Protokoll der Sitzung vom 17.10.2018

Ihr Begriff, Herr Tschentscher, "Daseinsvorsorge" ist nun einmal eindeutig von einem NS-Rechtsphilosophen geschaffen, dem Schüler eines anderen NS-Rechtsphilosophen und Teil der NS-Propaganda.

(Anna Gallina GRÜNE: Zur Sache!)

Nächster Punkt. Herr Tjarks, vielen Dank, dass Sie als einziger den Begriff "Wert" problematisiert haben. Sie konnten es allerdings auch nicht lassen, von einem objektiven Wert zu sprechen, wie Herr Kruse das dann auch getan hat. Das kann man machen, man sollte sich dann allerdings auch outen als Essenzialist. Was ist ein Essenzialist?

(Anna Gallina GRÜNE: Zur Sache!)

Das ist jemand, der daran glaubt, dass es über oder hinter den Dingen dieser Welt noch eine Welt der Wesenhaftigkeit gibt.

(Glocke)

Herr Dr. Flocken, könnten Sie wieder zum Thema zurückkommen?

Also: Hinter der Welt der Tische, Stühle und Rohrleitungen gibt es noch eine Welt der Werte und Wesenhaftigkeiten. Wert der Rohrleitungen. Ja, das

kann man so sehen. Dann sollte man sich aber auch als Hinterwäldler outen.

Letzter Punkt. Herr Trepoll – jetzt ist er leider nicht da –, Sie haben sich über die finanzpolitische Verantwortungslosigkeit des Umweltsenators gewundert. Ich möchte Ihnen das erläutern anhand eines Zitats von Herrn Augstein junior nach der Bayernwahl. Grün wählen, sagt er, das muss man sich auch leisten können.

Auf Hamburg übertragen hieße das: Grüne Politik zu machen, das muss sich eine Stadt auch leisten können. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Das Wort erhält nun der Senator Herr Dressel. – Dann hat sich die Koalition geeinigt: Der Senator Kerstan will zuerst reden.

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren! Der Senat hat gestern beschlossen, 100 Prozent an der Fernwärmegesellschaft Vattenfall Wärme zu erwerben. Wie der Senat das bewerkstelligen will, welche sorgfältigen Prüfungen dem vorausgegangen sind, das hat der Bürgermeister in seiner sehr klaren und deutlichen Rede dargestellt. Rechtliche Hindernisse aus Haushaltssicht, dem Beihilferecht oder dem Strafrecht sind nach einer sehr sorgfältigen Prüfung des Senats nicht nachgewiesen worden. Deshalb gab es für den Senat keine andere Entscheidung, als sich an den Volksentscheid zu halten und gemäß der verfassungsmäßigen Bindung des Senats und der Bürgerschaft an die Verbindlichkeit von Volksentscheiden gemäß dem Bürgerwillen die Fernwärmegesellschaft zu 100 Prozent zurückzukaufen. Und das war eine gute Entscheidung für Hamburg und die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

In dieser Debatte war sehr viel von diesen sorgfältigen und notwendigen Prüfungen die Rede. Mein Kollege, Finanzsenator Dressel, wird gleich auch noch einmal einige Punkte, die fälschlicherweise in der Debatte aufgeploppt sind, deutlich richtigstellen. Ich möchte einfach noch einmal auf die Bedeutung dieser Entscheidung zurückkommen, denn das ist bei dem Hickhack und den verschiedenen doch sehr kleinteiligen Bemerkungen und Fragestellungen der Opposition

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Kleinteilig? Kleinteilig?)

in Teilen untergegangen.

Das ist eine der wichtigsten Entscheidungen dieses Senats, um bis zum Jahr 2030 die Klimaziele, die sich dieser Senat gesetzt hat und zu denen sich Deutschland international verbindlich dem Pa

riser Kyoto-Protokoll entsprechend verpflichtet hat, umzusetzen. Das ist eine wichtige Entscheidung für eine der Jahrhundertaufgaben, die Politik leisten wird. Hamburg wird seinen Beitrag leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Zum anderen ist es ein Bekenntnis dieses Senats dazu, dass lebenswichtige Infrastrukturen dieser Stadt, die die Stadt und die Bürgerinnen und Bürger benötigen, damit diese Stadt funktioniert und wir in dieser Stadt gut leben können, in öffentliche Hand gehören und nicht in private Hand, damit nämlich öffentliche Interessen dort den Ausschlag geben und nicht private Gewinninteressen – auch das eine gute Entscheidung für die Stadt.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Letztlich achtet dieser Senat, ich erwähnte es schon, die direkte Demokratie. Ich glaube, in Zeiten eines galoppierenden Rechtspopulismus ist ein demokratisch orientierter Senat wohl beraten, Entscheidungen, die Bürgerinnen und Bürger mit Mehrheit getroffen haben, zu achten. Ich war sehr irritiert darüber, dass dieser Punkt bei den Vertretern der Opposition, insbesondere bei CDU und FDP, praktisch gar keine Rolle gespielt hat. Meine Damen und Herren, ich glaube, das sind entscheidende Fragestellungen, wenn es darum geht, wer in dieser Stadt Regierungsverantwortung tragen sollte. Wir haben eine klare Antwort gegeben. Die Opposition hat diese drei Punkte, die ich eben erwähnt habe, in ihren Abwägungen nicht weiter berücksichtigt. Ich glaube, das ist eine sehr klare Aussage darüber, wer wo steht und wer regierungsfähig ist und wer es nicht ist in dieser Stadt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Wie lächerlich ist das denn!)

Ich glaube, ich muss nach dem Bericht des Weltklimarats nicht noch auf die Bedeutung des Klimaschutzes für unser aller tägliches Leben eingehen. Dort wurde nicht die Frage gestellt: Können wir uns Klimaschutz leisten? Sondern: Wie lange können wir es uns eigentlich leisten, nicht entschiedene und konsequente Maßnahmen zu ergreifen, weil das zu einer Welt führen würde,

(Glocke)

die für uns und insbesondere für unsere Kinder zu einem schlechteren Leben führen würde?

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Senator, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kruse?

Herr Kruse, gern.

Herr Kerstan, ich würde gern mehrere Dinge von Ihnen wissen. Zum einen würde mich interessieren, warum in Ihrer Drucksache das Wort CO2 nur einmal auftaucht – an einer sehr abstrakten Stelle – und warum Sie mit keinem Wort darauf eingehen, wie viel CO2 Sie denn künftig einsparen mit Ihrem Fernwärmekonzept. Zum einen das.

Und zum anderen würde ich gern wissen, ob Sie sich erklären können, warum die Sie tragenden Fraktionen unseren Antrag nach einer Lebenszyklusanalyse, die genau aufzeigen würde, wie klimaschonend welche Konzepte denn eigentlich sind, abgelehnt haben. Können Sie sich das erklären?

Sehr geehrter Herr Kruse, lassen Sie mich einfach in der Rede fortfahren, denn das waren jetzt genau die Punkte, auf die ich gerade zu sprechen kommen wollte. Sie werden dort eine Antwort bekommen.

Letztendlich haben die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt entschieden, dass im Bereich der Energienetze die Stadt die Kontrolle übernehmen soll, und sie haben auch gesagt, warum. Es geht darum, erneuerbare Energien klimafreundlich einzubinden, und das zu vertretbaren Preisen. Genau das beinhaltet unser Konzept, und darum habe ich mich über manche Ausführung hier sehr gewundert. Es ist ja nicht so, dass wir ein Kohlekraftwerk durch ein Gaskraftwerk ersetzen und das war es dann,

(Michael Kruse FDP: Nein, Sie bauen eins dazu!)

sondern es ist noch nicht einmal ein Drittel gasbasiert, der Rest ist erneuerbar oder vorhandene Abwärme-Quellen. Insofern erfüllen wir damit den Auftrag des Volksentscheids.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Was dann aber der entscheidende Punkt ist: Damit wir unsere Klimaziele erreichen können, ist es zwingend notwendig, dass wir erneuerbare Energien nicht nur im Strombereich einsetzen, sondern insbesondere im Wärmebereich. 40 Prozent der CO2-Emissionen, Herr Kruse, in dieser Stadt werden bei der Beheizung und Kühlung von Gebäuden erzeugt. Da hat die Energiewende noch nicht einmal begonnen.

(Michael Kruse FDP: Sie tragen auch nichts dazu bei!)

Hier geht Hamburg als erstes Bundesland und auch als erste große Stadt Deutschlands voran mit diesem Konzept. Und darum ist das Gegenteil von dem richtig, was Sie hier verkünden. Hamburg wird zum Vorreiter der Wärmewende und deshalb seiner Verantwortung im besonderen Maße gerecht.

(Senator Jens Kerstan)

Der Rest der Republik guckt auf dieses Konzept, und darauf kann Hamburg stolz sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Insbesondere, und das ist etwas, wo ich wirklich erstaunt bin, wird dieses Konzept eben gerade dazu führen, dass erneuerbare Wärme für die Kunden bezahlbar ist. Warum hat denn bisher im Gebäudebereich die Wärmewende nicht stattgefunden? Wenn man die Gebäude nur dämmt, bekommt man einen sehr hohen Kostenanteil, der auf die Mieten umgelegt wird, und das ist ein großer Zielkonflikt. Und weil der nicht aufgelöst wurde, ist es bisher im Wärmebereich nicht gelungen, CO2 einzusparen. Genau da setzt unser Konzept an. Das ist das Innovative an unserem Konzept, das manche auch revolutionär nennen, Herr Kruse.

(Heiterkeit bei der FDP)

Es geht nämlich darum, die Gebäude nicht mehr bis zum Abwinken zu dämmen und damit für die Mieter unbezahlbar zu machen,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Herr Kerstan, Sie sind revolutionär!)

sondern nur noch Fenster, Decken und Kellerböden zu dämmen und dann auf erneuerbare Energien in der Wärmelieferung zu setzen. Das führt dazu, dass man am Ende die CO2-Ziele und die hohen Energieeffizienzstandards erfüllt und gleichzeitig sicherstellt, dass die Mieten bezahlbar bleiben, und das gibt es in keinem anderen Konzept. Bei uns ist es der zentrale Punkt, und deshalb können wir auch guten Gewissens das Versprechen abgeben, dass unser Konzept die Mieterinnen und Mieter nicht mehr belasten würde, als wenn sie eine Gas-, Öl- oder Kohleheizung hätten, meine Damen und Herren. Das haben Sie anscheinend noch nicht verstanden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dass Sie deshalb jetzt ohne jeden Beleg behaupten, es würde 40-prozentige Steigerungen geben, ist geradezu grotesk und perfide. Ich würde dann einfach einmal darum bitten, wenn Sie das wirklich ernst meinen, das mit irgendeiner Zahl zu unterlegen. Bisher habe ich das von Ihnen nie gehört – und eine solche Zahl gibt es auch nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Dirk Kienscherf SPD: So ist es!)