Protokoll der Sitzung vom 16.01.2019

Wiederum seitens der FDP liegt nun ein Antrag auf Überweisung an den Innenausschuss vor.

Wer möchte also diesem Überweisungsbegehren folgen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch dieses Überweisungsbegehren ist abgelehnt worden.

Mir ist mitgeteilt worden, dass aus den Reihen der FDP-Fraktion gemäß Paragraf 26 Absatz 6 unserer Geschäftsordnung das Wort begehrt wird. – Herr Jarchow, Sie haben es für maximal drei Minuten.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte auf diesem Wege der Geschäftsordnung mich noch einmal kurz zu Wort melden, um einige Anmerkungen zu unserem Antrag zum Einsatz biometrischer Gesichtserkennung zu machen. Während der Senat gegenüber dem Datenschutzbeauftragten sowie gegenüber der Öffentlichkeit immer wieder die enorme Wichtigkeit dieses Instruments der Gesichtserkennungstechnik betont, scheint das Thema den Regierungsfraktionen offenbar nicht ganz so wichtig zu sein, genauso wenig wie die damit verbundenen Grundrechtsfragen.

Wenn Sie gleich unseren Antrag ablehnen – Sie haben ihn bereits abgelehnt – und sich in der Koalition nicht einmal auf eine Ausschussüberweisung einigen konnten, erweisen Sie aber auch den angeblich so dringend auf dieses Instrument angewiesenen Behörden einen Bärendienst.

Die Polizei braucht für valides Handeln möglichst bald und möglichst viel Rechtssicherheit und keinen Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang.

(Ekkehard Wysocki SPD: Die gibt es!)

Wenn Beamte Monate oder länger mit der Erhebung und Verarbeitung von Daten beschäftigt sind, erscheint es unzumutbar und der Motivation schädlich, wenn diese sich später in der Strafverfolgung als nicht verwertbar erweisen oder wegen ungeregelter Verfahren die geleistete Arbeit irgendwann gegebenenfalls ganz gelöscht werden muss. Anklagebehörden benötigen auf klarer Rechtslage gewonnene Beweismittel, die für eine Anklage und für Nachweise im Strafprozess auch valide verwertbar sind.

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

Gerichte wiederum können Verfahren nur dann zügig und bestandskräftig bewältigen, wenn diese nicht von diffizilen Rechtsfragen um die Zulässigkeit der Beweismittelerhebung belastet werden. Wenn schon die Exekutive nur mit Zweckoptimismus auf den Rechtsstreit setzt, sollte wenigstens das Parlament vorausschauend tätig werden, um eine produktive Klärung von Grundrechtskonflikten durch Gesetzgebung zu betreiben. Leider haben es Hamburg, aber auch die Bundesregierung und

(Vizepräsidentin Christiane Schneider)

der Bundestag in der Zeit vor G20 versäumt, die Schaffung valider Rechtsrahmen für den Einsatz technischer Innovationen vorausschauend zu prüfen und gegebenenfalls auch umzusetzen. Die Notwendigkeit für dezidierte Rechtsrahmen und Ermächtigungsgrundlagen bei Eingriffen in das Grundrecht der informellen Selbstbestimmung hätte spätestens nach den grundsätzlichen Ausführungen im BKA-Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch außerhalb der FDP erkennbar sein können.

Da hier von der Bundesregierung wohl bis auf Weiteres wenig zu erwarten ist, sollte eine Initiative hier wohl zwingend von der Länderebene ausgehen. Mit unserem Antrag wollten wir einen konstruktiven Anstoß für eine Regelung geben, da wir weder den Einsatz innovativer Technologien zur besseren Gefahrenabwehr in der Strafverfolgung per se ablehnen noch als Parlamentsfraktion den Schutz der Grundrechte allein der Judikative überlassen wollen. Bedauerlicherweise scheint die rotgrüne Koalition bereits über ein Jahr vor der nächsten Bürgerschaftswahl nicht nur nicht mehr über genügend Gemeinsamkeiten zu verfügen, um im Parlament für konstruktive Politik bei wichtigen Fragen der Rechtsstaatlichkeit mitzuarbeiten,

(Beifall bei der FDP)

sondern verfährt nach dem Motto: Warten wir mal ab, was die gerichtliche Auseinandersetzung bringt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Tabbert bekommt das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Werter Kollege Jarchow, keine Sorge, unter Rot-Grün besteht Einigkeit, jedenfalls insoweit, als dass wir im Moment keine Notwendigkeit für Ihren Antrag sehen. Das hat jetzt auch nichts mit irgendwie parlamentarischer Schüchternheit oder Zurückhaltung zu tun. Klar, man kann einerseits mit der Polizei oder, wie ich heute der Zeitung entnommen habe, mit dem Generalstaatsanwalt der Meinung sein – und dafür spricht eine Menge, diese Meinung wurde auch im Innenausschuss vorgetragen –, dass wir eine hinreichende Rechtsgrundlage haben, die wir im Übrigen hier in Hamburg gar nicht schaffen können, denn Sie wissen auch, dass es sich hier um die Strafprozessordnung handelt, die Bundesrecht ist.

Man kann es natürlich auch wie der Hamburgische Datenschutzbeauftragte kritisch sehen. Die Tatsache, dass er diese Anordnung erlassen hat und dass er es konnte, hat er uns zu verdanken, denn wir haben im Zuge der Umsetzung der JI-Richtlinie nicht zuletzt auf unsere Initiative hin – und ich glaube, Sie als FDP haben auch zugestimmt – die

Möglichkeit erst bekommen, diese Anordnung zu erlassen. Damals hatten wir auch überlegt: Was macht man denn, damit diese Konflikte aufgelöst werden können? Denn es wäre irgendwie komisch, wenn der Datenschutzbeauftragte über der Polizei oder über der Staatsanwaltschaft stünde. Insofern sind wir auf die Idee gekommen – und es war auch nicht so einfach, den Konflikt aufzulösen –, dass wir hier die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung schaffen. Da sind wir als Parlament doch relativ selbstbewusst gewesen und ich glaube, es wäre jetzt komisch, wenn wir als Landesgesetzgeber, als der wir diese Möglichkeit geschaffen haben, sagen würden: Wir sind jetzt aber doch klüger und würden diesen Konflikt lieber selbst auflösen, obwohl wir es gar nicht können, sondern wir fordern jetzt den Bundesgesetzgeber auf, das zu tun. Das macht für mich nicht so viel Sinn.

Wenn wir eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg haben, dann ist diese durchaus schwierige und anspruchsvolle Rechtslage, glaube ich, auch klarer zu bewerten. Ich kann mir, wie gesagt, gut vorstellen, dass die jetzigen Rechtsgrundlagen ausreichen. Wenn dem nicht so wäre, dann hätte man, glaube ich, auch eine höhere Rechtssicherheit, auf eine entsprechend gerichtsfeste Norm hinzuwirken, das heißt, dass eine solche gegebenenfalls dann auf Bundesebene erlassen wird. Von daher, glaube ich, sollten wir diesen Prozess, so wie er im Moment läuft, geduldig abwarten und ich bin guten Mutes, dass dabei auch etwas Vernünftiges herauskommt.

Im Übrigen, Herr Jarchow, erwecken Sie doch nicht den Eindruck – das vertreten doch nicht einmal Sie –,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das ist doch unser Antrag!)

dass das, was im Moment im Bereich der Gesichtserkennung passiert … Wollen Sie das infrage stellen?

(Carl-Edgar Jarchow FDP: Hab ich doch gar nicht! – Anna-Elisabeth von Treuenfels-Fro- wein FDP: Haben Sie zugehört?)

Wollen Sie, dass das, was die Polizei bisher gemacht hat, wieder rückgängig gemacht werden soll? Unterstützen Sie den Datenschutzbeauftragten in der Hinsicht? Das wollen wir doch nicht. Wir wollen doch, dass die Polizei hier effizient arbeiten kann. Selbst wenn jetzt auf Bundesebene noch ein Gesetzgebungsverfahren anlaufen würde, würde das doch für dieses Verfahren, das hier Aufhänger wäre, nichts ändern. Das wollen doch nicht einmal Sie. Insofern, glaube ich, können wir hier entspannt sein.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

(Carl-Edgar Jarchow)

Herr Seelmaecker bekommt das Wort für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da muss ich dem Kollegen Tabbert recht geben: Wir haben eine Rechtsgrundlage, die aus unserer Sicht ausreicht, und insofern stellt sich eher die Frage: Brauchen wir eine möglicherweise überflüssige Rechtsgrundlage, die wir zusätzlich schaffen, oder können wir mit der Rechtsgrundlage, die schon besteht, ausreichend arbeiten? Wir sind der Auffassung, dass das als Generalklausel ausreichend ist und es auch viele gute Argumente gibt, warum das so ist. Denn auch im Rahmen der EU-Datenschutz-Grundverordnung und der Änderungen der EU-datenschutzrechtlichen Regelungen wurde ausdrücklich auf mehrere dieser Tatbestände, über die wir hier sprechen, Bezug genommen. Das heißt, auch die Rechtsetzung aus europäischer Sicht hat dieses Problem gesehen und offenbar gesagt, es reiche aus, was die Länder dann bereichsspezifisch haben. Bislang ist unsere Generalklausel auch unter EU-datenschutzrechtlichen Regelungen nicht angezweifelt worden. Insofern sehen wir als CDU es auch als richtig an, wie die Polizei hier handelt, dass die Datenverarbeitung insofern in Ordnung ist. Sollte es wider Erwarten am Ende vom Gericht anders gesehen werden – und Gerichte sind dafür da, dass sie das überprüfen –, dann würden wir natürlich nachsteuern. Aber wir wollen vermeiden, eine überflüssige zusätzliche Spezialklausel in die Welt zu setzen und dadurch ein überflüssiges Gesetz zu machen. – Danke sehr.

(Beifall bei der CDU)

Für die GRÜNE Fraktion bekommt Frau Möller das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Man sieht schon an diesen Redebeiträgen, dass es sehr wohl republikweit, nicht nur in Hamburg, eine politische Debatte zu dem Einsatz der biometrischen Software für die Gesichtserkennung gibt. Diese politische Debatte muss einerseits geführt werden, andererseits ist auch das, was Herr Tabbert gesagt hat, natürlich zutreffend. Wir haben hier einen unabhängigen Datenschutzbeauftragten. Er hat eine Verfügung erlassen. Die Behörde hat sich entschieden, dieser Verfügung nicht zu folgen. Das wird zu einer gerichtlichen Klärung führen. Deshalb macht der Antrag mit der Formulierung, so wie Sie, Herr Jarchow, sie im Antrag gewählt haben, jetzt hier und heute keinen Sinn. Denn der Weg, dieses gerichtliche Verfahren zu gehen, ist eingeschlagen worden; den teilen wir auch politisch. Jetzt auszuscheren und zu sagen, wir machen praktisch parallel eine Initiative in Richtung Bund, halte ich für sinnlos. Aber darüber hinaus muss klar sein, dass nicht nur bei uns, son

dern in allen Bundesländern, in denen gerade das SOG, die Polizeigesetze erneuert werden, genau diese Debatte stattfindet. Und die Debatte geht sehr wohl – das sieht man auch schon hier an unseren Beiträgen – nicht um den Grundsatz, ob man überhaupt Gesichtserkennungs-Software anwenden dürfe oder nicht, sondern die Frage ist, wie weitgehend, für welche Einsatzzwecke, für welche Situationen. Und das ist und bleibt eine politische Debatte. Reicht die Generalklausel oder reicht sie nicht, braucht man spezielle Gesetze dazu? Das werden wir weiter diskutieren, aber für das in Hamburg begonnene Verfahren ist der Antrag nicht hilfreich. Deswegen wird er nicht überwiesen und deshalb wird er abgelehnt. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die unterschiedlichen Einschätzungen der politischen Parteien in den Bundesländern selbstverständlich weiterhin zu dieser Diskussion führen werden. Das finde ich gut und richtig, und die werden wir uns hier auch nicht ersparen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Dolzer hat das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte anfangen mit einem Zitat aus einem Artikel vom 15. Dezember 2009, veröffentlicht durch die Bundeszentrale für politische Bildung unter dem Begriff "Grundrechte" – Zitat –:

"Viele betrachten die Grundrechte als etwas Selbstverständliches, das ihre persönliche Sphäre kaum berührt. Wie die geschichtliche Erfahrung zeigt, sind sie keineswegs selbstverständlich gewährleistet und sie beeinflussen den Alltag des Einzelnen und das Zusammenleben aller in Staat und Gesellschaft. Grundrechte schützen den Freiheitsraum des Einzelnen vor Übergriffen der öffentlichen Gewalt, es sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Zugleich sind sie die Grundlage der Wertordnung der Bundesrepublik Deutschland, sie gehören zum Kern der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und des Grundgesetzes."

Zitatende.

Herr Caspar kritisiert zu Recht, dass es ein nicht hinnehmbarer Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist, wenn die Sicherheitsbehörden unterschieds- und anlasslos Menschen in einem biometrischen Verfahren erfassen, mit dem sich Verhalten, Bewegungsmuster und soziale Kontakte über ein zeitlich und örtlich nicht eingegrenztes Fenster rekonstruieren lassen. Unter diesen in den Datenbanken erfassten Menschen sind unzählige Betroffene, die zu keinem Zeitpunkt einer Straftat verdächtig waren. Eine derartige An

sammlung von Daten hat nichts mit effizienter Strafverfolgung zu tun. Sie ist unverhältnismäßig und Ausdruck einer bedenklichen Entwicklung hin zu einem Überwachungsstaat.

Das sollten wir so nicht hinnehmen und deshalb finde ich den Ansatz der FDP richtig, zu sagen – und das hat Herr Caspar schon im Jahr 2017 dem "Handelsblatt" gegenüber gesagt –, es sei bedenklich, dass immer mehr biometrische Verfahren angewendet werden, ohne dass überhaupt der Gesetzgeber in irgendeiner Form einen Rahmen dafür ausgestaltet hat. Das ist ein Punkt, bei dem Herr Jarchow und die FDP-Fraktion recht haben. Als Links-Fraktion haben wir allerdings ein bisschen eine andere Herangehensweise. Wir sehen hier eine Konfliktlösung und Konfliktheilung in der Prävention und in der Kommunikation statt in repressiven Ansätzen. Deshalb stimmen wir mit dem Datenschutzbeauftragten grundsätzlich überein. Darüber hinaus finden wir die in der Öffentlichkeitsfahndung angewandte biometrische Gesichtserkennung so nicht verhältnismäßig. Aber es wäre ein erster Schritt, sich darüber in den Ausschüssen ausführlich auseinanderzusetzen, um das dann entsprechend weiterzuentwickeln. Ich finde es sehr schade, dass die Regierungskoalition das nicht zulässt. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann können wir zur Abstimmung kommen.

Ich frage Sie, wer den FDP-Antrag annehmen möchte. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag abgelehnt.

Punkt 53, Antrag der AfD-Fraktion: Ärzte aus Drittstaaten: Erteilung einer Approbation nur nach erfolgreicher Teilnahme am medizinischen Staatsexamen im 2. und 3. Abschnitt der "Ärztlichen Prüfung".

[Antrag der AfD-Fraktion: Ärzte aus Drittstaaten: Erteilung einer Approbation nur nach erfolgreicher Teilnahme am medizinischen Staatsexamen im 2. und 3. Abschnitt der "Ärztlichen Prüfung" – Drs 21/15583 –]

Die AfD möchte die Drucksache an den Gesundheitsausschuss überweisen.

Wer möchte so verfahren? – Wer nicht? – Enthaltungen? – Dann ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.

Wir stimmen in der Sache ab.

Wer möchte dem Antrag seine Zustimmung geben? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag abgelehnt.