Protokoll der Sitzung vom 26.09.2018

(Anna Gallina)

lich der Preis dafür ist, dass die GRÜNEN in dieser Stadt mitregieren. Deswegen hat grüne Ideologie seit heute ein Preisschild: 300 Millionen Euro. Diese Politik gehört gestoppt.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt kommt das eigentlich spannendste Argument, das Sie kürzlich in diese Debatte eingeführt haben, nämlich der Aspekt, Vattenfall wolle das Kraftwerk in Moorburg auch nicht mehr ans Fernwärmenetz anschließen. Das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Sie machen mehrere Jahre Druck auf ein Unternehmen, zwingen es dazu, andere Konzepte vorzulegen, und stellen sich dann hier hin und sagen: Vattenfall möchte das Kraftwerk nicht mehr anschließen. Die lachen sich doch in den Schlaf darüber, dass sie schon ein Kraftwerk gebaut haben, das nicht effizient genutzt wird, und jetzt auch noch den Auftrag kriegen sollen, ein weiteres Kraftwerk für 300 Millionen Euro zu bauen. Natürlich sagen die dann zu. Das ist aber eine schlechte Lösung. Das ist ein schlechter Deal zulasten der Fernwärmekunden, und den werden wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der FDP)

Sie machen mit dieser Politik Politik vorbei an den Menschen in dieser Stadt. 72 Prozent selbst der grünen Wählerinnen und Wähler wollen den Anschluss des Kraftwerks Moorburg an die Fernwärme, wenn es ohnehin schon läuft.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Woher wissen Sie das denn?)

Das ist besonders spannend. Und deswegen sagen wir Ihnen, Herr Kerstan, wenn Sie schon nicht auf uns als konstruktiv kritische Opposition hören wollen, hören Sie doch zur Abwechslung einmal auf Ihre Wählerinnen und Wähler. Es wäre auch zum Wohl der Menschen in dieser Stadt.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Das glauben noch nicht mal Ihre Abgeordneten da!)

Aber falls Sie Moorburg nicht anschließen, werden die 250 000 Haushalte, die davon betroffen sind, das erfahren. Und sie werden auch erfahren, wer dafür verantwortlich ist, dass die Wärme für sie drastisch teurer wird. Sie werden erfahren, wer das unbedingt haben wollte, liebe GRÜNE, und sie werden erfahren, wer dabei nur zugeguckt hat, liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten. Deswegen möchten wir Ihnen dringend empfehlen: Regieren Sie nicht an den Menschen in dieser Stadt vorbei. Lassen Sie nicht zu, dass ein grünes Trauma aus dem Jahr 2008 darüber entscheidet, wie 250 000 Menschen in dieser Stadt künftig ihre Wohnungen beheizen. Sorgen Sie dafür, Herr Kerstan, dass ein vernünftiges Fernwärmekonzept auf den Weg kommt, und sorgen Sie dafür, Herr Tschentscher, dass nicht Ihr Juniorpartner die Politik in diesem Bereich allein bestimmt.

(Beifall bei der FDP und bei Stephan Gamm CDU)

Und unser Appell an die Sozialdemokraten lautet: Es gibt in diesem Haus, ich schätze mal, rund 100 Abgeordnete, die bereit sind, ein vernünftiges, pragmatisches Konzept für die Fernwärme auf den Weg zu bringen. Nutzen Sie diese Mehrheit, gehen Sie mit uns diesen Weg. Es ist im Sinne des Volksentscheids, es ist im Sinne der Steuerzahler und es ist auch im Sinne der Fernwärmekunden, und für die Umwelt bleibt das Ergebnis gleich. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Frau Dr. Schaal bekommt das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Zukunft der Fernwärme wird hier nicht irgendjemandem überlassen, sondern das Parlament wird sich mit der Zukunft der Fernwärme beschäftigen. Am 18. Oktober werden wir uns im Haushaltsausschuss zum ersten Mal grundlegend damit befassen. Das hat gestern der Haushaltsausschuss so beschlossen. Es wird eine Selbstbefassung sein, egal ob wir bereits die Drucksache haben oder nicht.

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich über- nimmt den Vorsitz.)

Nach dem Volksentscheid und nach der Rekommunalisierung des Strom- und Gasnetzes, das ja bereits geschafft ist, geht es jetzt nicht so sehr um die Frage, ob das Netz nun wieder in öffentliche Hand übernommen wird, sondern wie es übernommen wird. Dass die Hamburgerinnen und Hamburger den Rückkauf der Fernwärme laut einer aktuellen Umfrage auch weiterhin wollen, gibt uns natürlich Rückenwind. Dabei ist der Mehrheit der Befragten der Kaufpreis offensichtlich weniger wichtig als der Rückkauf an sich. Das entspannt zwar ein wenig, löst aber die vorhandenen Probleme nicht, denn der Senat muss den gegebenen Rechtsrahmen einhalten, sonst könnten wir am Ende ohne die Fernwärme dastehen, und das wollen wir auf keinen Fall.

CDU und oft FDP ist offensichtlich jedes Mittel recht, die Rekommunalisierung der Fernwärme zu verhindern. Aber das Spiel, Herr Kruse, machen wir nicht mit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

SPD und GRÜNE wollen die Fernwärme zurück, und zwar rechtssicher und unangreifbar. Fernwärme ist für die Stadtentwicklung und für den Klimaschutz ein Gewinn. Aber gerade deswegen muss die Fernwärme auf dem Wärmemarkt konkurrenzfähig sein, sonst lässt sie sich nicht erfolgreich wei

(Michael Kruse)

terentwickeln. Das wollen wir aber, um die Klimaziele der Stadt zu verwirklichen. Nicht umsonst verlangt der Volksentscheid eine klimaverträgliche und sozial gerechte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien. Hat Fernwärme keinen guten Preis, will sie keiner, dann bleibt auch der Klimaschutz auf der Strecke. Das geht nicht. Die Fernwärme wird aber nur erschwinglich werden und bleiben ohne klimaschädliche Kohle, denn die Weltmarktpreise für Kohle und vor allen Dingen für CO2-Zertifikate ziehen stark an. Der Kohleausstieg, der derzeit in Berlin verhandelt wird, wird die Kohlepreise noch mehr in die Höhe treiben, selbst wenn das jetzt noch zwei Jahrzehnte dauern sollte. Auch darum ist Wärme aus Moorburg keine Option, offensichtlich auch nicht für Vattenfall, denn das Unternehmen hat diese Pläne ja selbst vom Tisch genommen. Nur CDU und FDP halten daran fest, weil sie offensichtlich keine Alternative haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Dirk Kienscherf SPD: So ist das nämlich!)

Das Konzept der BUE kann weitgehend CO2-neutrale Wärme generieren. Heizung aus ohnehin vorhandenen Quellen, wie Abwärme, verringert die Gestehungskosten für Wärme und garantiert langfristig auch mieterfreundliche Heizkosten. Darum wäre es auch besonders bitter, wenn ausgerechnet der ökonomische und ökologische Vorteil einer Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen den Rückkauf der Fernwärme vor besonders hohe Hürden stellen würde.

Übrigens, insbesondere an die CDU gerichtet: Wenn Sie jetzt auf rechtliche Hürden verweisen und den Rückkauf damit verhindern wollen, ist das unredlich. Die CDU hatte 2010 die Fristen für die Rechtsprüfung des Volksentscheids verstreichen lassen. Darum müssen wir uns von Ihnen, meine Damen und Herren – keiner da –, in der Beziehung überhaupt nicht belehren lassen. Die CDU hat ihre Zeit gehabt und die ist vorbei.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Stephan Jersch DIE LINKE Der Senat und die rot-grüne Koalition werden den Volksentscheid rechtssicher umsetzen. Und an die FDP gerichtet: Sie beklagen, dass ein Konzept nicht da ist, Herr Kruse, wissen aber schon, wie teuer es ist. Sie sollten sich in Ihrer Ar- gumentation einmal für einen Strang entschei- den. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Stephan Jersch DIE LINKE)

Jetzt erhält das Wort Stephan Gamm für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Olaf Scholz und seine SPD haben uns damals ordentliches Regieren versprochen. Doch der Vertrag, den Olaf Scholz zum Rückkauf der Fernwärme abgeschlossen hat, ist einer der schlechtesten, den jemals ein Hamburger Bürgermeister für unsere Stadt ausgehandelt hat.

(Beifall bei der CDU)

Es ging der SPD beim Rückkauf des Stromnetzes und der Fernwärme damals nämlich nicht darum, den Volksentscheid vorbildlich umzusetzen, es ging einzig um die Verteidigung der absoluten Mehrheit für die SPD bei der Bürgerschaftswahl 2015. Das Problem, das die SPD damals hatte, bestand darin, dass sie in einem regulären wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren nicht den Hauch einer Chance gehabt hätte, die Konzession zu gewinnen.

(Zuruf von Dr. Monika Schaal SPD)

Und das hätte dazu geführt, dass der Senat knapp zwei Monate vor der Bürgerschaftswahl die Konzession verloren und damit den Volksentscheid frühzeitig zum Scheitern gebracht hätte. Das sollte aus parteitaktischen Überlegungen der SPD um jeden Preis verhindert werden.

Die CDU hat angesichts der aktuellen Entwicklung eine klare Position: Auf Grundlage dieses Vertrags darf der Rückkauf der Fernwärme angesichts des hohen Werteverfalls von über 300 Millionen Euro und den damit einhergehenden rechtlichen Verstößen nicht erfolgen.

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Welchen rechtli- chen Verstößen?)

Meine Damen und Herren, an dieser Frage ist die Sollbruchstelle der rot-grünen Koalition mittlerweile offen für alle erkennbar. Senator Dressel will eigentlich nicht kaufen. Er will nicht gegen geltendes Recht verstoßen und sieht den Wertverfall der Wärmegesellschaft als gute Gelegenheit, sich aus dem Scholz-Vertrag herauszuwinden. Auf der anderen Seite will Senator Kerstan um jeden Preis kaufen, der sich seit Jahren sklavisch an den inhaltlich völlig widersprüchlichen Volksentscheid gebunden fühlt

(Zurufe von der LINKEN)

und mit dem Rückkauf der Fernwärme unser Klima retten will, was natürlich ideologischer Mumpitz ist.

(Beifall bei der CDU)

Dieser Konflikt ist ein weiterer Beleg dafür, dass diese rot-grüne Koalition in der Frage, wie die Wärmeversorgung in unserer Stadt künftig gestaltet werden soll, vollständig handlungsunfähig geworden ist. Millionen Euro für Gutachten, doch nach vielen Jahren noch immer keine Entscheidung, das

(Dr. Monika Schaal)

ist eine Kapitulation dieser Koalition vor ihrer eigenen politischen Verantwortung.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Kruse FDP)

Dabei muss dringend eine Entscheidung getroffen werden, wie das alte Kohlekraftwerk in Wedel schnellstmöglich vom Netz gehen kann, wie wir den CO2-Ausstoß schnellstmöglich verringern können und wie die Fernwärme für rund 250 000 Haushalte bezahlbar bleiben kann und die Preise eben nicht um 40 Prozent steigen.

(Zurufe von den GRÜNEN)

All diese Ziele sind nur durch die Nutzung der Wärme aus Moorburg und einer vorgezogenen Umrüstung des Kraftwerks Tiefstack möglich. Daher haben sich – und das ist ein Irrtum, der hier in diesem Raum auch immer noch besteht – Vattenfall und die HGV auch niemals von dem Konzept verabschiedet, sondern es ist und bleibt die ökologisch und wirtschaftlich beste Lösung.

Das Konzept von Senator Kerstan würde 250 bis 300 Millionen Euro zusätzlich kosten, hätte aber gegenüber Moorburg keinen CO2-Vorteil – und das ist eine Aussage der eigenen Behörde von Senator Kerstan.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Kruse FDP – Zuruf: Unglaublich!)

Das führt mich zu der Frage, wie in aller Welt die GRÜNEN behaupten können, Preissteigerungen würden nicht höher als maximal 10 Prozent ausfallen. Ende August hat der Wirtschaftsprüfer, der den Wertverlust ermittelt hat, im Energienetzbeirat ausgesagt, das Konzept von Senator Kerstan sei so unvollständig, dass es nicht bewertet werden konnte. Das heißt, es sind keine Aussagen über Kosten und Erträge

(Dr. Monika Schaal SPD: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

und folglich auch nicht über Preise möglich. Aber das, was der Wirtschaftsprüfer nicht vermag,

(Zuruf von Dr. Anjes Tjarks GRÜNE)