Es ist im Ausschuss eben nicht gelungen, eine gemeinsame Faktenbasis zu erarbeiten, Herr Pein. Die Mehrheit des Ausschusses, gerade die Regierungsfraktionen, hat sich mit den Informationen, die uns die Behörde zur Verfügung stellte, und damit, dass sie uns zentrale Informationen vorenthielt, zufriedengegeben. Sie hat in der Dominanz der Innenbehörde im Ausschuss kein großes Problem gesehen. Auch wenn man nicht allzu viele Erwartungen in den Sonderausschuss haben konnte, ist er, eben anders als ein Untersuchungsausschuss, kein scharfes Schwert. Auch verfügt er nicht über einen Arbeitsstab, mit dem wir der Behörde mehr hätten entgegensetzen können. So hat er die geringen Erwartungen noch unterboten.
In der Drucksache spiegelt sich wider, dass die sehr unterschiedlichen Perspektiven auf den G20-Gipfel, die sehr unterschiedlichen, teilweise entgegengesetzten Erzählungen über das Erfahrene weiter existieren. Das hat der Sonderausschuss nicht aufgelöst. Ich will hier nicht wiederholen, was wir in unserem Bericht niedergeschrieben haben, sondern etwas für uns Grundlegendes herausheben.
Nach der Lektüre der verschiedenen Abschlussberichte hat sich für mich die Frage aufgedrängt: Haben Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, eigentlich einmal einen einzigen Gedanken darauf verwendet, warum sich über eine Woche lang viele Tausend Menschen an Demonstrationen, zahlreichen kreativen Protesten und Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen den G20-Gipfel beteiligt haben,
warum am 8. Juli 76 000 Menschen zur großen gemeinsamen Abschlussdemonstration des Protestbündnisses zusammenkamen,
um ihre Kritik an der Politik auf die Straße zu tragen, die durch G20 repräsentiert und symbolisiert wird,
um ihren Widerspruch und ihren Widerstand gegen Kriege und Waffenexporte, gegen Ausplünderung und soziale Ungerechtigkeit, gegen Klimawandel und autoritäre Entwicklungen zu demonstrieren?
Die Kritik an G20 hat viele Wurzeln. Sie hat ihre Basis in unterschiedlichen und gar nicht so kleinen Teilen der Gesellschaft. Die Proteste wurden von
(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das ist ja mal wieder eine interessante These, Frau Schneider! – Glocke)
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Frau Schneider, ich halte die Redezeit an. Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordnetenkollegin Frau Möller?
Nein, es ist schon eine Frage. Ich würde gern wissen, an welcher Stelle Ihres Berichtes all das steht.
Ich würde gern wissen, an welcher Stelle Ihres Berichtes all das steht, was Sie uns jetzt vorwerfen, das wir vergessen hätten.
Wir sind genau so herangegangen. Ich werde jetzt meine Rede zu Ende halten, dann wird nämlich klar, warum ich das hier vortrage.
Da geht es um das Problem: Der hat den Protest gleich mit eingeladen. Wenn auch klar ist, dass es eine zentrale Aufgabe der Sicherheitsbehörden war, die Sicherheit des Gipfels und der Staatsgäste zu gewährleisten, so ist das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit doch nichts, was auch noch gewährt werden kann, wenn und soweit alle Sicherheitsbedürfnisse befriedigt sind. Wie hatte noch das Bundesverfassungsgericht 1985 in seinem Brokdorf-Beschluss politische Versammlungen definiert? Ich zitiere:
"Sie enthalten ein Stück ursprünglich ungebändigter, unmittelbarer Demokratie, das geeignet ist, den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren."
Stattdessen haben Politik und Sicherheitsbehörden weit im Vorfeld des Gipfels – ich erinnere mich an manche Debatte hier in der Bürgerschaft – und bis zum letzten Tag den Protest in allererster Linie als Sicherheitsproblem gedeutet und behandelt als
etwas, das möglichst aus der Stadt herausgehalten, kontrolliert, gebändigt, aus der Innenstadt gedrängt, klein gehalten und in die Schranken gewiesen werden muss mit dem größten Polizeiaufgebot in der Geschichte Hamburgs, einem bis dahin ungekannten Einsatz von Technik, durch harte Polizeieinsätze auch gegen friedliche Versammlungen oder Aktionen des zivilen Ungehorsams und insgesamt eine Eskalation fördernde Polizeieinsatzstrategie, auch durch Missachtung von Gerichtsbeschlüssen.
Das prägt bis heute die Erfahrungen vieler Protestteilnehmerinnen und -teilnehmer. Ich kann Ihnen versichern, dass diese Erfahrungen bei vielen ein tiefes Misstrauen in den Rechtsstaat hinterlassen haben.
Seine Aufgabe, Vertrauen wiederherzustellen, hat der Ausschuss leider nicht erfüllt, weil die Erfahrungen dieser Menschen, ihre Kritik an staatlichem Verhalten keine Anerkennung fanden.
Ich will den Ausbruch von Gewalt vor allem am Freitagmorgen in Altona und am Abend im Schanzenviertel nicht kleinreden. Die Erfahrungen der Menschen, die Opfer dieser Gewalt wurden, fallen ins Gewicht und verlangen eine kritische Aufarbeitung auch durch das große Protestbündnis. Wenn aber die Exekutive nicht wenigstens mit einem Bruchteil der Energie, mit der sie Straftaten von links verfolgt, ihre eigene Rolle in der Gewalteskalation aufarbeitet und entsprechende Konsequenzen zieht, anstatt vor allem und immer weiter und weiter aufzurüsten, dann wird das Versammlungsklima leider verhärtet bleiben. Ich glaube, wir alle sollten an der Weiterentwicklung der demokratischen Protestkultur in Hamburg auf allen Seiten der Beteiligten arbeiten. – Schönen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Christiane Schneider! Ich habe den G20-Sonderausschuss von seiner Thematik her nicht so verstanden, als dass wir über Sinn und Unsinn von G20 und G7 reden sollten, sondern unser Auftrag war, uns mit den Geschehnissen in und um den G20-Gipfel herum zu beschäftigen und was da schiefgelaufen ist.
Ich habe die Rede nicht verstanden? Gut, ich bin durchaus lernfähig. Ich gucke sie mir nachher noch einmal an.
Wir haben jetzt 15 Monate nach G20 ein Jahr Sonderausschuss hinter uns. Wir haben 14 Sitzungen, durchaus lange Sitzungen zusammen gehabt; die waren nicht immer erkenntnisreich. Umso erstaunlicher, dass nun diese Hektik hier im Hause ausbricht, dass wir heute über die G20-Abschlussberichte reden, die uns erst seit letztem Donnerstag vollständig vorliegen. Wir reden über eine Vielzahl von Anträgen, die wir abstimmen sollen, die uns zum Teil erst seit heute Mittag um 12 Uhr vorliegen. Ob das wirklich eine angemessene Beratung ist, möchte ich einmal dahingestellt sein lassen.
Nachvollziehbar finde ich das nicht. Wir hätten uns dafür vielleicht doch etwas mehr Zeit lassen sollen; eine Bürgerschaftssitzung weiter wäre auch gut gewesen.
Die Arbeit des Sonderausschusses wird unterschiedlich beurteilt, auch von den Parteien. Ich war durchaus erstaunt über die Tonalität des Berichts der SPD und der GRÜNEN, die in vielen Dingen sehr viel pragmatischer, sehr viel kritischer war, als es die Ausschussberatungen gezeigt hatten. Man hat dort hauptsächlich den Senat verteidigt, aber in dem Bericht, der uns jetzt vorliegt, durchaus, wie ich finde, richtige Ansätze erwähnt.
Ist der Ausschuss seinem Auftrag gerecht geworden? Ein PUA war nicht möglich. Das wissen wir, das haben wir oft genug diskutiert. Seine Möglichkeiten waren beschränkt.
Herr Nockemann, Sie hätten ja mal einen Versuch machen können, einen gemeinsamen Auftrag eines PUA der Oppositionsparteien zu formulieren. Das ist bei mir nicht angekommen.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie das hätte laufen sollen, wie wir da auf einen Nenner gekommen wären, denn unsere Herangehensweise an diese Problematik war doch sehr unterschiedlich.
Dennoch war der Ausschuss wichtig, denn es gab keine Alternative dazu. Wir können nicht ständig im Innenausschuss tagen. Insofern war es schon wichtig, dass wir diesen Sonderausschuss hatten. Seine Möglichkeiten waren beschränkt. Die Kooperationen der staatlichen Behörden waren durchaus unterschiedlich. Lassen Sie es mich so sagen: Wir
hatten es mit geschwärzten Akten zu tun. Wir hatten Videos von den Ereignissen gerade auch in der Schanze, die uns vorenthalten wurden, obwohl diese Videos teilweise auf YouTube oder auch in ARD-Dokumentationen zu sehen waren, aber wir durften sie nicht sehen. Wir hatten die Situation, dass Auskunftspersonen von staatlichen Stellen, die wir eingeladen hatten, insbesondere aus Berlin, nicht kamen. Auf der anderen Seite sollten wir nicht verkennen, dass seitens der Polizei und des Verfassungsschutzes sehr viel Sacharbeit zur Aufklärung geleistet wurde.