜNEN Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, Herr Trepoll, die CDU quält sich seit 2004 mit diesem Wahlrecht. Das haben Sie heute noch einmal deutlich gemacht.

(Thomas Kreuzmann CDU: Seit 2008!)

Nein, seit 2004, als der Volksentscheid war.

Ich hätte mir gewünscht, dass Sie aus den Fehlern, die Sie gemacht haben, als Sie Volksentscheide gekippt haben, einerseits Krankenhaus und dann das Wahlrecht und die ganze gerichtliche Auseinandersetzung, dann 2009 in diesem Parlament eine gemeinschaftliche Änderung des Wahlrechts, so wie wir es heute haben, im Konsens, um damals einen Volksentscheid zur Bundestagswahl zu vermeiden … Jetzt interessiert Sie das alles gar nicht mehr, sondern Sie sagen: Ja, wir wollen das einmal wieder so machen, wie wir glauben, dass es richtig ist. Ich glaube, wir alle wissen, dass sich dadurch, dass damals sehr lange gewartet wurde, um ein neues Wahlrecht auf den Weg zu bringen, die Initiative auf den Weg gemacht hat. Dass das am Ende vielen nicht gepasst hat, was dann eine Mehrheit gefunden hat, ist ja alles Geschichte. Aber jetzt ist es eben nicht mehr so, dass dieser Gesetzgeber hier das alleinige Recht hätte und hat, im Ergebnis das Wahlrecht wieder so zu drehen, wie er es gern hätte.

(André Trepoll CDU: Selbstverständlich! Na- türlich dürfen wir das!)

Und das wissen Sie auch und deswegen ist das, was Sie heute machen, eigentlich eine Verabschiedung des Konsenses in dieser Stadt, dass man sich über die allgemeinen Spielregeln eigentlich schon einmal einig werden sollte. Wir hatten das 2009 geschafft. Sie verweigern sich jetzt und Sie verweigern sich mit Argumenten, die in dem Ausschuss in der Anhörung widerlegt wurden. Dass es hier und in anderen Städten und Ländern Stadtteile gibt, in denen Menschen wohnen, die nicht so viel haben und nicht wählen gehen, ist kein Phänomen dieses Wahlrechts, das haben alle Experten gesagt, sondern es gibt dafür andere strukturelle Gründe. Sie wollen das ignorieren. Das ist Ihr gutes Recht, aber es ist kein Argument, zu sagen, wir verlassen den Konsens in dieser Stadt. Und es ist auch kein Argument, wenn 2,8 Prozent von 100 Prozent – und jede Stimme, die ungültig ist, ist eine Stimme zu viel, da gebe ich Ihnen recht –, also 97,2 Prozent das Wahlrecht verstanden haben, und insofern …

(André Trepoll CDU: Da sind aber auch die dabei, die nur eine Stimme abgegeben ha- ben!)

Ja, das ist ja auch ihr gutes Recht, das ist ja bis zu zehn.

(Zuruf von André Trepoll CDU)

Ja, Herr Trepoll, nun regen Sie sich mal nicht auf. Sie sind hier mit Ihren Vorschlägen in die Ecke gelaufen und kommen da auch nicht so schnell wieder heraus.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Und das will ich Ihnen nur noch einmal sagen: Man kann das Spiel, uns interessieren Volksentscheide in dieser Stadt nicht, weitermachen, aber dann entfernt man sich auch immer mehr von den Menschen in dieser Stadt. Das sage ich Ihnen auch an dieser Stelle. Wir hatten das heute schon bei Vattenfall. Alles, was da einmal entschieden worden ist, haben Sie einfach ignoriert, das interessiert Sie alles nicht, Sie haben ja so Ihr eigenes Ding.

(Michael Kruse FDP: Herr Müller, erzählen Sie doch keinen Quatsch!)

Das sehen Sie ja auch daran, wie Sie mit Ihrer Politik in dieser Stadt einen Widerhall finden. Das verstehen die Menschen nicht mehr.

Wir haben uns bemüht, einen Konsens zu finden, einerseits aus den Lehren dieser Anhörung, unter den Parteien auch einen Konsens, dass wir sagen: Okay, was können wir zusammen heute hier vertreten? Dann haben wir gesagt: Auf keinen Fall wollen wir einen Referendumswahlkampf in dieser Stadt gegen Mehr Demokratie und deren Initiatoren, bei dem wir uns wieder darüber streiten, ob das Wahlrecht nun das richtige ist oder nicht, mit am Ende einer Zweidrittelmehrheit beim Referendum. Und jeder weiß, auch Sie wissen das, das

(André Trepoll)

wird die Bürgerschaft politisch verlieren. Warum wollen Sie uns in einen Kampf gegen unsere eigenen Wählerinnen und Wähler drängen, die das Wahlrecht im Grunde genommen längst akzeptiert haben?

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Unsere Aufgabe ist es doch vielmehr, die Probleme, die auftreten – und das haben wir in diesem Antrag gemacht –, abzumildern und in dem Punkt anzugehen,

(Zuruf von der CDU)

wo man sagt: Da gehen wir nicht an den Kern des Wahlrechts heran. Wir haben das verstanden. Wir wollen auch einmal an dieser Front Ruhe haben in der Stadt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das wollen Sie nicht. Sie zündeln weiter.

Und jetzt komme ich noch einmal zu den Punkten – sie sind zum Teil schon genannt worden –, die richtig sind, dass wir sie angehen.

Wir haben gesehen, dass es gerade auch bei den Bezirkswahlen eine Unübersichtlichkeit der Kandidatinnen und Kandidaten gibt, gerade in den Wahlkreisen. Darüber haben wir unter uns und mit Mehr Demokratie gesprochen und einen Kompromiss erzielt, nämlich dass die Anzahl der notwendig aufzustellenden Kandidaten halbiert wird. Ich finde, das ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

So. Und gleichzeitig wird trotzdem das Recht der Wählenden

(Glocke)

da nicht eingeschränkt.

(Zuruf: Das war's!)

Ihre Redezeit ist leider abgelaufen, Herr Müller.

Dann komme ich gleich noch einmal wieder. Ich finde, das Wichtigste war die politische Aussage, dass Sie den Konsens hier verlassen haben, und das tut dieser Stadt nicht gut.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Müller. – Als Nächste erhält das Wort Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir LINKE waren