Protokoll der Sitzung vom 17.10.2018

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Die Sozialdemokraten haben 2014 den ersten Schritt unternommen, um das Stromnetz zu rekommunalisieren. Der Erste Bürgermeister hat ausgeführt, dass dieses Unternehmen mittlerweile einen erheblichen Beitrag zur Energiewende leistet bei dem Thema Windstrom, beim Thema E-Mobilität, beim Thema Sektorenkopplung. Wir haben dann gemeinsam Anfang dieses Jahres das Gasnetz zurückgekauft, und wir werden jetzt am 1. Januar 2019 auch das Fernwärmenetz in die öffentliche Hand zurücknehmen. Ich glaube, das ist ein großer Erfolg und ein wichtiges Signal, das das Vertrauen in die Demokratie und die Politik in dieser Stadt stärkt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wir sind also dabei, den Volksentscheid vollumfänglich umzusetzen, so, wie die Hamburgerinnen und Hamburger uns mit ihren Stimmen aufgefordert haben. Lieber Herr Trepoll, aber auch lieber Herr Kruse, Sie kommen doch gleich danach.

(Dirk Kienscherf)

(Michael Kruse FDP: Aber Sie nehmen mei- ne Rede schon vorweg!)

Ich glaube, Sie müssen sich auch an dieser Stelle einmal ein bisschen entscheiden, wie wichtig Ihnen eigentlich Volksentscheide sind. Sie haben es doch sehr deutlich gemacht, dass Sie hier wieder – und Sie sind ein Wiederholungstäter in der Frage – an verschiedenen Punkten die Demokratie missachten, die direkte Demokratie mit Füßen treten. Ich glaube, das ist kein gutes Signal gerade in diesen Zeiten. Ich denke, das muss man einmal klar und deutlich aussprechen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Denn der Rückkauf des Fernwärmenetzes liegt doch nicht am Rand dieses Volksentscheides, sondern er bildet seinen Kern. Es ist der Kern, weil beim Fernwärmenetz die Ziele in Satz 2, die soziale Gerechtigkeit, die sozial gerechte Energieversorgung, die klimaverträgliche Energieversorgung aus erneuerbaren Energien, das ist, was man umsetzen kann. Insofern geht es hier um ein neues Erzeugungskonzept und es geht um sozial- und klimapolitische Ziele. Dafür waren für uns, für RotGrün, und auch für die Sozialdemokraten, vier Prämissen maßgeblich.

Wir wollten erstens eine klimaverträgliche Energieversorgung möglichst aus erneuerbaren Energien als Nachfolge des Kohlekraftwerks Wedel.

Zweitens: Wir wollen eine Preisgarantie für die Hamburger Fernwärmekunden, die Preise sollen nicht stärker als die allgemeine Marktentwicklung steigen.

Drittens: Wir wollen, dass das alles umgesetzt wird mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammen, und zwar ohne betriebsbedingte Kündigungen. Das ist das Thema, das übrigens bezüglich der Sozialverträglichkeit während der Auseinandersetzung am stärksten diskutiert worden ist und das jetzt nicht mehr so eine große Rolle spielt, aber für uns wichtig bleibt. Auch das ist ein zentraler Punkt, der mir sehr wichtig ist, und dass wir auf den in der Debatte hinweisen.

Viertens: Wir wollen, und wir sind dem Ziel verpflichtet, die Fernwärmenetze dafür vollständig in die öffentliche Hand übernehmen, denn wir wollen die öffentliche Daseinsvorsorge in dieser Stadt wieder stärken. Alle diese Ziele liegen im Kern des Volksentscheides, alle diese Ziele sind nach wie vor von den Hamburgerinnen und Hamburgern gewollt, und alle diese Ziele werden wir mit unserem Konzept erreichen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Der Bürgermeister hat es hier angedeutet mit seinem Besuch bei Rahm Emanuel, mit dem Unterzeichnen der Chicago Climate Charter, dass Ham

burg auf der Welt nicht allein dasteht und dass es eigentlich in Hamburg, angefangen von der Präambel unserer Verfassung bis hin zum Tor der Welt, immer die Kultur dieser Stadt war. Gerade in der vergangenen Woche hat der Weltklimarat, das International Penal on Climate Change, in einem Sonderbericht darauf hingewiesen, dass die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad noch machbar und vor allen Dingen dringend notwendig ist. Der Weltklimarat schreibt, uns bleiben noch 12 Jahre, um wirklich etwas für den Klimaschutz zu tun und Katastrophen zu verhindern. Es braucht, Zitat:

"rasche weitreichende und beispiellose Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft."

Und das ist kein falscher parteipolitischer Alarmismus, das ist mittlerweile der wissenschaftliche Konsens. Eine Stadt, die nach Excellence-Universitäten strebt, sollte das, im Gegensatz zu anderen Menschen auf dieser Welt, auch akzeptieren. Wer das nicht glaubt, der kann es jeden Tag draußen bei 27 Grad im Oktober anschauen. Wir sind dazu aufgefordert, etwas gegen den Klimawandel zu tun.

(Zuruf von Philipp Heißner CDU)

Und das tun wir mit diesem Konzept.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos – Philipp Heiß- ner CDU: Peinlich, wenn Sie den Unter- schied zwischen Wetter und Klima nicht ken- nen!)

Das Entscheidende ist, dass wir die Energiewende, die in Deutschland bisher vor allen Dingen eine Stromwende war, jetzt auch als Pionierarbeit im Wärmebereich umsetzen können. Wir werden mit unserem Energiekonzept 151 Megawatt erneuerbare Wärme in Hamburg installieren. Das ist europaweit führend, und wir werden an dieser Stelle ein Pionier des erneuerbaren Wärmekonzepts werden. Deswegen ist es wichtig: Wir handeln, indem wir diese Fakten anerkennen. Wir handeln, weil wir den Klimaschutz zur Priorität machen, und wir handeln, indem wir das Hamburger Fernwärmenetz kohlefrei machen.

(Michael Kruse FDP: Indem Sie Wedel ver- längern! Genau das Gegenteil!)

Genau das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger uns aufgetragen haben, Herr Kruse, und genau das ist es, was Sie im Übrigen den ganzen Tag verhindern wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Deswegen möchte ich noch einmal – wir haben es schon ein paarmal diskutiert an dieser Stelle – ein bisschen etwas zu dieser Pseudolösung Moorburg sagen, die Sie hier die ganze Zeit vortragen.

Das Erste: Dieses Kraftwerk wird an vielen Tagen des Jahres überhaupt nicht mehr zur Stromproduktion gebraucht, weil nämlich erneuerbare Energien in Deutschland den Einspeisevorrang haben, und das wird auch in Zukunft so bleiben.

(André Trepoll CDU: Vor 2030 wird das nichts!)

Das Zweite: Die Behauptung, die Sie aufstellen, Herr Trepoll, diese Wärme sei bereits erzeugt und wir würden sie einfach unnütz in die Luft abgeben, ist falsch. Wenn Sie die Wärme aus Moorburg auskoppeln, dann ist das Wärme, die zusätzlich mit zusätzlichen CO2-Emissionen produziert werden muss.

Der dritte Punkt: Selbst die Bundesregierung, also Ihre Bundeskanzlerin, hat eine Kohlekommission eingesetzt, damit wir endlich aus der Kohlekraft aussteigen. Was wir nicht machen wollen, ist, eine Laufzeitverlängerung für ein Kraftwerk zu beschließen, das am Ende nicht einmal mehr Sie haben wollen werden. Das ist nämlich die Wahrheit an dieser Stelle.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos – Glocke)

Herr Tjarks, es ist gar nicht so einfach, da eine Lücke zu finden. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gamm?

Selbstverständlich.

Herr Gamm, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank. Herr Kollege Tjarks, ist Ihnen bekannt, wie viel Prozent der Stromversorgung Hamburgs im Juli aus dem Kraftwerk Moorburg eingespeist wurde? Sie wissen es nicht, es waren 86 Prozent. – Danke.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Dr. Anjes Tjarks GRÜNE (fortfahrend) : Herr Gamm, ist Ihnen vielleicht bekannt, dass dieser Senat mit einer CDU-geführten Landesregierung in Schleswig-Holstein das Konzept Norddeutsche EnergieWende 4.0 auf den Weg gebracht hat, um 2030 die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein komplett aus erneuerbaren Energien versorgen zu können, weil wir dieses Kohlekraftwerk auch für die Stromversorgung dann nicht mehr brauchen werden?

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ein Anschluss Moorburgs an das Fernwärmenetz ist aber nicht nur ökologisch nicht sinnvoll, er ist auch ökonomisch nicht sinnvoll. Hören Sie einmal zu. Die Preise für die Tonne CO2, die Emissionshandelspreise im letzten Jahr, sind von 5 Euro auf 20 Euro gestiegen. Wenn man das Thema Klimawandel ernst nimmt, werden sie weiter steigen. Der Brennstoff, die Kohle, von dem Sie sich exklusiv abhängig machen wollen nach Ihrer Vorstellung, ist im letzten Jahr von 20 auf 90 US-Dollar die Tonne gestiegen. Auch ökonomisch haben Sie an dieser Stelle ein erhebliches Preisrisiko.

Und dann möchte ich Ihnen als drittes Argument noch einmal den Worttext des Volksentscheides vor Augen führen. Es ist so, die Bürgerinnen und Bürger haben eine klimaverträgliche Energieversorgung aus erneuerbaren Energien beschlossen. Ich möchte gern von Ihnen an dieser Stelle einmal wissen, was an dem Kohlekraftwerk Moorburg eigentlich genau erneuerbar ist? Rein gar nichts. Deswegen noch einmal an dieser Stelle …

(André Trepoll CDU: Gas ist besser? Sie bauen Gaskraftwerke!)

Herr Trepoll, wir setzen 151 Megawatt erneuerbare Wärme in den Markt.

(Birgit Stöver CDU: Mit Gas?)

Das ist das, was wir machen, um den Volksentscheid umzusetzen. Aber Sie schlagen vor, an dieser Stelle den Volksentscheid glatt zu brechen, und das ist das Thema Demokratie und Vertrauen in die Politik, das Sie sich hier anziehen müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Die zweite Prämisse war der Auftrag, eine sozial gerechte Energieversorgung sicherzustellen, und dieser Auftrag beinhaltet zwei Komponenten.

Er beinhaltet zum einen das Thema, dass, wenn wir die Fernwärme, Vattenfall Wärme Hamburg übernehmen, wir mit dem Unternehmen einen großen Umstrukturierungsprozess vorhaben, weil eine große Betriebseinheit, nämlich das Heizkraftwerk Wedel, vom Netz geht, und dass wir das alles unternehmen können, ohne dass es betriebsbedingte Kündigungen gibt. Denn ich glaube, dass wir hier alle in der Verpflichtung sind, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wissen zu lassen, dass nach dem Stromnetz, nach dem Gasnetz auch die Stadt beim Fernwärmenetz ein guter Arbeitgeber sein will. Darauf können sich die Kolleginnen und Kollegen verlassen, dafür steht RotGrün.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Die zweite Komponente der sozial verträglichen Energieversorgung ist natürlich die Preispolitik. Selbstverständlich hat der Senat auch mit Vatten

(Dr. Anjes Tjarks)

fall darüber gesprochen, wie man die Preise mit ihnen stabil halten kann. In Bezug auf die Investitionen war das mit Vattenfall auch kein Thema, aber Vattenfall hat gesagt, na ja, wir sind abhängig von einem Brennstoff, wir sind abhängig vom Handelspreis für CO2-Zertifikate, und hat sich deswegen geweigert, gegenüber dem Senat in einem gemeinsamen Szenario eine entsprechende Klausel in die Verträge aufzunehmen. Das heißt gerade nicht, dass wir nur durch den vollständigen Rückkauf der Energienetze an der Stelle auch dafür sorgen können, dass wir dahin kommen, eine Preisgarantie aussprechen zu können.