Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Das hat keiner gesagt!)

Das ist es doch auch nicht, wenn wir uns hier mit einem gewissen Maß an Ehrlichkeit begegnen.

Ich fand den G20-Gipfel in Hamburg eigentlich richtig, nämlich dass zum ersten Mal die Staaten Afrikas beigeladen waren, um an solch einer wichtigen internationalen Diskussion und Erörterung teilzunehmen. Die Zukunft von Flucht und Vertreibung liegt weder auf den Nussschalen, die durch das Mittelmeer schippern und in eigentümlichster Art und Weise dann Schiffe aufsuchen, um gerettet zu werden, noch liegen sie dadurch, dass wir hier Inseln des Rechts oder Häfen des Unrechts, oder wie auch immer das bezeichnet werden kann, schaffen. Das löst die Probleme nicht.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Schneider, Herr Westenberger?

Ja, aber sehr, sehr gern.

Herr Westenberger, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir uns ausdrücklich beschränkt haben auf die Menschen, die drohen zu ertrinken, die manchmal in letzter Not gerettet werden, die sich auf Schiffen befinden, und diese Schiffe können die Häfen nicht anlaufen, weil die südeuropäischen Häfen die Schiffe nicht anlaufen lassen. Und wir haben uns darauf beschränkt und gesagt, die

sen Menschen, die akut aus Seenot gerettet worden sind, denen muss Europa, denen muss auch Hamburg Zuflucht gewähren. Das ist unser Ansatz gewesen. Und wir haben nicht gesagt, je mehr Flüchtlinge, umso … ich weiß gar nicht, was Sie dazu noch gesagt haben.

(Beifall bei der LINKEN)

– Ja, liebe Frau Kollegin Schneider, damit befinden Sie sich in einer Situation, in der Sie in die schwierigste nur denkbare rechtliche Erörterung hineinkommen. Leben gegen Leben. Sie haben den Schutzanspruch als Inhaber eines Rechts, nämlich ein Menschenrecht, auf der einen Seite gefordert, aber auch geschützt zu werden. Wenn Anrainerstaaten im Mittelmeer sagen, wir wollen nicht mehr zusehen, wie Nussschalen wie die Schlauchboote, mit 50, 80 Leuten besetzt, bei uns an die Küsten geschwemmt werden, mit Toten, mit Menschen, die nahezu am Verdursten sind, und sagen, das wollen wir möglichst im Keim ersticken, ist das eine Entscheidung, die aufgrund der Menschenwürde getroffen wird. Das ist der Schutzanspruch aus Artikel 1.2 Grundgesetz. Sprechstunden, habe ich doch gesagt, sind auch hier parallel und mobil bei mir möglich, keine Frage.

Die andere Frage ist…

(Zurufe von der LINKEN)

Das ist ein Rechtsgrundsatz, den das Bundesverfassungsgericht seit der Entstehung des Grundgesetzes, wie ich meine, auch zu Recht, vor sich herträgt.

Der andere Punkt ist, dass wir Menschen, die in Not geraten, natürlich auch unseren Rechtsanspruch zukommen lassen. Wir haben hier keine Antwort auf diese Probleme. Unsere Antwort kann nur so lauten: Wir müssen als Europa endlich unserer Verantwortung gerecht werden und die Probleme, die, streng genommen, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs oder dem Zerfall der Strukturen Afrikas und des Nahen Ostens längst auf uns warten, angehen. Und deswegen finde ich es richtig, wenn die Europäische Union nach dem Gipfel in Salzburg sagt, wir nehmen diese Verantwortung auf europäischer und afrikanischer Ebene jetzt auch ernst.

Ägypten hat sich bereit erklärt mitzumachen. Ägypten ist einer der Schlüssel in dieser Frage. Ägypten hat 100 oder 110 Millionen Einwohner, das wissen die nicht einmal selbst, ist aber ein, wenn man so will, relativ stabiler Staat. Man mag über Ägyptens inneren Staatszustand diskutieren, auch das gern bis in die Nacht, aber es geht hier um Menschen, darüber sind wir uns alle einig, und es geht darum, eine Lösung zu finden. Die Lösung liegt nicht darin, eine denkbar höchste Mauer oder einen Zaun zu errichten, das ist der Ansatz von der AfD, den

lehne ich ab, aber mir tut es auch in der Seele weh, das sage ich Ihnen offen, wenn wir keine Lösung dafür finden, dass Menschen auf dem afrikanischen Kontinent ihr Leben in die Hände ehemaliger Drogenschmuggler geben und mit deren Booten über das Mittelmeer fahren, was längst nicht so ruhig ist, wie wir es vom Strand kennen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Gallina für die GRÜNE Fraktion.

Lieber Max, die Folge von langjährigem Alleinlassen ist die Eskalation, die wir jetzt haben. Bestimmte Staaten sind langjährig alleingelassen worden mit einer sehr großen Verantwortung, die sie übernommen haben bei der Aufnahme von Geflüchteten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Und das ist eine Folge von nationalen Egoismen gewesen. Ich kann nicht sehen, wie weitere nationale Egoismen jetzt zu einer Lösung führen sollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Wir kennen uns schon einige Jahre, und ich schätze dich auch sehr, weil du immer sehr überlegt an alle Themen herangehst, aber hier hätte ich mir wirklich gewünscht, dass du ein bisschen mehr noch einmal in die Überlegung investierst, welche Narrative du eigentlich in Teilen übernimmst mit deinen Beiträgen, auch schon in dem ersten Beitrag.

Du hast nämlich angedeutet, die Schlepper und die NGOs träfen sich dann auf dem Meer und machten da eine nette Übergabe. Das ist einfach schlicht unwahr. Es ist schlicht unwahr.

(Dennis Gladiator CDU: Hat er auch nicht gesagt!)

Dann lesen wir das im Protokoll noch einmal nach. Ich sage doch, das ist der Eindruck, der bei mir entstanden ist. Wenn wir uns einig sind darüber, dass das nicht so ist, bestens. Dann haben wir das doch schon aus dem Weg geräumt.

Ich möchte noch einmal auf ein paar Behauptungen eingehen, die in dieser Debatte, ob nun im Netz oder heute hier, von der sehr rechten Seite des Hauses immer wieder aufgegriffen werden, wo Sie zum Beispiel behaupten, die Schiffe der NGOs machten sich der Schlepperei mitschuldig. Das ist nicht der Fall. Es ist oftmals die libysche Küstenwache selbst, die in das Schleppergeschäft verwickelt ist, das ist die bittere Realität, und die NGO-Schiffe sind sehr darum bemüht, nach dem

(Christiane Schneider)

Retten der Flüchtlinge, dem Bergen der Leichen oftmals, muss man leider auch sagen, die Boote zu versenken oder zu zerstören, damit sie zum Beispiel nicht weiter benutzt werden können.

Dann gibt es diese Geschichte, weil es Rettung gibt, kommen auch mehr Menschen, diese sogenannte Pull-Faktor-These. Auch die stimmt schlicht und ergreifend nicht. Denn es ist so, dass wir eine Situation gehabt haben, in der wahnsinnig viele Menschen auf dem Mittelmeer ertrunken sind, weil gar keine Rettung da war. Danach setzte die private, die zivile Seenotrettung ein, und die Situation, die wir jetzt beobachten können, wo kaum noch Schiffe da sind, zeigt auch, die Zahl der Toten steigt wieder. Also es hält die Menschen nicht davon ab, sich in diese Boote zu setzen.

Und ein Teil von Ihnen weiß es vielleicht. Ich war auch auf dem Mittelmeer vor einem Jahr, und ich habe diese Menschen getroffen, ich habe die Folterverletzungen aus den libyschen Lagern gesehen. Von wegen, das ist eine nette Überfahrt, das ist einfach Quatsch.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Also das hat jetzt wirklich keiner ge- sagt!)

Sondern man befindet sich in existenzieller Not, die Menschen steigen in diese Boote, teilweise werden sie da reingeprügelt in Libyen, weil sie spätestens, als sie in den libyschen Lagern angekommen sind, Folter erfahren haben. Und machen Sie sich noch einmal klar, was unsere rechtlichen Voraussetzungen an der Stelle sind.

Es wird immer davon gesprochen in den verschiedenen Kontexten, dass es darum geht, die Menschen an einen sicheren Ort zu bringen, und ein solcher sicherer Ort ist eben nicht Libyen und es ist auch nicht Tunesien. Das hat die Bundesregierung sehr klar festgestellt. Und ich finde es wichtig, dass man das in der Debatte offen sagt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, Herr Nockemann wünscht das Wort nicht mehr. Wird das Wort weiter gewünscht? Wenn das nicht der Fall ist, können wir tatsächlich noch zum zweiten angemeldeten Thema kommen, uns verbleiben dafür noch 27 Minuten.

Es ist angemeldet worden von der FDP-Fraktion. Bezahlbares Wohnen: Zukunft der Fernwärme nicht den GRÜNEN überlassen.

Bezahlbares Wohnen: Zukunft der Fernwärme nicht den GRÜNEN überlassen

Das Wort bekommt Herr Kruse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Fernwärmekunden dieser Stadt sind in grüner Geiselhaft, und es wird Zeit, dass sie daraus befreit werden.

(Beifall bei der FDP – Zurufe von den GRÜ- NEN: Oh, oh!)

Was wir bei der Fernwärme im Moment erleben, ist die schwächste Senatsperformance dieser Legislaturperiode.

Ein Blick auf die Fakten. Es geht um rund 1 Milliarde Euro Steuerzahlergeld und um Fernwärmekunden, die wahrscheinlich bald viel mehr für Wärme zahlen müssen, wenn die GRÜNEN mit ihren Plänen durchkommen.

Was besonders erschreckend an dieser Situation ist: 60 Monate ist der Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Netze her, 60 Monate. Zwei Monate vor der Deadline haben Sie nicht die leiseste Ahnung, Herr Kerstan, ob Sie das Netz überhaupt zurückkaufen können, und Sie bemühen Gutachter um Gutachter, um eine halbseidene Argumentation dafür zu finden. Gutachten, die belegen sollen, dass es in Ordnung ist, das Geld der Steuerzahler zu verpulvern. Das ist erschreckend.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Wir sind halt gründlich!)

Und es ist peinlich, dass dreieinhalb Jahre nach Ihrem Regierungsantritt, Herr Kerstan, Sie immer noch nicht wissen, wie die zukünftige Fernwärmeversorgung in dieser Stadt aussehen soll. Und deshalb verlangen wir Akteneinsicht, denn wir trauen Ihnen in diesem Feld, offen gesprochen, gar nichts mehr zu.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Da schreien ja al- le!)

Und es ist auch deshalb peinlich, weil in Ihrem Koalitionsvertrag steht, dass die Entscheidung über die Fernwärme im Jahr 2015 getroffen werden muss. Wo waren Sie eigentlich die letzten dreieinhalb Jahre? 2015, lange vorbei. Und es ist auch deshalb peinlich, weil Ihr Nichtregieren an dieser Stelle dazu führt, dass die Dreckschleuder in Wedel immer länger laufen wird, Sie sie noch einmal werden ertüchtigen müssen. Das ist Geldverschwendung, und Sie verpesten damit die Luft auch in dieser Stadt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Und Ihre neuesten Ideen sind teuer: 300 Millionen Euro für ein zusätzliches Kraftwerk, das wir eigentlich nicht brauchen, weil wir Moorburg ans Fernwärmenetz anschließen können. 300 Millionen Euro. Das ist Geld, das nicht da ist. Das ist Geld, das die Fernwärmekunden zusätzlich werden aufbringen müssen. Und das ist Geld, das offensicht

(Anna Gallina)