Protokoll der Sitzung vom 13.12.2018

Es wird mir hin und wieder vorgeworfen, dass ich an dieser Stelle besonders intensiv arbeite. Frau Boeddinghaus hat davon gesprochen, ich würde den Schulen ins Handwerk greifen und ihre Selbstverantwortung beschneiden.

(Michael Kruse FDP: Nein, dass Sie die No- ten hochziehen, das ist der Vorwurf!)

Aber, meine Damen und Herren, es darf uns in diesem Haus nicht unberührt lassen, das 20 Prozent der Grundschüler am Ende der Grundschulzeit in Deutschland so schlecht lesen können, dass sie an dieser Stelle, Ende Klasse 4, eigentlich schon die gesamte Bildungsperspektive verspielt haben und kaum noch eine Chance haben, Philosophie, Musik, Pädagogik, Psychologie oder was auch immer noch zu lernen. Wir müssen bei den Kernkompetenzen kraftvoller auf den Weg gehen. Und genau dafür steht dieser Senat. Das halte ich für ganz wichtig, wenn es um die Gleichberechtigung und die Chancengleichheit in dieser Stadt geht.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP)

Und wir tun das durchaus mit besonderer Konzentration auf Schüler und Schulen in sozial benachteiligter Lage. Ich will ein paar Punkte nennen. Die Personalressourcen werden bei uns tatsächlich nach sozialer Lage verteilt. Das gibt es in keinem anderen Bundesland. Wir haben mehr Lehrkräfte für kleinere Schulklassen, mehr für Sprachförderung, mehr für die Inklusion. Wir haben Förderprogramme wie D23. Alles an diesen Schulen. Das Ergebnis können Sie sich anschauen: Eine durchschnittliche Stadtteilschule hat bei gleicher Schülerzahl

(Senator Ties Rabe)

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das haben Sie doch gar nicht einge- führt, Herr Rabe! Schmücken Sie sich nicht mit fremden Federn!)

40 Prozent mehr Lehrkräfte als ein durchschnittlich genauso großes Gymnasium. Eine Grundschule in sozial benachteiligter Lage hat sogar 50 Prozent mehr Pädagogen als eine andere Grundschule. Das, meine Damen und Herren, ist der erste Ansatz, um hier die soziale Gerechtigkeit im Bildungssystem durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir müssen dabei einen langen Weg gehen, das gebe ich jedem zu.

(Zuruf: Ist ja nett!)

Und da sind wir noch nicht am Ziel. Aber so zu tun, als ob wir keine Erfolge erzielt hätten, das ist dann doch ein bisschen doll. Deswegen will ich einmal daran erinnern: Bis zum Jahr 2010 und 2011 hat Hamburg in sämtlichen Lernstandsuntersuchungen, egal, welche es waren, IGLU, TIMSS, PISA, IQB-Studien der Kultusministerkonferenz, bewegungslos auf den letzten drei Plätzen gestanden. Bis zum Jahr 2010/2011. Die letzten Studien aus 2015 und 2016

(André Trepoll CDU: Was war denn da los? – Zurufe)

haben sehr klar nachgewiesen, dass wir uns in allen Fächern, auch in dem kritisierten Fach Mathematik, in allen Fächern und allen Klassenstufen so bemerkenswert nach vorn bewegt haben, dass wir heute Besuch bekommen aus anderen Bundesländern, die wissen wollen, wie man das macht. Also, hier ist etwas in Bewegung gekommen. Die Bewegung muss weitergeführt werden. Aber so zu tun, als ob nichts da wäre, das ist dann doch ein bisschen doll. Wir sind auf einem guten Weg in Hamburg.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Aber wir müssen noch weiter vorangehen. Und wenn wir das tun, das sage ich hier ausdrücklich, spielt eine Rolle viel Geld und viel Personal. Es spielt eine Rolle, dass wir gute Konzepte haben, gerade beim Lesenlernen, beim Schreibenlernen und bei Mathematik. Auch das ist wichtig, da brauchen wir guten Unterricht.

Aber an einen Punkt will ich auch erinnern: Dieser Erfolg ist nicht ausschließlich der Erfolg meiner Regierungszeit,

(Dennis Thering CDU: Nicht Ihres Senats!)

sondern auch ein Erfolg Ihrer Regierung insofern, als wir uns am Ausgangspunkt 2010 verständigt haben, die leidige Schulformdebatte, die Hamburg jahrzehntelang gelähmt hat, endlich abzuschließen, um den Schulen Kraft und Raum zu geben,

(Dennis Thering CDU: Mit mangelndem Er- folg!)

sich auf das zu konzentrieren, was Schülern nutzt, nämlich die Unterrichtsverbesserung, den besseren Unterricht in vielen anderen Bereichen schrittweise auszubauen. Deswegen sage ich hier sehr klar: Grundlage dafür und auch für weitere Lernerfolge ist der Hamburger Schulfrieden. Und hier möchte ich gerade auch an die Opposition einen Appell richten. Die SPD hat 2010 in der Opposition den Schulfrieden abgeschlossen, und auch wir haben darüber diskutiert, ob das wohl wahltaktisch eine kluge Idee ist.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Ist es nicht!)

Ich sage Ihnen ganz offen: Der Wähler hat die Antwort gegeben.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wählerin!)

Nach 2010 hat es der SPD keineswegs geschadet, hier mit der Regierung zusammen eine Vereinbarung getroffen zu haben, sondern im Gegenteil haben die Wählerinnen und Wähler das honoriert. Sie honorieren es sehr wohl, wenn Politiker ernsthaft an der Sache arbeiten und ihnen die gute Lösung wichtiger ist als ein wahltaktischer Erfolg. Und deswegen sage ich hier ausdrücklich: Wir haben vor zehn Jahren erst nach einem schmerzhaften Prozess zusammengefunden. Heute sollten wir klüger sein und es nicht wieder so weit kommen lassen.

Schulkämpfe schaden denen, die unsere Unterstützung am dringendsten brauchen. Für Kinder, denen die Eltern zu Hause viel Liebe, aber nur wenig Rückenwind in der Bildung geben können, ist eine gute Schule die eine große Chance für ein gutes Leben. Deswegen sage ich hier sehr deutlich: Wir sind bereit, freundlich auf die Anliegen der Opposition einzugehen, wenn es darum geht, gemeinsam den Schulfrieden zu verlängern. Denken wir daran: Die Zukunft dieser – aller – Kinder ist auch unsere Zukunft. Das sollte unser Handeln bestimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Wort bekommt noch einmal Frau Boeddinghaus für die Fraktion DIE LINKE.

(Zurufe)

Sonst kann ich heute Abend nicht einschlafen, wenn ich nicht noch ein paar Sachen gesagt habe.

Erst einmal möchte ich den Herrn Senator sehr herzlich bitten nach seinem mit Verve vorgetragenen Argument, er habe die Personalsituation so deutlich aufwachsen lassen, dass sie sogar die

(Senator Ties Rabe)

Quantität toppe und der Qualität mehr Raum gebe: Dann kommen Sie nach vorn, Herr Senator, und sagen Sie uns zu, dass Sie endlich das Lehrerarbeitszeitmodell in Angriff nehmen und eine wirklich echte Bedarfsermittlung vor Ort in den Schulen machen. Und wenn wir das gemacht haben, ziehen wir einen Strich darunter, und dann gucken wir einmal, ob die Stellen noch reichen. Davor haben Sie Angst.

(Beifall bei der LINKEN und bei Thomas Kreuzmann und Birgit Stöver, beide CDU)

Zweitens: Natürlich lässt es niemand in diesem Haus unberührt, wenn Kinder nicht Lesen lernen in der Zeit, in der es eigentlich vorgesehen ist in der Grundschule. Das ist doch vollkommen klar. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass mehr vom selben hilft, darüber, finde ich, ist wirklich zu debattieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Und das ist eine zutiefst pädagogische Frage. Ich sage Ihnen, wenn ich in Grundschulen unterwegs bin, dann höre ich, das liege eben gerade daran, weil der Ganztag so chaotisch ist, weil so wenig Zeit ist, weil so viel Hektik ist, weil die Räume fehlen, weil die Kinder wenig Bindung haben und wenig Zeit.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch mor- gens, das ist doch gar nicht nachmittags!)

Das ist so. Von daher geht es nicht darum, immer zu sagen, noch mehr Mathe, noch mehr Stoff, und das bulimische Lernen zu unterstützen, sondern wir müssen uns die Ausstattung in den Schulen anschauen. Wir brauchen eine echte Ganztagsschule, nicht das GBS-Modell, das ein Sparmodell ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Dritter Punkt: die D23-Schulen. Sie loben sich immer dafür, dass Sie so viel täten für die Schulen, die in sozial belasteten Stadtteilen liegen. Diese ganzen Mittel, die in die D23-Schulen gegangen sind, sind quersubventioniert worden. Die Gymnasialschulleitungen schreiben, ein Umschichten innerhalb des bestehenden Systems sei nicht mehr vertretbar. Sie mussten Gelder abgeben und das ist nicht zu vertreten; es ist nichts zusätzlich dazugekommen. Die Maßnahmen für D23 sind ein Flickenteppich und führen längst nicht zu den Ergebnissen. – Tschüss.

(Beifall bei der LINKEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen, meine Damen und Herren? – Wenn das nicht so ist, können wir zu den Abstimmungen dieses Einzelplans kommen und starten mit den Fraktionsanträgen.

Wir beginnen mit dem ersten Antrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 21/15193.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Haushaltsplan-Entwurf 2019/2020, Einzelplan 3.1, Aufgabenbereich 241 (staatliche Schulen) Schulische Bildung stärken – die Zukunft der jungen Hamburger/-innen sichern – Drs 21/15193 –]

Wer möchte diesen Antrag annehmen? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist er abgelehnt.

Der zweite Antrag der LINKEN Fraktion, Drucksache 21/15195.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Haushaltsplan-Entwurf 2019/2020, Einzelpläne 3.1. und 4 Armut von Kindern bekämpfen – Bundesteilhabepaket aufstocken und ein beitragsfreies Frühstück in der Kita und der Grundschule einführen Aufgabenbereich EP 3.1. PG 240.01 und EP 4 PG 253.02 und 254.06 – Drs 21/15195 –]

Wer möchte dieser Drucksache seine Zustimmung geben? – Auch hier die Gegenprobe. – Und die Enthaltungen? – Dann ist auch dieser Antrag abgelehnt.

Wir kommen zu den CDU-Anträgen und starten mit dem aus Drucksache 21/15231.

[Antrag der CDU-Fraktion: Haushaltsplan-Entwurf 2019/2020, Einzelplan 3.1 Behörde für Schule und Berufsbildung, Aufgabenbereich 241 Staatliche Schulen, Produktgruppe 241.02 Sonderpädagog. Unterstzg. u. Beratung Fachkräfte für Sozialpädagogik der Beratungsabteilungen der ReBBZ stärken – Besoldung auf E 11 anheben – Drs 21/15231 –]