Protokoll der Sitzung vom 14.11.2018

Hierzu liegt Ihnen mit Drucksache 21/15002 ein Antrag der FDP-Fraktion sowie mit der Drucksache 21/15005 ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen der SPD und der GRÜNEN vor.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Frau Dr. Schaal für die SPD-Fraktion erhält das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mit dem Rückkauf der Hamburger Fernwärme setzen wir hier und heute den Volksentscheid von 2013 endgültig und abschließend um.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das unterstützt eine große Mehrheit in diesem Haus. CDU – die sind gar nicht da –,

(Michael Kruse FDP: Ihre Fraktion doch auch nicht!)

FDP und AfD positionieren sich gegen den Willen der Bevölkerung, und das finde ich schäbig.

Mit der Umsetzung des Volksentscheids schreiben wir in Hamburg ein Stück Wirtschaftsgeschichte. Noch nie hat es in Deutschland eine so umfassende Rekommunalisierung von Infrastruktur gegeben wie bei uns. Nach dem Rückkauf des Strom- und Gasnetzes und jetzt auch der Fernwärme verfügt die Stadt 2019 wieder komplett über ihre Energienetze und Wärmeerzeugungsanlagen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Mit dem Kauf wechseln alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Vattenfall Wärme und der Vattenfall Service zur HGV. Das haben wir versprochen und das haben wir gehalten.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Unser Ziel ist es, die Grundlage für eine erfolgreiche Energiewende in Hamburg zu schaffen und Fernwärme ohne Kohle zu stabilen Preisen zu produzieren sowie Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Wärme wird aus Abwasser, Abfall und Industrieproduktion kommen, ergänzt durch einen unterirdischen Speicher und unterstützt durch eine gasgetriebene Kraftwärmekopplungsanlage.

2030 schon sollen 65 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Dafür sind wir mit den drei Netzen gut aufgestellt, denn auch Gas wird langfristig grüner werden durch Beimischung von Wasserstoff, der dann aus Elektrolyse mit erneuerbarem Strom hergestellt wird. Schon jetzt schafft Gasnetz Hamburg mit seinem großen Stahlsanierungsprogramm der Leitungen die Voraussetzungen dafür, mit Wasserstoff angereichertes Gas zu transportieren. Das zeigt: Mit der Rekommunalisierung kommen wir bei der Energiewende schneller voran.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Erster Vizepräsident Dietrich Wersich)

Wahlergebnis siehe Anlage, Seite 6564 ff.

Und noch einen Vorzug bringen der Erwerb und der Umbau der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze. Mit eigenen Erzeugungsanlagen wird Hamburg wie zu HEW-Zeiten wieder schwarzstartfähig. Das heißt, wir können uns selbst helfen, falls es einmal zu einem Blackout kommen sollte. Versorgungssicherheit aus eigener Kraft zu gewährleisten, das ist ein gutes Gefühl.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Im Haushaltsausschuss wurde in zwei Stunden langen Befragungen von Experten und Senat die Frage erörtert, ob der Kauf haushaltsrechtlich einwandfrei ist. Schließlich hatte BDO den Wert der Wärmegesellschaft 300 Millionen Euro unter dem Mindestkaufpreis taxiert.

(Michael Kruse FDP: Bei Ihrem ist es noch weniger wert!)

Doch das Wertgutachten von BDO basiert auf einem überholten Geschäftsmodell. Weder Vattenfall noch der Senat wollen Fernwärme aus dem Kohlekraftwerk Moorburg auskoppeln, weil es in einer neuen Energiewelt nicht sinnvoll ist. Vor diesem Hintergrund des tatsächlich beabsichtigten Geschäftsmodells allerdings haben die Gutachter des Senats bei aller gebotenen Vorsicht und unter Einbeziehung der sich abzeichnenden Rahmenbedingungen einen Unternehmenswert ermittelt, der knapp unter dem Mindestkaufpreis liegt. Der Wert der Fernwärme wird nämlich geprägt durch ihr neues innovatives Geschäftsmodell, durch die Einbindung des Unternehmens in die HGV mit ihrem steuerlichen Querverbund und die künftige KWKFörderung. Auch sie wirkt wertsteigernd. Mit der Vorlage des Referentenentwurfs durch die Bundesregierung ist die KWK-Förderung auch in greifbare Nähe gerückt. Das sah vor 14 Tagen noch ganz anders aus.

Im Ergebnis ist klar: Der Kauf der Fernwärme ist mit der Landeshaushaltsordnung und dem Beihilferecht vereinbar. Die Koalition möchte aber den weiteren Umgestaltungsprozess der Fernwärme weiterhin eng begleiten. Darum bitten wir Sie, der Empfehlung des Haushaltsausschusses zu folgen und unserem Zusatzantrag ebenfalls, den FDP-Antrag lehnen wir ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dann erhält als nächster Redner das Wort Herr Gamm für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem heutigen Tag werden die Mehrheitsfraktionen von SPD und GRÜNEN eine Entscheidung von außerordentlich hoher Tragweite treffen. Auf Grundlage dieser Senatsdrucksache wird die Stadt Hamburg die noch fehlenden 74,9 Prozent von der Vat

tenfall Wärme zu einem deutlich überhöhten Preis zurückkaufen. Doch die Bürgerschaft entscheidet heute nicht nur über den Rückkauf, sondern auch über ein Fernwärmekonzept, das die Hamburgerinnen und Hamburger in den kommenden Jahren mindestens 1 Milliarde Euro zusätzlich kosten wird.

Wir reden hier insoweit über eine Summe von 2 Milliarden Euro. Nun habe ich bereits beim letzten Mal ausgeführt, dass es für Investitionen selbst in dieser Höhe immer auch gute Gründe geben kann. Doch gute Gründe sind hier nicht erkennbar. Olaf Scholz hat Anfang 2014 einen Vertrag mit Vattenfall ausgehandelt, der einzig zum Ziel hatte, den Netzrückkauf aus der Bürgerschaftswahl 2015 herauszukaufen. Fast fünf Jahre später ist nicht die Wahlkampfstrategie der SPD, sondern die Parteitaktik der GRÜNEN maßgeblich. Denn die zentrale Motivation für dieses Konzept ist es nicht, in Hamburg die ökologisch und wirtschaftlich beste Lösung zu realisieren,

(Dr. Anjes Tjarks GRÜNE: Doch!)

sondern es ging den GRÜNEN einzig darum, ein Konzept zu bauen, das im wahrsten Sinne des Wortes um jeden Preis das Kraftwerk Moorburg ausgrenzen sollte. Nachdem die damalige grüne Umweltsenatorin Hajduk 2008 den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg trotz gegenteiliger Wahlkampfversprechen genehmigen musste, möchten die GRÜNEN nicht zum zweiten Mal in eine Realitätsfalle tappen. Und die SPD ist angesichts ihres derzeitigen Zustandes offenbar zu verunsichert oder zu kraftlos,

(Dr. Monika Schaal SPD: Schauen Sie mal Ihren eigenen Zustand an!)

sich zum Wohle Hamburgs gegen die ökopopulistische Politik der GRÜNEN zu stemmen.

(Beifall bei der CDU)

Mit dem vorliegenden Konzept werden Sie die formulierten Ziele des Volksentscheides nach einer preisgünstigen und klimaverträglichen Energieversorgung aus erneuerbaren Energien nicht erreichen können.

Auf drei Punkte möchte kurz eingehen. Der erste Punkt: erneuerbare Energien. Durch den Neubau eines Gaskraftwerkes und die Umstellung des Kraftwerks Tiefstack von Kohle auf Gas basiert das rot-grüne Konzept eben nicht im Wesentlichen auf erneuerbaren Energien, sondern auf Erdgas. Damit wird die Verbrennung fossiler Rohstoffe in Hamburg auf Jahrzehnte zementiert. Und wie lange es dauern wird, Gas aus erneuerbaren Quellen in ausreichenden Mengen zu erzeugen und wo sie genau herkommen sollen, das kann bis heute niemand plausibel beantworten.

Zweiter Punkt: wirtschaftliche Tragfähigkeit. Ab 2024 werden uns opulente Gewinne versprochen. Doch das ist angesichts der geplanten immensen

(Dr. Monika Schaal)

Verschuldung mehr als zweifelhaft. Bei einem Blick in die Zahlen fällt auf, dass ein wesentlicher Treiber für den zukünftigen Unternehmenserfolg eine sehr optimistische Entwicklung bei der Zunahme der Fernwärmekunden ist. Doch das wäre nur durch einen direkten staatlichen Eingriff in den Markt und damit in Eigentumsrecht möglich. Die CDU wird daher der Bürgerschaft einen Antrag vorlegen und den Senat auffordern, auf einen Anschluss- und Nutzungszwang bis mindestens 2029 vollständig zu verzichten. Mit Ihrem Abstimmungsverhalten – da schaue ich in Richtung Rot-Grün – können Sie dann öffentlich dokumentieren, wie sehr Sie Ihrem eigenen Geschäftsmodell vertrauen.

(Beifall bei der CDU und bei Michael Kruse FDP)

Der dritte Punkt: Preise. Bürgermeister Tschentscher hat auf der Landespressekonferenz gefühlt 40 Mal den Begriff der Preisgarantie wiederholt. Doch spätestens seit der Antwort des Senats auf die Anfrage des Kollegen Jersch wissen wir, dass der Senat selbst nicht den Hauch einer Ahnung hat, wie diese Preisgarantie gestaltet, geschweige denn durchgesetzt werden soll. Denn wenn er das hätte, hätte es auch Bestandteil dieser Drucksache sein können. Stattdessen hechelt dieser Senat der schon damals nicht validierbaren Maximal-10-Prozent-Aussage von Jens Kerstan aus dem Jahr 2017 hinterher. Gerade bei dieser für die Hamburger Fernwärmekunden so wichtigen Frage wäre es die Pflicht von Bürgermeister Tschentscher gewesen, verbindliche Fakten zu schaffen. Doch auch hier ist es dem Bürgermeister nicht gelungen, die Initiative zurückzugewinnen.

Die Entscheidung für den Rückkauf der Fernwärme in Kombination mit dem Fernwärmekonzept der Behörde von Senator Kerstan ist ein großer strategischer Fehler und eine schwere Bürde für nachfolgende Generationen. Angesichts der Tatsache, dass die Hamburger Fernwärme gerade einmal 9 Prozent der gesamten CO2-Emission der Stadt verursacht, stellt sich schon die Frage nach einer verantwortungsvolleren Ressourcenallokation. Könnte mit so viel Geld an anderer Stelle nicht mehr Positives für die CO2-Bilanz der Stadt getan werden? Genau davon sind wir überzeugt. Daher wird die CDU-Bürgerschaftsfraktion diesen Senatsantrag ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Gamm. – Das Wort erhält jetzt Ulrike Sparr für die GRÜNE Fraktion.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Gamm, Sie hatten jetzt noch einmal die Gelegenheit, Ihre Geschichte zu erzählen. Ihre Argumente sind in den Ausschusssitzun

gen in den letzten Wochen im Haushalts- und im Umweltausschuss längst widerlegt worden. Das gilt übrigens auch für den FDP-Antrag. Aber im Ausschuss haben nicht so viele zugehört wie heute hier, darum noch einmal.

(Michael Kruse FDP: Sie waren gestern gar nicht da im Ausschuss, als wir das beraten haben!)

Nein, Moorburg wäre nicht die klimafreundlichere Alternative gewesen, denn dieses Kraftwerk erzeugt auch Strom. Wenn Sie es in die Wärmeversorgung einbinden, können Sie nicht mal eben die Stromproduktion herunterfahren, wenn genügend Erneuerbare im Netz sind. Damit würden Sie im großen Stil den Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung konterkarieren, die auf diesen Netzvorrang angewiesen ist. So hätten Sie dann dauerhaft die 8 500 Millionen Tonnen CO2 in der Atmosphäre, die das Kraftwerk unter Volllast emittiert. Das ist die Wahrheit zum Thema CO2.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Michael Kruse FDP)

Da nun zu versuchen, den Wärmeanteil herauszurechnen, wie es die FDP will, ist schlicht und ergreifend irreführend. Wenn das Kraftwerk dagegen nur zur Stromproduktion eingesetzt wird und den Einspeisevorrang für die Erneuerbaren beachtet, dann kommen wir tatsächlich zu einer echten Einsparung von Treibhausgasen. Das hat übrigens auch Professor Schäfers in der Expertenanhörung deutlich erläutert; das war auch gut verständlich. Aber warum erzählen Sie dann hier immer wieder so etwas Falsches?

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Stephan Jersch DIE LINKE – Michael Kruse FDP: Ihr Experte hatte nicht einmal Zugang zu den Unterlagen. Das hat er mir übrigens auch erzählt!)

Ja. Dafür braucht man nicht einmal die detaillierten Unterlagen, das kann man einfach mit dem Rechenschieber ausrechnen, die Daten sind bekannt.

Ja, wir werden Wedel so schnell wie möglich vom Netz nehmen, wahrscheinlich etwas später als ursprünglich geplant.