Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Frau Senatorin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Stöver?
Vielen Dank. Frau Senatorin, Sie haben den Bezirk Harburg angesprochen. Ist Ihnen bewusst, dass in der Bezirksversammlung Harburg immer darauf hingewiesen wurde, dass in Neugraben-Fischbek – gerade in diesem Bereich sind doch große Wohnungsbaupläne gewesen – auch Kita- und Schulflächen vorgehalten werden müssen? Das ist nicht geschehen.
Liebe Frau Stöver, ist Ihnen bewusst, welche Parteien über die Bebauungspläne Am Röhricht und auf der Röttiger-Kaserne entschieden haben und mit welchen Mehrheiten es da zu weniger Gemeinbedarfsflächen gekommen ist? Große Koalition mit Beteiligung der CDU, da gab es besondere Wünsche, auch Ihres Parteivorsitzenden.
Ein weiterer wichtiger Faktor, und das ist fast genauso entscheidend, ist der niedrigschwellige Zugang zu Kinderbetreuung. Da ist 2014 mit der Beitragsfreiheit für fünf Stunden Grundangebot und Mittagessen ein wesentlicher Meilenstein geschaffen worden. Parallel dazu haben wir uns auf den Weg gemacht, gemeinsam mit allen Beteiligten, übrigens auch mit denen der Volksinitiative, und das finde ich hier wichtig, einen Meilensteinweg zu vereinbaren, wie wir die Qualität im Krippen- und im Elementarbereich noch weiter ausbauen und das übrigens auch stadtseitig finanzieren, das darf man schon einmal sagen an dieser Stelle. Deswegen sind wir auch nicht zuletzt auf einem guten, überregional übrigens vielbeachteten Weg, der sagt, wer in Hamburg einen Kita-Platz sucht, der bekommt ihn auch, unbeschadet der Tatsache, dass wir auch wissen, dass es Stadtteile gibt, die einen besonderen Nachholbedarf haben, die aber gerade in den letzten zwei Jahren auch einen enormen Weg in Richtung Zukunft hingelegt haben. Wenn man sich selbst die schwächsten Stadtteile, was die Krippenplatzversorgung in Hamburg betrifft, anschaut, dann haben die eine 39-ProzentBetreuungsquote, das ist so zum Beispiel in Teilen von Wilhelmsburg.
Wenn wir uns dann die besten Versorgungsquoten in einigen Städten wie Bremen, wie Bremerhaven, wie Delmenhorst und in anderen Gemeinden im Umland anschauen,
die liegen noch weit darunter, und das ist ein Zeichen, dass wir in Hamburg insgesamt eine sehr gute – Köln übrigens auch – Situation an dieser Stelle haben.
Weiterhin ist von hoher Bedeutung, und das finde ich auch, dass wir inzwischen messen können, dass die Qualität in Hamburger Kitas sehr gut ist. Dazu zählt, dass wir inzwischen bei den Sprachstandserhebungen im viereinhalbten Lebensjahr feststellen können, dass die Kinder, die drei Jahre und länger eine Kita besucht haben, im Durchschnitt sehr viel geringeren Sprachförderbedarf haben als Kinder, die das nicht getan haben. Das zeigt sehr deutlich, Zugang zu früher Bildung und Betreuung wirkt insbesondere bei den Kindern, die es brauchen, und alle profitieren davon an dieser Stelle.
Es gibt eine Sache, die muss man auch offen ansprechen, und deswegen bin ich sehr bei Herrn Yildiz, der sagt, es gehe auch darum, Fachkräfte zu gewinnen an dieser Stelle. Wir müssen uns natürlich auch um das Thema Bildung und Ausbildung in diesem Bereich kümmern, und deswegen bin ich sehr froh, dass wir eben einen guten Weg gemeinsam mit den Trägern gefunden haben, wie wir auch berufsbegleitende Ausbildung in den Kitas etablieren können, wie wir die Ausbildungsgänge an den Fachschulen erweitert haben, sodass jetzt noch mehr Menschen Zugang zu einer Erzieherinnen- und Erzieherausbildung über lange Sicht bekommen und dann qualifiziert in den Hamburger Kindertagesstätten arbeiten, denn darum muss es gehen. Keine Abstriche bei der Qualität, quantitativ einen guten Zugang für alle gewähren und so niedrigschwellig wie möglich mit Gebühren arbeiten, die sich Eltern auch leisten können, ohne dass Spitzenverdienste erzielt werden oder man sich die Wohnung in Hamburg nicht mehr leisten kann.
In diesem Sinne, glaube ich, sind wir auf einem guten Weg. Wir kennen die Bereiche, wo wir noch Potenziale heben müssen. Dafür haben wir uns gemeinschaftlich aufgemacht mit den Verbänden, die Qualität zu verbessern. Insofern, finde ich, muss man ein Auge haben auf diese Potenziale, denn man sollte hier das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.
Das Wort erhält jetzt der Abgeordnete Flocken, dessen Wortmeldung wir in der ersten Runde nicht gesehen haben.
Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Volksvertreter! Eine Premiere in diesem Haus ist dieses Stück nicht. Die Bürgerlichen werfen Rot-Grün vor, Hamburgs Kitas genügen nicht euren eigenen Ansprüchen. Nun hat sich eine sehr muntere Debatte entsponnen, obwohl doch die alten Argumente gar nicht mehr vorkommen. Zum Beispiel traut sich die CDU natürlich nicht, auch die FDP nicht, von Kita-Gebühren zu sprechen, geschweige denn von der Horrorvorstellung, dass Mütter ihre Kinder auch allein betreuen können. Die SPD verzichtet auf martialische Sprüche von der Lufthoheit über den Kinderbetten, und so kann unter dem Vorwand frühkindlicher Bildung die Macht der Staatsdoktrin über die Freiheit des Individuums propagiert werden.
Niemand in dieser Debatte hat darüber gesprochen, wie es den Kindern geht in den Kitas. Ich komme gleich zu den wichtigsten Studien über Massenkinderhaltung, kurz die biologischen Grundlagen. Wie bei anderen Säugern auch, steuert …
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Flocken, ich bitte Sie doch, den parlamentarischen Sprachgebrauch zu berücksichtigen. Ich glaube nicht, dass es Untersuchungen über Massentierhaltung … Massenhaltung von Kindern gibt.
Massenkinderhaltung, ja. Kurz die biologischen Grundlagen: Wie bei anderen Säugern auch steuert Oxytozin und Cortisol die frühe Entwicklung des Menschen.
Oxytozin wird ausgeschüttet durch Stillen, Kuscheln, liebevolle Begegnung und eine vertraute Umgebung. Es vermittelt Bindung, Lust, Vertrauen, Nächstenliebe und Entspannung. Cortisol wird ausgeschüttet durch neue Reize, bewirkt Entdeckerfreude und Leistungsbereitschaft. Entscheidend ist die richtige Mischung, der Rhythmus. Bei gesunden Kindern fällt der im Speichel messbare Cortisolspiegel nach einer frühmorgendlichen Spitze während des ganzen Tages kontinuierlich ab.
In der – na ja, das darf ich jetzt nicht sagen – steigt der Cortisolspiegel kontinuierlich an bis zur abendlichen Erschöpfung. Gleichzeitig Folge und Ursache von Lärm in Kitas ist der Stress, die Angst der Kinder vor Ungewissheit, Fremden ausgeliefert zu sein. Häufige Infektionen, nicht nur bei Kindern,
Erstens nun die Ergebnisse der wichtigsten Studie: NICHD in den USA hat über viereinhalb Jahre die Betreuungssituation von 1 200 Kindern dokumentiert, also sowohl die Art der Interaktion mit den Eltern als auch die Fremdbetreuung, wobei Qualität nicht nur am Betreuungsschlüssel, sondern auch an der Verlässlichkeit und der Kommunikation gemessen wurde. Die Folgen: Nach hochqualitativer Fremdbetreuung ist das Lernvermögen mit sechs Jahren besser als bei schlechter Fremdbetreuung und auch etwas besser als bei elterlicher Betreuung, speziell wenn der Kommunikationsstil schlecht war.
Zweitens: Je mehr frühkindliche Fremdbetreuung, und dies unabhängig von der Qualität, desto mehr Verhaltensauffälligkeiten im Schulalter, Angst, Aggression, Hyperaktivität, Kriminalität. Ähnliche Studien haben dies bestätigt, das neuroanatomische Korrelat ist ebenfalls im Kernspin nachweisbar. Was folgt daraus?
Das musste ich mir anhören, Frau Dobusch, Sie haben das auch gehört. Natürlich gibt es keine belastbare Aussage dazu, sondern die Meinung eines Schülers ist eine Folge der Indoktrination an unseren Schulen. Im AfD-Grundsatzprogramm wird eine Wahlfreiheit für Familien gefordert, was natürlich ein Ende von Nudging und Propaganda gegen Mütter wäre, oder, positiv formuliert, Eltern sollen weder durch finanziellen Druck noch durch Hetze genötigt werden, ihre Kinder wegzugeben. Artikel 6 Satz 2 des Grundgesetzes lautet:
"Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft."
Der staatliche Auftrag lautet nicht, Eltern sind mit allen materiellen Ködern und unablässiger Propaganda zu bearbeiten, ihre Kinder wegzugeben. Wer den Staat dazu einspannen will, steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes.
Erster Vizepräsident Dietrich Wersich (unterbre- chend): Herr Flocken, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich vergaß noch zu erwähnen, dass Herr Flocken fraktionsloser Abgeordneter in diesem Hause ist. – Dann erhält das Wort Herr Oetzel für die FDPFraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin etwas verwundert über den Verlauf dieser Debatte und worüber
hier wieder alles gesprochen wurde, nicht nur von meinem direkten Vorredner, sondern auch davor. Es wurde wirklich wieder der sehr große Bogen geschlagen, Bundesebene, Landesebene. Ich habe extra versucht, in meinem Eingangsstatement diese Sachen nicht wieder aufzukochen, dass wir das nicht alles hier wiederholen müssen, also was der Bund jetzt macht, was das Land machen muss, was ehemalige Senate hier gemacht haben oder vielleicht nicht gemacht haben, sondern ich habe sehr konkret einige Punkte, wo momentan in Hamburg der Schuh drückt, angesprochen. Davon sind wir aber so weit abgekommen, dass Frau Gallina sogar von Herrn Yildiz zur Sache gerufen werden musste. Dabei sind doch normalerweise die LINKEN diejenigen, die das Ganze immer eher auf die Metaebene …
Die Vertreterinnen und Vertreter von Rot-Grün und auch die Senatorin haben natürlich zu Recht darauf verwiesen, Herr Heißner hat es ebenfalls gesagt, dass in Hamburg in den letzten Jahren viel passiert ist; das habe ich nicht infrage gestellt. Aber Sie haben keine Haltung dazu entwickelt, dass wir davor gewarnt haben, dass die Situation bei dem Platznachweisverfahren ein erstes oder vielleicht sogar schon ein zweites Indiz dafür ist, dass wir in vielen Bereichen in der Stadt, an vielen Stellen in einen drohenden Platzmangel laufen. Sie können doch von mir aus diese Zahl anders interpretieren, vielleicht sagen Sie auch, die hohe Zahl der Platznachweisverfahren sei überhaupt nicht problematisch. Die Haltung können Sie vertreten, nur dann vertreten Sie diese Haltung bitte auch hier vorn und nehmen Sie einmal Stellung zu der gestiegenen Anzahl der Platznachweisverfahren, statt das, was ich hier eben gesagt habe, einfach zu ignorieren und über die zugegebenermaßen auch vorhandenen Erfolge Ihrer Regierung zu sprechen. Aber die Punkte, die ich angesprochen habe, haben sowohl Sie, Frau Gallina, als auch Sie, Herr Lohmann, komplett ignoriert. Ich finde, das ist kein guter Verlauf der Debatte.
Auch wenn der Senat und die Regierungsfraktionen sich immer daran festhalten, dass es angeblich keinerlei Absenkung des Qualifikationsniveaus derjenigen Fachkräfte gibt, die in den Schlüssel eingerechnet werden, verweise ich noch einmal auf die Beratungen, die wir im letzten Familienausschuss hatten, wo ich auch darauf verwiesen habe, dass der Senat auf eine meiner Schriftlichen